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Schön ist Bergmannsleben? - Institut 13: Ethnomusikologie ...

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erwacht. Die Überlebenden aber kehrten in die Welt zurück: belehrt von Wirklichkeit, fiebernd,<br />

sie umzustürzen.“ 101<br />

Der ostinate Rhythmus entspricht dem Sprachrhythmus der Parole „Ho – Ho – Ho Chi<br />

Minh“, die auf den Anti-Vietnamkriegsdemonstrationen skandiert wurde, er symbolisiert<br />

die Parole. 102 Äußerungen Henzes legen die Annahme nahe, dass er im Finale des<br />

Oratoriums einen das Publikum agitierenden Charakter, ein Durchbrechen der „vierten<br />

Wand“ bewusst intendiert hat. 103 Der Rhythmus würde demnach die Funktion der Informationsvermittlung<br />

und der Handlungssteuerung erfüllen. Er stellt einerseits eine positive<br />

Stellungsnahme zum Kampf des Vietcong – stellvertretend für einen internationalen<br />

und zeitenübergreifenden Kampf um Befreiung aus Unterdrückungsverhältnissen –<br />

dar, andererseits fordert er das Publikum zum Skandieren auf und diesen Kampf zu befürworten.<br />

Schließlich muss noch einmal betont werden, dass der Rhythmus seine ideologische<br />

Bedeutung erst aus dem inhaltlichen Kontext des Werkes und aus dem h<strong>ist</strong>orischen<br />

Kontext der Entstehung des Werkes erhält. Nicht jedes Werk, wahrscheinlich die<br />

wenigsten, in dem ein Rhythmus in den entsprechenden Proportionen auftaucht, nimmt<br />

Bezug auf die Parole „Ho – Ho – Ho Chi Minh“.<br />

Grundsätzlich kann jede normative, ästhetische Lehre als plurifunktionales Führungssystem<br />

angesehen und analysiert werden. Eine solche ästhetische Lehre informiert über<br />

das <strong>Schön</strong>e und das Hässliche, sie gibt Kriterien dafür, was als Kunst aufzufassen <strong>ist</strong><br />

und was nicht usw. Mit einer Poiesis liefert sie Handlungsanweisungen für die künstlerische<br />

Produktion. Bei der emotionalen Auseinandersetzung mit der Realität kann eine<br />

ästhetische Lehre vor allem dann helfen, wenn sie den Vorrang der ihren Kriterien entsprechenden<br />

Kunst legitimiert und somit alle ihre Gegner und Kritiker als unkünstlerisch<br />

brandmarkt. In besonders perfider Weise wurde diese Trostfunktion ästhetischer<br />

Ideologien von Richard Wagner vorgeführt, wenn er in seinem Pamphlet „Das Judentum<br />

in der Musik“ (vor allem in den Ergänzungen zur zweiten Fassung von 1869) seine<br />

musikalischen Misserfolge durch Intrigen eines unmusikalischen, internationalen Juden-<br />

101 Hans Werner Henze, Das Floß der Medusa. Oratorio volgare e militare in due parti (= Musik des 20.<br />

Jahrhunderts), Text von Ernst Schnabel, Studienpartitur, Mainz-London-New York o. J.: Schott (Ed.<br />

6326), T. 15-32 nach Ziffer 25.<br />

102 Vgl. Petersen 2005:321.<br />

103 Vgl. Petersen 2005:321.<br />

32

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