Schön ist Bergmannsleben? - Institut 13: Ethnomusikologie ...
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UG<br />
Deckblatt einer<br />
wissenschaftlichen Bachelorarbeit<br />
Vor- und Familienname<br />
Malik Sharif<br />
Studienrichtung<br />
Musikologie<br />
Matrikelnummer<br />
0612466<br />
Studienkennzahl<br />
B 033 636<br />
Thema der Arbeit:<br />
<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>?<br />
Ideologie im Bergmannslied – Bergmannslied in der Ideologie.<br />
Fallbeispiele aus der Region Eisenerz<br />
Angefertigt in der Lehrveranstaltung: SE H<strong>ist</strong>orische Quellen der <strong>Ethnomusikologie</strong>,<br />
Wintersemester 08/09<br />
Vorgelegt am: 9. Oktober 2009<br />
Beurteilt durch: Mag.art. Mag.phil. Dr.phil. Priv.Doz. Helmut Brenner
Inhaltsverzeichnis<br />
1. Einleitung ..................................................................................................................... 3<br />
1.1. Der ideale Bergmann............................................................................................. 5<br />
1.2. Gegenstand und Methode .................................................................................... 10<br />
2. Theoretische Überlegungen........................................................................................ <strong>13</strong><br />
2.1. Terminologie ....................................................................................................... <strong>13</strong><br />
2.1.1. Bergmannslied.............................................................................................. <strong>13</strong><br />
2.1.2. Ideologie ....................................................................................................... 17<br />
2.2. Musik und Ideologie............................................................................................ 24<br />
2.2.1. Ideologie in der Musik.................................................................................. 27<br />
2.2.2. Musik in der Ideologie.................................................................................. 34<br />
3. Ideologie in Bergmannsliedern................................................................................... 35<br />
3.1. Der Eisenerzer Bergreihen................................................................................... 35<br />
3.2. „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“ .............................................................................. 47<br />
3.3. „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“ ........................................................... 61<br />
3.4. „Gott gehört allein die Ehre“ und „Früh muß der Knapp aufstehn“................. 77<br />
4. Bergmannslieder im ideologisch geprägten Kontext ................................................. 83<br />
5. Abschließende Worte ................................................................................................. 90<br />
6. Wissenschaftlicher Apparat........................................................................................ 93<br />
6.1. Nachweis der Notenbeispiele .............................................................................. 93<br />
6.2. Primärquellen ...................................................................................................... 93<br />
6.3. Literaturverzeichnis............................................................................................. 93<br />
6.4. Internetquellen................................................................................................... 102<br />
6.6. AV-Medien........................................................................................................ 103<br />
6.7. Verwendete Bibliotheken und Archive ............................................................. 103<br />
6.8. Gewährspersonen............................................................................................... 103<br />
6.9. Verwendete Abkürzungen ................................................................................. 104<br />
6.10. Beigefügte CD ................................................................................................. 104<br />
6.11. Alphabetischer Index....................................................................................... 105<br />
2
1. Einleitung<br />
„‚<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>,<br />
Herrlich <strong>ist</strong> sein Lohn!’,<br />
Hat man vorgesungen<br />
Euch seit Jahren schon.<br />
Dennoch gibt es Knappen,<br />
´s <strong>ist</strong> ein seltsam Ding.<br />
Die da wirklich meinen,<br />
Daß der Lohn gering´.“ 1<br />
- Heinrich Kämpchen, „Undank“.<br />
Die Zeilen des Ruhrbergarbeiters, Sozialdemokraten und Dichters Heinrich Kämpchen<br />
(1847-1912), die dieser Arbeit vorangestellt sind, zielen auf eines ihrer Kernthemen: die<br />
häufige Diskrepanz zwischen der Darstellung der Bergleute sowie ihres Lebens in den<br />
Bergmannsliedern und der tatsächlichen Lebensrealität. Die vorliegende Arbeit versucht<br />
Ausmaß und Qualität dieser Diskrepanz, ferner normative Forderungen und Angebote<br />
zur emotionalen Auseinandersetzung mit der Umwelt, die in den Liedern kommuniziert<br />
werden, durch eine Analyse der maßgeblichen Ideologie zu erklären, welche die Entstehung<br />
der Lieder prägte und sich in ihnen manifestiert. Darüber hinaus soll die Verwendung<br />
solcher Bergmannslieder untersucht werden. Das Verhältnis von Ideologie und<br />
Bergmannsliedern wurde in der Forschung bis jetzt nicht systematisch betrachtet, mit<br />
dieser Arbeit soll ein erster Schritt zur Behebung dieses Mangels gemacht werden. Ideologie<br />
und Bergmannslied, die beiden zentralen Begriffe dieser Arbeit, sind keine „unschuldigen“,<br />
neutralen Begriffe. Neben einer Reihe denotativer Bedeutungen ziehen sie<br />
eine teilweise unüberschaubare Menge unterschiedlichster konnotativer Bedeutungen<br />
nach sich, und es gibt sicherlich Menschen, die Bergmannslieder nicht in Zusammenhang<br />
mit Ideologien gebracht sehen wollen. Dies fordert ein behutsames Vorgehen. Bevor<br />
Forschungsgegenstand, Erkenntnisziel und Methode dieser Arbeit genauer dargelegt<br />
werden, soll daher, quasi als Hinführung, das kulturell konstruierte „Image“ des Bergmanns<br />
2 und seiner Arbeit, anhand einiger Beispiele, untersucht werden. Damit soll ge-<br />
1 Heinrich Kämpchen, Das Lied des Ruhrkumpels, hg. von Waltraut Seifert und Erhard Scherner, Berlin<br />
o. J.: Verlag des Min<strong>ist</strong>eriums für Nationale Verteidigung, 90.<br />
2 Wenn in dieser Arbeit ausschließlich von Bergmännern und nie von Bergfrauen die Rede <strong>ist</strong>, so <strong>ist</strong> dies<br />
nicht einem unreflektierten Sprachgebrauch geschuldet, der den weiblichen Teil der Bergleute verleugnet.<br />
Frauen- und auch Kinderarbeit war in der Geschichte des Bergbaus durchaus üblich. Das soziokulturell<br />
konstruierte Bild der im Bergbau Tätigen <strong>ist</strong> jedoch männlich codiert. Dieses Bild <strong>ist</strong> Teil des Gegenstandes<br />
der vorliegenden Untersuchung. Da diese Arbeit an empirisch vorfindbare Phänomene der Kultur ge-<br />
3
zeigt werden, warum eine gesellschafts- und kulturwissenschaftliche Untersuchung von<br />
Bergmannsliedern unter dem Aspekt der Ideologie sinnvoll und angebracht scheint. Anschließend<br />
wird eine Klärung und Definition der zentralen Begriffe „Bergmannslied“<br />
und „Ideologie“ durchgeführt, und es werden Überlegungen zum Verhältnis von Ideologie<br />
und Musik im allgemeinen getroffen. Auf Basis dieser theoretischen Überlegungen<br />
sollen dann zum einen Bergmannslieder hinsichtlich ideologischer Inhalte, zum anderen<br />
die Verwendung von Bergmannsliedern im ideologisch geprägten Kontext analysiert<br />
werden.<br />
Zuallererst sei aber jenen Menschen gedankt, ohne deren Unterstützung und Hilfe die<br />
vorliegende Arbeit nicht hätte entstehen können:<br />
Helmut Brenner<br />
Lisa Falk<br />
Gerlinde Fahrleitner<br />
Sieglinde Fahrleitner<br />
Daniel Fuchsberger<br />
Rudolf Gstättner<br />
Sigrid Günther<br />
Karl Heiml<br />
Franz Huber<br />
Sonja Kerschbaumsteiner<br />
Erika Klapf<br />
Manfred König<br />
Johann Lesky<br />
Barbara Lödl<br />
Carolin Muhry<br />
Babak Nikzat<br />
Daniela Oberndorfer<br />
bunden <strong>ist</strong>, muss der Begriff der „Bergfrau“ als gegenstandslos angesehen werden, denn in den zur Analyse<br />
herangezogenen Texten wird ausschließlich der Begriff „Bergmann“ verwendet. Zur Frauen- und<br />
Kinderarbeit im Bergbau vgl. Gerhard Heilfurth, Der Bergbau und seine Kultur. Eine Welt zwischen<br />
Dunkel und Licht, Zürich 1981: Atlantis, 87-88. Zur Frauen- und Kinderarbeit am steirischen Erzberg:<br />
vgl. Konrad Zapf, Die soziale Lage der Eisenerzer Berg- und Hüttenarbeiter der Innerberger Hauptgewerkschaft<br />
im 19. Jahrhundert, Diss. phil. Karl-Franzens-Universität Graz o. J., 144-146.<br />
4
Lukas Proyer<br />
Sarah Schöberl<br />
Jonas Traudes<br />
Hubert Wendner<br />
Florian Wimmer<br />
Margarethe Wolf<br />
Johanna Ziemann<br />
Dank gilt ebenso allen hier nicht namentlich erwähnten Menschen, die durch unterschiedlichste<br />
Beiträge – Hinweise, Kritik, moralische Unterstützung und vieles mehr –<br />
zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben.<br />
1.1. Der ideale Bergmann<br />
Was sind Charakter, Wesen und Eigenschaften des Bergmanns?<br />
„Die Art und Weise der Beschäftigung, die ständige Gefahr, in der ein Bergmann schwebt, haben<br />
ihn me<strong>ist</strong> zu einem ernsten und stillen Menschen gemacht. Zähe hängt auch heute noch der<br />
Bergmann an alten Gewohnheiten und altem Brauchtum, mutig <strong>ist</strong> er und ausdauernd, wenn es<br />
gilt einer Gefahr entgegenzutreten oder Kameraden, die sich in Grubennot befinden, zu retten.<br />
Alle diese Eigenschaften besitzt der steirische Bergmann in hohem Maße.“ 3<br />
„Die Berg- und Hüttenleute der Steiermark, Arbeiter, Steiger, Me<strong>ist</strong>er und Ingenieure, dazu die<br />
von der Feder, sie stellen – dies darf ohne Überheblichkeit zusammenfassend gesagt werden –<br />
eine Summe technischer Intelligenz dar, basierend auf einer jahrhundertelangen beruflichen<br />
und technischen Erfahrung und Überlieferung, ein Kräftepotential, wie es nicht viele Gebiete<br />
der Erde in so geballter Form aufzuweisen haben. Sie setzen ihre Arbeitskraft und ihr Können<br />
jederzeit und mit Freude für ihr Vaterland Österreich ein. Das Land Steiermark kann auf seine<br />
Berg und Hüttenleute stolz sein.“ 4<br />
Mut, Furchtlosigkeit, Opferbereitschaft, Zähigkeit, Kameradschaft, Ernst, Traditionsbewusstsein,<br />
Brauchtumsverbundenheit und Vaterlandsliebe – in diesen beiden Zitaten<br />
des Bergbauingenieurs, Brauchtumspflegers und Volkskundlers Franz Kirnbauer, die<br />
sowohl hinsichtlich des Inhaltes als auch des Sprachduktus paradigmatisch sind, findet<br />
sich der Kernbestand von Eigenschaften, die seit spätestens dem 19. Jahrhundert und bis<br />
in die Gegenwart dem „Wesen des Bergmanns“ zugerechnet werden. 5 Zum Kanon der<br />
3 Franz Kirnbauer, Der steirische Bergmann (= Leobener Grüne Hefte 79), Wien 1964: Montan-Verlag,<br />
10.<br />
4 Kirnbauer 1964:47.<br />
5 Vgl. Stefan Riesenfellner, „Arbeitswelt und Literatur. Ein literarischer Spaziergang rund um den Erzberg“,<br />
Otto Hwaletz u.a., Bergmann oder Werkssoldat. Eisenerz als Fallbeispiel industrieller Politik. Dokumente<br />
und Analysen über die Österreichisch-Alpine Montangesellschaft in der Zwischenkriegszeit,<br />
Graz 1984: Edition Strahalm, 238-242,258-259.<br />
5
Bergmannstugenden, in den beiden Zitaten allerdings nicht erwähnt, zählen gemeinhin<br />
auch „ein tiefer, religiöser Sinn“ 6<br />
und, obgleich der Bergmann ernst <strong>ist</strong> und „kein<br />
Freund lärmender Vergnügungen“ 7 , „jene Heiterkeit [...], die jenen Menschen eigen <strong>ist</strong>,<br />
die Befriedigung in ihrem Berufe finden“ 8 . Als ein Beispiel dafür, dass sich Elemente<br />
dieses Bilds des Bergmanns auch in der Gegenwart finden lassen, kann ein Auszug aus<br />
Alfred Maiers Grußwort zum Ledersprung am 6.12.2008, bei der Barbarafeier in Eisenerz,<br />
zitiert werden:<br />
„Aber es <strong>ist</strong> ein Initialritus. Man wird aufgenommen in einen Kreis – und ich kann sagen in einen<br />
tollen Kreis, weil Bergmann <strong>ist</strong> wirklich ein Stand. Und wer immer einmal im Berg gearbeitet<br />
hat, der weiß: ein Bergmann <strong>ist</strong> etwas, worauf man sich hundertprozentig verlassen kann.<br />
So grauslich kann die Situation gar nicht sein, der steht immer, das heißt die beiden kommen in<br />
einen feinen Kreis. [...] Aber, äh, wie dem auch sei, ein alter Ritus, eine Aufnahme in einen<br />
Stand, äh, wir wissen, äh, dass es eine Besonderheit <strong>ist</strong>, dass wir überhaupt noch den einen o-<br />
der anderen Ritus pflegen. Und hier bei einer Barbarafeier kommt so ziemlich alles zusammen,<br />
was einem Bergmann wirklich taugt: die Barbara, Feiern, Bergmannslieder – Trinken auch<br />
womöglich was – und natürlich den Ledersprung.“ 9<br />
In diesem Zitat finden sich vor allem die Zähigkeit und der Mut, der Zusammenhalt, die<br />
Brauchtumsverbundenheit. Ebenso, aber weniger betont, wird die chr<strong>ist</strong>liche Religiosität<br />
angesprochen. Ob der Bergmann, in der Darstellung Maiers, tatsächlich lärmende<br />
Vergnügungen ablehnt, wie Kirnbauer es behauptet, lässt sich wohl anzweifeln.<br />
In poetisch gefasster Form finden sich diese Eigenschaftszuschreibungen auch in zahlreichen<br />
Bergmannsliedern. Hier sollen zunächst nur einige Beispiele gebracht werden:<br />
„Der Bergmannsstand sei hoch geehret,<br />
es lebe hoch der Bergmannsstand!<br />
Wenn er auch das Tageslicht entbehret,<br />
so tut ers doch fürs teure Vaterland.“ 10<br />
„Es gräbt der Bergmann in dem Schacht<br />
mit seiner kräftgen Hand<br />
an steiler Felsenwand,<br />
tief unten in der schwarzen Nacht.<br />
Und wenn er Erz zu Tage bringt,<br />
6 Franz Kirnbauer, „Der Bergmann“, Eduard Stepan (Hg.), Der Steirische Erzberg und seine Umgebung.<br />
Ein Heimatbuch (= Sonderheft der Zeitschrift „Deutsches Vaterland“), Bd. 2, Wien 1924: Verlag „Deutsches<br />
Vaterland“, 28.<br />
7 Kirnbauer 1924:28.<br />
8 Kirnbauer 1924:28.<br />
9 Ansprache von Dipl.Ing. Mag.iur. Dr.mont. Alfred Maier, Leiter der Sektion IV (Energie und Bergbau)<br />
im Bundesmin<strong>ist</strong>erium für Wirtschaft und Arbeit, 6.12.2008, bei der Barbarafeier in Eisenerz.<br />
10 Viktor Zack, Neun Bergmannslieder. Volkslieder für vierstimmigen Männerchor gesetzt, Graz 1931:<br />
Steirischer Sängerbund, 3-4.<br />
6
er fröhlich singt:<br />
Drum froh ans Werk mit lautem Schall!<br />
Glück auf, ihr Knappen all!“ 11<br />
„Und sollte einst im dunklen Schacht<br />
mein letztes Stündlein schlagen:<br />
Wir stehen ja in Gottes Macht,<br />
er läßt uns alles ertragen.<br />
Ade, mein Liebchen, weine nicht,<br />
den Tod nicht scheun, <strong>ist</strong> Bergmannspflicht.<br />
Wir fahren zum Himmel hinauf.<br />
Glück auf!“ 12<br />
Es soll hier nicht geleugnet werden, dass sich unter den Bergleuten mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />
mutige, ernste, patriotische, hilfs- und opferbereite Menschen finden, insbesondere<br />
der Zusammenhalt unter Tage wird von den Bergleuten selber immer wieder<br />
betont. <strong>13</strong> Moser und Graf kommen aufgrund ihrer Feldforschung in Eisenerz in den 90er<br />
Jahren zu der Ansicht, dass das Selbstbild der Bergleute von einer „Verherrlichung der<br />
Gefahr“ 14 geprägt <strong>ist</strong>, unter welcher der Abbau als „ewiger Kampf mit dem Berg“ 15<br />
wahrgenommen wird. Die Frage <strong>ist</strong> aber vielmehr, welcher Zweck mit dem Entwurf eines<br />
solchen Idealbildes des Bergmanns, eines essential<strong>ist</strong>ischen und zeitlosen Bergmanns-an-sich,<br />
eines Sollens in Gestalt von Seinsaussagen, verfolgt wird. Welche Eigenschaften<br />
werden den Bergleuten durch die Zuschreibungen implizit abgesprochen,<br />
was wird verschwiegen? Kontrastierend sollen folgende Darstellungen zitiert werden:<br />
„Entsetzlich gräßlich wohnen die Arbeiter auf dem Erzberge! Da sind Holzschuppen errichtet,<br />
in denen (zwei Etagen) mehrere hundert Arbeiter schlafen und sich reinigen! Die Lagerstätten<br />
sind Bretterauflagen, darauf ein paar Decken und Lumpen, und hier liegen Mann an Mann, der<br />
eine den anderen berührend, oft monatelang ohne gründliche Reinigung. Es war gegen Mittag,<br />
als ich die Baracken auf dem Erzberg aufsuchte, also hätten sich die ‚Dünste’ schon lang verziehen<br />
können! Aber ein Nervenschwacher würde beim Eintritt in diese Sauställe ohnmächtig<br />
hingesunken sein! So lebt das Volk der Arbeit mitten in einer wunderherrlichen Natur. Hier<br />
plagt es sich für die Millionäre der Alpine Montangesellschaft, die in herrlichen Palästen und<br />
Villen wohnen. Die den Reichtum erzeugen tagsüber in glühendem Sonnenbrand oder strömenden<br />
Regen, sie kriechen des nachts wie die Säue zusammen, nein schlimmer noch, denn<br />
ein ordentlicher Viehzüchter sieht auf Ordnung in seinem Stalle. Wie es einem da wütend und<br />
11 Zack 1931:6-8.<br />
12 Zack 1931:15.<br />
<strong>13</strong> Vgl. Johannes Moser und Michael Graf, „Vom zentralen Faktor zur Marginalität? Bergmannsarbeit und<br />
Bergarbeiterleben in ihrer Bedeutung für Eisenerz“, Johannes Moser (Hg.), Eisenerz. Eine Bergbaugemeinde<br />
im Wandel, Frankfurt am Main 1997: <strong>Institut</strong> für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie,<br />
39.<br />
14 Moser und Graf 1997:58.<br />
15 Moser und Graf 1997:59.<br />
7
dann wieder wehmütig zumute wird, sieht man die Menschenkinder so erniedrigt, unter dem<br />
Vieh.“ 16<br />
„Das Ding <strong>ist</strong> halt auch, was viel passiert oft auch, daß die Leute zu früh, wenn geschossen<br />
worden <strong>ist</strong>, vor lauter Neugier oder was und schnell, schnell wieder, daß sie früher fertig werden,<br />
und daß sie in den Rauch reingehen. Und wenn du dann nicht viel gesehen hast und haben<br />
schon angefangen zu wageln. Der Baggerfahrer geht rein und der Kumpel oder was sagt, ich<br />
geh’ da nicht rein noch, ich warte noch eine Viertelstunde oder was, net, da hat’s schon viele<br />
Reibereien gegeben, wo auch dann viel Sachen passiert sind. Also <strong>ist</strong> mit selber passiert schon,<br />
daß, solange es so raucht da drinnen, geh’ ich nicht rein, ich wart’ noch ein bißchen, net. Und<br />
da heißt’s halt dann gleich: Du fauler Kumpel, aber rein von der Sicherheit her muß man das<br />
sehen da. Weil ja oft auch in der Nähe ein offener Schacht war oder minimal abgedeckt, und es<br />
<strong>ist</strong> auch schon passiert, daß dann viele runter geflogen sind in den Schacht, weil sie schon zu<br />
früh reingegangen sind und haben vergessen, daß der Schacht offen <strong>ist</strong>.“ 17<br />
Sicherlich ließe sich hier einwenden, dass die erste Darstellung aus der Perspektive eines<br />
sozial<strong>ist</strong>ischen Gewerkschafters und Redakteurs einer Arbeiterzeitung geschrieben<br />
<strong>ist</strong>, und dass es sich bei der zweiten um die subjektive Aussage eines Bergmanns handelt.<br />
Die Objektivität der beiden Zitate kann also zu Recht in Frage gestellt werden. Allerdings<br />
gilt dieser Einwand natürlich auch für die Zitate Kirnbauers, und die Beschreibung<br />
der Lebens- und Arbeitsbedingungen durch Otto Hue wird auch von anderen<br />
Quellen gestützt. 18 Festzustellen <strong>ist</strong> in jedem Fall, dass Kirnbauers „edler Bergmannsstand“<br />
19 in offensichtlicher Diskrepanz zu jenem Bild von Leben und Arbeit im Bergbau<br />
am steirischen Erzberg zu verschiedenen Zeiten im 20. Jahrhundert steht, welches<br />
in den beiden anderen Zitaten gegeben wird. Dieser Diskrepanz zwischen Sein und Sollen,<br />
bzw. zwischen Gegenwart und romantisierter, besserer Vergangenheit – Stefan Rie-<br />
16 Otto Hue, „Wanderungen durch die österreichischen Alpenländer“, Der Bergmann 19, 1922, 6, zitiert<br />
nach: Riesenfellner 1984:243.<br />
17 Ehemaliger Bergmann aus Eisenerz, zitiert nach: Johannes Moser und Michael Graf, „Zur symbolischen<br />
Bedeutung der Bergmannsarbeit in einer niedergehenden Bergbauregion“, Rolf Wilhelm Brednich<br />
und Heinz Schmitt (Hgg.), Symbole. Zur Bedeutung der Zeichen in der Kultur. Deutscher Volkskundekongress<br />
in Karlsruhe vom 25. bis 29. September 1995, Münster u.a. 1997: Waxmann, 249.<br />
18 Vgl. Helmut Lackner, „Die Arbeit am Erzberg“, Otto Hwaletz u.a., Bergmann oder Werkssoldat. Eisenerz<br />
als Fallbeispiel industrieller Politik. Dokumente und Analysen über die Österreichisch-Alpine<br />
Montangesellschaft in der Zwischenkriegszeit, Graz 1984: Edition Strahalm, 168-177, 198-200. Johannes<br />
Moser, „Kulturanthropologische Perspektiven auf den Bergbau. Das Fallbeispiel Eisenerz im 20. Jahrhundert“,<br />
Ursula Klingenböck und Martin Scheutz (Hgg.), Regionalgeschichte am Beispiel von Scheibbs<br />
in Niederösterreich. Die Vorträge des 22. Symposions des Niederösterreichischen <strong>Institut</strong>s für Landeskunde,<br />
1. bis 4. Juli (= Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen <strong>Institut</strong> für Landeskunde<br />
35), St. Pölten 2003: Amt der Niederösterreichischen Lanbdesregierung, 168-169.<br />
19 Kirnbauer 1964:5.<br />
8
senfellner spricht hier von „Gewerkenherrlichkeit“ 20 –, muss sich Kirnbauer selber bewusst<br />
gewesen sein. Er entwirft 1924, also in der Zeit, aus welcher das Zitat von Otto<br />
Hue stammt, in einer der großdeutschen Idee verpflichteten Publikation zunächst das<br />
teilweise wortwörtlich identische Bild seines Bergmann-Ideals von 1964, schreibt dann<br />
jedoch:<br />
„Heute sind die Verhältnisse beim deutschen Bergbau me<strong>ist</strong> leider ganz anders. Der frühere<br />
patriarchalische Betrieb mußte me<strong>ist</strong> einem Fabriksbetriebe mit modernen Anforderungen weichen.<br />
Aus den Bergknappen sind Bergarbeiter geworden. Wohl hat sich hie und da noch ein<br />
Ueberrest aus alter Zeit erhalten, aber im großen und ganzen hat die zweite Hälfte des vorigen<br />
Jahrhunderts einen Wandel geschaffen, der wohl in vieler Beziehung Vorteile gebracht hat,<br />
durch den aber so manche ehrwürdige Ueberlieferung, so mancher schöne Brauch und so mancher<br />
tiefe Gemütswert des Bergmannes ein Ende nahmen.“ 21<br />
Die Differenz zwischen imaginiertem Idealbild und Realität <strong>ist</strong> erklärungsbedürftig.<br />
Dies gilt nicht nur für die Quantität der Abweichung, sondern auch für ihre Qualität.<br />
Warum wird gerade ein bestimmtes Idealbild entworfen und nicht ein anderes? Im Falle<br />
Kirnbauers wird dies an wiederum anderer Stelle klar. In der Einleitung zu seiner umfangreichsten<br />
volkskundlichen Arbeit zur Bergbaukultur expliziert er seine Intention:<br />
„Die Sinngebung der nachfolgenden Zeilen und Bilder soll sein, dem Bergmann von heute aufzuzeigen,<br />
welche Bedeutung und welches Augenmerk bergmännischer Berufsstolz und bergmännische<br />
Berufsfreude in Vergangenheit und Gegenwart gehabt haben. Weiters, wie der<br />
Bergbau, die Welt unserer täglichen Arbeit, vom Wesen des Volkes, von den Männern der Arbeit<br />
durchdrungen und von ihnen dargestellt oder empfunden wird in volksmäßig-einfacher<br />
Form. Aus dieser Beziehung: Bergmann, Volk und Arbeit möge uns ein Stolz auf unseren<br />
Bergmannsberuf erfüllen, auf seine jahrhunderte [sic!] alte Tradition, und daraus eine Berufsverbundenheit<br />
allen erwachsen!“ 22<br />
Ohne die erzieherische Absicht zu bewerten, scheint offensichtlich zu sein, dass Kirnbauers<br />
Motivation auch ideologisch beeinflusst <strong>ist</strong>. Der Forschungsansatz der vorliegenden<br />
Untersuchung versucht, in Bezug auf Bergmannslieder, die Differenz zwischen<br />
verschiedenen Darstellungen der Bergleute, ihres Lebens und ihrer Arbeit, zwischen<br />
einzelner Darstellung und Realität, die verdeckten oder offenen normativen Forderungen<br />
sowie die Motivation und Instrumentalisierung solcher Darstellungen und normativer<br />
Forderungen mit Hilfe eines Ideologiebegriffs zu erklären, der noch ausführlich zu<br />
entwickeln <strong>ist</strong>.<br />
20 Riesenfellner 1984:240.<br />
21 Kirnbauer 1924:28.<br />
22 Franz Kirnbauer, Bausteine zur Volkskunde des Bergmanns. Bergmännisches Brauchtum (= Leobener<br />
Grüne Hefte 36), Wien 1958: Montan-Verlag, 16-17.<br />
9
1.2. Gegenstand und Methode<br />
Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit sollen Bergmannslieder 23 sein, die in der Region<br />
Eisenerz 24 gebräuchlich waren bzw. es immer noch sind. Dabei konzentriert sich die<br />
Analyse der Lieder auf die Frage, in welchem Maße sie zum Medium von Ideologien<br />
werden. Es sollen jedoch nicht nur einzelne Bergmannslieder unter dem Gesichtspunkt<br />
der Ideologie analysiert werden, sondern es soll auch die Verwendung der Lieder im i-<br />
deologisch geprägten Kontext untersucht werden. Als Beispiel dafür soll die Verwendung<br />
des Liedes „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“ bei der Eisenerzer Barbarafeier<br />
2008 dienen. Der Schwerpunkt der Untersuchung wird aber auf der Frage nach I-<br />
deologie in Bergmannsliedern liegen. Es sei hier bemerkt, dass sich die Funktion von<br />
Bergmannsliedern keineswegs darin erschöpft ideologische Inhalte zu transportieren.<br />
„Es [das Bergmannslied, M. S.] lobt und pre<strong>ist</strong>, es ermuntert, erfreut und erbaut, es erzählt und<br />
unterhält, es <strong>ist</strong> ein Mittel der Information, der Belehrung und Unterrichtung; es dient dem<br />
Selbstverständnis derjenigen, die im Bergbau arbeiten, und es gibt auf vielfältige Weise ihrer<br />
Eigenart und Solidarität Ausdruck; zugleich aber <strong>ist</strong> es auch ein Mittel der Werbung für den<br />
Bergbau nach außen, und von der anderen Seite her bezeugt es das Interesse der Öffentlichkeit<br />
für die geheimnisumwitterte Welt unter Tage.“ 25<br />
Betrachtet man diese Aufl<strong>ist</strong>ung, so wird man jedoch auch ohne präzisen Ideologiebegriff<br />
feststellen können, dass Ideologie eine relevante Größe in Bergmannsliedern <strong>ist</strong>,<br />
wenn einige ihrer Funktionen unter anderem Belehrung und Unterrichtung, Identitätsstiftung,<br />
Werbung und Lobpreisung sind.<br />
Vladimir Karbusicky hat eine Systematik der soziologischen Aspekte der Liedforschung<br />
aufgestellt, von denen mehrere für die vorliegende Untersuchung relevant sind und berücksichtigt<br />
werden müssen. 26 Da wäre zunächst, als zentraler Aspekt der vorliegenden<br />
23 Zur genauen Bestimmung des Begriffs „Bergmannslied“ siehe Kapitel 2.1.1.<br />
24 Damit sind die Stadt Eisenerz, sowie die Gemeinden Vordernberg, Radmer und Hieflau gemeint. In<br />
dieser Region wurde im Studienjahr 2008/09 vom <strong>Institut</strong> für <strong>Ethnomusikologie</strong> der Universität für Musik<br />
und darstellende Kunst Graz (KUG) ein Feldforschungsprojekt durchgeführt, in dessen Rahmen Informationen<br />
für die vorliegende Arbeit gesammelt wurden.<br />
25 Gerhard Heilfurth, „Bergmannslied“, Rolf Wilhelm Brednich, Lutz Röhrich und Wolfgang Suppan<br />
(Hgg.), Handbuch des Volksliedes. Bd. I: Die Gattungen des Volksliedes (= Motive. Freiburger Folklor<strong>ist</strong>ische<br />
Forschungen 1/I), München 1973: Wilhelm Fink, 761.<br />
26 Vgl. Vladimir Karbusicky, „Soziologische Aspekte der Volksliedforschung“, Rolf Wilhelm Brednich,<br />
Lutz Röhrich und Wolfgang Suppan (Hgg.), Handbuch des Volksliedes. Bd. II: H<strong>ist</strong>orisches und Systematisches.<br />
Interethnische Beziehungen. Musikethnologie (= Motive. Freiburger Folklor<strong>ist</strong>ische Forschungen<br />
1/II), München 1975: Wilhelm Fink, 75-88.<br />
10
Arbeit, die Frage nach Ideologie im Lied und Lied in der Ideologie. 27 Damit eng verbunden<br />
<strong>ist</strong> die Untersuchung von Liedern als Mittel der Kommunikation, der Denotationen<br />
und Konnotationen von Liedern, also auch ihrer ideologischen Bedeutung und<br />
Umdeutung. 28 Dabei muss vor allem auch die Mehrdeutigkeit von Liedern beachtet<br />
werden:<br />
„Ein und dasselbe Lied kann sein: ‚Aussage über ein Erlebnis’; ‚Zeichen der Wirklichkeit’;<br />
‚Nachricht über ein Ereignis’; ‚Äußerung der Subjekt-Objekt-Relation’; ‚Appell an das erwünschte<br />
Verhalten des Anderen’; ‚Kulturobjektivation des betreffenden sozialen Milieus’<br />
usw.“ 29<br />
Ebenso wie die Mehrdeutigkeit und der Bedeutungswandel von Liedern, muss auch ihre<br />
Polyfunktionalität und ihr Funktionswandel berücksichtigt werden. 30 Eine dieser Funktionen<br />
<strong>ist</strong> die soziogene Funktion, d.h. der gruppenbildende und gruppenbestärkende<br />
Charakter von Liedern, der gerade für die Frage nach Bergmannsliedern in der ideologisch<br />
geprägten Verwendung wichtig <strong>ist</strong>. 31 „Die Kenntnis derselben Lieder und ihr gemeinsames<br />
Singen bilden das ‚Gefühl der Zusammengehörigkeit’ der Gruppe, Gemeinschaft.“<br />
32 Daher <strong>ist</strong> auch die Frage danach wichtig, in welcher Art das Verhältnis vom<br />
Individuum zum Kollektiv thematisiert wird. 33<br />
„Ein Ich-Erlebnis bedeutet schon die Trennung, die Möglichkeit des sozialen Abstandes, der<br />
beobachtenden Einstellung zur Gruppe, die Störung des Konsensus. Kollektivität verlangt die<br />
Anpassung [...]. Das ‚Wir’ <strong>ist</strong> selten im Volkslied, viel häufiger in ideologischen Kunstliedern<br />
im Dienste der Indoktrination.“ 34<br />
Schließlich muss auch untersucht werden, von welcher Gruppe, von welcher Gemeinschaft<br />
bestimmte Lieder gesungen werden. 35 Karbusicky warnt zu Recht davor, aus den<br />
Inhalten der Lieder einer Gruppe voreilig auf die Weltanschauung der Gruppe selbst zu<br />
schließen, die „;inhaltliche’ Analyse muß mit genauen Beobachtungen der Funktionen<br />
konfrontiert werden“ 36 . In der vorliegenden Arbeit erwe<strong>ist</strong> sich dies vor allem in der h<strong>ist</strong>orischen<br />
Betrachtung als schwierig, da die Quellen selten Angaben dazu machen, von<br />
27 Vgl. Karbusicky 1975:81-82.<br />
28 Vgl. Karbusicky 1975:77.<br />
29 Karbusicky 1975:77.<br />
30 Vgl. Karbusicky 1975:80.<br />
31 Vgl. Karbusicky 1975:80-81.<br />
32 Karbusicky 1975:80.<br />
33 Vgl. Karbusicky 1975:81.<br />
34 Karbusicky 1975:81.<br />
35 Vgl. Karbusicky 1975:82-83.<br />
36 Karbusicky 1975:83.<br />
11
wem und in welchem Kontext Lieder gesungen wurden, als sie aufgezeichnet wurden.<br />
In der Betrachtung zeitgenössischen Singens <strong>ist</strong> dies einfacher, da hier konkrete Singanlässe<br />
beobachtet und analysiert werden können.<br />
Die Methoden, die Karbusicky vorschlägt und die für diese Untersuchung zentrale Bedeutung<br />
haben, sind Inhaltsanalyse der Lieder (unter Beachtung der Korrelationen zur<br />
musikalischen Struktur), Beobachtung und Befragung. Zu ergänzen wäre die Analyse<br />
h<strong>ist</strong>orischer Quellen. Bei der Inhaltsanalyse schlägt Karbusicky zwei Ansätze vor: die<br />
Analyse des Liedes einerseits als Objektivation eines Denksystems, andererseits als<br />
kommunikatives Mittel. 37 Eine quantitative Auswertung einer großen Zahl von Liedern,<br />
wie sie Karbusicky anregt, 38 <strong>ist</strong> im Rahmen dieser Arbeit leider nicht möglich. Gerade<br />
die starke, überregionale Verbreitung vieler Bergmannslieder lässt eine solche quantitative<br />
Analyse von Bergmannsliedern unter dem Gesichtspunkt der Ideologie wünschenswert<br />
erscheinen. In dieser Arbeit sollen jedoch einzelne Lieder detaillierten Analysen<br />
unterworfen werden, die nach verschiedenen Relevanzkriterien ausgewählt wurden,<br />
z.B. nach regionaler Bekanntheit, inhaltlicher Besonderheit oder h<strong>ist</strong>orischer Bedeutung.<br />
Da mehrere der Lieder nicht nur in der Region Eisenerz verbreitet sind, hat ihre<br />
Analyse auch überregionale Relevanz. Die Methode der Beobachtung kam vor allem<br />
bei einem Feldforschungsaufenthalt bei der Barbarafeier in Eisenerz, am 5.12. und<br />
6.12.2008, zum Tragen, bei dem ca. neun Stunden Filmaufnahmen von den Geschehnissen<br />
gemacht werden konnten, die durch Feldnotizen ergänzt wurden. Bei einem Feldforschungsaufenthalt<br />
in der Region Eisenerz, der vom 10.5. bis zum 15.5.2009 dauerte,<br />
konnten Interviews mit Gewährspersonen durchgeführt werden, bei denen Lieder aufgenommen<br />
wurden, aber auch für die vorliegende Arbeit relevante Informationen gesammelt<br />
werden konnten. Der Feldforschungsaufenthalt bei der Barbarafeier wurde zusammen<br />
mit Florian Wimmer durchgeführt, bei dem einwöchigen Aufenthalt in der Region<br />
Eisenerz waren insgesamt vierzehn Studierende des <strong>Institut</strong>s für <strong>Ethnomusikologie</strong><br />
der KUG beteiligt. Da von sämtlichen Interviews des zweiten Feldforschungsaufenthalts<br />
Tonaufnahmen angefertigt wurden, konnten für diese Arbeit die Äußerungen aller<br />
Gewährspersonen herangezogen werden. Die Studierenden, welche die einzelnen Interviews<br />
führten, werden entsprechend erwähnt. Für die Frage nach der Ideologie in<br />
37 Vgl. Karbusicky 1975:85.<br />
38 Vgl. Karbusicky 1975:85.<br />
12
Bergmannsliedern spielt vor allem die Methode der Inhaltsanalyse eine Rolle, für die<br />
Frage nach der Verwendung von Bergmannsliedern im ideologisch geprägten Kontext<br />
treten Beobachtung und Interview hinzu. Die analysierten Lieder wurden entweder veröffentlichten<br />
Sammlungen entnommen oder es wurden Transkriptionen von Tonaufnahmen<br />
der Gewährspersonen aus der Region angefertigt. Ergänzend wurden Recherchen<br />
im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) angestellt.<br />
2. Theoretische Überlegungen<br />
2.1. Terminologie<br />
2.1.1. Bergmannslied<br />
Als Definition dessen, was in dieser Arbeit mit dem Begriff „Bergmannslied“ bezeichnet<br />
wird, soll folgende Formulierung Heilfurths dienen:<br />
„Wir verstehen hier unter Bergmannslied also nicht das von Bergleuten gesungene Liedgut<br />
insgesamt, sondern nur das inhaltlich auf das eigene Arbeits-, Berufs- und Lebensmilieu eingegrenzte,<br />
in dem Sinne, wie wir z.B. auch vom Jäger- oder vom Seemannslied sprechen. 39<br />
Das Liedrepertoire der Bergleute hat sich mit Sicherheit nie allein auf Bergmannslieder<br />
beschränkt, auch wenn sie bei ihnen einen im Vergleich größeren Teil des Repertoires<br />
ausgemacht haben und ausmachen als im Repertoire anderer sozialer Gruppen, bedeutet<br />
dies nicht, dass es sich dabei um den größten Teil ihres Liedrepertoires handelt. Es wäre<br />
unter dem Gesichtspunkt der Ideologie z.B. auch die Analyse des tatsächlich gesungenen<br />
Liedrepertoires einer Stichprobe aus der Belegschaft eines Bergbaubetriebes interessant.<br />
Hier sollen jedoch nur Lieder betrachtet werden, die einen inhaltlichen Bezug<br />
zum Bergbau haben. Ein spezifischer, musikalischer „Bergmannslied-Stil“ scheint nie<br />
ex<strong>ist</strong>iert zu haben, 40 einziges definitorisches Merkmal sind daher die Liedtexte.<br />
Folgende Anlässe, zu denen Bergmannslieder gesungen werden führte Heilfurth 1954<br />
an: bergmännisches Brauchtum, d.h. berufsbezogene Feierlichkeiten wie Ledersprünge,<br />
aber auch Hochzeiten, Begräbnisse u.a., Weihnachten, Barbarafeiern, Gottesdienste,<br />
Andachten vor Schichtbeginn, die Verwendung von Bergmannsliedern als Arbeitslie-<br />
39 Heilfurth 1973:761.<br />
40 Vgl. Wolfgang Suppan, „Musik und Bergbau. Mit Materialien zum Thema aus dem steirischen Bergbau“,<br />
Wolfgang Suppan, Werk und Wirkung. Musikwissenschaft als Menschen- und Kulturgüterforschung<br />
(= Musikethnologische Sammelbände 17), Bd. 3, Tutzing 2000: Hans Schneider, 1159-1160.<br />
<strong>13</strong>
der, geselliges Singen untertage oder in der Freizeit. 41 Viele dieser Anlässe gehörten bereits<br />
Mitte des 20. Jahrhunderts der Vergangenheit an, so bemerkt z.B. auch Kirnbauer<br />
im selben Jahr:<br />
„Das Singen bergmännischer Volkslieder ließ um die Jahrhundertwende in Österreich wie ü-<br />
berall in auffallendster Weise nach. Das Bergmannslied verstummte, außer in studentischen<br />
Kreisen in Leoben oder einigen Werksgesangsvereinen, fast bis zum Versiegen und Vergessen.“<br />
42<br />
Die Feldforschung in der Region Eisenerz deutet darauf hin, dass im privaten Rahmen<br />
und bei der Arbeit Bergmannslieder praktisch keine Rolle mehr spielen. Die Anlässe,<br />
bei denen sie gesungen werden, sind organisierten Charakters: Feierlichkeiten, wie Barbarafeiern<br />
oder Beerdigungen, Gottesdienste und Chorkonzerte. Die verschiedenen<br />
Funktionen der Bergmannslieder wurden bereits oben angeführt. Zusammenfassend seien<br />
hier die Funktionen der Lobpreisung, Erbauung, Unterhaltung, Information, Didaktik,<br />
Identitätsstiftung und Werbung genannt.<br />
Unter dem Vorbehalt, dass Bergmannsliedern selten nur ein inhaltliches Thema oder<br />
Motiv zu Grunde liegt, gliedert Heilfurth die Inhalte der Lieder nach folgenden Kategorien:<br />
„1. Verhältnis zu Arbeit und Beruf<br />
mit den Untergruppen: Fröhliche Arbeits- und Arbeitsverbundenheit; Gefährdung und Geborgenheit;<br />
Familie, Betrieb und Berufsgemeinschaft.<br />
2. Standesbewußtsein und Standesehre<br />
mit den Untergruppen: Standesstolz; Standespreis; Lob bergmännischen Lebens und Wesens;<br />
Repräsentation durch Tracht, Zeichen und Symbole, Gruß u.a.m.; Allegorien und Metaphern<br />
als sprachlicher Ausdruck des Stolzes auf die eigene Welt.<br />
3. Ruhm des Bergwerks.<br />
4. Liebe, Scherz, Geselligkeit.<br />
5. Kohlenbergbau und Kohlenbergmann.“ 43<br />
Für die vorliegende Untersuchung sind, der Fragestellung entsprechend, die ersten drei<br />
Kategorien von Interesse, da bei diesen Themen am stärksten ideologische Inhalte zum<br />
Ausdruck kommen können. Für die vierte Kategorie gilt dies nur eingeschränkt, wenngleich<br />
auch erneut betont werden muss, dass Bergmannslieder selten nur einer Kategorie<br />
zuzuordnen sind. Es sind also durchaus Liebes- oder Scherzlieder denkbar, in wel-<br />
41 Gerhard Heilfurth, Das Bergmannslied. Wesen, Leben, Funktion. Ein Beitrag zur Erhellung von Bestand<br />
und Wandlung der sozialkulturellen Elemente im Aufbau der industriellen Gesellschaft, Kassel-<br />
Basel 1954: Bärenreiter, 26-35.<br />
42 Franz Kirnbauer, „Über Art und Wesen des Bergmanns-Volksliedes“, Jahrbuch des Österreichischen<br />
Volksliedwerkes 3, 1954, 57.<br />
43 Heilfurth 1954:75.<br />
14
chen – quasi nebenher – ideologische Inhalte vermittelt werden. Die fünfte Kategorie<br />
fällt vollständig weg, da in der Region Eisenerz niemals Kohle abgebaut wurde und daher<br />
auch die hier untersuchten Lieder diesen Arbeitsbereich nicht thematisieren. Zu den<br />
Textinhalten lässt sich weiterhin folgendes feststellen:<br />
„Es <strong>ist</strong> indes natürlich nur ein Teil der Lieder, in dem das Schicksalhafte des Berufes überzeugend<br />
zum Ausdruck kommt. Auf weiten Strecken <strong>ist</strong> im Liedgut insbesondere des 19. und 20.<br />
Jahrhunderts die Schwere des Daseins überspielt oder ganz totgeschwiegen; oft werden bergmännisches<br />
Leben und Wesen in falscher Verklärung als Idyll gemalt.“ 44<br />
Man mag zu Heilfurths Sprachduktus stehen wie man will, in der Sache <strong>ist</strong> die Aussage<br />
stichhaltig, dass nämlich Bergmannslieder mehrheitlich einen verklärenden Charakter<br />
haben, wie durch die oben angeführten Liedbeispiele bereits angedeutet wurde. Auf diesen<br />
Umstand hat auch Suppan hingewiesen. 45 Hier zeigt sich deutlich, dass eine ideologiekritische<br />
Untersuchung von Bergmannsliedern, also eine Untersuchung, welche<br />
beurteilt, wo und in welcher Weise Ideologie eine relevante Größe <strong>ist</strong>, sinnvoll <strong>ist</strong>. Es<br />
soll jedoch nicht der Eindruck erweckt werden, dass Ideologie nur in offen verklärenden<br />
Liedern eine Rolle spielte. Ideologische Inhalte können auch auf subtilere Art zum Tragen<br />
kommen, als allein durch die Leugnung aller Härten des Lebens im Bergbau. Andererseits<br />
werden sozialkritische Lieder gerade die Härten betonen, ein Umstand, der jedoch<br />
auch wieder ideologisch begründet sein kann.<br />
Sozialkritische Lieder sind jedoch sehr rar unter den der Forschung bekannten Bergmannsliedern,<br />
dezidiert politische Lieder noch seltener. 46 Dies kann verschiedene Gründe<br />
haben. 1. Der Korpus der von Sammlung und Forschung erfassten Bergmannslieder<br />
stellt eine zuverlässige Stichprobe der tatsächlich ex<strong>ist</strong>ierenden Bergmannslieder dar<br />
und spiegelt die quantitative Verteilung von Inhalten wieder. Sozialkritische Bergmannslieder<br />
wären also tatsächlich selten. Dafür würde der tendenziell affirmative Charakter<br />
der Bergmannskultur sprechen, den Hinner, Lackner und Stocker für Österreich<br />
folgendermaßen beschreiben:<br />
„Der spezielle, einzigartige Arbeitsplatz des Bergmannes ‚vor Ort’ Untertag in der Urproduktion<br />
und der [...] privilegierte Sonderstatus der dabei Beschäftigten – etwa durch die Uniformierung,<br />
durch die eigene Berggesetzgebung (1553 Ferdinandeische Bergordnung, 1854 Berggesetz),<br />
das Recht des Waffentragens, die Befreiung von der Militärpflicht – integrierte die Bergarbeiter,<br />
als einzige Gruppe der Arbeiter, schon früh in die feudale Gesellschaft. Mit dieser also<br />
bereits im Mittelalter zu beobachtenden Sonderstellung und durch weitere behördliche Maß-<br />
44 Heilfurth 1973:772.<br />
45 Vgl. Suppan 2000:1162.<br />
46 Vgl. Heilfurth 1954:94.<br />
15
nahmen wurde versucht, den Bergarbeitern ein konservatives ‚Standesbewußtsein’, im Gegensatz<br />
zu dem entsprechenden ‚Klassenbewußtsein’ der Arbeiter im allgemeinen, zu vermitteln.“<br />
47<br />
2. Die Sammler der Lieder gingen selektiv vor und zeichneten nicht auf, was ihnen nicht<br />
sammlungswürdig erschien, was ihrem vorgefassten Bild des Bergmanns und des<br />
Bergmannsliedes nicht entsprach. Dass dies in der Geschichte der Liedsammlungen geschehen<br />
<strong>ist</strong>, dass nicht Volkslied sein durfte, was des Volkes nicht würdig erschien, <strong>ist</strong><br />
ein Faktum, auf welches nicht näher eingegangen werden muss. Der Verdacht eines solchen<br />
selektiven Vorgehens liegt auch bei Viktor Zack nahe, der als einer der wichtigsten<br />
Liedsammler in der Region Eisenerz vom Ende des 19. bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts<br />
tätig war. Es erscheint zumindest denkbar, dass Zack, der 17 Jahre lang die<br />
Grazer Akademische Sängerschaft Gothia leitete und während des ersten Weltkrieges<br />
zwei Soldatenliederbücher herausgab, 48 Lieder, welche die bestehende Ordnung allzu<br />
sehr kritisierten, aussortierte. 3. Die Forschung <strong>ist</strong> selektiv in dem, was sie aus den vorhandenen<br />
Liedbeständen auswählt, und ignoriert vor allem sozialkritische und politische<br />
Lieder. Insofern potenziert sich gegebenenfalls die Selektivität der Liedsammlungen.<br />
Diesen Vorwurf macht – aus einer staatssozial<strong>ist</strong>ischen Position heraus, dennoch nicht<br />
völlig unbegründet – explizit Wolfgang Steinitz Gerhard Heilfurth. 49 Wahrscheinlich<br />
werden in einem gewissen Maß alle drei Gründe die Quellenlage beeinflusst haben. Sicherlich<br />
darf aus der Abwesenheit bzw. Spärlichkeit von Belegen nicht geschlossen<br />
werden, dass es notwendigerweise immer so wenige sozialkritische Bergmannslieder<br />
gegeben hat, wie heute tradiert sind, dennoch <strong>ist</strong> man aber auf die vorhandenen Quellen<br />
verwiesen und muss mit diesen arbeiten. Aus der Region Eisenerz sind allerdings einige<br />
47 Ernst Hinner, Helmut Lackner und Karl Stocker, „Bergarbeiterkultur“, Ernst Hinner u.a., Fohnsdorf.<br />
Aufstieg und Krise einer österreichischen Kohlenbergwerksgemeinde in der Region Aichfeld-Murboden<br />
(= Interdisziplinäre Studien der Projektgruppe Fohnsdorf Aichfeld-Murboden 1), Graz-Wien 1982: 277-<br />
341.<br />
48 Vgl. Wolfgang Suppan, „Zack, Viktor“, Wolfgang Suppan (Hg.), Steirisches Musiklexikon, 2., völlig<br />
überarbeitete und erweiterte Aufl., Graz 2009: Akademische Druck- und Verlagsanstalt, 790-791.<br />
49 Vgl. Wolfgang Steinitz, Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten (=<br />
Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Veröffentlichung des <strong>Institut</strong>s für deutsche Volkskunde<br />
4/II), Bd. II, Berlin 1962: Akademie-Verlag., XXV.<br />
16
sozialkritische Lieder überliefert, die deshalb in dieser Arbeit auch untersucht werden<br />
sollen. 50<br />
2.1.2. Ideologie<br />
Ideologie <strong>ist</strong> ein „schillernder, innerhalb verschiedener Schulen unterschiedlich konzipierter,<br />
erkenntnis- oder gesellschaftskritischer Terminus der Sozialwissenschaften“ 51 .<br />
Seitdem die neuzeitliche Ideologiekritik mit Francis Bacons Idolenlehre ihren Anfang<br />
genommen hat, wurde der Begriff in einer Vielzahl von Bedeutungen verwendet, mal<br />
rein deskriptiv, mal als Kampfbegriff. 52 In der vorliegenden Untersuchung soll ein deskriptiver<br />
Ideologiebegriff verwendet werden, wie er z.B. von Parsons formuliert wurde,<br />
ohne dabei Parsons theoretischen Ansatz des Strukturfunktionalismus zu übernehmen:<br />
„An ideology [...] is a system of beliefs, held in common by the members of a collectivity, i.e.<br />
a society, or a sub-collectivity of one – including a movement deviant from the main culture of<br />
the society – a system of ideas which is oriented to the evaluative integration of the collectivity<br />
and of the situation in which it is placed, the processes by which it has developed to its given<br />
state, the goals to which its members are collectively oriented, and their relation to the future<br />
course of events.” 53<br />
Aus dieser Definition wird klar, dass es sich bei einer Ideologie nicht nur um das herrschende<br />
System von Überzeugungen handeln muss, sondern dass auch Glaubenssysteme<br />
von Minderheiten oder gesellschaftlichen Teilgruppen Ideologien sind, selbst dann,<br />
wenn sie zu den herrschenden Ideologien im Gegensatz stehen.<br />
Antonio Gramsci, der seine im Gefängnis aufgezeichneten Gedankengänge nie in eine<br />
systematische Form bringen konnte, hat in seinen sozialontologischen Überlegungen die<br />
50 Für Beispiele sozialkritischer und politischer Bergmannslieder: vgl. Wolfgang Steinitz, Deutsche<br />
Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten (= Deutsche Akademie der Wissenschaften<br />
zu Berlin. Veröffentlichung des <strong>Institut</strong>s für deutsche Volkskunde 4/I), Bd. I, 2. Aufl., Berlin<br />
1955: Akademie-Verlag, 271-294. Friedrich Sieber, Zwei Bergmännische Kampflieder aus dem ersten<br />
Viertel des 18. Jahrhunderts (= Kleine Beiträge zur Volkskunstforschung 4), Leipzig o. J. [1956]: Friedrich<br />
Hofme<strong>ist</strong>er. Steinitz 1962:289-291. Gerlinde Haid und Hans Haid (Hgg.), Weil ma arm san. Volkslieder<br />
aus Österreich, Wien 1981: o. V., 24. Reinhard Dithmar (Hg.), Arbeiterlieder 1844-1945, Neuwied-Kniftel-Berlin<br />
1993: Hermann Luchterhand, 103-1<strong>13</strong>.<br />
51 Herbert R. Ganslandt, „Ideologie“, Jürgen Mittelstraß (Hg.), Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie,<br />
unveränderte Sonderausgabe, Bd. 2, Stuttgart-Weimar 2004: Metzler, 193.<br />
52 Vgl. Ganslandt 2004:194-196. Für eine detaillierte Begriffsgeschichte: vgl. Terry Eagleton, Ideology.<br />
An Introduction, neue und überarb. Aufl., London-New York 2007: Verso, 63-220.<br />
53 Talcott Parsons, The Social System, 5. Aufl., Glencoe 1964: Free Press, 349.<br />
17
Theorie von Hegemonie und Herrschaft als Elemente politischer Macht entwickelt. 54<br />
Herrschaft bezeichnet dabei die Ausübung von Macht durch offenen Zwang, z.B. durch<br />
Polizei und Militär. Hegemonie <strong>ist</strong> die Ausübung von Macht durch Konsens, d.h. eine<br />
führende soziale Gruppe versucht die Interessen ihnen untergeordneter Gruppen teilweise<br />
zu integrieren, um im Großen und Ganzen die eigenen Vorstellungen, mit Einverständnis<br />
der untergeordneten Gruppen, durchsetzen zu können. Der gesellschaftliche<br />
Kampf um Hegemonie, der nie ein Ende erreicht, <strong>ist</strong> daher eine Auseinandersetzung von<br />
Ideologien, die sich im Laufe dieses Prozesses auch wandeln können. 55 Diese Auseinandersetzung<br />
wird vor allem auch in der Zivilgesellschaft ausgetragen, d.h. außerhalb<br />
der offensichtlich politischen <strong>Institut</strong>ionen von Legislative, Exekutive und Judikative: in<br />
der Presse, in Kunst und Kultur, Schule, Sport, Kirche, in den alltäglichen Beschäftigungen<br />
und in der Sprache. 56 Die Ideologie einer sozialen Gruppe wird in dem Maße zu<br />
einer hegemonialen Ideologie, in welchem sie zum Teil des Alltagsverstandes der Menschen<br />
in einer Gesellschaft wird, da der Alltagsverstand das Weltbild <strong>ist</strong>, welches am<br />
stärksten das Bewusstsein und die Handlungen der Menschen beeinflusst. 57 Lieder, auch<br />
Bergmannslieder, gehören als kulturelle Produkte in den Bereich der Zivilgesellschaft,<br />
hier können sie zum eingängigen Medium ideologischer Inhalte werden und auf den<br />
Alltagsverstand, auf das Weltbild der Menschen einwirken.<br />
„Das Lied scheint ein besonders geeignetes Mittel der Indoktrination zu sein. Dieses elementare<br />
Wort-Ton-Gebilde hat dank seiner jahrhundertealten Tradition viele wertvolle Eigenschaften,<br />
die man für die Beeinflussung des Massenmenschen nutzen kann.“ 58<br />
„Gruppenzugehörigkeit, berufsständische und ethnische Identität können durch Musik<br />
ebenso befördert/bewirkt werden wie Gruppenzwänge“ 59 . In ähnlicher Weise <strong>ist</strong> Mer-<br />
54 Da es sich bei dem Korpus von Notizen, der in Gramscis Gefängnisheften überliefert <strong>ist</strong>, um ein äußerst<br />
komplexes und unsystematisches Gefüge von Überlegungen handelt, aus denen spätere Abhandlungen<br />
entstehen sollten, kann in dieser Arbeit keine ausführliche Interpretation der Primärtexte Gramscis gele<strong>ist</strong>et<br />
werden, da dies rahmensprengend wäre. Hinsichtlich der Konzepte von Hegemonie und Herrschaft:<br />
vgl. Steve Jones, Antonio Gramsci (= Routledge Critical Thinkers), London-New York 2006: Routledge,<br />
41-56.<br />
55 Vgl. Jones 2006:46-48.<br />
56 Vgl. Jones 2006:32-33, 48-49.<br />
57 Vgl. Jones 2006:53-55.<br />
58 Vladimir Karbusicky, Ideologie im Lied. Lied in der Ideologie. Kulturanthropologische Strukturanalysen<br />
(= Musikalische Volkskunde. Materialien und Analysen II), Köln 1973: Musikverlage Hans Gerig,<br />
10.<br />
59 Suppan 2000:1154.<br />
18
iam der Ansicht, dass Liedtexte „the prevailing attitudes and values of a culture“ 60 reflektieren,<br />
„song is frequently used as an enculturative device. Finally, songs lead as<br />
well as follow, and political and social movements, often expressed through song because<br />
of the license it gives, shape and force the moulding of public opinion.” 61 Explizit<br />
spricht Steinitz die ideologische Funktion von Bergmannsliedern an:<br />
„Die Bedeutung des Bergmannsliedes als einer wichtigen ideologischen Waffe <strong>ist</strong> von den<br />
Grubenherren sehr gut erkannt worden. Seit dem vorigen Jahrhundert [dem 19., M. S.]haben<br />
die einzelnen Grubenverwaltungen, aber auch der Berg- und Hüttenmännische Verein und andere<br />
zentrale Organisationen Liederbücher herausgegeben, in denen einerseits die religiösen<br />
Lieder besonders propagiert, andererseits aber auch unter den Bergleuten verbreitete, nicht betont<br />
religiöse Lieder aufgenommen wurden, unter Weglassung oder Milderung scharf oppositioneller<br />
Strophen [...]. Die Pflege eines ‚loyalen’ Bergmannsliedes durch die Grubenherren<br />
reicht aber sicher weiter zurück.“ 62<br />
Fasst man Lieder insofern als Objektivationen von Ideologien auf, so findet man die i-<br />
deologischen Inhalte selten klar formuliert vor, vielmehr müssen sie analytisch herausgearbeitet<br />
werden. Gleiches gilt für den Gebrauch der Lieder im ideologischen Kontext,<br />
wo die maßgebliche Ideologie aus der konkreten Singsituation heraus rekonstruiert<br />
werden muss. Auf welche Weise, unter welchen Formungsbedingungen und in welchem<br />
Maße Ideologien sich in Liedern objektivieren können, darüber werden in Kapitel 2.2.<br />
genauere Überlegungen angestellt.<br />
Die im Bergbau beschäftigten Menschen können als gesellschaftliche Teilgruppe betrachtet<br />
werden, die sich wiederum nach der Hierarchie des Bergbaubetriebs und der<br />
entsprechenden sozialen Unterschiede untergliedert. Diese Untergliederung kann zur<br />
Folge haben, dass innerhalb dieser Berufsgruppe Ideologien konkurrierenden Inhalts e-<br />
x<strong>ist</strong>ieren. Die Grubenarbeiter haben eventuell eine andere Ideologie als die Ingenieure<br />
und Bergwerksdirektoren. Ein solcher Konflikt zwischen konkurrierenden Ideologien<br />
und den damit verbundenen politischen Vorstellungen fand z.B. in den 1920er Jahren<br />
im Eisenerzer Bergbaubetrieb der Österreichisch-Alpinen Montangesellschaft (ÖAMG),<br />
zwischen den sozialdemokratischen Teilen der Bergarbeiter und der sozialpatriarchalischen,<br />
der Heimwehr nahestehenden Unternehmensleitung statt. 63 Eventuell teilen die<br />
60 Alan P. Merriam, The Anthropology of Music, o. O. 1964: Northwestern University Press, 208.<br />
61 Merriam 1964:208.<br />
62 Steinitz 1955:272.<br />
63 Vgl. Karl Stocker, „Arbeiterschaft zwischen Selbstbestimmung und Unternehmerkontrolle – Einige<br />
Aspekte über Disziplinierung, Machtverhältnisse und Widerstand in Eisenerz“, Otto Hwaletz u.a., Berg-<br />
19
Grubenarbeiter jedoch auch die Ideologie ihrer Vorgesetzten, d.h. es liegt ein hegemoniales<br />
Machtverhältnis vor. Eagleton warnt jedoch davor, aus der Abwesenheit sozialer<br />
Konflikte darauf zu schließen, dass die Ideologie einer dominierenden Gruppe tatsächlich<br />
auch von den untergeordneten Gruppen geteilt wird:<br />
„If people do not actively combat a political regime which oppresses them, it may not be because<br />
they have meekly imbibed its governing values. It may be because they are too exhausted<br />
after a hard day’s work to have much energy left to engage in political activity, or because they<br />
are too fatal<strong>ist</strong>ic or apathetic to see the point of such activity. They may be frightened of the<br />
consequences of opposing the regime; or they may spend too much time worrying about their<br />
jobs and mortgages and income tax returns to give it much thought. Ruling classes have at their<br />
disposal a great many such techniques of ‘negative’ social control, which are a good deal more<br />
prosaic and material than persuading their subjects that they belong to a a master race or exhorting<br />
them to identify with the destiny of the nation.” 64<br />
So wurde in den 1920er Jahren in Eisenerz die organisierte Arbeiterbewegung durch die<br />
ÖAMG politisch massiv bekämpft und durch Entlassungen aus dem Betrieb verdrängt. 65<br />
Eine solche Form der Machtausübung müsste, im Sinne Gramscis, als Herrschaft bezeichnet<br />
werden. Die Drohung mit der Arbeitslosigkeit wird für viele Bergarbeiter ein<br />
hinreichender Grund gewesen sein, sich den Vorstellungen der ÖAMG zu fügen, ohne<br />
sie sich jedoch notwendigerweise zu Eigen zu machen. Andererseits versuchte die<br />
Werksleitung auch durch sozial- und kulturpolitische Maßnahmen, z.B. die Herausgabe<br />
einer Werkszeitung, die Einrichtung eines Kindergartens, die Wiederbelebung der Barbarafeiern<br />
in Verbindung mit bestimmten Bergmannsliedern, ihr Ziel, die „Anpassung<br />
der Arbeiter an die Produktion“ 66 , zu erreichen. Es wurde also durchaus auf Bedürfnisse<br />
der Arbeiter eingegangen, ein Alternativangebot zu dem der Arbeiterbewegung geschaffen,<br />
allerdings mit dem Hintergedanken, einen vollständig in das Arbeitsgefüge integrierten<br />
und sich mit dem Unternehmen identifizierenden, widerspruchslos funktionierenden<br />
Arbeiter zu erhalten, Macht also durch Hegemonie auszuüben. Die dazu notwendigen<br />
Strategien wurden vom Deutschen <strong>Institut</strong> für technische Arbeitsschulung<br />
entwickelt. 67<br />
mann oder Werkssoldat. Eisenerz als Fallbeispiel industrieller Politik. Dokumente und Analysen über die<br />
Österreichisch-Alpine Montangesellschaft, Graz 1984: Edition Strahalm, 15-58.<br />
64 Eagleton 2007:34.<br />
65 Vgl. Stocker 1984:40.<br />
66 Stocker 1984:20.<br />
67 Vgl. Stocker 1984:18-21.<br />
20
Ideologien können auch über- und untergeordneten Rang haben in einem hierarchischen<br />
System von Ideologien, das sich aus der Überschneidung und Verschachtelung sozialer<br />
Gruppen ergibt. Betrachtet man beispielsweise die soziale Gruppe der Vordernberger<br />
Gewerken im 18. Jahrhundert, so wird einerseits eine für diese, durch gemeinsame Geschichte,<br />
wirtschaftliche Interessen und kulturellen Hintergrund definierte Gruppe spezifische<br />
Ideologie vorzufinden sein, andererseits wird diese Gruppe aber auch übergeordnete<br />
Ideologien geteilt haben z.B. den Katholizismus oder die politischen Werte und<br />
Ziele des Hauses Habsburg, Ideologien, die nicht für diese soziale Gruppe spezifisch<br />
waren.<br />
Ernst Topitsch hat im Rahmen seiner Weltanschauungsanalyse den Begriff des plurifunktionalen<br />
Führungssystems geprägt, mit Hilfe dessen sich Ideologien – im zuvor definierten<br />
Sinne – untersuchen lassen. Plurifunktionale Führungssysteme erfüllen drei<br />
Grundfunktionen bei der Orientierung in der Welt, nämlich<br />
„die Funktionen der Informationsvermittlung oder Welterklärung, der Verhaltenssteuerung o-<br />
der Handlungsnormierung und der gefühlsmäßigen Auseinandersetzung mit der Realität im<br />
Sinne einer Weltverklärung oder aber einer Weltüberwindung. Dazu kommen die maßgebenden<br />
Leitvorstellungen, besonders die soziomorphen, technomorphen, biomorphen und ekstatisch-kathartischen.“<br />
68<br />
Die Funktion der Informationsvermittlung besteht darin, Auskunft über die Beschaffenheit<br />
der Welt zu vermitteln, über das Dies- und auch Jenseits, über Natur und gesellschaftliche<br />
Ordnung. Die Funktion der Verhaltenssteuerung erfüllen plurifunktionale<br />
Führungssysteme, indem sie Anweisungen über richtiges und falsches Handeln geben,<br />
indem sie Werte setzen. Die Funktion der gefühlsmäßigen Auseinandersetzung mit der<br />
Realität kann primär auf zwei Arten gele<strong>ist</strong>et werden, zum einen im Sinne einer Weltverklärung,<br />
d.h. die Realität wird als intrinsisch gut und gerecht dargestellt, zum anderen<br />
im Sinne einer Weltüberwindung, d.h. die empirische Welt und das mit ihr verbundene<br />
Leid sind nur etwas Oberflächliches und Unvollkommenes, welches es zu transzendieren<br />
gilt, um eine höhere Ebene der Vollkommenheit zu erreichen. 69<br />
68 Ernst Topitsch, Erkenntnis und Illusion. Grundstrukturen unserer Weltauffassung, 2., überarbeitete und<br />
erweiterte Aufl., Tübingen 1988: Mohr, 9.<br />
69 Zur Verdeutlichung dessen, wie diese Weltanschauungsfunktionen in der Realität vorliegen, könnten<br />
einige Kerngedanken des Chr<strong>ist</strong>entums betrachtet werden, die in den einzelnen Strömungen und Sekten<br />
Teil der Glaubenssysteme sind, unabhängig von theologischen Differenzen im Detail. So wird die Informationsfunktion<br />
durch eine ganze Reihe von Bibelpassagen erfüllt z.B. durch die Schöpfungsgeschichte,<br />
die Geschichte vom Sündenfall, Teile der Bergpredigt usw. Anweisungen zum richtigen Handeln werden<br />
21
Unter den von Topitsch erwähnten Leitvorstellungen sind bestimmte Grundkonzepte<br />
und Modelle zu verstehen, nach denen die Welt gedeutet wird. Topitsch schreibt dazu:<br />
„Diesen vier Gruppen emotional und lebenspraktisch grundlegender Gegebenheiten unseres<br />
Daseins – den sozialen Beziehungen, dem handwerklich-künstlerischen Verfertigen, den auffälligsten<br />
Lebenserscheinungen und der Auseinandersetzung mit dem Druck der Realität – entstammen<br />
die maßgebenden Motive und Modellvorstellungen von Formen der Weltauffassung<br />
und Selbstdeutung, welche viele Jahrtausende hindurch das menschliche Denken fast unbestritten<br />
beherrscht haben und erst unter dem Einfluß der modernen Wissenschaft zurückgetreten<br />
und verblaßt sind. Von jenen zentralen Gegebenheiten ausgehend, erschließt sich der Mensch<br />
die weitere Umwelt, indem er die wohlbekannten und gefühlsgesättigten Merkmale und Eigenschaften<br />
seines engeren Lebenskreises unbewußt auf das Fernerliegende und Unbekannte überträgt.<br />
Auf diese Weise deutet er die Welt soziomorph als gesellschaftliches Gebilde, technomorph<br />
als Erzeugnis der Kunstfertigkeit oder biomorph nach dem Muster des Lebendigen; dazu<br />
kommt noch der [...] Vorstellungskreis der weltüberlegenen ‚Seele’, der besonders in<br />
schaman<strong>ist</strong>ischen und verwandten Formen der Magierekstatik sowie in den Reinigungsmysterien<br />
eine Schlüsselrolle spielt und den man daher als den ekstatisch-kathartischen bezeichnen<br />
kann.“ 70<br />
In Topitschs Analysen finden sich zahlreiche Beispiele für Weltanschauungen aus Gegenwart<br />
und Vergangenheit, die diesen Leitvorstellungen folgen. 71 Für die vorliegende<br />
Untersuchung sind jedoch vor allem die Weltanschauungsfunktionen von Belang, denn<br />
sie liefern die Kategorien, nach denen in der vorliegenden Arbeit einerseits die musikalische<br />
Struktur und die Texte der Bergmannslieder, andererseits die Verwendung der<br />
Bergmannslieder analysiert werden sollen. Allerdings soll auch darauf geachtet werden,<br />
ob und in welchem Maße die erwähnten Leitvorstellungen in Bergmannsliedern zum<br />
Ausdruck kommen.<br />
Es <strong>ist</strong> nicht notwendig alle Ergebnisse Topitschs zu teilen, zu denen er in seinen Untersuchungen<br />
kommt, jedoch liegt mit dem Begriff des plurifunktionalen Führungssystems<br />
ein gutes Werkzeug vor, um Ideologien und ihren Einfluss in der sozialen Realität einer<br />
Analyse zu unterwerfen. Sicherlich <strong>ist</strong> Topitsch zuzustimmen, dass die Funktion der<br />
Welterklärung plurifunktionaler Führungssysteme mehr und mehr durch die Erkenntnisse<br />
der modernen Wissenschaften zurückgedrängt wurde, dass die modernen Wissenin<br />
prominenter Weise durch die zehn Gebote vermittelt. Eine mögliche Form der emotionalen Auseinandersetzung<br />
mit der Realität besteht z.B. in der Lehre vom himmlischen Paradies, das den Gläubigen am<br />
Ende des Weges durch das irdische Jammertal erwartet. Diese Analyse <strong>ist</strong> ohne Frage oberflächlich und<br />
aus religionswissenschaftlicher Sicht wahrscheinlich grob verallgemeinernd, sie sollte aber verdeutlichen,<br />
was unter den beschriebenen Weltanschauungsfunktionen zu verstehen <strong>ist</strong>.<br />
70 Topitsch 1988:58.<br />
71 Vgl. u.a. Ernst Topitsch, Vom Ursprung und Ende der Metaphysik. Eine Studie zur Weltanschauungskritik,<br />
München 1972: Deutscher Taschenbuch Verlag. Topitsch 1988.<br />
22
schaften in Ansätzen Teil des Alltagsverstandes geworden sind. 72 Topitschs aufklärerischer<br />
„Optimismus“, dass der, durch die inneren Widersprüche und die Widersprüche<br />
zur Wissenschaft beförderte, Zerfall der Führungssysteme „langsam und oft stockend,<br />
im ganzen aber wohl unaufhaltsam“ 73 weitergehe, muss zumindest in Frage gestellt<br />
werden, wenn man den derzeitig neu erwachsenden Einfluss etablierter Religionen und<br />
religiöser Alternativbewegungen oder die Wahlerfolge der europäischen Rechten, mehr<br />
noch ihre Beeinflussung des öffentlichen Diskurses betrachtet. Dass plurifunktionale<br />
Fühungssysteme nur in „wesentlich bescheidener Gestalt“ 74 , für die Orientierung im<br />
Alltag fortex<strong>ist</strong>ieren werden, erscheint zweifelhaft, wenn – unter anderem – eine keineswegs<br />
marginale Diskussion über Evolution und Kreationismus geführt wird. Es sollen<br />
hier jedoch keine Prophezeiungen über kommende Entwicklungen gemacht werden.<br />
Festzustellen <strong>ist</strong>, dass Ideologien, in jedem Fall im Bereich der Handlungssteuerung und<br />
emotionalen Auseinandersetzung mit der Welt, sowie in der Funktion der Information,<br />
insbesondere über die soziale Realität, 75 auch heute noch eine nicht zu unterschätzende<br />
Rolle spielen und in der Vergangenheit gespielt haben. Nicht übersehen sollte man, dass<br />
die Werte der Wissenschaft, wie Wahrheit, Objektivität, Intersubjektivität, Kritikfähigkeit<br />
usw., die alles andere als unumstritten sind, auch als Ideologie zu bezeichnen sind,<br />
da sie dem Selbstverständnis der sozialen Gruppe der Wissenschaftler dienen und bei<br />
der Bewertung ihrer Vergangenheit und bei der Orientierung auf die Zukunft helfen. Sie<br />
liefern Informationen, Bewertungen und Handlungsanweisungen, und in gewissem Maße<br />
le<strong>ist</strong>en sie auch Hilfe bei der emotionalen Auseinandersetzung mit der Welt, da sie<br />
die Wissenschaftler in der Gesellschaft legitimieren können. „Wissenschaftlichkeit“ <strong>ist</strong><br />
daher auch ein plurifunktionales Führungssystem, Wissenschaft und Ideologie stehen in<br />
keiner Dichotomie zueinander. Ob, welche und aus welchen Gründen eine Ideologie einer<br />
anderen vorzuziehen <strong>ist</strong>, sind ethische Fragen, die hier nicht beantwortet werden<br />
können.<br />
72 Vgl. Topitsch 1988:242-243.<br />
73 Topitsch 1988:306.<br />
74 Topitsch 1988:307<br />
75 Es wäre hier z. B. an Aussagen des Typs „Die Ausländer nehmen uns die Arbeit weg.“ oder „Nur ein<br />
freier Markt kann den größtmöglichen Wohlstand aller gewährle<strong>ist</strong>en.“ zu denken.<br />
23
2.2. Musik und Ideologie<br />
Im folgenden Kapitel sollen anhand von Beispielen Vorüberlegungen getroffen werden,<br />
wo Musik und Ideologie aufeinander treffen können. Es soll keine umfassende und abgeschlossene<br />
Systematik entworfen werden, sondern vielmehr exemplarisch zentrale<br />
Aspekte des Wirkens von Ideologie in der musikalischen Struktur, im musikalischen<br />
Klang und im Text untersucht werden, und wie Musik im ideologischen, sozialen Kontext<br />
verwendet werden kann. Diese Untersuchungen haben vor allem heur<strong>ist</strong>ischen Wert<br />
für die spätere Analyse von Bergmannsliedern und ihrer Verwendung, sie schärfen den<br />
Blick für Ideologie in der Musik und für Musik in der Ideologie. Als Orientierung dienen<br />
hierbei die Überlegungen Vladimir Karbusickys zum Verhältnis von Ideologie und<br />
Liedern und die Hypothesen Helmut Brenners zur politischen Musikverwendung, die<br />
auch für die Analyse des Verhältnisses von Ideologie und Musik hilfreich sind. 76 Karbusicky<br />
befasst sich in seiner Untersuchung nur mit politischen – fast ausschließlich totalitären<br />
– Ideologien, desweiteren vertritt er einen, in mancher Hinsicht vom hier verwendeten<br />
verschiedenen, Ideologiebegriff mit klar negativer Bedeutung. 77 Sowohl<br />
Brenners als auch Karbusickys Überlegungen müssen daher für die vorliegende Arbeit<br />
adaptiert werden, da in Bergmannsliedern nicht nur – im engeren Sinne – politische, geschweige<br />
denn totalitäre Ideologien eine Rolle spielen.<br />
Es sei zunächst festgestellt, dass es keine ideologische Musik per se gibt. Über Ideologie<br />
in der Sprache schreibt Eagleton:<br />
„Ideology is less a matter of the inherent lingu<strong>ist</strong>ic properties of a pronouncement than a question<br />
of who is saying what to whom. [...] The general point, then, is that exactly the same piece<br />
of language may be ideological in one context and not in another; ideology is a function of the<br />
relation of an utterance to its social context.“ 78<br />
Übertragen auf die Musik bedeutet dies, dass sie ihren ideologischen Gehalt aus dem<br />
entsprechenden sozioh<strong>ist</strong>orischen Kontext ihrer Entstehung bzw. ihrer Verwendung erhält.<br />
Wie musikalische Strukturen ideologisiert werden können, wie ideologische Inhalte<br />
in Texten transportiert werden, welche Rolle die Urheber eines Liedes spielen, wird<br />
in Kapitel 2.2.1. betrachtet. Dass die vom Kompon<strong>ist</strong>en intendierte Bedeutung der Musik<br />
und die Bedeutung, die der selben Musik zu einem späteren Zeitpunkt zugeschrieben<br />
76 Vgl. Karbusicky 1973:11-21. Helmut Brenner, Musik als Waffe? Theorie und Praxis der politischen<br />
Musikverwendung, dargestellt am Beispiel der Steiermark 1938-1945, Graz 1992: H. Weishaupt, 18-56.<br />
77 Vgl. Karbusicky 1973:202-204.<br />
78 Eagleton 2007:9.<br />
24
wird, grundverschieden sein können, <strong>ist</strong> ein rezeptionsgeschichtliches Phänomen. Beispiele<br />
dafür werden im Kapitel 2.2.2. gegeben. In jenem Kapitel stehen Aspekte des<br />
Gebrauchs und der Funktion von Musik in der Gesellschaft im Vordergrund.<br />
Brenner unterscheidet drei intentionale Ebenen bei der politischen Wirksamkeit von<br />
Musik, die hier für die Analyse entsprechend adaptiert werden sollen: Primärintention,<br />
Postintention und Präintention. „Als ‚Primärintention’ wird ausschließlich die vom<br />
Kompon<strong>ist</strong>en bzw. Autor dem Werk zugrundegelegte Intention verstanden, wobei [...]<br />
es keine Rolle spielt, ob dies bewußt oder unbewußt geschieht.“ 79 Es muss hier festgestellt<br />
werden, dass nicht jede Musik eine ideologische Primärintention haben muss. Die<br />
Primärintention muss nicht notwendigerweise erhalten bleiben, sie kann ersetzt oder ü-<br />
berformt werden durch andere Bedeutungen, die aus der Nutzung der Musik entstehen.<br />
80<br />
„Alle jene Intentionen, die, falls eine Primärintention vorhanden <strong>ist</strong>, von dieser unterschiedlich<br />
und chronologisch in einem darauffolgenden Abschnitt angesiedelt sind, oder jene, die einem<br />
ursprünglich ohne Intention entstandenen Werk nach dessen Entstehung beigegeben wurden,<br />
werden in dieser Arbeit mit dem Begriff ‚Postintention’ bezeichnet.“ 81<br />
„Als ‚Präintention’ sollen hier alle jene Intentionen bezeichnet werden, die aufgrund unterschiedlicher<br />
Faktoren intentional sind, ohne daß vom Kompon<strong>ist</strong>en oder Autor diese<br />
Intention – bewußt oder unbewußt vorgegeben wäre.“ 82<br />
Die Präintentionen werden<br />
durch kompositorische und dichterische Entscheidungen quasi „mit ins Boot“ geholt,<br />
durch die Entscheidung für eine bestimmte Form oder Gattung, durch die Auswahl der<br />
Instrumente, Kompositionstechniken, auch Vers- und Reimformen. Präintentionen entstehen<br />
also aus den Konnotationen, die solchen musikalischen und textlichen Elementen<br />
aufgrund ihrer geschichtlichen Entwicklung anhaften. So hat Marschmusik zunächst eine<br />
militärische Konnotation, selbst wenn man einen „Friedensmarsch“ komponieren<br />
würde. „Erwartungshaltungen und Vorurteile spielen bei der Entstehung von Präintentionen<br />
nicht immer, aber oft eine bedeutsame Rolle.“ 83 Bei der analytischen Unterscheidung<br />
von „Ideologie in der Musik“ und „Musik in der Ideologie“, spielt die Primärintention<br />
bei der Frage nach der Ideologie in der Musik eine Rolle. Die Postintentionen<br />
79 Brenner 1992:55.<br />
80 Vgl. Brenner 1992:55.<br />
81 Brenner 1992:55.<br />
82 Brenner 1992:56.<br />
83 Brenner 1992:56.<br />
25
sind Teil der Rezeption von Musik, d.h. sie entstehen bei der ideologischen Verwendung<br />
von Musik, wobei selbstverständlich auch die Primärintention immer noch eine<br />
Rolle spielen kann. Präintentionen spielen in beiden Bereichen eine Rolle.<br />
Wenn eine Unterscheidung der intentionalen Ebenen sinnvoll <strong>ist</strong>, so gilt dies auch für<br />
die Bedeutungsebenen, die in enger Beziehung zu den intentionalen Ebenen stehen.<br />
Karbusicky unterscheidet die angebotenen, die gesellschaftlich angeeigneten und die<br />
analytischen Bedeutungen. Zu den angebotenen Bedeutungen schreibt Karbusicky:<br />
„Diese besteht aus mehreren Teilintentionen: die ursprüngliche ideologische Absicht des Autors<br />
des Liedes; die Intention des Herausgebers, die man aus der Zusammenstellung des Liederbuchs<br />
erkennen kann; Intention der sozialen Gruppe, die sich das Lied angeeignet hat; offizielles<br />
Interesse der Bewegung (der Partei) an der Ideologie des Liedes, die auch nachträglich<br />
hineinprojiziert werden kann [...].“ 84<br />
Trotz Karbusickys Verwendung des Begriffs „Intention“ sollte keine Verwechslung mit<br />
den eben definierten intentionalen Ebenen stattfinden. Die Bedeutungszuweisung <strong>ist</strong> ein<br />
intentionaler Prozess, in dem einem Zeichen als etwas Bezeichnendes ein Bezeichnetes<br />
zugewiesen wird. Die intentionalen Ebenen gehen aber über diesen Prozess der Bedeutungszuweisung<br />
hinaus, mit ihnen sind auch die intendierten Wirkungen und Folgen<br />
gemeint, die ein bestimmtes Stück Musik zur Folge haben soll. Die angebotene Bedeutung<br />
kann insofern primärintentionalen, wie auch postintentionalen Charakter haben,<br />
denn der Herausgeber eines Liederbuchs kann mit der Aufnahme eines Liedes in eine<br />
Sammlung ganz andere Intentionen haben, als der ursprüngliche Kompon<strong>ist</strong> oder Dichter.<br />
Als zweite Bedeutungsebene unterscheidet Karbusicky die gesellschaftlich angeeigneten<br />
Bedeutungen, „die aus einer im Liede angebotenen Ideologie erst die ‚materielle Sozialkraft’<br />
bilden“ 85 . Damit sind also die Bedeutungen gemeint, die von den Menschen,<br />
an welche ein Lied gerichtet <strong>ist</strong>, tatsächlich wahrgenommen wird. Dies <strong>ist</strong> in jedem Fall<br />
ein postintentionaler Rezeptionsprozess, denn die angebotene Bedeutung kann vollständig,<br />
teilweise oder auch missverstanden werden. Entsprechend kann dies auch nichtintendierte<br />
Wirkungen zur Folge haben.<br />
84 Karbusicky 1973:11.<br />
85 Karbusicky 1973:11.<br />
26
Die dritte Bedeutungsebene sind die analytischen Bedeutungen: „die Metasemantik der<br />
Liedgebilde in einem Erkenntnisakt des Forschers. Diese Bedeutungen entstehen in einem<br />
beobachtenden Subjekt bei seiner ‚forscherischen Entfremdung’ der Gesellschaft<br />
gegenüber, in der das Lied unreflektiert funktioniert“ 86 . Hiermit <strong>ist</strong> also die kritischanalytische<br />
Rekonstruktion der ideologischen Bedeutungen – sowohl im Lied als auch<br />
in der Verwendung des Liedes – gemeint, die aus der Position einer möglichst alle relevanten<br />
Parameter umfassenden Gesamtschau heraus durchgeführt wird. Es sei hier angemerkt,<br />
dass zu diesem Erkenntnisakt keineswegs nur der berufsmäßige, wissenschaftliche<br />
Forscher in der Lage <strong>ist</strong>, auch wenn wissenschaftliche Methoden idealerweise die<br />
kritische Analyse unterstützen, denn der d<strong>ist</strong>anzierte Blick auf ein Lied und seinen Kontext<br />
<strong>ist</strong> in gewissem Maße Voraussetzung für jede karikierende Parodierung eines Liedes.<br />
Betrachtet man die drei Bedeutungsebenen, so sind gewisse Zusammenhänge zu dem<br />
Begriffspaar emisch-etisch festzustellen. Die angebotenen und die gesellschaftlich angeeigneten<br />
Bedeutungen sind emische Bedeutungen, insofern sie aus der intrakulturellen<br />
Perspektive der unterschiedlichen Akteure entstehen. Die analytischen Bedeutungen<br />
sind etische Bedeutungen, da sie aus einem extrakulturellen, theoretischen Rahmen heraus<br />
erzeugt werden und nicht aus der Perspektive eines Akteurs im analysierten Phänomen.<br />
2.2.1. Ideologie in der Musik<br />
Sofern vorhanden, <strong>ist</strong> der Text eines Musikstückes das Element, in dem ideologische<br />
Elemente am leichtesten zu erfassen sind. Brenner unterscheidet direkten und indirekten<br />
Textbezug, wobei mit direktem Textbezug eine manifeste Tendenz in einem Text gemeint<br />
<strong>ist</strong>, während die Semantik bei indirektem Textbezug mehrdeutig <strong>ist</strong>. 87 Als verdeutlichendes<br />
Beispiel, das noch mehrmals herangezogen werden wird, sollen das Lied<br />
„Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“ und seine Varianten dienen. Die ursprüngliche Fassung<br />
wurde 1920 von Hermann Scherchen in Anlehnung an Leonid P. Radins Rotgar-<br />
86 Karbusicky 1973:11.<br />
87 Vgl. Brenner 1992:19.<br />
27
d<strong>ist</strong>enmarsch („Kühn, Genossen, im Gleichschritt marschiert“) geschrieben und erlangte<br />
schnell Beliebtheit unter deutschen Sozialdemokraten und Kommun<strong>ist</strong>en. 88<br />
„1. Brüder, zur Sonne, zur Freiheit,<br />
Brüder zum Lichte empor!<br />
Hell aus dem dunklen Vergangnen<br />
leuchtet die Zukunft hervor!<br />
2. Seht, wie der Zug der Millionen<br />
endlos aus Nächtigem quillt,<br />
bis euer Sehnsucht Verlangen<br />
Himmel und Nacht überschwillt!<br />
3. Brüder, in eins nun die Hände,<br />
Brüder, das Sterben verlacht!<br />
Ewig der Knechtschaft ein Ende,<br />
heilig die letzte Schlacht!“ 89<br />
Dieser Liedtext zeichnet sich durch eine Eigenschaft aus, die Karbusicky als „funktionale<br />
Polyvalenz“ 90 bezeichnet, d.h. die Denotation des Textes <strong>ist</strong> ideologisch unspezifisch,<br />
der Textbezug <strong>ist</strong> indirekt. Zwar werden die Funktion der Informationsvermittlung,<br />
Handlungssteuerung und emotionalen Auseinandersetzung erfüllt, aber es <strong>ist</strong> unklar<br />
welche Zukunft aus welchem dunklen Vergangnen hervorleuchtet, was Gegenstand der<br />
Sehnsucht <strong>ist</strong>, welcher Knechtschaft ein Ende gesetzt werden soll und für was in der<br />
letzten Schlacht gekämpft werden wird. Das, was gemeint <strong>ist</strong>, wird erst durch die vom<br />
Kontext bestimmten konnotativen Bedeutungen aufgeklärt. Wenn das Lied von kommun<strong>ist</strong>ischen<br />
Arbeitern gesungen wird, dann <strong>ist</strong> klar, dass die Knechtschaft des Kapitalismus<br />
überwunden werden soll, dass die leuchtende Zukunft eine kommun<strong>ist</strong>ische Gesellschaft<br />
<strong>ist</strong> usw. Ebenso gibt Hermann Scherchens politische Ausrichtung Aufschluss<br />
über die Primärintention des Liedes. Die funktionale Polyvalenz des Liedes hatte jedoch<br />
zur Folge, dass die Nationalsozial<strong>ist</strong>en das Lied unverändert übernehmen konnten und<br />
ihm dadurch eine neue Postintention verliehen. 91 Zu finden <strong>ist</strong> es unter anderem im SA-<br />
88 Reinhard Dithmar, „Das ‚gestohlene’ Lied. Adaptionen vom Liedgut der Arbeiterbewegung in NS-<br />
Liedern“, Gottfried Niedhart und George Broderick (Hgg.), Lieder in Politik und Alltag des Nationalsozialismus,<br />
Frankfurt am Main u.a. 1999: Peter Lang, 25.<br />
89 Dithmar 1993:75.<br />
90 Karbusicky 1973:10.<br />
91 Vgl. Dithmar 1999:25-26.<br />
28
Liederbuch von 1934, allerdings ohne Angaben zum Urheber. 92 Es wurde aber auch ein<br />
neuer Text, von dem mehrere Varianten ex<strong>ist</strong>ieren, 93 über die selbe Melodie gedichtet:<br />
„1. Brüder in Zechen und Gruben, Brüder ihr hinter dem Pflug,<br />
aus den Fabriken und Stuben folgt unseres Banners Zug.<br />
2. Börsengauner und Schieber knechten das Vaterland;<br />
wir wollen ehrlich verdienen fleißig mit schaffender Hand.<br />
3. Hitler <strong>ist</strong> unser Führer, ihn lohnt nicht gold’ner Sold,<br />
der von den jüdischen Thronen vor seine Füße rollt.<br />
4. Einst kommt der Tag der Rache, einmal da werden wir frei:<br />
Schaffendes Deutschland erwache, brich deine Ketten entzwei.<br />
5. Dann laßt das Banner fliegen, daß unsere Feinde es sehn,<br />
immer werden wir siegen, wenn wir zusammen stehn.<br />
6. Hitler sind treu wir ergeben, treu bis in den Tod.<br />
Hitler wird uns führen einst aus dieser Not.<br />
7. Einst waren wir Marx<strong>ist</strong>en, Rotfront und S.P.D.,<br />
heut’ Nationalsozial<strong>ist</strong>en, Kämpfer der N.S.D.A.P.“ 94<br />
War „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“ noch für Sozialdemokraten, Kommun<strong>ist</strong>en und<br />
Nationalsozial<strong>ist</strong>en gleichermaßen tragbar, so <strong>ist</strong> dies bei „Brüder in Zechen und Gruben“<br />
definitiv nicht mehr der Fall. Der direkte Textbezug auf den Nationalsozialismus<br />
stellt jede Adaption für eine andere Ideologie außer Frage. Die Denotation des Liedtextes<br />
gibt bereits die ideologische Ausrichtung vor, das vermittelte ideologische Weltbild<br />
<strong>ist</strong> eindeutig: Deutschland wird vom jüdischen Kapital geknechtet, aber Hitler <strong>ist</strong> der<br />
unkorrumpierbare Führer in eine bessere Zukunft. Ihm gilt es sich anzuschließen und<br />
am „Tag der Rache“ unter seiner Führung die Feinde mit Sicherheit zu vernichten, auch<br />
wenn dies für den einzelnen den Tod bedeuten mag. Irrlehren muss abgeschworen werden,<br />
zu Gunsten der nationalsozial<strong>ist</strong>ischen Ideologie.<br />
Durch die in Kapitel 2.1.1. vorgenommene Definition des Begriffs „Bergmannslied“<br />
wird klar, dass Bergmannslieder primär durch ihre Texte gekennzeichnet sind, ihre Melodien<br />
also prinzipiell austauschbar sind, weshalb der Schluss nahe liegen würde, als<br />
Vorüberlegung für die Analyse von Bergmannsliedern wären allgemeine Betrachtungen<br />
zu Ideologie in Liedtexten ausreichend. Auf Basis dieses empirischen Befunds, der<br />
92 Vgl. Hans Fuchs (Hg.), SA-Liederbuch, vermehrte und verbesserte 2. Aufl., Diessen vor München<br />
1934: Jos. C. Huber, 30.<br />
93 Vgl. Karbusicky 1973:81-82.<br />
94 Fuchs 1934:28-29.<br />
29
durch umfangreiches Material gestützt <strong>ist</strong>, lässt sich jedoch nicht ausschließen, dass<br />
nicht doch musikalische Strukturen für die Analyse von Ideologie in Bergmannsliedern<br />
relevant sein könnten. Selbst wenn kein spezifischer Bergmannsliederstil ex<strong>ist</strong>iert, sind<br />
musikalisch-strukturelle Aspekte für das einzelne Lied und seine möglichen Bedeutungen<br />
und Wirkungen trotz allem relevant. Dies gilt umso mehr für den Fall des konkreten<br />
Gebrauchs eines Liedes: Welchen melo-rhythmischen Charakter besitzt es? Ist es als<br />
Marschlied geeignet? Wie <strong>ist</strong> es arrangiert? Dies alles sind Fragen, die besonders für die<br />
Untersuchung des Bergmannsliedes in der Ideologie relevant sind. Brenner stellt, unter<br />
Bezug auf musikpsychologische Forschungsergebnisse, fest,<br />
„daß, um bestimmte Bereitschaften zu erzielen, bestimmte melodisch/harmonische Modelle<br />
notwendig bzw. diese Modelle nicht beliebig austauschbar sind. Der Text von ‚Auf, auf zum<br />
Kampf’ wird selbst bei Stimmigkeit aller anderen Komponenten mit einer unterlegten, stufenweise<br />
fortschreitenden Choralmelodie weniger gut im Sinne der Weckung von Kampfbereitschaft<br />
funktionieren als die lediglich durch einige Durchgangstöne verschleierte, auf trompetenrufartigen<br />
Dreiklangszerlegungen basierende Originalmelodie im Marschrhythmus.“ 95<br />
Abgesehen von solchen allgemeinen – aber kulturspezifischen – psycho-physischen<br />
Wirkungen musikalischer Strukturen <strong>ist</strong> vor allem ein weiterer Aspekt relevant, nämlich<br />
die Semantik vorhandener struktureller Elemente. Melodien, Rhythmen, Tonsatztechniken,<br />
Instrumentation u.a. können konnotative Bedeutungen aus ihrem Gebrauch erhalten.<br />
Dadurch können strukturelle Elemente als Symbole fungieren, die auf ideologische<br />
Inhalte verweisen. 96 Die Ideologisierung und die symbolische Funktion struktureller E-<br />
lemente sollen daher im Folgenden im Mittelpunkt der Betrachtung stehen.<br />
Zur Frage, welche Rolle Melodien bei der symbolischen Ideologisierung von Musik<br />
spielen können, sollen erneut „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“ und die<br />
nationalsozial<strong>ist</strong>ische Variante „Brüder in Zechen und Gruben“ betrachtet werden. Die<br />
Melodie und der Text waren klar als „links“ konnotiert, das Singen des Liedes durch die<br />
Nationalsozial<strong>ist</strong>en war durchaus ein bewusster Akt der Provokation, ein Umstand, den<br />
sich die Nationalsozial<strong>ist</strong>en auch bei anderen adaptierten Lieder zunutze machten und<br />
sich damit auch brüsteten. 97<br />
Die Informationsfunktion des Liedes wird durch eine<br />
zusätzliche Ebene erweitert: die Nationalsozial<strong>ist</strong>en werden so über ihre linken Gegner<br />
siegen, wie sie sich des Lieds ihrer Gegner ermächtigt haben. Dieser Akt des<br />
symbolischen Triumphes, die Unterwerfung der sozialdemokratischen bzw.<br />
kommun<strong>ist</strong>ischen Melodie, wurde durch „Brüder in Zechen und Gruben“ zugespitzt.<br />
95 Brenner 1992:20-21.<br />
96 Vgl. Brenner 1992:21-22<br />
97 Vgl. Dithmar 1999:24-25.<br />
30
durch „Brüder in Zechen und Gruben“ zugespitzt. Die siebente Strophe verbalisiert das<br />
Überlaufen der Sozialdemokraten und Marx<strong>ist</strong>en zu den Nationalsozial<strong>ist</strong>en explizit,<br />
während gleichzeitig die ursprünglich links konnotierte Melodie den Zwecken der nationalsozial<strong>ist</strong>ischen<br />
Ideologie dient.<br />
Als ein Beispiel für die Ideologisierung<br />
von Musik mittels<br />
des Rhythmus’ kann Hans<br />
Werner Henzes „Oratorio volgare<br />
e militare“ „Das Floß der<br />
Medusa“ angeführt werden. Henze, der sich als Sozial<strong>ist</strong> verstand, schrieb dieses Werk<br />
1967/1968, also im sozioh<strong>ist</strong>orischen Kontext der linken Studentenbewegung in<br />
Deutschland. Gewidmet <strong>ist</strong> das Oratorium Che Guevara, der 1967 hingerichtet wurde.<br />
Der Text Erich Schnabels greift ein Ereignis aus dem Jahre 1816 auf, den Schiffbruch<br />
des französischen Kriegschiffs „Medusa“, in dessen Folge sich die hochrangigen Besatzungsmitglieder<br />
in Rettungsbooten retteten, die niedrigrangigen Mitglieder jedoch in<br />
einem freitreibenden Floß dem Tod Preis gaben. 98 Der in mehreren Sprachen erschienene<br />
Bericht zweier Überlebender und die künstlerische Verarbeitung im Gemälde Théodore<br />
Géricaults hatte schon im 19. Jahrhundert politische, anti-bourbonische Implikationen.<br />
99 Im Finale des Oratoriums wird zunächst von den Pauken, dann auch von den<br />
Tom-Toms ein ostinater Rhythmus gespielt. 100 Nach und nach kommen weitere Instrumente,<br />
vor allem Perkussionsinstrumente, hinzu, über 36 Takte gibt es ein Crescendo<br />
von ppp bis sffff im letzten Takt des Werks. Über diesen ostinaten Rhythmus wird zusätzlich<br />
von der Figur „Charon“ folgender Text gesprochen:<br />
Notenbeispiel 1: Hans Werner Henze, „Das Floß der Medusa“,<br />
Pauken, T. 15-16 nach Ziffer 25.<br />
„Am siebzehnten Juli Achtzehnhundertsechzehn vor zehn Uhr morgens sichtete die Brigg ‚Argus’<br />
das Floß der ‚Medusa’; der Mulatte Jean Charles, der den Blick auf das rettende Schiff gerichtet,<br />
den roten Fetzen geschwenkt hatte, lag in Agonie, als man ihn barg, und <strong>ist</strong> nicht mehr<br />
98 Vgl. Peter Petersen, „Hans Werner Henze: ‚Das Floß der Medusa’ (1968)“, Hanns-Werner He<strong>ist</strong>er<br />
(Hg.), Geschichte der Musik im 20. Jahrhundert: 1945-1975 (= Handbuch der Musik im 20. Jahrhundert<br />
3), Laaber 2005: Laaber-Verlag, 317-318.<br />
99 Vgl. Petersen 2005:318.<br />
100 Vgl. Notenbeispiel 1.<br />
31
erwacht. Die Überlebenden aber kehrten in die Welt zurück: belehrt von Wirklichkeit, fiebernd,<br />
sie umzustürzen.“ 101<br />
Der ostinate Rhythmus entspricht dem Sprachrhythmus der Parole „Ho – Ho – Ho Chi<br />
Minh“, die auf den Anti-Vietnamkriegsdemonstrationen skandiert wurde, er symbolisiert<br />
die Parole. 102 Äußerungen Henzes legen die Annahme nahe, dass er im Finale des<br />
Oratoriums einen das Publikum agitierenden Charakter, ein Durchbrechen der „vierten<br />
Wand“ bewusst intendiert hat. 103 Der Rhythmus würde demnach die Funktion der Informationsvermittlung<br />
und der Handlungssteuerung erfüllen. Er stellt einerseits eine positive<br />
Stellungsnahme zum Kampf des Vietcong – stellvertretend für einen internationalen<br />
und zeitenübergreifenden Kampf um Befreiung aus Unterdrückungsverhältnissen –<br />
dar, andererseits fordert er das Publikum zum Skandieren auf und diesen Kampf zu befürworten.<br />
Schließlich muss noch einmal betont werden, dass der Rhythmus seine ideologische<br />
Bedeutung erst aus dem inhaltlichen Kontext des Werkes und aus dem h<strong>ist</strong>orischen<br />
Kontext der Entstehung des Werkes erhält. Nicht jedes Werk, wahrscheinlich die<br />
wenigsten, in dem ein Rhythmus in den entsprechenden Proportionen auftaucht, nimmt<br />
Bezug auf die Parole „Ho – Ho – Ho Chi Minh“.<br />
Grundsätzlich kann jede normative, ästhetische Lehre als plurifunktionales Führungssystem<br />
angesehen und analysiert werden. Eine solche ästhetische Lehre informiert über<br />
das <strong>Schön</strong>e und das Hässliche, sie gibt Kriterien dafür, was als Kunst aufzufassen <strong>ist</strong><br />
und was nicht usw. Mit einer Poiesis liefert sie Handlungsanweisungen für die künstlerische<br />
Produktion. Bei der emotionalen Auseinandersetzung mit der Realität kann eine<br />
ästhetische Lehre vor allem dann helfen, wenn sie den Vorrang der ihren Kriterien entsprechenden<br />
Kunst legitimiert und somit alle ihre Gegner und Kritiker als unkünstlerisch<br />
brandmarkt. In besonders perfider Weise wurde diese Trostfunktion ästhetischer<br />
Ideologien von Richard Wagner vorgeführt, wenn er in seinem Pamphlet „Das Judentum<br />
in der Musik“ (vor allem in den Ergänzungen zur zweiten Fassung von 1869) seine<br />
musikalischen Misserfolge durch Intrigen eines unmusikalischen, internationalen Juden-<br />
101 Hans Werner Henze, Das Floß der Medusa. Oratorio volgare e militare in due parti (= Musik des 20.<br />
Jahrhunderts), Text von Ernst Schnabel, Studienpartitur, Mainz-London-New York o. J.: Schott (Ed.<br />
6326), T. 15-32 nach Ziffer 25.<br />
102 Vgl. Petersen 2005:321.<br />
103 Vgl. Petersen 2005:321.<br />
32
tums zu erklären versuchte. 104 Vor dem Hintergrund einer solchen Lehre können daher<br />
auch musikalische Aspekte ideologisiert werden, die im Vergleich zu bestimmten Melodien<br />
oder Rhythmen weniger spezifisch und auf einer höheren Ebene erscheinen: z.B.<br />
Tonsatztechniken, Harmonik oder Instrumentation.<br />
Dass solche ideologischen Wertungen Implikationen haben können, die über den unmittelbaren<br />
künstlerischen Diskurs hinausgehen, lässt sich am Beispiel der Ästhetik des sozial<strong>ist</strong>ischen<br />
Realismus demonstrieren. Der Formalismusvorwurf, der zahlreichen Kompon<strong>ist</strong>en<br />
– unter anderem Schostakowitsch, Strawinsky, Krenek und Eisler – gemacht<br />
wurde, traf auch bestimmte Kompositionstechniken wie die Dodekaphonie. Der Kompon<strong>ist</strong><br />
Ernst Hermann Meyer formulierte den Formalismusvorwurf im Jahre 1952 folgendermaßen:<br />
„Formal<strong>ist</strong>ische Tendenzen in der Musik sind nicht neu. Sie traten immer da auf, wo lebendige<br />
soziale Impulse fehlten, wo die Gesellschaftsschichten, die die Kunst trugen in Verfall gerieten.<br />
Dort beruhte das Schaffen des Künstlers nicht auf einem sozial-menschlichen künstlerischen<br />
Mitteilungsbedürfnis, sondern auf einem leeren, abstrakten Konstruierenwollen.“ 105<br />
Der Dodekaphonie <strong>Schön</strong>bergs und seiner Schüler warf er vor „pseudorevolutionär“ 106<br />
zu sein.<br />
„Sie [die Musik <strong>Schön</strong>bergs und seiner Schüler, M.S.] erschien [...] subjektiv als eine anarch<strong>ist</strong>isch-avantgard<strong>ist</strong>ische<br />
Revolte gegen den vom Kapitalismus verdorbenen Massengeschmack,<br />
aber darüber hinaus war sie objektiv vor allem eine Revolte gegen die Volksmusik überhaupt;<br />
sie war gleichzeitig eine Negierung all der positiven Inhaltswerte, die die Klassik von Bach bis<br />
Brahms enthält. Dies – die Negation – <strong>ist</strong> aber das entscheidende an ihr!“ 107<br />
Dodekaphon zu komponieren widerspricht daher der Ästhetik des sozial<strong>ist</strong>ischen Realismus’<br />
und in Folge auch der dahinter stehenden Staatsideologie. Ein grundsätzliches<br />
Charakter<strong>ist</strong>ikum von Kompositionen im Sinne des sozial<strong>ist</strong>ischen Realismus <strong>ist</strong> dem<br />
entgegen eine stark ausprägte Dur/Moll-Tonalität. Jedoch darf auch Dur/Moll-Tonalität<br />
nicht in ah<strong>ist</strong>orischer Weise als Kriterium zur Identifizierung von sozial<strong>ist</strong>ischem Realismus<br />
in der Musik herangezogen werden.<br />
104 Vgl. Richard Wagner, „Aufklärungen über das Judenthum in der Musik“, Richard Wagner, Gesammelte<br />
Schriften und Dichtungen, Bd. 8, 4. Aufl., Leipzig 1907: C.F.W. Siegel’s Musikalienhandlung, 240-<br />
257.<br />
105 Ernst H. Meyer, Musik im Zeitgeschehen, Berlin 1952: Bruno Henschel und Sohn, 149.<br />
106 Meyer 1952:150.<br />
107 Meyer 1993:150.<br />
33
2.2.2. Musik in der Ideologie<br />
Die Frage nach Musik in der Ideologie <strong>ist</strong> die Frage nach Prozessen, denen bereits ex<strong>ist</strong>ierende<br />
Musik unterworfen <strong>ist</strong>. Dies sind im weitesten Sinne Rezeptionsphänomene. Es<br />
<strong>ist</strong> die Frage nach der Funktionalisierung von Musik als Medium von Ideologie in der<br />
konkreten Verwendung. Die Analyse von Musik in der Ideologie muss deshalb die Postintention<br />
beachten, d.h. musikanthropologisch untersuchen, wer wann, wo, für wen, zu<br />
welchem Anlass, mit welchen Mitteln und zu welchem Zweck Musik zur Aufführung<br />
bringt, was sind use und function der Musik im Sinne Merriams. 108 Es muss untersucht<br />
werden, inwiefern und in welcher Ausprägung die drei Funktionen von Ideologie, aufgefasst<br />
als plurifunktionales Führungssystem, durch die Musik im Kontext des Aufführungsanlasses<br />
erfüllt werden. Die Primärintention der verwendeten Musik kann von der<br />
Postintention in der Situation der Verwendung grundverschieden sein. Es sei hier erneut<br />
an „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“ erinnert, dessen Primärintention eindeutig<br />
sozial<strong>ist</strong>isch bzw. kommun<strong>ist</strong>isch war, aufgrund seiner funktionalen Polyvalenz sich<br />
jedoch auch für den Gebrauch unter nationalsozial<strong>ist</strong>ischen Vorzeichen eignete. In<br />
Abhängigkeit davon, in welchem Liederbuch welcher politischer Richtung „Brüder, zur<br />
Sonne, zur Freiheit“ veröffentlicht wurde, änderte sich die angebotene, postintentionale<br />
Bedeutung, d.h. die Ideologie, die durch das Lied artikuliert werden sollte, war jeweils<br />
eine andere. Die gesellschaftlich angeeignete Bedeutung dieses Liedes <strong>ist</strong> dann im<br />
tatsächlich stattgefundenen Gebrauch des Liedes zu finden. Wurde das Lied von der<br />
nationalsozial<strong>ist</strong>ischen Bewegung als nationalsozial<strong>ist</strong>isches Lied akzeptiert, oder<br />
wurde bevorzugt die eindeutigere Variante „Brüder in Zechen und Gruben“ gesungen?<br />
Wurde es als „eigenes“ Lied gesungen oder primär als Provokation? Veränderte sich die<br />
Einstellung der Sozial<strong>ist</strong>en und Kommun<strong>ist</strong>en gegenüber dem Lied, weil es von den<br />
Nationalsozial<strong>ist</strong>en übernommen wurde, fand also auch im linken Kontext ein<br />
Bedeutungswandel statt? Diese Fragen zeigen deutlich, dass die methodischen<br />
Anforderungen für die Untersuchung von Musik in der Ideologie weit über eine<br />
musikimmanente Analyse der verwendeten Musik hinausgehen. 109<br />
108 Vgl. Merriam 1964:209-227.<br />
109 Vgl. Kapitel 1.2.<br />
34
3. Ideologie in Bergmannsliedern<br />
Die theoretischen Überlegungen sollen nun auf ausgewählte Bergmannslieder aus der<br />
Region Eisenerz angewandt werden. Die Auswahl der Lieder erfolgte, abgesehen von<br />
diesem geographischen Kriterium, aus folgenden Gründen: Der Eisenerzer Bergreihen<br />
<strong>ist</strong> das am frühesten datierbare Bergmannslied aus der Region Eisenerz <strong>ist</strong> und hat einen<br />
unmittelbaren Bezug zu dieser Region. „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“ und „Der Bergmannsstand<br />
sei hoch geehret“ wurden in die Analyse mit aufgenommen, da sie sich<br />
auch heute noch einer gewissen Popularität in der Region erfreuen und daher auch für<br />
die Frage nach Bergmannsliedern in der Ideologie ergiebig sein werden. „Früh muß der<br />
Knapp aufstehn“ bzw. „Gott gehört allein die Ehre“, zwei eng mit einander verwandte<br />
Lieder, wurden ausgewählt, da es sich bei diesen beiden Liedern um einige der wenigen<br />
Bergmannslieder aus der Region Eisenerz handelt, die eine sozialkritische Tendenz<br />
aufweisen. „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“ und „Gott gehört allein die Ehre“ sind außerdem<br />
Bergmannslieder, die – in Varianten – im gesamten deutschsprachigen Raum verbreitet<br />
sind.<br />
3.1. Der Eisenerzer Bergreihen<br />
Im 16. Jahrhundert erschienen im deutschsprachigen Raum zahlreiche Sammlungen von<br />
Bergmannsliedern, sogenannter Bergreihen. 110 1588/89 wurden in Graz in der Offizin<br />
des protestantischen Buchdruckers Johann Schmidt zwei Bergreihen veröffentlicht, der<br />
eine über das Eisenerzer Bergwerk, der andere über das in Vordernberg, für die sich<br />
beide ein gewisser, aus Tirol stammender, Sigmund Banstingl (auch Panstingl,<br />
Bainstingl) verantwortlich zeichnete. 111 Diese beiden me<strong>ist</strong>ergesangsartigen 112 Lieder<br />
stehen in einer Reihe mit weiteren, umfänglichen Loblieder auf Bergwerke aus dem 16.<br />
Jahrhundert. 1<strong>13</strong> Im Folgenden soll nur der Eisenerzer Bergreihen diskutiert werden.<br />
„Der Titel des Druckes, den das große Wappen des Erzherzog Carl von Steiermark ziert, lautet<br />
wortgetreu:<br />
110 Vgl. Suppan 2000:1155.<br />
111 Vgl. Anton Schlossar, Oesterreichische Cultur- und Literaturbilder mit besonderer Berücksichtigung<br />
der Steiermark, Wien 1879: Wilhelm Braumüller, 311-312, 326-327.<br />
112 Suppan vermutet sogar die Ex<strong>ist</strong>enz einer evangelisch geprägten Singschule in Eisenerz, die im Zuge<br />
der Gegenreformation erlosch (vgl. Suppan 2000:1161).<br />
1<strong>13</strong> Vgl. Heilfurth 1954:164.<br />
35
Aus Göttlicher genade<br />
Ist dem Edlen Ernvesten und wohlweissen<br />
N: Richter und Rath, Auch den Herren Radma<strong>ist</strong>ern,<br />
sambt ainer gantzen gemainde, souil<br />
deren in dem Weithgerimbten Marckth Eisenärtzt,<br />
im Hertzogthumb Steyr wohnend,<br />
diser Perckreihen von dem Uralten<br />
Eisen Perckwerch alda zu geselligen<br />
Ehren gedicht.<br />
In dem Thon wie man den Störtziger<br />
Perckreihen Singt.“ 114<br />
1655 wurde durch Mathias Abele von Lilienberg eine neue, den geänderten h<strong>ist</strong>orischen<br />
Bedingungen angepasste Fassung dieses Eisenerzer Bergreihens verfasst. 115 Im Gegensatz<br />
zu Heilfurths Aussage, dass die Urfassung von 1588 verschollen sei, 116 veröffentlichte<br />
Anton Schlossar sie 1879. 117 Abele überlieferte auch eine Melodie zum Eisenerzer<br />
Bergreihen, die Konrad Mautner 1919 im Faksimile abdruckte, ergänzt durch eine<br />
nicht unproblematische Transkription. 118 Da hier nur die Fassung von 1588 analysiert<br />
werden soll, wurde für diese Arbeit der Text der ersten Strophe der Banstingl-Fassung<br />
der von Abele tradierten Melodie unterlegt, in dem Bewusstsein, dass diese Melodie<br />
keinesfalls die von Banstingl ursprünglich gemeinte sein muss. 119 Vorsicht <strong>ist</strong> insofern<br />
geboten, da die bei Abele nicht textierte Bassstimme mit aller Wahrscheinlichkeit als<br />
Generalbassstimme 120<br />
gedacht <strong>ist</strong> und nicht als gesungene Stimme, wie Kirnbauer<br />
meint. 121 Eine Generalbassstimme wäre 1588 nicht unbedingt ein Anachronismus, je-<br />
114 Schlossar 1879:312.<br />
115 Vgl. Schlossar 1879:311.<br />
116 Heilfurth 1954:64.<br />
117 Vgl. Schlossar 1879:312-326.<br />
118 Vgl. Konrad Mautner (Hg.), Lob- und Ehren-Spruch von der großen Nutzbarkeit des Edlen und uralten<br />
Stahl- und Eisen-Bergwercks-Kleinods in dem berühmten Markt Eisenärzt des Landes Steyr gelegen /<br />
item: Der gemeine alte Eisenerztische Berck-Reimen auf eine löbl. Innerbergische Haubtgewerckschafft /<br />
und jetzig gegenwärtigen Stand / in etwas verändert durch Mathiam Abele / von Lilienberg / der hochlöbl.<br />
Fruchtbringenden Gesellschaft-Mitgenossen / 1655, Graz 1919: Deutsche Vereins-Druckerey, 10-<br />
12.<br />
119 Vgl. Notenbeispiel 2.<br />
120 Man beachte vor allem die Versetzungszeichen über einigen Basstönen (Vgl. Faksimile bei Mautner<br />
1919:10-11), die, abgesehen von einem Fall, der ein Druckfehler zu sein scheint (T. 10: B im Bass, des<br />
wird durch die Bezifferung gefordert, im Cantus wird aber d 2 gesungen), genau dann auftreten, wenn im<br />
Cantus die Terz zum Basston mit dem entsprechenden Versetzungszeichen auftaucht (T. 11-14).<br />
121 Die von Kirnbauer und Schubert herausgegebene Neuausgabe des Eisenerzer Bergreihens <strong>ist</strong> aufgrund<br />
der vorgenommenen und teilweise auf Fehlinterpretationen der Quellen beruhenden editorischen Eingrif-<br />
36
Notenbeispiel 2: Die erste Strophe des Eisenerzer Bergreihens in der Fassung Banstingls mit der von<br />
Abele überlieferten Melodie.<br />
doch ein ausgesprochen frühes Auftreten der Generalbasspraxis in Österreich. 122 Für die<br />
Entstehungszeit der Fassung Abeles gilt jedoch, „daß der Generalbass in Deutschland<br />
als Struktur- und Kompositionsprinzip selbstverständlich verwendet wurde und ihm eine<br />
fundamentale Bedeutung zukam“ 123 . Zu diesem Urteil kommen auch Federhofer und<br />
Flotzinger:<br />
„Erst die umgearbeitete Neuausgabe von 1655 enthält die Melodie samt einem mitgedruckten,<br />
aber erst später entstandenen Generalbaß, der der altertümlichen, zum Teil noch stark von linearen<br />
Kräften erfüllten Melodie nicht ganz gerecht wird. In ihm äußert sich die neuzeitliche verfe<br />
für wissenschaftliche Zwecke ungeeignet. Vgl. Franz Kirnbauer und Karl Leopold Schubert, Der gemeine<br />
alte Eisenerztische Berck-Reimen (= Leobener Grüne Hefte 46), Wien 1961: Montan-Verlag, 8.<br />
Kirnbauer 1924:37-40.<br />
122 Vgl. Jörg-Andreas Bötticher und Jesper B. Chr<strong>ist</strong>ensen, „Generalbaß“, Ludwig Finscher (Hg.), Die<br />
Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik, zweite, neubearbeitete Ausgabe,<br />
Sachteil, Bd. 3, Kassel u.a. 1995: Bärenreiter-Metzler, 1196-1201.<br />
123 Bötticher und Chr<strong>ist</strong>ensen 1995:1201.<br />
37
tikal-orientierte Musikauffassung, die Kunst- und Volksmusik im 17. Jahrhundert gleichermaßen<br />
durchdringt und zur Ausbildung der Herrschaft des Dur, der Akkordmelodik, Sequenztechnik<br />
und straffen Periodik führt.“ 124<br />
Die Textverteilung auf die Noten der Melodie <strong>ist</strong> bei der abeleschen Fassung keineswegs<br />
eindeutig, vor allem die Zeile „auf daß es muß erklingen“ <strong>ist</strong> unklar. Auffällig <strong>ist</strong><br />
aber, dass die Wortbetonungen bei den unstrittigen Stellen „Freut euch ihr Berckleut“<br />
und „Lobt Gott mit reichem“, ebenso die entsprechenden ersten und dritten Verse der<br />
anderen Strophen, nicht mit dem Metrum des durchgehenden 6/4-Taktes übereinstimmen,<br />
sondern vielmehr einen 3/2-Takt nahe legen. Dieser Umstand würde dafür sprechen,<br />
dass Abele keine neue Melodie komponiert hat, sondern ein präex<strong>ist</strong>entes Melodiemodell<br />
mit wechselndem Metrum in ein festes Taktschema gebracht und mit einer<br />
Generalbassstimme unterlegt hat. Ob der Cantus jedoch der von Banstingl gemeinte<br />
Ton war, <strong>ist</strong> nicht zu klären, solange nicht neue Quellen zur Melodie des verschollenen<br />
Störtziger (d.h. Sterzinger) Bergreihens auftauchen. Aus ideologieanalytischer Perspektive<br />
muss davon ausgegangen werden, dass die Entscheidung für diese spezielle Melodie<br />
keine ideologischen Implikationen hat. Durch den choralartigen Charakter scheint es<br />
eher für den kontemplativen Vortragsgebrauch geeignet, als für den aktiven als Marschoder<br />
Arbeitslied.<br />
Was <strong>ist</strong> der sozioh<strong>ist</strong>orische Kontext in welchem der Eisenerzer Bergreihen entstand?<br />
Das 16. Jahrhundert war in Eisenerz eine Zeit „voll schwerer wirtschaftlicher, politischer<br />
und religiöser Kämpfe, eine Zeit starken Aufstieges und dann unaufhaltsamen<br />
Abwärtsgleitens“ 125 . Die Eisenproduktion stieg bis in die 60er Jahre beständig an, durch<br />
die landesfürstlich reglementierten Eisenpreise, die steigenden Lebenshaltungskosten<br />
und Löhne sowie die starren Handelsregelungen konnten aber keine große Gewinne erwirtschaftet<br />
werden, die Radme<strong>ist</strong>er machten vielmehr Verluste, was mehrere Erhöhungen<br />
des Eisenpreises und der landesfürstlichen Subventionen notwendig machte. 126 Die<br />
Versorgung mit Lebensmitteln und Kohle war ein weiteres dauerhaftes Problem. 127 Der<br />
124 Hellmut Federhofer und Rudolf Flotzinger, „Musik in der Steiermark. H<strong>ist</strong>orischer Überblick“, Rudolf<br />
Flotzinger (Hg.), Musik in der Steiermark. Katalog der Landesausstellung 1980, Graz 1980: o. V., 80.<br />
125 Hans Pirchegger, „Geschichtliches“, Eduard Stepan (Hg.), Der Steirische Erzberg und seine Umgebung.<br />
Ein Heimatbuch (= Sonderheft der Zeitschrift „Deutsches Vaterland“), Bd. 1, Wien 1924: Verlag<br />
„Deutsches Vaterland“, 55.<br />
126 Vgl. Pirchegger 1924:62-63, 73.<br />
127 Vgl. Pirchegger 1924:58, 63-64.<br />
38
Abbau lag in der Hand der Radme<strong>ist</strong>er und fand nach keinem Plan statt, was zur Folge<br />
hatte, dass Stollen einander sehr nahe kamen mit der Gefahr des Einsturzes und dass<br />
sich die Grubenbesitzer mitunter gegenseitig das Erz nahmen, was wiederum gerichtliche<br />
Auseinandersetzungen zur Folge hatte. 128 Immer wieder wurden Klagen über<br />
schlechte Eisenqualität und einen Mangel an Eisen – auch in Zeiten steigender Erzförderung<br />
– laut. 129 Eine zwischen 1539 und 1541 arbeitende Untersuchungskommission<br />
sah die Gründe dafür in schlampiger Arbeit in den Blähhäusern, was eine Reihe neuer<br />
Regelungen und Ordnungen für die verschiedenen Zweige des Montanwesens zur Folge<br />
hatte. <strong>13</strong>0 Unter Erzherzog Karl II. und bis ins 17. Jahrhundert hinein stand der Erzberg<br />
„in Unwürde“, d.h. die Erzförderung ging drastisch zurück, „während der Innerberg im<br />
Jahre 1550 fast 12800 Maß [ein Maß entsprach ca. 9-10 Zentner zu 50kg, M. S.] Eisen<br />
erzeugte, waren es 1578 nur mehr 9700 und 1588 gar nur 9200 Maß“ <strong>13</strong>1 . Die wirtschaftliche<br />
Krise verschärfte sich also gerade in der Entstehungs- und Veröffentlichungszeit<br />
des Eisenerzer Bergreihens. Um die wirtschaftlich-organisatorischen Probleme am Erzberg<br />
in den Griff zu bekommen, schlug bereits 1567 eine Untersuchungskommission<br />
die Gründung einer gemeinsamen Gewerkschaft der Eisenerzer Radwerke vor, ein Plan<br />
der jedoch erst 1625 umgesetzt wurde. <strong>13</strong>2 1583 wurde in Eisenerz eine Eisengesellschaft<br />
gegründet, welche die Eisenerzer Radme<strong>ist</strong>er und Hammerherrn sowie die Steyrer Eisenverleger<br />
umfasste, und welche die Eisenproduktion, vom Erz, über das Roheisen, die<br />
verschiedenen Eisen- und Stahlsorten bis hin zu den Steyrer Händlern, regeln und koordinieren<br />
sollte. <strong>13</strong>3 „Die Klagen über zu wenig und schlechtes Eisen verstummten trotzdem<br />
nicht.“ <strong>13</strong>4<br />
Mit den wirtschaftlichen Veränderungen ging auch ein sozialer Wandel im Bergbau<br />
einher, von einem patriarchalischen Verhältnis des Radme<strong>ist</strong>ers zu seinen Untergebenen<br />
hin zu neuzeitlicheren Lohnarbeitsverhältnissen. Die neu erlassene Bergordnung von<br />
128 Vgl. Pirchegger 1924:55.<br />
129 Vgl. Pirchegger 1924:58-59.<br />
<strong>13</strong>0 Vgl. Pirchegger 1924:59-62, 64, 74-75.<br />
<strong>13</strong>1 Pirchegger 1924:75.<br />
<strong>13</strong>2 Vgl. Pirchegger 1924:74.<br />
<strong>13</strong>3 Vgl. Pirchegger 1924:75.<br />
<strong>13</strong>4 Pirchegger 1924:75.<br />
39
1586 regelte nicht nur die Löhne der in der Eisenproduktion Beschäftigten, sondern sah<br />
auch vor, dass<br />
„jeder Bergmann auf ein Jahr aufgenommen [wurde], der Oberhutmann [Vorarbeiter, M.S.]<br />
mußte sich einer Prüfung unterziehen; er nahm ja zume<strong>ist</strong> die Knappen auf und verrechnete mit<br />
ihnen. Für ihn betrug die Kündigungsfr<strong>ist</strong> einen Monat, für die anderen acht Tage.“ <strong>13</strong>5<br />
In den 80er Jahren verschärften sich mit den wirtschaftlichen Verhältnissen auch die sozialen<br />
Spannungen, 1584 kam es zu einem Hungeraufstand der Palsauer Holzknechte,<br />
1587 erhoben sich die Arbeiter in Eisenerz, welche die Gefängnisse öffneten und damit<br />
drohten die Obrigkeit zu töten. <strong>13</strong>6 Im Februar 1587 brannte ein Feuer zudem das Rathaus<br />
und die Häuser zahlreicher Bewohner nieder. <strong>13</strong>7 Parallel zu den sozioökonomischen<br />
Problemen belasteten im Laufe des 16. Jahrhunderts immer wieder die Auswirkungen<br />
der Kriege mit den Türken den Markt Eisenerz, <strong>13</strong>8 Erzherzog Karl II. nahm allerdings<br />
1565 Bergknappen, Holzknechte, Blähhaus- und Hammerschmiedenarbeiter<br />
explizit von der Rekrutierung aus. <strong>13</strong>9 Weitere Probleme entstanden durch den Protestantismus,<br />
der sich schon früh in Eisenerz verbreitete. 1525 beteiligten sich auch Teile der<br />
Eisenerzer Bevölkerung am Bauernkrieg, was auch religiöse Gründe gehabt haben<br />
könnte und strenge Maßregelungen zur Folge hatte. 140 1538 <strong>ist</strong> bereits ein lutheranischer<br />
Prädikant in Eisenerz nachgewiesen, ab den 60er Jahren scheint der größte Teil der Bevölkerung<br />
protestantisch gewesen zu sein. 141 Auch radikalere Strömungen waren vertreten:<br />
„Unter den Arbeitern gab es manche, die der ‚abgöttischen flacian<strong>ist</strong>ischen Sekte’ angehörten<br />
und sie weiter verbreiteten. Wohl kündete der Rat die Ausweisung an, aber er wagte nicht, sie<br />
durchzuführen. In seiner Hilflosigkeit drohte er sogar mit dem katholischen Erzpriester von<br />
Obersteier (1587)!“ 142<br />
Die wirtschaftlichen Interessen scheinen also höheres Gewicht gehabt zu haben, als die<br />
Positionierung in Konflikten zwischen protestantischen Strömungen. Erzherzog Karl II.<br />
war zwar ein Vorkämpfer der Gegenreformation, jedoch duldete er den Protestantismus<br />
in Eisenerz, offenbar, um nicht die Eisenproduktion und die ihm daraus erwachsenden<br />
<strong>13</strong>5 Pirchegger 1924:75.<br />
<strong>13</strong>6 Pirchegger 1924:76.<br />
<strong>13</strong>7 Vgl. Pirchegger 1924:78.<br />
<strong>13</strong>8 Vgl. Pirchegger 1924:57, 75.<br />
<strong>13</strong>9 Vgl. Gerhard Pferschy, „Arbeit und Leben im steirischen Eisenwesen“, Paul W. Roth (Hg.), Erz und<br />
Eisen in der Grünen Mark. Beiträge zum steirischen Eisenwesen, Graz 1984: o. V., 391-392.<br />
140 Vgl. Pirchegger 1924:57.<br />
141 Vgl. Pirchegger 1924:67-68, 77-78.<br />
142 Pirchegger 1924:78.<br />
40
Einnahmen zu gefährden. 143 Alles in allem erscheint der Hintergrund, vor dem Sigmund<br />
Banstingl den Eisenerzer Bergreihen dichtete, nicht sonderlich rosig.<br />
Der Eisenerzer Bergreihen umfasst 53 Strophen zu acht Versen, denen einige weitere<br />
Verse vorangestellt sind. In ihnen wird gleich zu Beginn über die angebotene Bedeutung<br />
informiert:<br />
„Weil man all Perckwerch preisen thuet,<br />
Mit manichen Perckreyen guet,<br />
So will ich preisen auch deßgleich,<br />
Ain Uralt Perckwerch guet und reich“ 144 .<br />
Lobpreisung des Bergbaus in Eisenerz, typisches Thema vieler Bergmannslieder, 145 soll<br />
also der Zweck des Liedes sein, der auch in äußerst direktem Textbezug erfüllt wird.<br />
Die vier ersten Strophen haben expositionsartigen Charakter, 146 darauf folgen elf Strophen,<br />
die den Mitgliedern der Obrigkeit und Verwaltung im Eisenerzer Bergbau gewidmet<br />
sind: den Radme<strong>ist</strong>ern (5., 11. und 12. Strophe), Erzherzog Karl II., dem Stifter<br />
der Bergordnung (6. und 7. Strophe) und den fürstlichen Verwaltungsbeamten, im einzelnen<br />
dem Amtmann (8. Strophe), dem Bergrichter (9. Strophe), den Schreibern, dem<br />
Bergschinner 147 und den geschworenen Einfahrern 148 (10. Strophe), des weiteren dem<br />
Richter und dem Rat des Marktes Eisenerz (<strong>13</strong>. Strophe), dem Verweser des Radwerkes<br />
im Ratsbesitz (14. Strophe), schließlich den Hutleuten der Radme<strong>ist</strong>er, d.h. ihren Vorarbeitern<br />
im Bergbau (15. Strophe). 149 Die nächsten neun Strophen beschreiben den Abbauprozess<br />
im Bergwerk inklusive aller daran beteiligter Arbeit, vom Stollenhäuer bis<br />
zum Erzführer, der das Erz ins Blähhaus fährt (16. bis 23. Strophe). 150 Nun folgen vier<br />
Strophen über das Holzschlagen, die Holzkohleerzeugung und die mit diesen Aufgaben<br />
befassten Arbeiter, auch die drei Holzrechen in Hieflau, Reifling und Gams finden Erwähnung<br />
(24. bis 27. Strophe). 151 Zwei Strophen sind den Blähhäusern am Erzbach sowie<br />
den Zimmerleuten, Maurern und Balgsetzern gewidmet, die sie erbauen (28. und<br />
143 Vgl. Pirchegger 1924:77.<br />
144 Schlossar 1879:312.<br />
145 Vgl. Heilfurth 1954:164-182.<br />
146 Vgl. Schlossar 1879:3<strong>13</strong>-314.<br />
147 Damit <strong>ist</strong>„eine Art Grubengeometer“ (Pferschy 1984:388) gemeint.<br />
148 Sie dienen als „Hilfsorgane zur regelmäßigen Kontrolle der Bergwerke“ (Pferschy 1984:389).<br />
149 Vgl. Schlossar 1879:314-317.<br />
150 Vgl. Schlossar 1879:317-319.<br />
151 Vgl. Schlossar 1879:319-320.<br />
41
29. Strophe). 152 Darauf folgen zehn Strophen über die Roheisenproduktion und die<br />
Blähhausleute (30. bis 39. Strophe). 153 Danach folgt je eine Strophe über die Hammerherren<br />
(40. Strophe) und die Kaufherren (41. Strophe), also die beiden anderen Glieder<br />
im Produktionsprozess und Handel mit Eisenprodukten neben den Radme<strong>ist</strong>ern. Drei<br />
Strophen behandeln den Wiegevorgang der Maße Roheisen durch Wäger und Gegenschreiber,<br />
die Berechnung der Abgaben durch den Mautschreiber und den Transport des<br />
Roheisens in die Hammerwerke (42. bis 44. Strophe). 154<br />
Als letzter Schritt im<br />
Produktionsprozess wird die Arbeit im Hammerwerk beschrieben (45. und 46.<br />
Strophe). 155 In der 47. Strophe finden schließlich auch der Bergschmied, der Fuhrmann,<br />
die schönen Frauen und der gute Wein Erwähnung, denn<br />
„Wier wöllen khains außlassen,<br />
Mueß als beym Perckhwerk sein.“ 156<br />
In den abschließenden sechs Strophen wird der Nutzen des Eisenerzer Bergbaus für das<br />
gesamte Land und alle Einwohner betont (48. und 50. Stophe), das häufig in Bergmannsliedern<br />
auftauchende Motiv von der Notwendigkeit des Eisens in allen Lebensprozessen<br />
wird in der 49. Strophe verarbeitet, eine Fürbitte wird an Gott gerichtet, Eisenerz<br />
zu segnen (51. Strophe), in der 52. Strophe offenbart sich schließlich Banstingl<br />
als Dichter und die letzte Strophe <strong>ist</strong> eine allgemeine Fürbitte an die heilige Dreifaltigkeit.<br />
157<br />
Als wichtige Frage hinsichtlich der Primärintention muss geklärt werden, worin<br />
Banstingls Motivation bestand, den Bergreihen zu schreiben und in Druck zu geben.<br />
Die Widmung an Richter, Rat und Radme<strong>ist</strong>er auf der Titelseite deutet darauf hin, dass<br />
er sich zumindest eine Entlohnung von Seiten des Marktes Eisenerz erhofft hat, wenn er<br />
nicht gar im Auftrag der Radme<strong>ist</strong>er handelte, die ja die einflussreichste Gruppe im Rat<br />
waren und aus deren Mitte der Richter gewählt wurde. Hierbei muss auch auf die 52.<br />
Strophe verwiesen werden, in der Banstingl sich vorstellt, quasi als Adressat für „all<br />
152 Vgl. Schlossar 1879:320.<br />
153 Vgl. Schlossar 1879:320-323.<br />
154 Vgl. Schlossar 1879:323-324.<br />
155 Vgl. Schlossar 1879:324-325.<br />
156 Schlossar 1879:325.<br />
157 Vgl. Schlossar 1879:325-326.<br />
42
frombe Herren“ 158 , die ihm das Gedicht nicht „verargen“ 159 . Dass als angebotene Bedeutung<br />
Lobpreisung intendiert <strong>ist</strong>, wurde bereits festgestellt, entsprechend <strong>ist</strong> aus ideologiekritischer<br />
Perspektive vor allem die Informationsfunktion vertreten. Minutiös werden<br />
alle Arbeitsprozesse und das Sozialgefüge mit seinen Hierarchien dargestellt. Zwar<br />
wacht über den Erzberg Karl II. mit seinen Beamten, die zentrale Rolle haben jedoch<br />
die Radme<strong>ist</strong>er, „fürsichtig weisse Herren“ 160 (11. Strophe), die zuerst in der 5. Strophe<br />
und damit noch vor dem Erzherzog erwähnt werden. An den Radme<strong>ist</strong>ern hängen der<br />
Bergbau und die Roheisenproduktion, die Darstellung der Rolle der Hammerme<strong>ist</strong>er<br />
und Kaufleute fällt verhältnismäßig gering aus, die Stadt Steyr, deren Kaufleute die einzigen<br />
waren, die das Eisenerzer Eisen erwerben durften, wird nicht einmal erwähnt.<br />
Diese Betonung der Stellung der Radme<strong>ist</strong>er korreliert mit der Widmung des Bergreihens.<br />
Ihre Konflikte mit der fürstlichen Admin<strong>ist</strong>ration werden verständlicherweise<br />
nicht erwähnt, 161 allerdings erhalten die niederrangigen Beamten, die Bergschinner, Einfahrer<br />
und Schreiber, zweifelhaftes Lob:<br />
„Des Lob habens all sambte,<br />
Sy Trincken all gern Wein“ 162 (10. Strophe).<br />
Dies kann als versteckte Spitze gegen die Verwaltung gedeutet werden.<br />
Die Arbeitsprozesse und die verschiedenen Arbeitsektoren (Bergwerk, Blähhaus, Hammerwerk)<br />
werden als vollkommen ineinandergreifend beschrieben. Die Güte und die<br />
große Menge des produzierten Roheisens, dem Produkt, für welches die Radme<strong>ist</strong>er<br />
verantwortlich sind, wird explizit gelobt:<br />
„Guet Eisen werth gemachte,<br />
Vil Khol man brauchen thuet,<br />
Die Mässen sy da machen,<br />
Bey vierzehn Centen schwär“ 163 (34. Strophe)<br />
Jeder Beschäftigte erfüllt seine Funktion, hat seinen Platz in der sozialen Hierarchie.<br />
Dies <strong>ist</strong> eine klare Verklärung der real ex<strong>ist</strong>ierenden Verhältnisse am Erzberg, bedenkt<br />
man den massiven Rückgang der Produktion, die Beschwerden der Hammerme<strong>ist</strong>er ü-<br />
ber ausbleibende Lieferungen und schlechte Qualität des Eisens und die erst 1587 er-<br />
158 Schlossar 1879:326.<br />
159 Schlossar 1879:326.<br />
160 Schlossar 1879:315.<br />
161 Vgl. Pirchegger 1924:76.<br />
162 Schlossar 1879:315.<br />
163 Schlossar 1879:321-322.<br />
43
folgten sozialen Unruhen der Arbeiter. In der informativen Darstellung der Arbeitsverhältnisse<br />
steckt also durch indirekten Textbezug die Handlungsanweisung, sich in die<br />
bestehende Ordnung einzufügen und seine Aufgaben zu erfüllen. Damit wird gleichzeitig<br />
auch die Funktion der emotionalen Auseinandersetzung mit der Welt erfüllt, denn<br />
die bestehenden Verhältnisse werden als von Gott gewollt und gesegnet dargestellt.<br />
Durchgehend finden sich floskelhafte Verse wie<br />
„Gott hat auß gnaden geben,<br />
Viel Perckhwerch uberall“ 164 (2. Strophe).<br />
„Darin Gott auf hat thon,<br />
Ain Eisen Perckhwerch guette“ 165 (3. Strophe)<br />
„Vil Tausend Man werden genährt,<br />
Durch die Göttlichen genaden,<br />
Bey disem Perckhwerch guet“ 166 (4. Strophe).<br />
„Eisenärtzt mag sich freuen,<br />
Der Reichen Gottes gaben.“ 167 (5. Strophe)<br />
„Gar Hoch wöllen wir preisen,<br />
Auß Göttlicher genad,<br />
Die Edl Besten unnd weisen,<br />
N: Richter unnd auch Rath“ 168 (<strong>13</strong>. Strophe).<br />
„Herrn Radma<strong>ist</strong>er guet,<br />
Jeder hat Aigens Holtze,<br />
Auß Göttlicher genad“ 169 (23. Strophe).<br />
„Die Hamerleuth alsannt,<br />
Gott wöl ihn Glückh bescheren“ 170 (45. Strophe).<br />
Nach wiederholten Fürbitten für verschiedene der im Bergbau Beschäftigten in den vorherigen<br />
Strophen, folgt schließlich die Fürbitte für ganz Eisenerz in der 51. Strophe:<br />
„Last uns bitten den Herrn,<br />
Der alle Dieng vermag,<br />
Das Er Segne und mehre,<br />
Solich sein milde gab,<br />
Gott wöl Euch allen geben,<br />
In Eisenärtzter Thall.<br />
Gesundt und friedt darneben,<br />
Das bitt wier alle mall.“ 171<br />
164 Schlossar 1879:3<strong>13</strong>.<br />
165 Schlossar 1879:3<strong>13</strong>.<br />
166 Schlossar 1879:314.<br />
167 Schlossar 1879:314.<br />
168 Schlossar 1879:316.<br />
169 Schlossar 1879:319.<br />
170 Schlossar 1879:325.<br />
171 Schlossar 1879:326.<br />
44
Die Härten und auch die Gefahren der Arbeit in Grube und Blähhaus werden vereinzelt<br />
tatsächlich angesprochen:<br />
„Ain gang thuet er in machen,<br />
Woll durch den fösten Stain,<br />
Das ein dem Perg thuet krachen,<br />
Sein Arbeit <strong>ist</strong> nit khlain.“ 172 (17. Strophe).<br />
„Wann nun das Artzt thuet prechen,<br />
Woll von der vesten Wandt,<br />
So muessen sy sich umbsehen,<br />
In sorgen sy dann stan,<br />
Offt Leib und Leben wagen.<br />
In das Gebürg hindan“ 173 (19. Strophe).<br />
„Die Hack steckht offt darinnen,<br />
Wol in der Massen haiß,<br />
Das ihn herab thuet Rinnen,<br />
Von hitz der Angstlich Schwaiß.“ 174 (35. Strophe).<br />
„Sy brauchen ein lauchschlegl,<br />
Bey Viertzig pfundten schwähr,<br />
Das vertreibt ihn die Gegl,<br />
Macht auch den Bauch gar Lär.“ 175 (36. Strophe).<br />
Die Gefahr und Härte wird aber durch die wiederholten Verweise auf die von Gott gewollte<br />
Ordnung und den Schutz Gottes kompensiert. Die 53. Strophe, mit welcher das<br />
Lied endet, <strong>ist</strong> schließlich ein allgemeines Gebet, in welchem diese Trostfunktion Gottes<br />
klar artikuliert wird:<br />
„Gott Vater wöll wier preisen,<br />
Sambt sein Sohn Jesum Chr<strong>ist</strong>,<br />
Auch den heiligen Ga<strong>ist</strong>e,<br />
Der unser Tröster <strong>ist</strong>,<br />
Allhie in diesem Leben,<br />
Helff uns Gott allen gleich,<br />
Darnach wöll er uns geben<br />
Das ewig himmelreich.<br />
AMEN.“ 176<br />
Der Trost reicht über den Schutz Gottes im Leben hinaus in das Leben nach dem Tod.<br />
Bei den religiösen Motiven im Eisenerzer Bergreihen sind aus ideologieanalytischer<br />
Sicht zwei weitere Aspekte interessant. Der erste <strong>ist</strong> die soziomorphe Interpretation Jesus’<br />
als Hutmann in der 2. Strophe:<br />
172 Schlossar 1879:317.<br />
173 Schlossar 1879:318.<br />
174 Schlossar 1879:322.<br />
175 Schlossar 1879:322.<br />
176 Schlossar 1879:326.<br />
45
„Darumben wöll wier dankhen,<br />
Dem Herrn Jesum Chr<strong>ist</strong>,<br />
In preisen mit Gesangke,<br />
Der unser Huetmann <strong>ist</strong>.“ 177<br />
Zum einen wird daraus die Autorität des Hutmanns im Bergbau ersichtlich, zum anderen<br />
wird die Gesamtordnung der Welt mit der Ordnung und Hierarchie des Bergbaus<br />
gleichgesetzt, was wiederum Rechtfertigung dieser Hierarchie <strong>ist</strong>. Der zweite Aspekt <strong>ist</strong><br />
die auffällige Tatsache, dass im gesamten Lied weder Maria noch andere Heilige erwähnt<br />
werden, insbesondere nicht die klassischen Bergbauheiligen Daniel und Barbara.<br />
Der Bergreihen <strong>ist</strong> zwar klar chr<strong>ist</strong>lich, in chr<strong>ist</strong>licher Hinsicht jedoch polyvalent, da er<br />
nur auf die unumstrittene Dreifaltigkeit verwe<strong>ist</strong>. Er <strong>ist</strong> für Protestanten wie Katholiken<br />
gleichermaßen akzeptabel. Das wird einerseits den Vorstellungen der Widmungsträger<br />
entgegengekommen sein, andererseits aber auch nicht die Rezeption des Bergreihens<br />
bei Katholiken behindert haben.<br />
Wie <strong>ist</strong> der Eisenerzer Bergreihen zusammenfassend zu beurteilen? Als Primärintentionen<br />
lassen sich folgende Aspekte anführen: 1. die Lobpreisung des Bergbaus in Eisenerz<br />
und damit auch der Widmungsträger. Dies <strong>ist</strong> die angebotene Bedeutung; 2. die<br />
Verklärung der sozialen Ordnung des Bergbaus als von Gott gewollt und gesegnet, mit<br />
dem Ziel sozialen Friedens bei Beibehaltung der Ordnung. Diese Botschaft <strong>ist</strong> an alle<br />
Mitglieder des Bergbaus gerichtet, insbesondere aber an die, die den größten Härten<br />
ausgesetzt sind; 3. Werbung für den von ökonomischen Problemen geplagten Bergbau.<br />
Der Produktionsprozess und die produzierte Ware werden als einwandfrei dargestellt.<br />
Diese Werbebotschaft <strong>ist</strong> nach außen gerichtet. Für diese werbende Intention spricht der<br />
Umstand, dass der Bergreihen, vor dem Hintergrund der Gegenreformation in der Steiermark,<br />
weder eindeutig protestantisch noch katholisch <strong>ist</strong>. Die Motivation Banstingls,<br />
den Bergreihen zu schreiben, wird vermutlich die Hoffnung auf Entlohnung oder die im<br />
Vorhinein vereinbarte Entlohnung durch die Widmungsträger gewesen sein.<br />
Über die Rezeption des Bergreihens <strong>ist</strong> wenig bekannt, weshalb sich nicht sagen lässt,<br />
ob die hier analytisch festgestellten Primärintentionen auch von Erfolg gekrönt waren.<br />
Schlossar schreibt, dass der Eisenerzer Bergreihen „ausgesprochenerweise als Volkslied<br />
177 Schlossar 1879:3<strong>13</strong>.<br />
46
vorkommt“ 178 . Er erläutert jedoch nicht näher, ob darunter zu verstehen <strong>ist</strong>, dass der<br />
Bergreihen – zumindest in Teilen – im 19. Jahrhundert tatsächlich gesungen wurde. Der<br />
Bergreihen kann zumindest in der Mitte des 17. Jahrhunderts nicht vollkommen der<br />
Vergessenheit anheim gefallen sein, schließlich hätte ihn Matthias Abele sonst nicht ü-<br />
berarbeiten können. Schlossar sieht in dem Titel der Fassung Abeles („Der gemeine alte<br />
Eisen-Ertz-Tische Berg Reimen usw.“) „einen Beweis, daß schon im Jahre 1655 das<br />
Lied als alt betrachtet wurde und sich volksthümlichen Eingang in den Kreisen der<br />
Bergleute verschafft hatte“ 179 . Die zweite Schlussfolgerung erscheint doch höchst spekulativ<br />
und es sei Heilfurths Urteil zitiert, hinsichtlich der Wirksamkeit der Loblieder<br />
auf Bergwerke aus dem 16. Jahrhundert:<br />
„Denn so beachtlich der kulturgeschichtliche Wert dieser großangelegten Lieder <strong>ist</strong> und so aufschlußreich<br />
sie gerade für die bergbauliche Frühzeit sind, so <strong>ist</strong> doch im allgemeinen ihre<br />
Wirksamkeit durch eine Häufung der Details von oft nur lokalem Interesse und durch die Breite<br />
der auf Vollständigkeit zielenden Berichterstattung herabgemindert.“ 180<br />
3.2. „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“<br />
Die Urheberschaft von „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“ <strong>ist</strong> unklarer als beim Eisenerzer<br />
Bergreihen. Der früheste bekannte Beleg <strong>ist</strong> eine Liederhandschrift, die als Kopie im<br />
DVA liegt. 181 Auf dem Einband der Handschrift steht geschrieben: „Liedersammlung<br />
für Pfr. Sauter zu Schramberg“. Darauf folgt eine Widmungsseite:<br />
„Zum Andenken<br />
v. seinem Freunde<br />
Caspar Jutz 1830.<br />
morbus est 1855.<br />
M. Lauter Cooperator<br />
zu<br />
30<br />
Constanz. 1835.“ 182<br />
Der Zusatz „morbus est 1855.“, der wohl auf Caspar Jutz zu beziehen <strong>ist</strong>, <strong>ist</strong> von einer<br />
anderen Hand (Pfarrer Sauters?) geschrieben. Ebenso <strong>ist</strong> auffällig, dass die Zahlen 1-8-<br />
3-5 in einer Ebene stehen und 3-0 oberhalb von 3-5 geschrieben <strong>ist</strong>. Wie dieses Faktum<br />
genau zu interpretieren <strong>ist</strong>, <strong>ist</strong> für die vorliegende Untersuchung irrelevant, die Handschrift,<br />
kann damit aber auf jeden Fall auf den Zeitraum 1830-1835 datiert werden. In<br />
178 Schlossar 1879:311.<br />
179 Schlossar 1879:311.<br />
180 Heilfurth 1954:164.<br />
181 Die Handschrift im DVA trägt die Signatur HL 211.<br />
182 DVA, HL 211, Bl. 2.<br />
47
dieser Handschrift befindet sich ein Lied mit dem Titel „Der Bergmann“, das eine Variante<br />
des Liedes „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“ <strong>ist</strong>, die sowohl textlich als auch melodisch<br />
mit dem Gros der späteren Varianten eng verwandt <strong>ist</strong>. 183 „Wesentlichen Veränderungen<br />
<strong>ist</strong> das Lied auf seinen Wanderungen im allgemeinen nicht unterzogen worden“<br />
184 , stellt Heilfurth fest, auch wenn ihm die Variante der Handschrift nicht bekannt<br />
war.<br />
Notenbeispiel 3: „Der Bergmann“ aus der „Liedersammlung für Pfr. Sauter zu Schramberg“.<br />
Die Melodie we<strong>ist</strong> einen eher kontemplativen Charakter auf. Sie steht im Dreivierteltakt,<br />
was einen Gebrauch als Marschlied sehr erschweren würde. Auf die sangliche Melodie<br />
in den Takten 1-8 folgt ein sich wiegender Abschnitt mit großen Intervallsprün-<br />
183 Vgl. Notenbeispiel 3, Text siehe unten. Von den bekannten Liedbelegen mit Melodie we<strong>ist</strong> nur DVA,<br />
A 166436 eine Melodie eines anderen Typs auf.<br />
184 Heilfurth 1954:255.<br />
48
gen. Ein auffälliges harmonisches Merkmal <strong>ist</strong> das Ausweichen in die Subdominante in<br />
diesen Takten 9-12. Die eigentliche Tonika wird hier (Takt 9 und 11) zum Dominantseptakkord,<br />
bezogen auf die Subdominante (Takt 10 und 12). Dieses Merkmal <strong>ist</strong> auch<br />
für die späteren Melodievarianten typisch. Eine Zäsur im Melodiefluss stellt der rezitativische<br />
Abschnitt von Takt <strong>13</strong> bis 16 dar, auf den der Refrain folgt. Dieser wird ebenfalls<br />
durchbrochen von dem tänzerischen lalala-Abschnitt von Takt 20-24. Dieser tänzerische<br />
Abschnitt fehlt später in vielen Melodievarianten. Die letzte Wiederholung des<br />
„und auf Gott, auf Gott vertraut“ wird durch das geforderte rallentando besonders betont.<br />
Der vollständige Text des Liedes lautet:<br />
„1. <strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>,<br />
herrlich <strong>ist</strong> sein Lohn,<br />
seine Schäze geben<br />
Glanz dem Königsthron.<br />
In der Erde Gründen,<br />
in den Felsenschlünden,<br />
strahlt der König der Metalle,<br />
blizen lautere Chrystalle.<br />
Drum hinaufgeschaut, drum hinaufgeschaut<br />
und auf Gott auf Gott vertraut!<br />
la la la usw.!<br />
Drum hinaufgeschaut, drum hinaufgeschaut<br />
und auf Gott auf Gott vertraut,<br />
und auf Gott, auf Gott vertraut.<br />
2. Wenn bey Wetterstürmen,<br />
Mensch und Thier sich scheuen,<br />
Wogen hoch sich thürmen<br />
er kann ruhig sein.<br />
Mag der Donner brüllen,<br />
Nacht den Tag verhüllen,<br />
er im sichren Schoß der Erde,<br />
trotzet jeglicher Gefährde;<br />
Drum hinaufgeschaut, usw.<br />
3. Wenn vom Erdenwallen,<br />
er nach Ruh sich sehnt,<br />
Lied und Ton verhallen<br />
kein „Glückauf“ mehr tönt.<br />
Wenn der Hammer schweiget,<br />
Bergmannsabend neiget,<br />
fliegt der Ge<strong>ist</strong> zum ewigen Lichte,<br />
erntet stiller Tugend Früchte;<br />
Drum hinaufgeschaut, usw.“ 185<br />
185 DVA, HL 211, Bl. 119-120.<br />
49
Interessant <strong>ist</strong> an dieser Textvariante, dass sie konsequent in der dritten Person berichtet.<br />
186 Es <strong>ist</strong> die Beschreibung des furchtlosen, tugendhaften, chr<strong>ist</strong>lichen Bergmanns,<br />
dessen Glaube ihn vor den Gefahren bewahrt und der aus einer Wunderwelt der Kr<strong>ist</strong>alle<br />
und des Goldes die Reichtümer der Welt an den Tag befördert. Sein Lohn <strong>ist</strong> die<br />
Aufnahme im Himmelreich als Ernte „stiller Tugend Früchte“. Diese idyllische Beschreibung<br />
korreliert mit dem melodischen Charakter. Die me<strong>ist</strong>en anderen Varianten<br />
wechseln nach der ersten Strophe in die erste Person Plural. Das Lied wird damit also<br />
zum „Wir“-Lied. Die Folgen dieses Perspektivwechsels werden weiter unten diskutiert.<br />
In der Regel bilden die drei Strophen der Liederhandschrift, in diversen Abwandlungen,<br />
die Basis für die bekannten Liedbelege. Gelegentlich sind auch zusätzliche Strophen zu<br />
finden.<br />
Rechts neben dem Liedtitel befindet sich eine etwas unleserliche Angabe „v. Kreuzer“.<br />
Tatsächlich <strong>ist</strong> damit der Kompon<strong>ist</strong> Conradin Kreutzer (1780-1849) gemeint, 187 denn<br />
im Werksverzeichnis von 1980 <strong>ist</strong> als KWV 7123 ein „Bergmannslied“ für Männerchor<br />
verzeichnet, dessen Text mit „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> Bergmanns Leben“ beginnt und für welches<br />
folgende Quelle angegeben wird: „Stift Kremsmünster, Musikarchiv, G 42, 710; Handschrift<br />
um 1830 von Pfarrer Efrauenberger [sic! Damit muss Ernest Frauenberger gemeint<br />
sein. M.S.]“ 188 . Ernest Frauenberger (1769-1840) war Mönch im Stift Kremsmünster<br />
und Pfarrer verschiedener Gemeinden. 189 Daneben war er als Kompon<strong>ist</strong> tätig:<br />
„Frauenbergers Schaffen umfaßt vier Gebiete: Lateinische Kirchenmusik, das deutsche<br />
Kirchenlied, das deutsche weltliche Kunstlied mit geselligen Gelegenheitskompositionen,<br />
Klavierwerke.“ 190 Ein großer Teil seiner Produktion <strong>ist</strong> dem Bereich des weltlichen<br />
186 Die Variante aus der Liederhandschrift <strong>ist</strong> melodisch und textlich beinahe identisch mit einer Variante<br />
aus der Schweiz (vgl. Heilfurth 1954:514-515). Diese Fassung <strong>ist</strong> daher nicht, wie Heilfurth annimmt<br />
(vgl. Heilfurth 1954:277), durch einen Umsingprozess der später gedruckten Fassung des Liedes entstanden,<br />
die weiter unten diskutiert werden wird, sondern geht direkt auf die Variante zurück, die auch in der<br />
Liederhandschrift enthalten <strong>ist</strong>.<br />
187 Für diese Interpretation der Namensangabe in der Handschrift danke ich Johanna Ziemann vom DVA.<br />
188 Karl-Peter Brecht, Conradin Kreutzer. Biographie und Werkverzeichnis, Meßkirch 1980: Verlag der<br />
Stadt Meßkirch, 230.<br />
189 Vgl. Altman Kellner, Musikgeschichte des Stiftes Kremsmünster, Kassel-Basel 1956: Bärenreiter, 600.<br />
190 Kellner 1956:600.<br />
50
Kunstliedes und des Gesellschaftsliedes zuzurechnen, häufig auch im „Volkston“, 191 insofern<br />
„<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“ sehr gut zu seinen eigenen kompositorischen Interessen<br />
passt. Kreutzers Musik war in Kremsmünster grundsätzlich nicht unbekannt, vor<br />
allem „Das Nachtlager von Granada“ war populär, aber auch zahlreiche Männerchöre<br />
liegen dort in Erstdrucken und zeitgenössischen Abschriften vor. 192<br />
Das Lied „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“ wurde erstmals 1838 in den „Grubenklängen“<br />
als „Lied in der Teufe“ abgedruckt, allerdings ohne Melodie und Verfasserangabe, frühere<br />
Drucke sind nicht bekannt. 193 Im ersten Heft der „Sächsischen Bergreyhen“ von<br />
1839 erscheint es ebenfalls als „Lied in der Teufe“, ohne Melodie, aber mit der Verfasserangabe<br />
„Wahlert“. 194 Die Texte sind in beiden Publikationen identisch, unterscheiden<br />
sich jedoch signifikant von jenem der Liederhandschrift. Hoffmann von Fallersleben i-<br />
dentifiziert diesen Wahlert folgendermaßen:<br />
„Wahlert, Georg Ernst Adam. Geb. 28. Sept. 1782 zu Steindorf bei Halberstadt, Direktor einer<br />
Erziehungsanstalt in Iserlohn, Rektor bei Lippstadt, gest. dort 23. April 1850. Das <strong>ist</strong> der einzige<br />
Wahlert, den ich kenne, und er <strong>ist</strong> vielleicht der Verfasser von 1006 [„<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“,<br />
M.S.].“ 195<br />
„Pierer’s Universal-Lexikon der Vergangenheit und Gegenwart“ informiert darüber,<br />
dass Wahlert nicht nur eine ganze Reihe von Lehrbüchern veröffentlichte, sondern sich<br />
auch dichterisch betätigte, es werden ein Schauspiel „Hermann“ (1816) und ein Trauerspiel<br />
„Johanna Gray“ (1821) angeführt. 196 Zwar sind auch drei Musikdrucke mit Kom-<br />
191 Vgl. Kellner 1956:602-6<strong>13</strong>.<br />
192 Vgl. Kellner 1956:656-657.<br />
193 Vgl. Heilfurth 1954:697. O. A., Grubenklänge. Eine Liedersammlung für Bergleute, bergmännische<br />
Sänger-Chöre und Freunde des bergmännischen Gesanges; herausgegeben von der Gewerkschaft der<br />
Zeche Wiesche, 2., mit einem Anhange vermehrte Aufl., Mühlheim an der Ruhr 1840: F. H. Nieten, 24-<br />
25. Das von den Herausgebern angekündigte Heft mit den Melodien der Lieder (vgl. O. A. 1840:X-XI,<br />
XIV-XV) <strong>ist</strong> scheinbar nie erschienen.<br />
194 Vgl. Moritz Döring (Hg.), Sächsische Bergreyhen, erstes Heft, Grimma 1839: Verlags-Comptoir, 57-<br />
58.<br />
195 August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, Unsere volkstümlichen Lieder, 4. Aufl., hg. und neu bearbeitet<br />
von Karl Hermann Prahl, Leipzig 1900: Wilhelm Engelmann, 319.<br />
196 Vgl. O. A., „Wahlert, Georg Ernst Adam“, O. A., Pierer’s Universal-Lexikon der Vergangenheit und<br />
Gegenwart oder Neuestes encyclopädisches Wörterbuch der Wissenschaften, Künste und Gewerbe, Bd.<br />
18, 4., umgearbeitete und stark vermehrte Aufl., Altenburg 1864: H. A. Pierer, 752. Zu weiteren Werken<br />
Wahlerts: vgl. http://www.lwl.org/literaturkommission/alex/index.php?id=00000003&letter=W&layout=-<br />
2&author_id=00000259&SID=5bddbf6a1816cd28a44a09aab9636795, Stand vom 19. August 2009.<br />
51
positionen Wahlerts erhalten, die in der Sächsischen Landesbibliothek liegen, allerdings<br />
<strong>ist</strong> unter ihnen nicht das Lied „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“. Geht man davon aus, dass<br />
Kreutzer der Kompon<strong>ist</strong> der Melodie <strong>ist</strong>, so <strong>ist</strong> nicht ausgeschlossen, dass der Text von<br />
Wahlert stammt. Abschließend kann dies hier nicht geklärt werden. Festgestellt werden<br />
muss, dass Kreutzer – zumindest nach aktueller Quellenlage – keine anderen Texte von<br />
Wahlert vertonte.<br />
Der Text dieser ersten Druckfassungen des Liedes lautet folgendermaßen:<br />
„<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>,<br />
Herrlich <strong>ist</strong> sein Lohn!<br />
Seine Werke geben,<br />
Glanz dem Königsthron.<br />
In der Erde Gründen,<br />
In den Felsen-Schlünden,<br />
Strahlt der König der Metalle,<br />
Blitzen lautere Kr<strong>ist</strong>alle.<br />
Doch auf Gott vertrau’<br />
Bei der Berge Bau!<br />
Wenn bei Wellenstürmen,<br />
Mensch und Thier sich scheu’n,<br />
Wogen hoch sich thürmen,<br />
Fürchten wir kein Dräu’n;<br />
Mag bei Donnerbrüllen<br />
Nacht den Tag verhüllen,<br />
Wir im sichern Schooß der Erde<br />
Trotzen jeglicher Beschwerde.<br />
Drum auf Gott vertrau’<br />
Bei der Berge Bau!<br />
Wenn einst unsre Lieder<br />
Sind verhallt im Schacht;<br />
Wenn die müden Glieder<br />
Ruhn in Grabesnacht;<br />
Wenn die Bergesreigen<br />
Und die Fäustel schweigen;<br />
O dann laßt in Himmelschören,<br />
Uns den Gott der Berge ehren.<br />
Drum auf ihn vertrau’<br />
Bei der Berge Bau!“ 197<br />
Die Konkordanzen mit dem Text der Liederhandschrift sind offensichtlich, diese Textvariante<br />
fand dann in der Folge weite Verbreitung durch Liederbücher, häufig mit dem<br />
Verweis auf Wahlert. 198 Die Variante des Liedes, die heute in Radmer gängig <strong>ist</strong>, geht<br />
197 O. A. 1840:24-25.<br />
198 Vgl. Heilfurth 1954:697-698.<br />
52
textlich auch auf diese gedruckte Fassung zurück, melodisch <strong>ist</strong> es eine Variante des<br />
Melodietyps der Liederhandschrift. 199<br />
199 Vgl. Notenbeispiel 4.<br />
53
Notenbeispiel 4: „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“, in der heute in Radmer üblichen Variante.<br />
Bei der Feldforschung wurde das Lied nur von Gewährspersonen aus Radmer vorgesungen,<br />
die Taktwechsel, die den kontemplativen Charakter der Melodie noch verstärken,<br />
sind kons<strong>ist</strong>ent bei allen Aufnahmen vorzufinden, ebenso <strong>ist</strong> die Oberstimme ein-<br />
54
heitlich. 200 Vermutlich <strong>ist</strong> durch die jahrelange Verwendung des Liedes bei der örtlichen<br />
Barbarafeier eine relativ homogene Radmerer Variante entstanden, die in Radmer als<br />
„Barbaralied“ bekannt <strong>ist</strong>. Tatsächlich wird das Lied als ein Stück Radmerer Tradition<br />
wahrgenommen, wie sich folgender Äußerung des Obmanns des MGV „Lugauer“<br />
Radmer entnehmen lässt: „Des is das Barbaralied. Des heast woandersch kaum oder fåst<br />
goa nie, bei uns is es aber Tradition in der Radmer, des is, wird bei uns der Schluss von<br />
der Barbarafeier.“ 201<br />
Bemerkenswert sind die Unterschiede zwischen dem Text der Liederhandschrift und<br />
dem Text in den beiden gedruckten Liederbüchern, auf welchen auch die heutige Fassung<br />
aus Radmer zurückgeht, vor allem der Wechsel ins „Wir“. Das idyllisierende Lied<br />
über Bergleute, geprägt von biedermeierlicher Beschaulichkeit, 202 wird zum Lied für<br />
Bergleute. Die Ansichten eines außenstehenden Betrachters werden zu den Ansichten<br />
der Bergleute selber, es kommt zu einem Wandel der angebotenen Bedeutung. Heilfurth<br />
schreibt über die Gruppe von Liedern, zu welcher er auch explizit „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“<br />
zählt:<br />
„Charakter<strong>ist</strong>isch für diese Lieder <strong>ist</strong> die pädagogische Absicht, die mehr oder minder spürbar<br />
hinter ihnen allen steht. Weniger als direkte lehrhafte Ermahnung, vielmehr me<strong>ist</strong> indirekt,<br />
werbend und festigend, durch verklärende Schilderungen des Bergmannstums, soll die Berufsfreudigkeit<br />
und die Berufsverbundenheit eine Stärkung erfahren.“ 203<br />
Die dafür maßgeblichen Motive lassen sich aus den Vorworten der „Grubenklänge“<br />
und der „Sächsischen Bergreyhen“ rekonstruieren, wenn auch unklar <strong>ist</strong>, unter welchen<br />
Umständen es zur Entstehung der Liederbuchfassung des Liedes kam. Die Herausgeber<br />
der „Grubenklänge“ sprechen davon, dass sie durchaus bearbeitend in die Lieder eingriffen:<br />
„Andere [Lieder, M.S.] bedurften für unsern Zweck einer gänzlichen Umschmelzung,<br />
noch andere sind mit leiser Hand gefeilt.“ 204 Eigentlich handelt es sich bei<br />
der Aufnahme des Liedes in die Liedersammlungen um ein postintentionales Phänomen,<br />
aber selbst wenn das Lied nicht durch die Herausgeber in die gedruckte Form ge-<br />
200 Vgl. Hörbeispiele 1-5. Nähere Informationen zu den Hör- und Videobeispielen auf der beiliegenden<br />
CD sind im Abschnitt 6.10. zu finden.<br />
201 Interview von Daniel Fuchsberger, Daniela Oberndorfer und Sarah Schöberl mit Hubert Wendner,<br />
Lokführer und Obmann des MGV „Lugauer“ Radmer, geb. 1967, vom 11.5.2009.<br />
202 Vgl. Heilfurth 1954:323.<br />
203 Heilfurth 1954:324.<br />
204 O. A. 1840:IX-X.<br />
55
acht wurde, sondern bereits zuvor in dieser Fassung im Umlauf war, fügt sich das<br />
Lied jedoch stil<strong>ist</strong>isch und inhaltlich zu den anderen Lieder der beiden Sammlungen, die<br />
teilweise gezielt für diese gedichtet wurden, so dass es legitim erscheint, die Äußerungen<br />
in den Vorworten auch auf dieses Lied zu beziehen.<br />
Die Zielgruppe der Liederbücher sind die Bergleute selbst und keine Außenstehenden.<br />
Herausgeber bzw. Auftraggeber für die Liedersammlungen sind im Fall der „Grubenklänge“<br />
die Gewerkschaft der Mühlheimer Zeche Wiesche, im Fall der „Sächsischen<br />
Bergreyhen“ der sächsische Oberberghauptmann Freiesleben. 205 Insbesondere das Vorwort<br />
der „Grubenklänge“ <strong>ist</strong> hinsichtlich der Absichten der Herausgeber sehr offen.<br />
Man hatte den Wunsch, „die bergmännischen Feste und Aufzüge durch den Klang der<br />
Berghautbois und den Sang unserer Knappen vervollständigt zu sehen“ 206 . Sie mussten<br />
jedoch folgendes feststellen: „Leider aber waren unsere Bergleute mit dem Sang und<br />
Klang der Berge so unbekannt, daß ihre geselligen Kreise nur von höchst unedeln, dem<br />
bergmännischen Charakter durchaus fremden Liedern wiederhallten.“ 207 Es wird „die<br />
Flachheit des hiesigen <strong>Bergmannsleben</strong>s“ 208 beklagt, das fehlende Brauchtum und Standesbewusstsein:<br />
„Und noch jetzt müssen wir bemerken, wie das jüngere Geschlecht nicht aus Liebe zum Stande,<br />
sondern aus persönlicher Noth, nach Schlägel und Eisen greift, so daß ‚die edle Kunst des<br />
Bergbaus’, wie Novalis sich ausdrückt, zu einem armseligen Handwerkstreiben hinabsinkt.“ 209<br />
Warum <strong>ist</strong> dies in den Augen der Gewerkschaft ein Problem? „Mit dem Gefühl für<br />
Stand und Beruf schwindet auch bei manchem viel von dem Pflichtgefühl und der Berufstreue.“<br />
210 Der kulturelle Mangel wird also als unmittelbar bedeutsam für die Arbeitsqualität<br />
und Arbeitsmoral angesehen, weshalb sie Bedarf sahen einzuschreiten:<br />
„Um nun, so viel an uns war, wenigstens in unserm Kreise des edlen Gefühls für den Beruf und<br />
der Berufstreue zu pflegen, glaubten wir kein Mittel näher und wirksamer als den Gesang. Das<br />
Vaterlandsgefühl wird ja genährt und erfrischt durch den patriotischen Hochgesang. Den Krieger<br />
bege<strong>ist</strong>ert ein einfaches Soldatenlied, auf dem Marsch oder vor der Schlacht gesungen, zum<br />
Sieg über die äußersten Mühseligkeiten. Der Gesang erweitert das persönliche Bewußtsein<br />
zum erhebenden Gefühl der größern Gemeinschaft, bege<strong>ist</strong>ert für die gemeinsame Sache, und<br />
<strong>ist</strong> nicht selten, wie der mächtige Windeshauch, der sogar den trägen Staub aufwärts jagt.“ 211<br />
205 Döring 1839:VI.<br />
206 O. A. 1840:V-VI.<br />
207 O. A. 1840:VI.<br />
208 O. A. 1840:VI-VII.<br />
209 O. A. 1840:VII.<br />
210 O. A. 1840:VII.<br />
211 O. A. 1840:VII-VIII.<br />
56
Das <strong>ist</strong> nichts Geringeres als eine Theorie der ideologischen Indoktrination durch Gesang.<br />
Die Intention der Herausgeber <strong>ist</strong> es, diese Erkenntnis auf den Bergbau zu übertragen:<br />
„Was dürfen wir daher dem mächtigen Einfluß des Gesanges auf das Gemüth und Leben des<br />
ohnedies, wenigstens bei uns, so gesangeslustigen Bergmanns nicht zutrauen! Der Bergmann<br />
allein mag mit innigem Vergnügen die Reize desselben genießen; sein tief unter die Erde gebannter<br />
Beruf wird ihm durch ein höheres Licht beleuchtet, die mühsame Arbeit erleichtert, die<br />
Einsamkeit verkürzt und die Bergfeste, die ihn für sein Arbeitsleben bege<strong>ist</strong>ern sollen, werden<br />
ihm dadurch erst recht festlich werden, wenn er sie selbst mit seinem Gesange weihen darf. Indem<br />
er den Geschmack am Bänkelgesang und an den unsittlichen Gassenhauern verliert, werden<br />
selbst die niedern geselligen Kreise bergmännisch veredelt, er gewinnt Achtung vor seinem<br />
ernsten Beruf, fängt an sein Schlägel und Eisen so männlich zu lieben, wie der bege<strong>ist</strong>erte<br />
Reiter sein Schwert an der Linken; und wer sich als Bergmann fühlt im geselligen und bürgerlichen<br />
Leben, der wird auch Bergmann sein auf der Halde und im Gedinge.“ 212<br />
Die Deutlichkeit der Ausführungen erübrigt eigentlich jeden Kommentar. Die erzieherische<br />
Intention wird klar ausgesprochen. Diese Intention, sowohl der „Grubenklänge“<br />
als auch der „Sächsischen Bergreyhen“, wurde bereits von Heilfurth festgestellt, ohne<br />
jedoch ihre Ursachen zu untersuchen. 2<strong>13</strong><br />
Die Äußerungen der Herausgeber der „Grubenklänge“ über ihre Intentionen müssen<br />
vor ihrem sozioh<strong>ist</strong>orischen Hintergrund, der deutschen Frühindustrialisierung, gesehen<br />
werden, die sich in etwa im Zeitraum zwischen 1815 und 1840 vollzog und großen Einfluss<br />
auf den Bergbau hatte. 214 Fand der größte Wachstumsschub im Bergbau vor allem<br />
im dritten Jahrhundertviertel statt, 215 so zeichneten sich doch auch in der ersten Jahrhunderthälfte<br />
Wandlungen in den Arbeitsverhältnissen ab. Betrachtet man die Entwicklung<br />
der Belegschaften in den Kohlerevieren an der Ruhr (die „Grubenklänge“ wurden<br />
von einer Gewerkschaft aus Mühlheim an der Ruhr herausgegeben), so stieg die Beschäftigtenzahl<br />
von 3444 im Jahre 1816 über 4457 im Jahre 1830 auf 12741 im Jahre<br />
1850. 216 Dennoch waren bis zur Jahrhundertmitte auch noch kleine bis mittelgroße Betriebe<br />
an der Steinkohleförderung beteiligt. 217 Seit den 1830er Jahren kam es zu einer<br />
212 O. A. 1840:VIII-IX.<br />
2<strong>13</strong> Vgl. Heilfurth 1954:48-50.<br />
214 Vgl. Hans-Werner Kahn, Die industrielle Revolution in Deutschland (= Enzyklopädie Deutscher Geschichte<br />
49), München 1998: R. Oldenbourg, <strong>13</strong>-24.<br />
215 Vgl. Jürgen Kocka, Arbeitsverhältnisse und Arbeiterex<strong>ist</strong>enzen. Grundlagen der Klassenbildung im<br />
19. Jahrhundert (=Geschichte der Arbeiter und der Arbeiterbewegung in Deutschland seit dem Ende des<br />
18. Jahrhunderts 2), Bonn 1990: J. H. W. Dietz Nachf., 401-412.<br />
216 Kocka 1990:399.<br />
217 Vgl. Kocka 1990:394.<br />
57
zunehmenden Verbesserung der Technik und Organisation der Kohleförderung, was zu<br />
einem Zuwachs der Produktion führte. 218 Damit entstanden aber auch neue Probleme für<br />
die Bergarbeiter:<br />
„Die Zufahrten und Abfahrten wurden länger, und Konflikte entstanden wegen der Art der Anrechnung<br />
der dafür benötigten Zeiten auf die festgelegte Schichtdauer. Die Einführung der<br />
Seilzüge stieß anfangs auf Mißtrauen, sie galten zu Recht als sehr unsicher. Überhaupt wuchs<br />
die Unfallgefahr. Die Temperatur am Arbeitsplatz nahm mit der Tiefe zu.“ 219<br />
Die Entwicklung der Bergarbeiter zu Lohnarbeitern verzögerte sich im Vergleich zu anderen<br />
Berufsgruppen, was Kocka auf „ihre ländlich-landwirtschaftliche Einbindung und<br />
die vorherrschende staatliche Leitung des Bergbaus, das sog. Direktionsprinzip“ 220 , zurückführt.<br />
„Der Besitz eines ‚Prumenkotten’ gehörte zu den begehrtesten Zielen des jungen Schleppers<br />
oder Hauers an der Ruhr, der zudem me<strong>ist</strong> aus einer ländlich-landwirtschaftlichen Familie der<br />
Umgebung stammte. Man wußte, daß das eigene Stück Acker, der eigene Garten, die Ziege,<br />
das Federvieh, später der Taubenschlag etwas zusätzliche Sicherheit und Selbstständigkeit verbürgten;<br />
zu den Ärmsten gehörten die Bergleute auch in den elenden 40er Jahren nicht.“ 221<br />
Damit verbunden war ein Konservativismus, „ein an dörflichen Werten orientiertes Bewußtsein<br />
ebenso wie die Einbettung in die ländliche Nachbarschaft, Seßhaftigkeit und<br />
eine oft durch kirchliche Bindungen noch verstärkte Hochschätzung des Herkömmlichen“<br />
222 . Der zweite prägende Aspekt, das staatliche Direktionsprinzip, stellte eine „besondere<br />
Mischung von Privilegierung und Disziplinierung, von staatlichen Fürsorgele<strong>ist</strong>ungen<br />
und Loyalitätserwartungen“ 223 dar. Einer strengen Reglementierung der Arbeit<br />
und auch des Privatlebens (z.B. Heirat nur mit Erlaubnis des Grubenbeamten, Verbot<br />
von Wirtshausbesuchen an Lohntagen), der Drohung von Disziplinarmaßnahmen von<br />
der Verwarnung bis zur Prügelstrafe, stand andererseits eine verlässliche Arbeitsplatzsicherheit,<br />
zumindest für die länger dienenden Arbeiter, gegenüber, die die Bergleute von<br />
den Lohnarbeitern in den Privatunternehmen unterschied. 224 Die Mitgliedschaft in den<br />
Knappschaften, den staatlichen Versicherungs- und Standesorganisationen war verpflichtend,<br />
jedoch begann sich ab den 1820er Jahren eine Hierarchie in ihnen zwischen<br />
218 Vgl. Kocka 1990:399-400.<br />
219 Kocka 1990:400.<br />
220 Kocka 1990:394.<br />
221 Kocka 1990:395.<br />
222 Kocka 1990:395.<br />
223 Kocka 1990:395.<br />
224 Kocka 1990:395-396.<br />
58
den „vereidigten“ und den „unvereidigten“ Bergleuten auszubilden. 225 Kocka interpretiert<br />
diese Entwicklung folgendermaßen:<br />
„Der Sinn war ein doppelter: Zur Vollmitgliedschaft gehörte nicht nur die Erschwerung des<br />
Arbeitsplatzwechsels für den Bergmann, sondern auch die Erschwerung der Kündigung durch<br />
den Arbeitgeber. Vor allem verheiratete Vollmitglieder genossen praktisch Unkündbarkeit. Um<br />
sich das für einen Wirtschaftsbetrieb unter Bedingungen schnellen Wandels unverzichtbare<br />
Maß an Flexibilität zu sichern, schuf man die Kategorie der ‚unständigen’, nicht dem oben genannten<br />
Eid zu verpflichtenden ‚Bergtagelöhner’, die – so die ursprüngliche Idee – je nach Bedarf<br />
kurzfr<strong>ist</strong>ig angestellt und auch wieder entlassen werden konnten.“ 226<br />
Die Möglichkeit des Aufstiegs zum „vereidigten“ und auch der Degradierung zum „unvereidigten“<br />
Bergarbeiter, deren Zahl stetig stieg, war „ein Anreiz zu stetiger Arbeit,<br />
Anhänglichkeit und Bewährung, ein typisch bürokratisches Integrationsmittel“ 227 .<br />
Die Knappschaft hatte aber auch weitergehende Funktionen, die für die vorliegende Untersuchung<br />
relevant sind. Sie war<br />
„ein Organ zur Pflege der bergmännischen Moral und Gemeinschaft. Sie wurde von den Behörden<br />
systematisch genutzt, um den Bergleuten ständisches Sonderbewußtsein, beruflichen<br />
Stolz und D<strong>ist</strong>anz zur entstehenden Lohnarbeiterschaft im allgemeinen zu vermitteln: Neben<br />
den genannten Verpflichtungen und Sonderrechten dienten dazu die allerdings nie voll durchgeführte<br />
Verpflichtung zum Tragen von Knappenuniformen, die Organisation von Bergfesten,<br />
die bewußte Pflege von alten bergmännischen Bräuchen und Liedern, das teilweise aus den<br />
sehr viel älteren, fester gefügten Erzbergbau-Traditionen übernommen wurde. Vieles davon<br />
blieb künstlich und aufgepfropft. Denn von den an Zahl zunehmenden Bergleuten stammte nur<br />
ein kleiner Teil aus bergmännischen Familien, die me<strong>ist</strong>en dagegen aus ländlichunterbäuerlichen<br />
oder kleinbäuerlichen Milieus der näheren Umgebung [...]. Ihnen allen waren<br />
die Bräuche, Lieder und Legenden der Bergleute sehr fremd. Aber andererseits konnte sich<br />
solche berufsständische Bewußtseinspflege auf ein gewisses Zusammengehörigkeitsbewußtsein<br />
der Bergleute stützen, das immer wieder durch gemeinsame Arbeitserfahrungen, durch<br />
gemeinsam erlebte Gefahren, durch die verbindende Isolation des bergmännischen Arbeitsplatzes<br />
gestützt und durch die öffentliche Anerkennung der bergmännischen Arbeit bekräftigt wurde.“<br />
228<br />
Die Knappschaften waren also hegemoniale Apparate, die den Zwang, der durch die Betriebsordnung<br />
und die drohenden Disziplinarmaßnahmen ausgeübt wurde, durch soziale<br />
und kulturelle Angebote ergänzten, um Konsens unter den Bergarbeitern zu erzeugen.<br />
Hierin <strong>ist</strong> auch klar das Motiv der Gewerkschaft der Zeche Wiesche zu sehen, die<br />
„Grubenklänge“ herauszugeben. Das Liederbuch soll den Bergleuten „bessere“ Lieder<br />
geben, die ihre D<strong>ist</strong>inktion von anderen Berufsgruppen und Identifikation mit dem eigenen<br />
Beruf fördern. Ähnlich sind auch die „Sächsischen Bergreyhen“ zu beurteilen,<br />
die im Auftrag der sächsischen Berghauptmannschaft entstanden. Insgesamt waren die<br />
225 Vgl. Kocka 1990:396.<br />
226 Kocka 1990:397.<br />
227 Kocka 1990:397.<br />
228 Kocka 1990:397.<br />
59
Bemühungen der Bergverwaltungen in der ersten Hälfte des Jahrhunderts durchaus erfolgreich:<br />
„Die agrarische Einbindung einerseits, die staatliche Privilegierung und Disziplinierung andererseits<br />
haben in Verbindung mit spezifischen Arbeits- und Gemeinschaftserfahrungen der<br />
Bergleute zur Entstehung eines bürokratisch durchsetzten, etat<strong>ist</strong>isch gefärbten, oft religiös<br />
durchwirkten Standesbewußtseins beigetragen, das weder die scharfen antikapital<strong>ist</strong>ischen, anti-unternehmerischen<br />
Frontstellungen des sich später entwickelnden Klassenbewußtseins besaß<br />
noch eine emanzipatorisch-obrigkeitskritische Stoßrichtung aufwies. Im Vergleich zu anderen<br />
Arbeitergruppen war man vergleichsweise gut gestellt.“ 229<br />
Tatsächlich wirkten die Privilegien scheinbar anziehend auf Mitglieder der ländlichen<br />
Unterschicht, die auf sozialen Aufstieg hofften, und auch an der Revolution 1848 waren<br />
die Bergarbeiter unterdurchschnittlich beteiligt. 230<br />
„<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“ <strong>ist</strong> geprägt von diesem Kontext. Auf der Ebene der Informationsvermittlung<br />
wird ein idyllisches Bild des Bergbaus gezeichnet. Die Arbeitswelt<br />
des Bergmanns <strong>ist</strong> „im sichern Schooß der Erde“, wo er von Gold und Kr<strong>ist</strong>allen umgeben<br />
<strong>ist</strong> und Lieder singt. Die Gefahren des Bergbaus werden in der zweiten Strophe<br />
zwar thematisiert, jedoch nur vage als „jegliche Beschwerde“ angedeutet. Die reale<br />
Möglichkeit des Unfalltods wird verschwiegen, vor den Bedrohungen der Welt über<br />
Tage sind sie sogar behütet. Das Vertrauen auf Gott garantiert die Sicherheit. Die<br />
Furchtlosigkeit <strong>ist</strong> D<strong>ist</strong>inktionsmerkmal des Bergmanns, welches ihn von „Mensch und<br />
Thier“ abhebt. Der Bergmann fördert die Reichtümer der Welt an den Tag und auch<br />
sein Lohn <strong>ist</strong> herrlich, womit jedoch wohl nicht sein materieller Lohn gemeint <strong>ist</strong>.<br />
Vielmehr scheint damit die Nähe zu Gott nach dem Tod gemeint sein, die in der dritten<br />
Strophe beschrieben wird. Dies <strong>ist</strong> der Lohn für ein furchtloses, pflichtbewusstes und<br />
vor allem gottesfürchtiges Leben. Ein solches Leben zu führen, <strong>ist</strong> auch die zentrale,<br />
handlungsnormierende Forderung, welche das Lied stellt. Insofern nennt Heilfurth es<br />
auch zu Recht einen „säkularisierten Choral“ 231 . Die Funktion der emotionalen Auseinandersetzung<br />
mit der Umwelt wird auf zwei Arten erfüllt, einerseits durch die Verklärung<br />
der Lebensrealität, andererseits durch die Hoffnung auf die Aufnahme in den<br />
229 Kocka 1990:400.<br />
230 Vgl. Kocka 1990:401.<br />
231 Heilfurth 1954:255.<br />
60
Himmel. 232 „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“ transportiert also die Ideologie eines positiven<br />
Bekenntnisses zum Bergmannsberuf und richtet sich insofern an die Bergarbeiter selber,<br />
denen es diese Ideologie durch das „Wir“ in den Mund legt, wenn sie es singen. Es fügt<br />
sich somit in die Bemühungen der Knappschaften um eine hegemoniale Integration der<br />
Belegschaft, wie sie oben beschrieben wurde. Es kann aber auch als Werbelied aufgefasst<br />
werden, eine Arbeit im expandierenden Bergbau der Frühindustrialisierung aufzunehmen.<br />
3.3. „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“<br />
Wenn man eine Genealogie des Liedes „Der Bergmannsstand sei hochgeehret“ schreiben<br />
möchte, erscheint es sinnvoll Eugène Scribe als Ausgangspunkt zu nehmen. Scribe<br />
schrieb, auf Basis verschiedener literarischer Vorlagen, vor allem von Walter Scott, das<br />
Libretto „La Dame d’Avenel“, welches er 1821 François Adrien Boieldieu vorlegte. 233<br />
Boieldieu komponierte nach diesem Libretto die Opéra-comique „La Dame blanche“,<br />
welche am 10. Dezember 1825 in Paris uraufgeführt wurde. 234 Die deutschsprachige<br />
Erstaufführung fand 1826 in Wien statt, in einer Übersetzung die Ignaz Franz Castelli<br />
besorgte. 235 Die Figur des George Brown singt im I. Akt die Auftrittsarie „Ah! quel<br />
plaisir d’être soldat“, also wörtlich „Ah! was für eine Freude es <strong>ist</strong> Soldat zu sein“, für<br />
deren Vertonung Boieldieu Musik aus früheren Werken verwendete. 236 Ein Klavierauszug<br />
der deutschsprachigen, Wiener Fassung von 1826 erschien im selben Jahr bei Tobias<br />
Haslinger. 237 Dieser Klavierauszug erschien zwar ohne Jahresangabe, er kann aber<br />
mittels der Verlagsnummer sicher auf 1826 datiert werden. 238 Castelli übersetzte die be-<br />
232 Eine spätere, weniger verklärende, allerdings auch weniger verbreitete Variante des Liedes <strong>ist</strong> „Armen<br />
Bergmanns Leben“, dass jedoch ebenfalls den chr<strong>ist</strong>lichen Glauben als Kompensation anbietet (vgl. Heilfurth<br />
1954:277-278, 365-366, 585).<br />
233 Vgl. Klaus Hortschansky, „La Dame blanche“Carl Dahlhaus (Hg.), Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters.<br />
Oper, Operette, Musical, Ballett, Bd. 1, München-Zürich 1986: Piper, 384.<br />
234 Vgl. Hortschansky 1986:384.<br />
235 Hortschansky 1986:386.<br />
236 Vgl. Hortschansky 1986:384.<br />
237 François Adrien Boieldieu, Die Weisse Frau (La Dame blanche), nach dem französischen des Scribe<br />
von I.F. Castelli, vollständiger Clavier Auszug, nach der Aufführung des k.k. Hoftheaters in Wien und<br />
den übrigen Theatern der oesterr. Provinzen, Wien o. J. [1826]: Tobias Haslinger (Nr. 4836).<br />
238 Vgl. Alexander Weinmann, Vollständiges Verlagsverzeichnis Senefelder, Steiner, Haslinger. Bd. 2:<br />
Tobias Haslinger (Wien 1826-1843), München-Salzburg 1980: Musikverlag Emil Katzbichler, 1.<br />
61
sagte Arie des George Brown als „Es lebe hoch der Kriegerstand“. 239 Da sich die gesamte<br />
Oper großer Beliebtheit erfreute, 240 erscheint es nicht erstaunlich, dass diese Arie<br />
in Castellis Übersetzung zu einem klassischen „Kunstlied im Volksmund“ wurde, denn<br />
aus ihr wurde ein verbreitetes Soldatenlied.<br />
Die Verwandtschaft der Arie mit dem Soldatenlied lässt sich durch einen Textvergleich<br />
leicht nachweisen. Beim DVA sind Liedflugschriften aus den 1840er Jahren nachgewiesen,<br />
241 Wolfgang Mayer verwe<strong>ist</strong> auf ein „Liederbuch. Auswahl der beliebtesten Jagd-,<br />
Trink- und Gesellschaftslieder, Arien etc. (Bamberg ca. 1840), Nr. 66 (‚Bekannte Melodie.<br />
Es lebe hoch der Kriegerstand...’)“ 242 als frühesten gedruckten Nachweis, handschriftliche<br />
Aufzeichnungen finden sich ab den 1850er Jahren. 243 Bei der Recherche für<br />
die vorliegende Arbeit wurde in der durchgesehenen Forschungsliteratur keine Verbindung<br />
zur Arie festgestellt. Mayer schreibt: „Das Lied vom Kriegerstand erscheint etwa<br />
seit 1840 in den populären Liederbüchern und hier fast ausschließlich mit dem Anfang<br />
‚Es lebe hoch der Kriegerstand’“ 244 . Mayer vermutet, dass Melodie und Text um 1840<br />
gemeinsam entstanden sind. 245 Der Nachweis, dass diese Annahme falsch <strong>ist</strong>, soll mit<br />
Hilfe der Texte der Castelli-Fassung der Arie und einer Fassung des Soldatenliedes, die<br />
1851 im „Allgemeinen Schweizer-Liederbuch“ abgedruckt wurde (ohne Noten, mit dem<br />
Hinweis: „Eigene Weise“ 246 ), gebracht werden.<br />
Arie:<br />
„Georges.<br />
Es lebe hoch der Kriegerstand,<br />
Es lebe hoch der Kriegerstand!<br />
ob man vieles auch entbehre,<br />
Lied:<br />
„Es lebe hoch der Kriegerstand!<br />
Es lebe hoch der Kriegerstand!<br />
Wenn er auch so manches entbehre,<br />
239 Vgl. Boieldieu o. J.:22-28.<br />
240 Vgl. Hortschansky 1986:386.<br />
241 Vgl. Otto Holzapfel, Liedverzeichnis. Die ältere deutschsprachige, populäre Liedüberlieferung, Bd. 1,<br />
Hildesheim-Zürich-New York 2006: Georg Olms, 502-503.<br />
242 Wolfgang Mayer, Die Raindinger Handschrift. Eine „Lieder Sammlung“ aus Niederbayern (1845-50)<br />
(= Quellen und Studien zur musikalischen Volkstradition in Bayern Reihe II: Volkslieder, Band 1), 2.<br />
Aufl., München 1999: o. V., 425.<br />
243 Vgl. Mayer 1999:141, 425.<br />
244 Mayer 1999:425.<br />
245 Mayer 1999:426.<br />
246 O. A., Allgemeines Schweizer-Liederbuch. Eine Sammlung von 725 der beliebtesten Gesänge, Kühreihen<br />
und Volkslieder, 5., umgearbeitete und erweiterte Aufl., Aarau und Thun 1851: J. J. Chr<strong>ist</strong>en, 521.<br />
247 Boieldieu o. J.:22-28.<br />
62
kämpft man froh für sein theures Vaterland!<br />
und dem Sohn des Muths und der Ehre<br />
reichet jeder freundlich die Hand,<br />
ja dem Sohn des Muths und der Ehre,<br />
reichet jeder freundlich die Hand,<br />
ja es lebe hoch es lebe hoch<br />
es lebe hoch der Kriegerstand,<br />
ja es lebe hoch es lebe hoch<br />
es lebe hoch der Kriegerstand,<br />
ja, hoch der edle Kriegerstand,<br />
ja, hoch der edle Kriegerstand,<br />
ja, hoch der edle Kriegerstand!<br />
Ertönt die Trompete in der Weite,<br />
und wirbelt die Trommel die uns ruft,<br />
so eilet man lächelnd zum Streite<br />
ein Hurrah tönet froh durch die Luft<br />
hört ihr dort das Siegesgeschrey,<br />
hört ihr dort das Siegesgeschrey,<br />
ruhmvoll <strong>ist</strong> die Schlacht<br />
jetzt geschlagen mit Ruhm die Schlacht geschlagen<br />
es tönet laut der Freude Schall<br />
es tönet laut der Freude Schall<br />
bringt Wein, und trinkt,<br />
zusammen die Gläser geschlagen,<br />
es lebe hoch, hoch hoch unser General<br />
hoch leb der General!<br />
hoch leb der General!<br />
hoch leb der General!<br />
hoch leb der General!<br />
ha ha ha<br />
Kämpft er doch für’s Vaterland.<br />
Dem Sohne des Ruhmes und der Ehre<br />
Reicht Jeder freundlich die Hand.<br />
Es lebe hoch der Kriegerstand!<br />
Ertönt die Trompete in der Weite,<br />
Erschallt die Trommel, die uns ruft,<br />
Eilen wir zum verwegenen Streite,<br />
Ein Hurrah erschallt durch Luft.<br />
Dem Sohne u.s.w.<br />
Bringen wir dann die Feinde zum Sinken,<br />
Ist vernichtet die blutige Schaar,<br />
Frische Lorbeer’n des Ruhmes uns winken<br />
Auf der Ehre hohem Altar.<br />
Dem Sohne u.s.w.<br />
preiset laut den Kriegerstand<br />
preiset laut den Kriegerstand<br />
ob man vieles auch entbehre<br />
kämpft man froh fürs Vaterland!<br />
und der Sohn des Muths und der Ehre<br />
reichet jedem freundlich die Hand<br />
ja dem Sohn des Muths und der Ehre<br />
reichet jeder freundlich die Hand,<br />
ja, es lebe hoch es lebe hoch<br />
Es lebe hoch der Kriegerstand,<br />
ja, es lebe hoch es lebe hoch<br />
es lebe hoch der Kriegerstand!<br />
wird der holde Friede dann segensreich erscheinen<br />
kehrt der Krieger zurück zu den Seinen<br />
so wartet auf ihn neues Glück,<br />
der Vater hier, dort ein Freund<br />
treten froh ihm entgegen<br />
des Wiedersehens Wonne strahlt<br />
aus jeglichem trunkenen Blick<br />
und die Mutter, wie <strong>ist</strong> sie selig!<br />
ja die Mutter, wie <strong>ist</strong> sie selig<br />
b<strong>ist</strong> dus denn, lieber Sohn?<br />
Wenn am Herd uns die Freunde umschlingen<br />
Und das Vaterland freundlich uns grüßt,<br />
Hoch die Herzen der Mädchen aufspringen,<br />
Die der Held in die Arme sich schließt.<br />
Dem Sohne u.s.w.“ 248<br />
248 O. A. 1851:521.<br />
63
kommst gesund mir zurück?<br />
komst [sic!] gesund mir zurück!<br />
Chor.<br />
Welch beneidenswerthes Glück<br />
Georges.<br />
Doch ich hatte ja ein Liebchen<br />
wo <strong>ist</strong> denn dieses?<br />
hatte gar ein schönes Liebchen<br />
wo <strong>ist</strong> denn diese?<br />
schon gut! merke wohl<br />
dass die Zeit sie zerstreut,<br />
es lebe hoch der Kriegerstand,<br />
ach lebe hoch, ach lebe hoch,<br />
ach lebe hoch der Kriegerstand<br />
hoch der edle Kriegerstand<br />
hoch der edle Kriegerstand<br />
hoch der edle Kriegerstand<br />
Chor.<br />
o welch ein schöner Stand<br />
o welch ein schöner Stand<br />
o welch edler schöner Stand!“ 247<br />
Die Konkordanzen in den ersten beiden Strophen des Liedes mit dem Arientext sollten<br />
offensichtlich sein, obgleich hier bereits Umsingprozesse zu beobachten sind. Die 3.<br />
und 4. Strophe besitzen keine textliche Verwandtschaft mehr mit der Arie, obwohl sie<br />
inhaltlich gewisse Parallelen aufzeigen: Sieg in der Schlacht und Heimkehr nach Hause.<br />
Dass die Arien- und Liedtext nach der 3. Strophe entkoppelt sind, erklärt sich aus der<br />
Tatsache, dass die Arie hier den Strophencharakter verliert, wobei allerdings eine Textvariante<br />
der ersten Strophe („preiset laut den Stand der Ehren“) noch einmal eingeschoben<br />
wird. Die textliche Komplexität der Arie <strong>ist</strong> im Lied also auf die Strophe-Refrain-<br />
Form reduziert. Häufig wird diese Form noch durch den Wechsel von Solo und Chor<br />
unterstrichen, worin Mayer einen Einfluss der Gesangsverein-Bewegung vermutet. 249<br />
Der Liedtext aus dem „Allgemeinen Schweizer-Liederbuch“ kann grundsätzlich als typisch<br />
angesehen werden. Mayer stellt fest, dass Ende des 19. Jahrhunderts „die Variante<br />
der 1. Zeile ‚Es lebe hoch der Stand der Ehren’ populär wird“ 250 . Auf die Textvariante<br />
aus der sogenannten Raindinger Handschrift aus Niederbayern soll weiter unten noch<br />
eingegangen werden. 251<br />
249 Vgl. Mayer 1999:426.<br />
250 Mayer 1999:425.<br />
251 Interessant, jedoch für die vorliegende Untersuchung irrelevant, <strong>ist</strong> auch eine hier aufgezeichnete 5.<br />
Strophe in der man das österreichische Herrscherhaus, inklusive Erzherzog Johann, hoch leben lässt. Vgl.<br />
Mayer 1999:141.<br />
64
Notenbeispiel 5: A: Melodie der ersten Strophe der Arie „Es lebe hoch der Kriegerstand“ (Originaltonart:<br />
F-Dur); B: Variante des Soldatenliedes aus der Raindinger Handschrift; C: Variante des Soldatenliedes<br />
aus dem „Deutschen Kommersbuch“.<br />
66
Genau wie der Text <strong>ist</strong> auch die Melodie durch einen Umsingprozess aus der Arie entstanden.<br />
Dies soll durch einen Melodievergleich gezeigt werden, 252 in welchem die A-<br />
rienmelodie der 1. Strophe mit der in der Raindinger Handschrift, die auf den Zeitraum<br />
von 1845 bis 1854 datiert werden kann, 253 aufgezeichneten Melodie und einer späteren<br />
Melodievariante, die im „Deutschen Kommersbuch“ abgedruckt <strong>ist</strong> und aus dem zweiten<br />
Band der „Deutschen Liederhalle“ (1844/46) stammen soll, 254 verglichen werden.<br />
Zum besseren Vergleich wurde die Arienmelodie nach C-Dur transponiert, der Tonart in<br />
der die beiden Liedbelege notiert sind.<br />
Eine detaillierte Analyse der drei Melodien sollte nicht notwendig sein, die gegenseitige<br />
Verwandtschaft <strong>ist</strong> offensichtlich. Die Abweichungen in Melodie und Rhythmus sind<br />
alle ohne Probleme durch Umsingprozesse erklärbar. Dass die Liedvariante C kürzer <strong>ist</strong><br />
als B ergibt sich aus der Tatsache, dass die T. 16-20 nicht noch einmal wiederholt werden.<br />
Dass die Arienmelodie länger <strong>ist</strong>, ergibt sich aus der dreimaligen Wiederholung<br />
des zusätzlichen Verses „ja, hoch der edle Kriegerstand“. Die Arie <strong>ist</strong> an dieser Stelle<br />
auch noch nicht zu Ende, sondern erreicht nur eine Zäsur, die durch ein instrumentales<br />
Zwischenspiel markiert wird.<br />
Durch den Text- und Melodievergleich sollte unzweifelhaft klar sein, dass die verschiedenen<br />
Liedvarianten genetisch von der Arie „Ah! quel plaisir d’être soldat“, aus „La<br />
Dame blanche“, in der Übersetzung Ignaz Franz Castellis, abstammen. Das Lied „Der<br />
Bergmannsstand sei hoch geehret“ <strong>ist</strong> wiederum eine Umdichtung des Liedes „Es lebe<br />
hoch der Kriegerstand“. Auf diesen Umstand haben zuerst Hruschka und Toischer hingewiesen.<br />
255 Der früheste gedruckte Beleg, 256 gleichzeitig frühester überhaupt, befindet<br />
sich im „Commersbuch der Wiener Studenten“ von 1880, eingesandt vom bergakade-<br />
252 Vgl. Notenbeispiel 5.<br />
253 Vgl. Mayer 1999:XIII.<br />
254 Vgl. Karl Reisert (Hg.), Deutsches Kommersbuch, h<strong>ist</strong>orisch-kritische Bearbeitung, 10. Aufl., Freiburg<br />
im Breisgau 1908: Herdersche Verlagsbuchhandlung, 524-525.<br />
255 Vgl. Alois Hruschka und Wendelin Toischer (Hgg.), Deutsche Volkslieder aus Böhmen, Prag 1891:<br />
Verlag des Deutschen Vereines zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse, 514.<br />
256 Vgl. Heilfurth 1954:606.<br />
67
mischen Korps „Montania“ in Leoben. 257 Die dort abgedruckte Fassung entspricht textlich<br />
und melodisch, bis auf minimale Abweichungen, der heute in der Region Eisenerz<br />
gesungenen Variante. 258<br />
Notenbeispiel 6: „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“, in der heute in der Region Eisenerz gängigen<br />
Variante.<br />
Grundsätzlich weisen Texte und Melodien der bekannten Belege eine hohe Homogenität<br />
auf. Viktor Zack schreibt zu seiner Veröffentlichung des Liedes von 1931: „Aus<br />
Vordernberg, von Zack in den Siebzigerjahren aufgenommen. In der Steiermark auch<br />
sonst verbreitet“ 259 . Zur Verdeutlichung der Verwandtschaft des Bergmanns- und des<br />
Soldatenliedes sollen zunächst der Text von „Es lebe hoch der Kriegerstand“ aus der<br />
Raindinger Handschrift mit dem Text von „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“<br />
verglichen werden, wie er heute in der Region Eisenerz gesungen wird. Der Text der<br />
Raindinger Handschrift <strong>ist</strong> insofern interessant, da dies der einzige bekannte Beleg <strong>ist</strong>,<br />
257 Vgl. Max Breitenstein (Hg.), Commersbuch der Wiener Studenten, Wien 1880: Alfred Hölder, 167-<br />
168.<br />
258 Vgl. Notenbeispiel 6 und Videobeispiele 1 und 2.<br />
259 Zack 1931:22.<br />
68
der mit „Der Kriegerstand sei hoch geehret“ beginnt und damit die größte Parallelität zu<br />
dem Bergmannslied aufwe<strong>ist</strong>. Die me<strong>ist</strong>en Belege beginnen mit „Es lebe hoch der Kriegerstand“<br />
oder „Es lebe hoch der Stand der Ehren“. 260<br />
„1. Der Kriegerstand sei hoch geehret,<br />
lebe hoch du Kriegerstand.<br />
Und obgleich er auch vieles entbehret,<br />
kämpft er doch fürs Vaterland.<br />
Chor. Dem Sohne des Ruhmes und der Ehre<br />
reicht ein jeder freundlich die Hand.<br />
Dem Sohne des Ruhmes und der Ehre,<br />
reicht ein jeder freundlich die Hand.<br />
Es lebe hoch, es lebe hoch,<br />
es lebe hoch, es lebe hoch,<br />
Es lebe hoch der Kriegerstand.<br />
„1. Der Bergmannsstand sei hoch geehret,<br />
es lebe hoch der Bergmannsstand!<br />
Wenn er auch das Tageslicht entbehret,<br />
so tut er’s doch für’s teure Vaterland.<br />
Ja, den Söhnen der Gruben und der Berge<br />
reicht ein jeder freundlich die Hand.<br />
Ja, den Söhnen der Gruben und der Berge<br />
reicht ein jeder freundlich die Hand.<br />
Es lebe hoch, es lebe hoch,<br />
Es lebe hoch, es lebe hoch,<br />
Es lebe hoch der Bergmannsstand!<br />
2. Erschalln die Trompeten in die Weite,<br />
Ertönet die Tromel [sic!] die uns ruft;<br />
Eilen wir zum verwegenen Streite<br />
Es erschallt Hurrah durch die Luft:<br />
Chor. Dem Sohne des Ruhmes etc.<br />
3. Haben wir das Vaterland gerettet;<br />
Ist errungen die blutige Schlacht<br />
Stehn wir Brüder eng verkettet,<br />
Als starke unüberwindliche Macht.<br />
Chor. Dem Sohne des Ruhmes etc.<br />
2. Hört ihr nicht des Glöckleins leises Schallen?<br />
Hört ihr nicht die Klopfe die uns ruft?<br />
Nun, wohlan, zum Schachte lasst uns wallen,<br />
ein Glück Auf! erschalle durch die Luft.<br />
Ja, den Söhnen der Gruben und der Berge usw.<br />
3. Bringen wir die Berge dann zum Weichen,<br />
und <strong>ist</strong> gewonnen dann das reiche Erz,<br />
großer Lohn den sieh alsdann uns reichen,<br />
und die Lieb’ erfreuet unser Herz.<br />
Ja, den Söhnen usw.“ 262<br />
4. Sitzen wir beim Glase und singen<br />
Durch das Vaterland dankbar begrüßt<br />
Hoch die Herzen der Mädchen sie schwingen<br />
Wenn der Held in die Arme sie schließt<br />
Chor. Dem Sohne des Ruhmes etc.<br />
5. Es lebe hoch der Erzherzog Carl<br />
Es lebe hoch der Prinz Johann<br />
Es lebe hoch die Marianne<br />
Und der Kaiser Ferdinand.“ 261<br />
Wieder sind die Parallelen im Text offensichtlich, teilweise sind nur einzelne Wörter<br />
ausgetauscht. Aus dem Kriegerstand wird der Bergmannsstand, statt vieles entbehrt dieser<br />
Stand das Tageslicht. Die Trompeten und die Trommel werden durch die Signalinstrumente<br />
des Bergbaus, Glöcklein und Klopfe 263 , ersetzt, statt zum Streite zu ziehen<br />
260 Vgl. Mayer 1999:425-426.<br />
261 Mayer 1999:141.<br />
262 Transkription: Malik Sharif, nach Videobeispiel 2.<br />
263 „Klopf (die), ein eigenes Gebäude, in welchem entweder mit einer Glocke (Schichtglocke) oder einem<br />
Hammer an einer hängenden Eisenplatte das Zeichen gegeben wird, wann die Arbeitszeit [...] beginne o-<br />
der ende.“ Carl von Scheuchenstuel, Idoticon der österreichischen Berg- und Hüttensprache. Zum besseren<br />
Verständnisse des österr. Berg-Gesetzes und dessen Motive für Nicht-Montan<strong>ist</strong>en, Wien 1856: Wilhelm<br />
Braumüller, 140.<br />
69
wallt man zum Schachte, und statt „Hurrah“ wird „Glück Auf!“ gerufen. Die 3. Strophe<br />
von „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“ hat die stärksten Textabweichungen. Betrachtet<br />
man aber die 3. Strophe von „Es lebe hoch der Stand der Ehren“ aus dem<br />
„Deutschen Kommersbuch“ sind die Parallelen wieder klar erkennbar.<br />
„Und bringen wir dann die Feinde zum Sinken<br />
und <strong>ist</strong> entwichen die blutige Schar,<br />
frische Lorbeer’n des Sieges uns winken<br />
auf des Ruhmes geweihten Altar.“ 264<br />
Aus den Feinden, die zum Sinken gebracht werden, werden die Berge, die zum Weichen<br />
gebracht werden, und dieser Vorgang hat anstatt Lorbeeren großen Lohn zur Folge.<br />
Ein Melodievergleich der heute in Eisenerz gängigen Variante des Liedes „Der Bergmannsstand<br />
sei hoch geehret“ mit den in Notenbeispiel 5 abgedruckten Varianten des<br />
Soldatenliedes zeigt wieder viele offenkundige Parallelen. Insbesondere die Variante C<br />
we<strong>ist</strong> zu Beginn das charakter<strong>ist</strong>ische Signalmotiv, bestehend aus umspielten Dreiklangsbrechungen,<br />
auf, mit welchem auch „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“ beginnt.<br />
Trotz diverser Abweichungen im Detail zwischen den verschiedenen Melodievarianten,<br />
sollten die strukturellen Ähnlichkeiten groß genug sein, um die genetische Abstammung<br />
der Bergmannsliedmelodie von der des Soldatenliedes zu belegen.<br />
Wann und durch wen das Soldatenlied in ein Bergmannslied umgedichtet wurde, <strong>ist</strong><br />
aufgrund fehlender Quellen nicht festzustellen. Das Bergmannslied muss zwischen<br />
1826 und 1880 entstanden sein, da 1826 Castellis deutsche Übersetzung von Scribes<br />
Libretto zur Aufführung kam und 1880 das Bergmannslied zum ersten mal gedruckt<br />
wurde. Es soll hier aber trotzdem eine – zugegebenermaßen spekulative – Hypothese<br />
über den, bzw. die Urheber aufgestellt werden. Bedenkt man einerseits, dass das Lied<br />
vom Leobener Korps „Montania“ an den Herausgeber des „Commersbuchs Wiener<br />
Studenten“ geschickt wurde, und andererseits, dass Viktor Zack das Lied, laut eigener<br />
Aussage, in den 1870er Jahren in Vordernberg aufzeichnete, bedenkt man weiter, dass<br />
keine früheren Belege ex<strong>ist</strong>ieren, so erscheint es zumindest plausibel, dass das Lied irgendwo<br />
in dieser Region entstanden <strong>ist</strong>. Es erscheint weiterhin plausibel anzunehmen,<br />
dass das Lied auch im Umfeld der korporierten Leobener Studenten entstanden <strong>ist</strong> und<br />
dass es durch diese in den steirischen Bergbaugebieten verbreitet wurde. Diese zweite<br />
264 Reisert 1908:525.<br />
70
Vermutung begründet sich in der Tatsache, dass Soldatenlieder zum Repertoire der<br />
Verbindungsstudenten gehörten (und gehören), wie sich durch einen Blick in die Inhaltsverzeichnisse<br />
von Kommersbüchern leicht überprüfen lässt. Es <strong>ist</strong> also denkbar,<br />
dass irgendeine Variante von „Es lebe hoch der Kriegerstand“ auch bei den Leobener<br />
Studenten bekannt war und von diesen auf ihr Berufsfeld umgedichtet wurde. Zwar <strong>ist</strong><br />
es nicht ausgeschlossen, dass „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“ von Bergarbeitern<br />
gedichtet wurde und über diese zu den Leobener Studenten gelangte, jedoch erscheint<br />
es, vor allem aufgrund des Pathos des Liedes, naheliegender, den oder die Urheber<br />
entweder außerhalb der im Bergbau Beschäftigten zu vermuten oder eben unter der<br />
besser gestellten Gruppe der Angestellten, z.B. angehenden Bergingenieuren in Leoben.<br />
Dies würde der von Heilfurth festgestellten Tendenz entsprechen, dass sich im 19. Jahrhundert<br />
die Produktion von Bergmannsliedern in die Oberschicht verschob. 265 Diese<br />
Hypothese über die Urheberschaft wird deutlicher, wenn man den sozioh<strong>ist</strong>orischen<br />
Kontext des möglichen Entstehungszeitraumes, geographisch und kulturell eingeschränkt<br />
auf das steirische Bergwesen als vermutetem Entstehungszusammenhang, betrachtet.<br />
Der Zeitraum zwischen 1826 und 1880 war im steirischen Bergwesen durch sozialen<br />
Wandel gekennzeichnet, der sich einer einfachen Beurteilung entzieht, da er zu facettenreich<br />
war. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war die soziale und wirtschaftliche Lage<br />
der Bergarbeiter „jedenfalls im Vergleich zu den Zuständen in anderen Erwerbszweigen<br />
als befriedigend zu bezeichnen“ 266 . Daher verhielt sich bei der Revolution 1848 „die<br />
Bergarbeiterschaft der Steiermark [...] im wesentlichen passiv, wenn man von der Bildung<br />
lokaler Nationalgarden absieht“ 267 . Noch bis ins 19. Jahrhundert galt im steirischen<br />
Bergbau der Acht-Stunden-Arbeitstag, der durch die Ferdinandeische Bergordnung<br />
von 1553 festgelegt worden war. 268 „Erst in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts<br />
[d. h. des 19., M.S.] wurde die Arbeitszeit fast allgemein auf zwölf Stunden erhöht, ab-<br />
265 Vgl. Heilfurth 1954:68.<br />
266 Alois Adler, „Die soziale Lage der Berg- und Hüttenarbeiter in der Steiermark ab 1848“, Friedrich<br />
Waidacher (Hg.), Der Bergmann - Der Hüttenmann. Gestalter der Steiermark. Katalog der 4. Landesausstellung<br />
1968, Graz 1968: o. V., 297.<br />
267 Adler 1968:297.<br />
268 Vgl. Pferschy 1984:390-391.<br />
71
züglich zwei Stunden Ruhepausen.“ 269 Bis zum Erlass des Allgemeinen Berggesetzes<br />
(ABG) im Jahre 1854 galt auch der Bezug von Tabak zu limitierten Preisen (limito-<br />
Fassung) für die Bergarbeiter, gedacht als Ausgleich niedriger Löhne. 270 Im Eisenerzer<br />
Bergbau ex<strong>ist</strong>ierte darüber hinaus bis 1868 eine limito-Fassung, die aus Nahrungsmitteln<br />
bestand. 271 Der Abbau von Privilegien begann jedoch schon vor 1854, so wurde<br />
1828 die Befreiung der Bergleute vom Militärdienst aufgehoben, was Abwanderungen<br />
und Personalmangel zur Folge hatte. 272 Positiv hervorgehoben werden muss die Entwicklung<br />
der sogenannten Bruderladen von seelsorgerischen zu sozialversicherungsartigen<br />
Einrichtungen, die durch das ABG schließlich für die Bergbauunternehmen verpflichtend<br />
wurden. 273<br />
Ein Problem war die Frauen- und Kinderarbeit: „Die im 19. Jahrhundert vielfach bewußt<br />
niedrig gehaltenen Einkommen der Arbeiterschaft bedingten die Einbeziehung<br />
sämtlicher Familienmitglieder in den Arbeitsprozeß.“ 274 Diesen niedrigen Löhnen lag<br />
eine Lohntheorie zu Grunde, „die nur durch niedrige Löhne der Arbeiter, bei gleichzeitig<br />
hohen Gewinnen der Unternehmer, das wirtschaftliche Wachstum gesichert sah“ 275 .<br />
Obwohl das Problem der Kinderarbeit seit Ende des 18. Jahrhunderts bei der Legislative<br />
bekannt war, wurde der Bergbau bei entsprechenden Kinderschutzbestimmungen ausgespart.<br />
276 In das ABG wurden ebenfalls keine Regelungen aufgenommen. Dazu schreibt<br />
der damalige Sektionschef Scheuchenstuel:<br />
„In den früheren Gesetzentwürfen wurde beantragt, daß Frauen und Kinder, insbesondere aber<br />
letztere, von der Bergarbeit gänzlich ausgeschlossen werden sollten, und zwar diese wegen einer<br />
zu frühzeitigen Erschöpfung ihrer Kräfte, die Frauen aber, um nicht zu einer Demoralisation<br />
des Bergvolkes Veranlassung zu geben.<br />
Allein es gibt doch sehr viele Arbeiten beim Berge, wozu es mindere Kräfte, aber mehr Gelenkigkeit<br />
erfordert, welche daher schlechter verrichtet werden, und dennoch höher bezahlt werden<br />
müßten, wenn der Bergwerksbesitzer gezwungen wäre, selbe nur durch Männer verrichten<br />
zu lassen, z.B. die Klaubarbeiten, die Handsiebsetzung u. dgl. Bei vielen Bergwerken stehen<br />
269 Pferschy 1984:391.<br />
270 Vgl. Pferschy 1984:392.<br />
271 Vgl. Zapf o. J.:179-180.<br />
272 Vgl. Pferschy 1984:392. Carl von Scheuchenstuel, Motive zu dem allgemeinen österreichischen Berggesetze<br />
vom 23. Mai 1854. Aus ämtlichen Quellen, Wien 1855: Wilhelm Braumüller, 374.<br />
273 Vgl. Pferschy 1984:405-406.<br />
274 Zapf o. J.:144.<br />
275 Zapf o. J.:184.<br />
276 Zapf o. J.:145.<br />
72
die Frauen seit hundert Jahren in diesen Beschäftigungen, ohne daß das Bergvolk deswegen<br />
demoralisiert werden könnte.<br />
Man erachte daher, die Frage über die Zulässigkeit der Frauen und Kinder zur Bergarbeit nach<br />
den jedesmaligen Verhältnissen des Bergwerksbetriebes, der bisherigen Uebung, der Beobachtung<br />
des moralischen Zustandes der Bevölkerung, von Fall zu Fall durch die Bergbehörde, unter<br />
allfälliger Mitwirkung der Ge<strong>ist</strong>lichkeit und der politischen Behörde, erörtern zu lassen, bestimmte<br />
positive [im rechtsphilosophischen Sinne, M.S.] Verfügungen aber diesfalls in das Gesetz<br />
nicht aufzunehmen.“ 277<br />
Gesetzliche Schutzbestimmungen für Kinder, Jugendliche und Frauen im Bergbau gab<br />
es erst 1884. 278<br />
Die eben zitierte, längere Passage zeigt exemplarisch die Intention hinter dem ABG: es<br />
ging nicht primär um soziale und wirtschaftliche Sicherheit für die Bergarbeiter, sondern<br />
um die Sicherung der Profite der Unternehmer. Sofern soziale Einrichtungen, z.B.<br />
die Versorgung durch Bruderladen, in dieser Hinsicht zweckdienlich erschienen, wurden<br />
sie in das Gesetz aufgenommen, wo sie hinderlich waren, wurden sie ausgeschlossen.<br />
Diese wirtschaftsliberale Tendenz war prägend für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts:<br />
„Trotz dieser vorbildlichen Sozialgesetzgebung waren in den Revieren die Arbeitsverhältnisse<br />
mitunter katastrophal. Die gesetzlichen Lücken, wie Dauer der Arbeitszeit, Frauen- und Kinderarbeit,<br />
Sonntags- und Feiertagsruhe und anderes, wurden vom Unternehmertum rücksichtslos<br />
gegen das Wohl der Bergleute ausgenützt. Eine Stat<strong>ist</strong>ik aus dem Jahre 1860 zeigt im<br />
Bergbau eine Beschäftigungsdauer von durchschnittlich 290 Tagen im Jahr, bei 14stündiger<br />
Arbeitszeit.“ 279<br />
Es gab Beschwerden über Sonntagsarbeitszwang und Misshandlungen durch Vorgesetzte.<br />
280 In einem Bericht von 1859 wurden im obersteirischen Bergbau, aufgrund von Absatzschwierigkeiten,<br />
massive Entlassungen festgestellt: „5% der Gesamtbevölkerung,<br />
nämlich 10.216 Personen waren damals in der Eisenindustrie beschäftigt. Die Zahl der<br />
Entlassungen überstieg jedoch bald 3000.“ 281 Grundtendenz war die Proletarisierung<br />
277 Scheuchenstuel 1855:373-374.<br />
278 Vgl. Zapf o. J.:146.<br />
279 Adler 1968:298.<br />
280 Adler 1968:298.<br />
281 Adler 1968:297.<br />
73
des ehemals privilegierten Berufsstandes, 282 womit die Grundlage für die politisch organisierte<br />
Arbeiterbewegung im Bergbau ab den 1880er Jahren gelegt war. 283<br />
Es kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass „Der Bergmannsstand sei<br />
hoch geehret“ im Umfeld der Bergarbeiter entstanden <strong>ist</strong>. Vor dem eben beschriebenen<br />
sozioh<strong>ist</strong>orischen Hintergrund und wie die folgende Analyse zeigen wird, erscheint jedoch<br />
eine Urheberschaft in sozial besser gestellten Kreisen wahrscheinlich. Die Melodie<br />
we<strong>ist</strong> den Charakter eines Marschliedes auf, was in erster Linie auf die dominierenden,<br />
punktierten Rhythmen im geraden Taktmaß zurückzuführen <strong>ist</strong>. Auf das markante Signalmotiv,<br />
mit welchem das Lied beginnt, wurde bereits hingewiesen, aber auch die restliche<br />
Melodie besteht primär aus Dur-Dreiklangsbrechungen mit Durchgangstönen auf<br />
den schwachen Takteilen. Schließlich <strong>ist</strong> noch auf die zweite Hälfte des Refrains hinzuweisen,<br />
in welcher die Sänger wiederholt in zwei Gruppen geteilt sind und „es lebe<br />
hoch“ quasi als Frage und Antwort singen. Alle diese melo-rhythmischen, strukturellen<br />
Eigenschaften können als Residuen der Vorlage „Es lebe hoch der Kriegerstand“ angesehen<br />
werden, die teilweise noch verstärkt wurden, z.B. <strong>ist</strong> die punktierte Rhythmik in<br />
den Melodievarianten B und C keineswegs so ausgeprägt. Es <strong>ist</strong> fraglich, ob die Melodie<br />
von „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“ neben der, für das 19 Jahrhundert und<br />
auch die Gegenwart, unstrittigen Konnotation eines Marschliedes, auch als direktes<br />
Symbol für „Es lebe hoch der Kriegerstand“ gehört wurde. Dazu müsste der Bekanntheitsgrad<br />
des Soldatenliedes beurteilt werden, was nur schwer möglich <strong>ist</strong>.<br />
Beim Liedtext <strong>ist</strong> zunächst auffällig, dass er in der ersten Strophe noch ganz in der beobachtenden<br />
Perspektive verbleibt. Vom Bergmannsstand, von „den Söhnen der Gruben<br />
und der Berge“ wird in der dritten Person gesprochen. In der zweiten und dritten Strophe<br />
wird das Lied – ähnlich wie „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“ – aber zu einem „Wir“-<br />
Lied, d.h. das Gesungene <strong>ist</strong> Ausdruck eines Kollektivs. Wie bereits in der Einleitung<br />
zitiert, sieht Karbusicky dieses „Wir“ als Merkmal von Liedern an, die zur Indoktrination<br />
bestimmt sind. Es liegt also ein Indiz vor, dass das, was vom lyrischen „Wir“ ausge-<br />
282 Vgl. Zapf o. J.:183.<br />
283 Vgl. Adler 1968:298. Eduard G. Staudinger, „Gewerkschaftsorganisationen der Eisen- und Metallarbeiterschaft<br />
in der Steiermark“, Paul W. Roth (Hg.), Erz und Eisen in der Grünen Mark. Beiträge zum<br />
steirischen Eisenwesen, Graz 1984: o. V., 418.<br />
74
drückt wird, eigentlich die Ansichten und Vorstellungen einer anderen Gruppe sind. Die<br />
Frage <strong>ist</strong> daher, welche Personen unter dem Begriff des „Bergmannsstandes“ zu subsumieren<br />
sind. Wie bereits ausgeführt wurde, muss dieser Begriff im Laufe des 19. Jahrhundert<br />
mehr und mehr als Anachronismus angesehen werden, obgleich schon in den<br />
vorhergehenden Jahrhunderten eine hypostasierte Gemeinschaft des „Bergvolks“, bestehend<br />
aus allen im Bergbau Tätigen, vom Gewerken bis zum Truhenläufer, als Fiktion<br />
angesehen werden muss. Neben dem fortschreitenden Verlust alter Privilegien, die die<br />
Bezeichnung Stand noch gerechtfertigt hatten, wurde durch das ABG eine Unterteilung<br />
und Ungleichbehandlung von Arbeitern, Aufsehern und Beamten festgelegt, 284 und das<br />
Arbeitsverhältnis nach „dem Prinzip der Vertragsfreiheit zwischen formal juridisch<br />
gleichberechtigten Kontrahenten (Arbeitgeber – Arbeitnehmer)“ 285 , im Sinne des Liberalismus,<br />
geregelt. Wenn also in „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“ vom Bergmannsstand,<br />
als „Söhne der Gruben und der Berge“ gesungen wird, so muss man hierin<br />
die Vorspiegelung eines real nicht (mehr) ex<strong>ist</strong>ierenden Kollektivs sehen, eine Zusammenfassung<br />
ungleicher Elemente.<br />
Welches Interesse steckt hinter einer solchen anachron<strong>ist</strong>ischen Konstruktion des<br />
Bergmannsstandes? Dazu muss zunächst untersucht werden, inwiefern das Lied darüber<br />
hinaus die Informationsfunktion erfüllt. Wie wird der Bergmannsstand beschrieben?<br />
Der Bergmannsstand <strong>ist</strong> zum Verzicht bereit und patriotisch, er entbehrt das Tageslicht,<br />
bringt dieses Opfer jedoch für das „teure Vaterland“. Fröhlich und pünktlich geht der<br />
Bergmannsstand an seine Arbeit. Sobald die Klopfe ruft „wallt“ man zum Schacht, wozu<br />
man ein „Glück auf!“ durch die Luft erschallen lässt. Der Weg zur Arbeit <strong>ist</strong> also eine<br />
quasi-religiöse Handlung, eine Wallfahrt. Dieser fröhliche Arbeitsbeginn beim Klang<br />
des Schachtglöckchens <strong>ist</strong> ein häufiges Motiv in Bergmannsliedern. 286 Die Arbeit, bei<br />
der „die Berge dann zum Weichen“ gebracht werden, zeitigt „uns“, also dem Bergmannsstand,<br />
„großen Lohn“ und Liebe im Herzen. Hier muss bereits die Frage gestellt<br />
werden, wer diesen Lohn erhält. Sicher erwirtschaftete der steirische Bergbau große<br />
Gewinne, davon profitierten jedoch nicht alle im Bergbau Tätigen, in jedem Fall nicht<br />
284 Vgl. Gustav von Gränzenstein, Das allgemeine österreichische Berggesetz vom 23. Mai 1854, und die<br />
Verordnungen über die Bergwerksabgaben vom 4. October 1854, Wien 1855: Friedrich Manz, 306-314.<br />
285 Zapf o. J.:183.<br />
286 Vgl. Heilfurth 1954:78-80.<br />
75
die Bergarbeiter, deren Löhne niedrig gehalten wurden. Für alle diese Eigenschaften<br />
und Verhaltensweisen des Bergmannsstandes wird er geehrt und es wird ihm freundlich<br />
die Hand gereicht. Hinter der angebotenen Bedeutung einer Beschreibung des Ist-<br />
Zustandes, steckt auch, aus analytischer Perspektive, die normative Forderung, sich in<br />
der beschriebenen Art zu verhalten, da sonst nicht Ehre und Dank winken, sondern die<br />
in der Dienstordnung vorgesehenen Strafen. Insofern wird auch die Funktion der Verhaltenssteuerung<br />
erfüllt. Die Funktion der gefühlsmäßigen Auseinandersetzung mit der<br />
Umwelt wird in erster Linie durch Verklärung gewährle<strong>ist</strong>et. Das Leben des Bergmannsstandes<br />
<strong>ist</strong> froh, von großem Lohn und Liebe erfüllt und allseits geehrt. Der einzige<br />
negative Aspekt <strong>ist</strong> der Verzicht auf das Tageslicht, der sofort zum Dienst am Vaterland<br />
gewendet und somit erträglich wird. Im Vergleich zu den realen Nöten der<br />
Bergarbeiter, die hierbei völlig ausgeklammert werden und die wohl weniger aus patriotischen<br />
Überzeugungen, als aus der Sorge, die Angehörigen zu ernähren, nicht in vollständige<br />
Armut abzugleiten usw. in Kauf genommen wurden, erscheint der Verzicht auf<br />
das Tageslicht doch als eher geringes Übel.<br />
Die Analyse der Bedeutungen und Intentionen des Liedes wird dadurch erschwert, dass<br />
der Verfasser unbekannt <strong>ist</strong>, jedoch kann die oben aufgestellte Hypothese als Hilfe dienen.<br />
Die Hypothese wird zusätzlich durch die festgestellten denotativen Bedeutungen<br />
des Liedtextes gestützt, die in starker Diskrepanz zur Lebensrealität der Bergarbeiter<br />
stehen, jedoch mit den Interessen und dem Selbstverständnis der höheren Schichten der<br />
im Bergbau des 19. Jahrhunderts Beschäftigten korrelieren. Über die Gruppe von Liedern<br />
des 19. Jahrhunderts, die sich durch eine Mischung von „Sentimentalität, Frohsinn<br />
und dem Appell an die Tüchtigkeit und Männlichkeit, verbunden mit tröstendem Gottvertrauen“<br />
287 auszeichnen, und zu denen in vielerlei Hinsicht auch „Der Bergmannsstand<br />
sei hoch geehret“ gezählt werden kann, hat Heilfurth geschrieben:<br />
„Immer erneut hat man versucht, durch solches Singgut das hier aufgestellte Leitbild den Bergleuten<br />
nahezubringen und sie so auch mit Hilfe des Liedes in einer Zeit übergreifender Sozialbewegungen<br />
in ihrem Beruf zu verwurzeln. Zwar sind diese Versuche oft erfolglos geblieben –<br />
einmal, weil sich die Wirklichkeit keineswegs immer mit dem deckte, was die Lieder besangen,<br />
zum andern, weil die rapiden wirtschaftlich-technischen Veränderungen viele Bemühungen<br />
um eine standes- und traditionsbewußte Bergarbeiterschaft und um die Erhaltung einer inneren<br />
Konsolidierung der bergmännischen Lebenswelt überrannte. Doch bleibt die unbestreitbare<br />
Bemühung dieser Liedproduktion um die ge<strong>ist</strong>ig-seelische Beheimatung im Beruf. Woran<br />
287 Heilfurth 1973:773.<br />
76
es nicht selten mangelt, <strong>ist</strong> der Blick für das Gewicht der ökonomischen Spannungen, die sich<br />
in der industriell-kapital<strong>ist</strong>ischen Gesellschaft auszuwirken begannen.“ 288<br />
Heilfurths Annahme, dass hinter der besagten Liedproduktion die ex<strong>ist</strong>enzphilosophische<br />
Sorge um die „ge<strong>ist</strong>ig-seelische Beheimatung im Beruf“ stand, erscheint doch etwas<br />
naiv. Die Ideologie des bergmännischen Standesbewusstseins, wie sie unter anderem<br />
in „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“ beschworen wird, diente gerade jener<br />
technisch-wirtschaftlichen Veränderung der industriellen Revolution, insofern sie deren<br />
reibungsfreien Ablauf gewährle<strong>ist</strong>en sollte. Die Probleme, mit welchen die Bergarbeiter<br />
im 19. Jahrhundert zu kämpfen hatten, waren wohl weniger ihre Entwurzelung aus dem<br />
Beruf, als Armut, hohe Arbeitszeiten, Kinderarbeit usw. Diese Probleme trieben sie in<br />
die übergreifenden Sozialbewegungen, die Kritik an den technisch-wirtschaftlichen<br />
Veränderungen und an deren sozialen Folgen übten. Da diese Sozialbewegungen den<br />
Interessen der Bergbauunternehmer und ihrer Beamten entgegenstanden, <strong>ist</strong> das Angebot<br />
des Standes- und Traditionsbewusstseins als hegemoniales Ablenkungsmanöver zu<br />
interpretieren, um den Betriebsfrieden zu wahren. Das Pathos des Liedes „Der Bergmannsstand<br />
sei hoch geehret“, welches eine präintentionale Erbschaft seiner Abstammung<br />
aus der Oper „La Dame blanche“ <strong>ist</strong>, wird hier zur Sozialromantik, eingekleidet<br />
in optim<strong>ist</strong>ische Marschästhetik, im Sinne der unternehmerischen Interessen der Oberschichten<br />
des Bergbaus, der Radme<strong>ist</strong>er, der Bergoffiziere und Studenten, die in dem<br />
Lied ihre eigene Tätigkeit heroisiert sehen.<br />
3.4. „Gott gehört allein die Ehre“ und „Früh muß der Knapp aufstehn“<br />
Verglichen mit „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“ oder „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“<br />
zeichnen die beiden im folgenden Kapitel analysierten Lieder ein völlig anderes<br />
Bild von der Bergarbeit. Beide Lieder gehören zu einer variantenreichen und weit verbreiteten<br />
Liedfamilie, die sich zwar bis ins frühe 18. Jahrhundert zurückverfolgen<br />
lässt, 289 in den hier besprochenen Varianten jedoch als Dokumente der Erzbergregion<br />
im 19. Jahrhundert aufgefasst werden müssen, also des selben geographischen Raumes<br />
und der selben Zeit, die den sozioh<strong>ist</strong>orischen Kontext für „Der Bergmannsstand sei<br />
hoch geehret“ bildeten. Anders als bei den drei bisher analysierten Liedern weisen die<br />
Varianten der Familie dieser beiden Lieder teilweise sehr große textliche und inhaltliche<br />
288 Heilfurth 1973:773.<br />
289 Vgl. Heilfurth 1954:657-658.<br />
77
Differenzen auf. „Früh muß der Knapp aufstehn“ und „Gott gehört allein die Ehre“<br />
sollen hier daher als originäre Produkte ihrer Zeit aufgefasst und analysiert werden,<br />
wenngleich – oder gerade weil – sie Ergebnisse eines postintentionalen Rezeptionsphänomens<br />
sind.<br />
Die Texte beider Lieder sind in Schlossars „Deutschen Volksliedern aus Steiermark“<br />
abgedruckt. Zu „Früh muß der Knapp aufstehn“ <strong>ist</strong> vermerkt: „Häufig in und um Eisenerz.<br />
Aus dem Volksmunde.“ 290 „Gott gehört allein die Ehre“ hat Schlossar der<br />
Sammlung des Erzherzog Johann entnommen. 291 Die Aufzeichnung von „Früh muß der<br />
Knapp aufstehn“ scheint also aus der Zeit Schlossars zu stammen, wohingegen „Gott<br />
gehört allein die Ehre“ im Rahmen der stat<strong>ist</strong>ischen Erhebung von 1811 aufgezeichnet<br />
wurde. Die beiden Texte sollen hier zunächst wieder einander gegenüber gestellt werden,<br />
um ihre Verwandtschaft mit einander zu verdeutlichen.<br />
„1. Gott gehört allein die Ehre,<br />
Dem Bergmann Jesu Chr<strong>ist</strong>,<br />
Mit Wunder kann man sehen<br />
Wie das beschaffen <strong>ist</strong>,<br />
Wie’s Gold und Silber graben,<br />
Wie auch die Schmelzerei,<br />
Mit Wunder kann man sehen<br />
Wie das beschaffen sei.<br />
2. Wann die Bergleut aufstehn<br />
Und habn ihr Gebet verricht,<br />
Das Grubenglöcklein hören,<br />
Dazu sie seind verpflicht,<br />
Gott behüt euch liebe Kinder,<br />
Wie auch dich, mein liebes Weib,<br />
Mein Reis muss ich vollenden,<br />
Weiß auch nicht wo ich bleib.<br />
3. Mit Schlögel und mit Eisen<br />
Muß ich gewinnen’s Brod,<br />
Das will ich euch beweisen,<br />
Viele tausend bleiben tod,<br />
Oft mancher wird blassiret,<br />
An Arm oder an Bein,<br />
Wenn wir mit Pulver schießen,<br />
So springen auch die Stein.<br />
„1. Früh muß der Knapp aufstehn,<br />
Dann spricht er sein Gebet,<br />
Und hört ers Grubenglöcklein,<br />
So säumt er nicht und geht;<br />
Nimmt Abschied von den Kindern<br />
Und seinem lieben Weib:<br />
Beschütze euch der Himmel,<br />
Wer weiß wo ich verbleib.<br />
2. Mit Schlägl und mit Eisen<br />
Gewinnen wir das Brod;<br />
Ich kann es euch beweisen:<br />
Viel tausend bleiben tod;<br />
Gar manchem wird zerrissen<br />
der Arm wohl oder’s Bein,<br />
Weil wir mit Pulver schießen<br />
Und sprengen das Gestein.<br />
4. Die gemeinen Berggesellen<br />
290 Anton Schlossar (Hg.), Deutsche Volkslieder aus Steiermark. Zugleich Beiträge zur Kenntniß der<br />
Mundart und der Volkspoesie auf bairisch-österreichischem Sprachgebiete, Innsbruck 1881: Verlag der<br />
Wagner’schen Univeritäts-Buchhandlung, 426.<br />
291 Schlossar 1881:426.<br />
292 Schlossar 1881:275-276.<br />
78
Sollen alle gehen schwarz,<br />
Schwarz Kuttl und schwarzes Leder,<br />
Das <strong>ist</strong> des Bergmanns Art,<br />
Schwarz sollen sie alle gehen<br />
Und trauern bei Lebenszeit,<br />
Weil mancher wird erschlagen,<br />
Gar tod in der Gruben bleibt.<br />
5. Die Bergoffizier alle tragen<br />
Von Sammt einen grünen Hut,<br />
Mit Gold sein sie beschlagen,<br />
Des Kaisers Wappen gut,<br />
Haben Feuerzeug in der Taschen,<br />
Zunder, Schwefel, Stahl und Stein,<br />
Damit sie können machen<br />
Ein Licht in schneller Eil.<br />
6. Wann wir in die Grube fahren<br />
Sankt Barbara steh uns bei,<br />
Du wollst uns stets bewahren,<br />
Wann wir fahren aus und ein,<br />
Und wann es kommt zum Sterben<br />
An unserm letzten End,<br />
Hilf, daß wir würdig empfangen<br />
Das heilige Sakrament.<br />
3. Drum, wenn wir Bergleut einfahrn<br />
Sankt Barbara steh uns bei,<br />
Daß unser armes Leben<br />
Bewahrt vor Unglück sei,<br />
Und kommt es einst zum Sterben<br />
Kommt unsre letzte Stund,<br />
So schütz uns vor Verderben<br />
Und vor der Hölle Schlund.“ 293<br />
7. Jetzt wollen wir beschließen<br />
Das edle Berggesang,<br />
Und fallen Gott zu Füßen,<br />
Dem obersten Bergmann.<br />
Wir Danken ihm vor die Gaben,<br />
Die er uns hat beschert,<br />
Wir wollen auch ferneres haben,<br />
Gott sei allein geehrt.“ 292<br />
Die Konkordanzen zwischen den beiden Liedern sind offensichtlich. „Früh muß der<br />
Knapp aufstehn“ kann als eine reduzierte Variante von „Gott gehört allein die Ehre“<br />
angesehen werden, bei welcher die beiden einrahmenden Strophen und die beiden Strophen<br />
über die Kleidung der „gemeinen Berggesellen“ und der Bergoffiziere fehlen. Diese<br />
beiden Strophen sind bei Schlossar wiederum als ein eigenes, mundartliches Lied zu<br />
finden, „Die Bergwerksoffizier dö tragn“, mit dem Hinweis: „Mündlich von einem<br />
Bergknappen in Eisenerz.“ 294 Scheinbar <strong>ist</strong> das längere Lied vom Anfang des 19. Jahrhunderts<br />
im Laufe der Zeit in zwei kürzere Lieder zerfallen, von denen das eine dann<br />
zusätzlich in die regiolektale Sprachvarietät überführt wurde.<br />
293 Schlossar 1881:272.<br />
294 Schlossar 1881:425.<br />
79
Bei Schlossar <strong>ist</strong> nur die Melodie zu „Gott gehört allein die Ehre“ abgedruckt, 295 bei<br />
Kirnbauer <strong>ist</strong> „Früh muß der Knapp aufstehn“ ebenfalls mit dieser Melodie zu<br />
Notenbeispiel 7: „Gott gehört allein die Ehre“, in der von Anton Schlossar überlieferten Variante.<br />
finden. 296 Kirnbauer nennt keine Quelle für sein Lied, da der Liedtext aber, abgesehen<br />
von einigen orthographischen Änderungen, identisch mit dem bei Schlossar abgedruckten<br />
<strong>ist</strong>, liegt die Vermutung nahe, dass es Kirnbauer war, der dem Text die Melodie unterlegte,<br />
ohne das Lied tatsächlich selbst in Eisenerz in dieser Form gehört zu haben.<br />
Ebenso <strong>ist</strong> „Die Bergwerksoffizier dö tragn“, wiederum orthographisch angeglichen,<br />
mit der selben Melodie abgedruckt. 297 Allerdings <strong>ist</strong> dieses Vorgehen durchaus plausibel,<br />
denn die Annahme liegt nahe, dass sich die Lieder nicht nur textlich sondern auch<br />
melodisch ähnelten. Bei Kirnbauer <strong>ist</strong> auch eine Variante von „Gott gehört allein die<br />
Ehre“ zu finden (hier: „Gott sei allein die Ehre“), die allerdings textlich und insbesondere<br />
melodisch einige Abweichungen zur Variante Schlossars aufwe<strong>ist</strong>. 298 In der Betrachtung<br />
der gesamten Liedfamilie lässt sich feststellen, dass, bis auf wenige Ausnahmen,<br />
die Melodien der verschiedenen Überlieferungen sehr eng miteinander verwandt<br />
sind. 299 Heilfurth we<strong>ist</strong> auch auf eine Verwandtschaft mit dem weit verbreiteten Lied<br />
„Glückauf, ihr Bergleut jung und alt, seid frisch und wohlgemut“ hin, dem sogenannten<br />
„Harzer Bergmannslied“. 300<br />
295 Vgl. Notenbeispiel 7.<br />
296 Vgl. Kirnbauer 1924:43.<br />
297 Vgl. Kirnbauer 1924:44.<br />
298 Vgl. Kirnbauer 1924:43-44.<br />
299 Vgl. Heilfurth 1954:658.<br />
300 Vgl. Heilfurth 1954:449, 658.<br />
80
Die Melodie hat eine gängige Struktur: A-A’-B-A. Die Melodie we<strong>ist</strong> keine spezielle<br />
Symbolik oder andere Charakter<strong>ist</strong>ika (z.B. Marschrhythmik) auf, sie orientiert sich an<br />
den Akkordtönen von Tonika und Dominante. Schlossars Tempobezeichnung entsprechend<br />
handelt es sich um eine ruhige und in gewisser Hinsicht unspezifische Melodie.<br />
Anders als beim Lied „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“, dessen Melodie „militärische“,<br />
zur Aktion rufende Charakter<strong>ist</strong>ika aufwe<strong>ist</strong>, <strong>ist</strong> diese Melodie für eine Vielzahl<br />
von Liedern unterschiedlichsten Inhalts denkbar, abgesehen vielleicht von expliziten<br />
Kampfliedern.<br />
Zunächst soll der umfangreichere Text von „Gott gehört allein die Ehre“ analysiert<br />
werden, danach im Vergleich der von „Früh muß der Knapp aufstehn“. Strukturell bilden<br />
die 1. und die letzte Strophe einen Rahmen für das Lied. In beiden Strophen werden<br />
Gott bzw. Jesus, in soziomorpher Deutung, als Bergmann oder sogar oberster Bergmann<br />
bezeichnet, die allein geehrt werden sollen. In der 1. Strophe wird zur Betrachtung der<br />
zum Wundern anregenden Welt von Bergbau und Schmelzhütte eingeladen. Scheinbar<br />
sind dies die Gaben, für die in der letzten Strophe Gott gedankt wird, wenngleich man<br />
sich auch „ferneres“ erhofft. Die 1. und die letzte Strophe scheinen sich an Außenstehende<br />
zu richten. Die 2. Strophe beginnt beschreibend, wechselt dann aber in wörtliche<br />
Rede („Gott behüt euch liebe Kinder,...“) und somit in die Perspektive eines der Bergleute.<br />
Diese Perspektive bleibt auch in der 3. Strophe erhalten („Muß ich gewinnen’s<br />
Brod“, „Das will ich euch beweisen“), auch wenn in Folge nicht nur aus der individuellen<br />
Perspektive sondern über das Kollektiv der Bergleute berichtet wird („Wenn wir mit<br />
Pulver schießen“). Zwar sind die 4. und 5. Strophe rein berichtend, durch die vorherige<br />
Strophe bleibt aber der Eindruck erhalten, dass der Bericht des Bergmanns weitergeht.<br />
In der 6. Strophe wird wiederum aus der Perspektive des „Wir“ berichtet, was aber immer<br />
noch das „Wir“ des Bergmanns <strong>ist</strong>, der für das Kollektiv spricht. Damit endet der<br />
Bericht über das Leben im Bergbau. Die 7. Strophe wechselt dann, wegen ihres Bezugs<br />
auf die 1. Strophe wieder in ein umfassenderes „Wir“.<br />
Entsprechend der inhaltlichen Struktur des Liedtextes lassen sich zwei Hauptthemen unterscheiden:<br />
alltägliche Arbeit im Bergbau und Religiosität. Über die Arbeit informiert<br />
das Lied in der 2. bis zur 5. Strophe. Die 2. Strophe schildert zunächst den Morgen des<br />
Bergmanns: er steht auf, betet und geht zur Arbeit, sobald er das Grubenglöcklein hört,<br />
wie es seine Pflicht <strong>ist</strong>. Der Aufbruch gestaltet sich jedoch anders als im Lied „Der<br />
81
Bergmannsstand sei hoch geehret“. Der Bergmann nimmt Abschied von seiner Familie<br />
und übergibt sie in Gottes Schutz, da er selbst nicht weiß, ob ihm etwas bei der Arbeit<br />
zustößt. Die dritte Strophe formuliert in äußerster Deutlichkeit die Härte der Arbeit. Anstatt<br />
die Arbeit zu einem Dienst am Vaterland oder einer Form der Selbstverwirklichung<br />
zu verklären, wird als Grund, warum der Bergmann dieser Arbeit nachgeht, die Notwendigkeit<br />
genannt, Geld für das tägliche Brot zu verdienen. Es bleibt nicht verschwiegen,<br />
dass diese Arbeit mit vielen tausend Toten und Verletzten verbunden <strong>ist</strong>. Infolgedessen<br />
wird in der 4. Strophe die schwarze Bergmannskleidung als Trauerkleid interpretiert.<br />
301 Kontrastierend dazu werden in der 5. Strophe die Bergoffiziere beschrieben. Sie<br />
tragen kein Trauerkleid, sondern einen samtenen, grünen Hut, der mit dem Wappen des<br />
Kaisers verziert wird. Diese Gegenüberstellung kann so interpretiert werden, dass die<br />
Bergoffiziere weniger Gefahren ausgesetzt sind als die einfachen Bergleute, und dass<br />
sich dies in der Kleidung widerspiegelt. Andererseits verfügen die Bergoffiziere aber<br />
auch über das notwendige Werkzeug um Licht zu machen, bringen also das Licht in das<br />
Dunkel des Bergbaus. 302<br />
Was wird dieser verhältnismäßig düsteren Schilderung des Lebens im Bergbau entgegengesetzt,<br />
die gleichzeitig wenig normative Elemente, im Sinne einer handlungssteuernden<br />
Funktion enthält? Das Kompensationsangebot <strong>ist</strong> chr<strong>ist</strong>lich-katholische Religiosität.<br />
Die Schutzheilige des Bergbaus, die Heilige Barbara, wird in der 6. Strophe angerufen.<br />
Sie soll die Bergleute vor den Gefahren beschützen, zumindest aber gewährle<strong>ist</strong>en,<br />
dass sie im Tode noch das Sterbesakrament erhalten. Darüber hinaus bilden die 1.<br />
und die 7. Strophe einen religiösen Rahmen, in dem der Bergbau auch als Geschenk<br />
Gottes verklärt wird, das ein Wundern beim Betrachter hervorruft. Andererseits kommt<br />
in der 7. Strophe auch ein ekstatisch-kathartisches Motiv zum tragen. Zwar wird Gott<br />
für seine Gaben gedankt, man erwünscht sich aber auch Ferneres, was wohl nicht nur<br />
auf das Diesseits bezogen <strong>ist</strong>, sondern vor allem auch auf das Jenseits, es <strong>ist</strong> die „Wendung<br />
zu der Gewißheit einer letzten Geborgenheit“ 303 .<br />
301 Vgl. Heilfurth 1954:87.<br />
302 Zum Motiv des Lichts in Bergmannsliedern: vgl. Heilfurth 1954:104-105.<br />
303 Heilfurth 1954:229.<br />
82
In „Früh muß der Knapp aufstehn“ sind diese Inhalte auf die Kernaspekte reduziert:<br />
Bericht über den Abschied des Bergmanns am Morgen (1. Strophe), Bericht über die<br />
Gefahren des Bergbaus (2. Strophe) und schließlich der katholische Glaube mit der Heiligen<br />
Barbara als Kompensation dieser Belastungen (3. Strophe). Die verklärenden E-<br />
lemente, die in „Gott gehört allein die Ehre“ noch in Ansätzen zu finden sind, fehlen<br />
hier vollständig. Möglicherweise hat dieser Umstand mit der tendenziellen sozialen<br />
Verschlechterung im 19. Jahrhundert zu tun, so dass die spätere Liedvariante kaum noch<br />
optim<strong>ist</strong>ische Elemente enthält. Interessant <strong>ist</strong>, dass in beiden Liedern hinsichtlich der<br />
Handlungsnormierung nur das Bekenntnis zu Gott gefordert wird, welches dabei hilft<br />
die Härten der Arbeit, das ewige Trauern zu Lebzeiten zu ertragen und das auf ein besseres<br />
Leben nach dem Tod hoffen lässt. Die Lieder vermitteln also eine Ideologie chr<strong>ist</strong>licher<br />
Duldsamkeit, 304 anstatt zu fragen, was die Ursache für diese Lebens- und Arbeitsbedingungen<br />
<strong>ist</strong> und wie sie verbessert werden könnten. Als Grund dafür, warum diese<br />
Härten in Kauf zu nehmen sind, wird jedoch kein höheres Ideal angeführt, sondern allein<br />
die Sicherung des Lebensunterhalts.<br />
4. Bergmannslieder im ideologisch geprägten Kontext<br />
Während sich die vorigen Analysen auf die Lieder in ihrem Entstehungszusammenhang<br />
konzentriert haben, soll nun die postintentionale Verwendung von Bergmannsliedern im<br />
ideologisch geprägten Kontext untersucht werden. Exemplarisch soll dafür die mehrfache<br />
Verwendung des Lieds „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“ bei der Eisenerzer<br />
Barbarafeier 2008 herangezogen werden. Diese Barbarafeier wurde immer wieder von<br />
Musik begleitet, Musik war mitunter ein zentrales Element des Geschehens. Eine erschöpfende<br />
Untersuchung von uses und functions der Musik bei der Barbarafeier soll<br />
hier nicht gele<strong>ist</strong>et werden, 305 die hier analysierten Ausschnitte der Barbarafeier wurden<br />
ausgewählt, weil bei diesen die Funktion der Bergmannslieder als Medium ideologischer<br />
Inhalte am greifbarsten ausgeprägt waren.<br />
304 Heilfurth würde von „Ex<strong>ist</strong>enzme<strong>ist</strong>erung durch Gottvertrauen und gläubige Zuversicht“ (Heilfurth<br />
1954:88) sprechen.<br />
305 Florian Wimmer befasst sich ausführlich mit diesem Themenkomplex in einer zur Zeit in Arbeit befindlichen<br />
Bachelorarbeit an der KUG.<br />
83
Feiern für die Schutzheilige der Bergleute, die Heilige Barbara, sind eine weit verbreitete<br />
Tradition in deutschsprachigen Bergbaugebieten, 306 die Entwicklung der Eisenerzer<br />
Barbarafeiern im 20. Jahrhundert hat Johannes Moser ausführlich erforscht und interpretiert.<br />
Es gibt Hinweise darauf, dass bereits vor 1900 Barbarafeiern begangen wurden,<br />
allerdings wurden um die Jahrhundertwende die letzten Feiern dieser Art begangen. 307<br />
Das Einschlafen dieser Tradition wird von Karl Stocker mit der Proletarisierung der<br />
Bergarbeiter erklärt, die einen Bedeutungsverlust ständischer Bräuche zur Folge hatte.<br />
308 Die Wiederbelebung der Barbarafeiern fand 1926 durch die Werksleitung des Eisenerzer<br />
Bergwerks, im Klima der Auseinandersetzung zwischen der Werksleitung und<br />
den sozialdemokratischen Teilen der Arbeiterschaft, die in Kapitel 2.1.2. beschrieben<br />
wurde, statt, seitdem hat sich allmählich eine Gruppe von Merkmalen ausgeprägt, welche<br />
die Barbarafeier als Gesamtritual konstituieren:<br />
„Die Barbarafeier wird jährlich an einem Wochenende um den 4. Dezember, das Patrozinium<br />
dieser Schutzheiligen der Bergleute, gefeiert. In dieses Brauchtum eingebettet sind die Ehrungen<br />
langjähriger Mitarbeiter, der ‚Ledersprung’, diverse Umzüge, das Gedenken an die verunglückten<br />
und verstorbenen Bergmänner auf dem Friedhof, ein ökumenischer Gottesdienst und<br />
ein geselliger Abend.“ 309<br />
Moser fasst seine Interpretation der wechselnden Funktionen der Barbarafeier folgendermaßen<br />
zusammen:<br />
„In der ersten Phase ab 1926 sollte es zu einer Betriebsverbundenheit im Sinne der Betriebsleitung<br />
beitragen, die Wert auf eine neue Mitarbeiterführung legte, dabei jedoch zunächst hauptsächlich<br />
an die höheren Angestellten und Beamten dachte, da ihr die Arbeiterschaft politisch<br />
suspekt war. Dennoch hoffte man offensichtlich, das Brauchtum werde durch einen gewissen<br />
Sickerungsprozess auch von der Arbeiterschaft angenommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
und mit der neuen und mächtigen Rolle der Arbeiterbewegung und deren Beteiligung an den<br />
Planungen wird das Barbararitual zu einer identitätsstiftenden Angelegenheit nach innen und<br />
zu einer Demonstration der Bedeutung des Bergbaus nach aussen. Obwohl es dabei im Inneren<br />
durchaus noch Konflikte gab, die sich auch bei der Barbarafeier ausdrücken konnten, handelte<br />
es sich dabei um die Phase, in der sich dieses Ritual besonderer Beliebtheit erfreute. Seit der<br />
ökonomischen Krise und dem Niedergang des Bergbaus schliesslich erhält das Barbarabrauchtum<br />
die zusätzliche Funktion, als tour<strong>ist</strong>isches Zugpferd zu dienen und an vergangene Zeiten<br />
zu erinnern.“ 310<br />
Wichtig <strong>ist</strong> an dieser Stelle, festzuhalten, dass die Barbarafeier immer auch eine politische<br />
Funktion erfüllte, in wechselnder Gewichtung sowohl betriebsintern als auch in<br />
306 Vgl. Kirnbauer 1958:168.<br />
307 Vgl. Johannes Moser, „Das Barbarabrauchtum in Eisenerz“, Schweizerisches Archiv für Volkskunde<br />
100, 2004, 102.<br />
308 Vgl. Stocker 1984:46.<br />
309 Moser 2003:175-176.<br />
310 Moser 2004:124.<br />
84
Bezug auf Landes- und Staatspolitik. Wie die Barbarfeier 2008 zu beurteilen <strong>ist</strong>, soll in<br />
Folge diskutiert werden.<br />
Die Eisenerzer Barbarafeier 2008 erstreckte sich über zwei Tage, Freitag den 5. Dezember<br />
und Samstag den 6. Dezember, wobei die Veranstaltungen am Freitag eher betriebsinternen<br />
Charakter hatten, der Betriebsratsvorsitzende Bernhard Rothleitner sprach in<br />
seiner Begrüßungsansprache explizit vom Freitag als „Tag der Mitarbeiter“ 311 , und der<br />
Samstag stärker an die Öffentlichkeit außerhalb des Betriebs gerichtet war. Der Freitagsveranstaltungen<br />
begannen um 17:15 Uhr und bestanden aus dem Gedenken an die<br />
verstorbenen und verunglückten Bergleute am Friedhof und einer betriebsinternen Veranstaltung<br />
im Innerberger Gewerkschaftshaus, die sich aus Ansprachen des Bergdirektors<br />
und des Betriebsratsvorsitzenden, Grußworten von Arbeiter- und Wirtschaftskammervertretern,<br />
der Ehrung der Jubilare, dem Ledersprung zweier Betriebsmitglieder,<br />
einem Abendessen, diversen Musikeinlagen eines Bläserensembles des Musikvereins<br />
Bergkapelle Eisenerz und schließlich dem „Barbaratanz“, einer Tanzveranstaltung mit<br />
der Band Nordwand, zusammensetzte. Die Zahl der Gäste und Beteiligten kann auf ca.<br />
150 Personen geschätzt werden. Obwohl der Hin- und Rückweg zwischen Gewerkschaftshaus<br />
und Friedhof als Parade absolviert wurde, war das Interesse Außenstehender<br />
gering, nur vereinzelte Menschen standen am Straßenrand, einige kamen am Friedhof<br />
zur Gedenkveranstaltung hinzu.<br />
Der Samstag begann um 9:00 Uhr mit einem Empfang für die Ehrengäste im Gewerkschaftshaus.<br />
Als Ehrengäste waren Vertreter der Bundes-, Landes- und Regionalpolitik,<br />
der VOEST Alpine, der Geschäftskunden und -partner, des Bundesheeres, Professoren<br />
von der Montanuniversität Leoben und verschiedene andere Gäste aus Wirtschaft und<br />
Verwaltung zugegen, die „Politprominenz“ fehlte allerdings. Darauf folgte ein Festzug<br />
zur Oswaldikirche, in welcher ein ökumenischer Gottesdienst abgehalten wurde. Nach<br />
dem Rückmarsch von der Kirche nahmen die Abordnungen der beteiligten Knappschaften,<br />
die beiden Blasmusikkapellen aus Eisenerz und Breitenau und die Ehrengäste am<br />
Theodor-Körner-Platz beim Gewerkschaftshaus Aufstellung. Darauf folgte die Segnung<br />
eines neuen, 80t schweren LKW, eines sogenannten „Haulys“, der im Tagbau am Erz-<br />
311 Bernhard Rothleitner, Betriebsratsvorsitzender der VA Erzberg GmbH, 5.12.2008, bei der Barbarafeier<br />
in Eisenerz.<br />
85
erg zum Einsatz kommen sollte. Die Segnung wurde durch zwei Bergmannslieder des<br />
Barbarachors begleitet, eines achtköpfigen Männerchors, bestehend aus Mitgliedern<br />
des AGV Stadtchor Eisenerz. Am Theodor-Körner-Platz folgte daraufhin der „Barbaramarkt“,<br />
eine Art Weihnachtsmarkt, der von der Stadtgemeinde Eisenerz organisiert<br />
wurde, die eigentliche Barbarafeier wurde im Innerberger Gewerkschaftshaus fortgesetzt.<br />
Die zentralen Bestandteile waren hier die Begrüßung der Ehrengäste durch den<br />
Bergoffizier Erhard Klimbacher, ein Jahresrückblick und Ausblick durch die beiden<br />
neuen Geschäftsführer Josef Pappenreiter und Chr<strong>ist</strong>ian Treml sowie den Betriebsratsvorsitzenden<br />
Bernhard Rothleitner, der auch den ehemaligen Geschäftsführer Stefan Petermann<br />
verabschiedete, der Ledersprung Chr<strong>ist</strong>ian Tremls und Alfred Düsings, eines<br />
Vorstandsfunktionärs der VOEST Alpine, schließlich das Barbaragulaschessen mit Musikbegleitung.<br />
Auch zwischen die anderen Programmpunkte waren immer wieder Musikeinlagen<br />
der Bergkapelle eingestreut. Das Programm der Barbarafeier wurde nach<br />
dem Gottesdienst durchgehend von Erhard Skupa moderiert, der unter anderem Pressesprecher<br />
der Montanuniversität Leoben <strong>ist</strong>. Die Gesamtzahl der offiziellen Gäste und<br />
Beteiligten belief sich am Samstag auf ca. 230 Personen, die LKW-Segnung und der<br />
Barbaramarkt konnte zusätzlich schätzungsweise 100 Zuschauer anlocken. Die Veranstaltung<br />
im Gewerkschaftshaus, die seit den 90er Jahren der Öffentlichkeit zugänglich<br />
<strong>ist</strong>, 312 verfolgten etwa 60 Zuschauer von der Empore aus.<br />
Das Lied „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“ wurde bei der Barbarafeier jeweils<br />
nach dem Ledersprung am Freitag und Samstag von allen versammelten Personen gesungen,<br />
ohne dass jemand auf Textblätter zurückgegriffen hätte. Das gilt auch für die<br />
Zuschauer am Samstag. Das kollektive Singen dieses Liedes scheint seit der Wiederbelebung<br />
der Barbarafeier in den 20er Jahren ein traditionelles Element zu sein, wie aus<br />
dem Programm der Barbarafeier 1929 hervorgeht. 3<strong>13</strong> Die dominante ideologische Funktion<br />
war an beiden Tagen eine unterschiedliche. Während am Freitag die soziale Integration<br />
der Betriebsmitglieder in das Betriebsgefüge, die Stärkung des Vertrauens in die<br />
Betriebsführung im Vordergrund stand, erfüllte das Lied am Samstag eher eine nach<br />
außen gerichtete, werbende Funktion.<br />
312 Vgl. Moser 2004:123.<br />
3<strong>13</strong> Vgl. Stocker 1984:49.<br />
86
Die Veranstaltungen am Freitag hatten alle direkten Bezug auf die Belegschaft: Totengedenken,<br />
Jubilarsehrung, betriebsinterner Ledersprung und schließlich der „Barbaratanz“.<br />
Auch die Ansprachen waren auf die Interessen der Betriebsmitglieder bezogen.<br />
Obwohl sich der Betriebsratsvorsitzende einzelne Spitzen gegen die Geschäftsführung<br />
erlaubte, was durchaus üblich <strong>ist</strong> bei Barbarafeiern, 314 wurde im Großen und Ganzen<br />
Einigkeit demonstriert. Bernhard Rothleitner drückte sich in seiner Begrüßungsansprache,<br />
nachdem er auch schon – humorvolle – Kritik am ehemaligen Bergdirektor Stefan<br />
Petermann geübt und die sinkenden Beschäftigtenzahlen angesprochen hatte,<br />
folgendermaßen aus:<br />
„Die Arbeitsbedingungen in diesen vielen Jahrzehnten [Die Rede bezieht sich auf die Betriebsjubilare.<br />
M.S.] waren sicher nicht leicht, doch wir haben dieses Auf und Ab, ??? [unverständlich,<br />
M.S.], Konjunkturknicks und so manche schwarze Wolke am Himmel durchgestanden.<br />
Ich hoffe auch, dass die schwarzen Wolken, die sich derzeit abzeichnen, an uns vorübergehen<br />
werden und der Bevölkerung von Eisenerz nicht noch mehr traurige und dramatische Szenarien<br />
bringen, als ohnehin schon bekannt. Wir standen mehrmals am Abgrund, aber wir haben eines<br />
immer getan: Wir haben zusammengehalten, wir haben durchgestartet, wir haben uns angepasst.<br />
wir haben uns verändert, wir mussten uns verändern. Wir haben uns neu ausgericht’ und<br />
unser Unternehmen über schwere Zeiten gebracht. Ich bin sehr zuversichtlich, meine sehr geehrten<br />
Damen und Herren, dass wir 35-, 25-Jährigen und alle anderen Mitarbeiter in unserem<br />
Unternehmen diesen Kampf aufnehmen werden, auch wenn es düster wird, und unser Unternehmen<br />
noch viele Jahre am Leben erhalten.“ 315<br />
Das primäre Ziel <strong>ist</strong> also, zunächst das Unternehmen zu retten, sich auch entsprechend<br />
zu verändern und anzupassen. Es wird keine Dichotomie aufgebaut zwischen Betriebsführung<br />
und Mitarbeitern, sondern die Mitarbeiter stehen für ihr Unternehmen ein. Diese<br />
Rhetorik des Zusammenhalts und guten Verhältnisses von Betriebsleitung und Belegschaft<br />
wurde vom neuen Bergdirektor Josef Pappenreiter in seiner Rede aufgegriffen.<br />
Der Höhepunkt des Abends, der Ledersprung zweier Betriebsmitglieder unter lautstarker<br />
Anteilnahme der Kollegen, führte, nach einem langen Abschnitt von Ansprachen, zu<br />
einer emotionalisierten Affirmation dieser in den Reden angesprochenen Betriebsgemeinschaft.<br />
In dieser Situation wurde nun gemeinsam „Der Bergmannsstand sei hoch<br />
geehret“ gesungen. 316 In dieser postintentionalen Verwendung des Liedes treten die in<br />
Kapitel 3.3 analysierten Inhalte – Patriotismus, Opferbereitschaft, Überhöhung der<br />
Bergarbeit – zurück. Das Lied selbst <strong>ist</strong> in seiner gesellschaftlich angeeigneten Bedeutung<br />
zum Symbol geworden für Berufsverbundenheit und Stolz auf einen Beruf, der im<br />
314 Vgl. Moser 2004:117.<br />
315 Bernhard Rothleitner, Betriebsratsvorsitzender der VA Erzberg GmbH, 5.12.2008, bei der Barbarafeier<br />
in Eisenerz.<br />
316 Vgl. Videobeispiel 1.<br />
87
modernen Tagebau am Erzberg kaum noch etwas mit dem mythisch verklärten Bild des<br />
Bergmanns zu tun hat und um dessen Zukunft es nicht gut bestellt <strong>ist</strong>. Vor der verschärften<br />
Krisensituation im Winter 2008 erscheint es aber wie ein bergmännisches<br />
„Trotz Alledem“. Das Singen in der Gruppe macht es zum tatsächlichen „Wir“-Lied, es<br />
wirkt identitätsstiftend und ruft zur Solidarität aller Betriebsmitglieder auf. Insofern bekräftigt<br />
es die Botschaft der grundsätzlichen Eintracht von Betriebsrat und Geschäftsführung,<br />
es fordert zu einer Unterstützung dieser Politik auf und spendet durch das Gemeinschaftsgefühl<br />
Trost und Kraft angesichts der Wirtschaftskrise. Das Lied <strong>ist</strong> also<br />
Medium eines plurifunktionalen Führungssystems.<br />
Auch am Samstag wurde im Jahresrückblick durch die Geschäftsführung auf die Krise<br />
Bezug genommen, wobei bemerkt werden muss, dass der Eisenerzer Bergbau sich seit<br />
Mitte der 70er Jahre in einer kontinuierlichen Krise befindet. 317 Betont wurden aber<br />
auch der Umsatzrekord in der Erzförderung und das Umsatzplus in den anderen Geschäftszweigen,<br />
wobei gleichzeitig die Erwartungen für 2009 gebremst wurden. Ausführlich<br />
wurde über die geplante Pelletieranlage berichtet, die 120-150 Arbeitsplätze<br />
schaffen würde und von deren Realisierung auch der Fortbestand des Bergbaus am Erzberg<br />
abhängig <strong>ist</strong>. Explizit wurde von Chr<strong>ist</strong>ian Treml bei der Politik um Unterstützung<br />
gebeten im Zulassungsverfahren und bei der Regelung der CO 2 -Problematik, da die geplanten<br />
EU-Richtlinien eine zu starke Teuerung zur Folge hätten, als dass das aufbereitete<br />
Erz noch konkurrenzfähig wäre. Auch Bernhard Rothleitner betonte das Engagement<br />
des Betriebsrats und der Gewerkschaften bei der EU für die Interessen der energieintensiven<br />
Industrie, also auch des Bergbaus. Hier wurde also erneut das Bild vermittelt,<br />
dass Geschäftsführung und Belegschaft trotz aller Auseinandersetzungen an einem<br />
Strang ziehen. Auch bei anderen Themen, dem Bau einer Zufahrtsstraße, um die tour<strong>ist</strong>ische<br />
Attraktivität des Erzbergs zu fördern, und der Befreiung von der Mineralölsteuer,<br />
um wettbewerbsfähig zu bleiben, bat Chr<strong>ist</strong>ian Treml um Unterstützung durch die Politik.<br />
Der Bergbau am Erzberg wurde also als ein regional in mehrfacher Hinsicht bedeutendes<br />
und wirtschaftlich le<strong>ist</strong>ungsfähiges Unternehmen dargestellt, das trotz Krise immer<br />
noch zukunftsfähig sei und deshalb Unterstützung benötige. Diese direkte Botschaft<br />
war in die folklor<strong>ist</strong>ischen Elemente – Gottesdienst, Parade, LKW-Segnung, Ledersprung,<br />
Barbaragulasch und Barbarabier – eingebettet, in denen Tradition, Zukunft und<br />
317 Vgl. Moser 2004:118-121.<br />
88
Relevanz des Bergbaus symbolisch repräsentiert wurden. Das Heraustragen der Knappschaftsfahnen<br />
aus dem Gewerkschaftshaus vor dem Marsch zur Kirche und ihre Rückführung<br />
ins Gewerkschaftshaus nach der LKW-Segnung erhielten eine besonders staatstragende<br />
Konnotation, da die Vorgänge durch die Bundeshymne bzw. die steirische<br />
Landeshymne begleitet wurden. Nach dem Ledersprung forderte der Moderator Erhard<br />
Skupa mit folgenden Worten zum Singen des Liedes auf:<br />
„Meine Damen und Herren, ich darf sie bitten sich jetzt von ihren Sitzen zu erheben und mit<br />
uns gemeinsam das Bekenntnis zum Bergmannsstand am heutigen Tag zu erneuern, indem wir<br />
die drei Strophen der inoffiziellen Hymne der Bergleute singen: ‚Der Bergmannsstand sei hoch<br />
geehret’.“ 318<br />
Die allgemeine Bekanntheit des Liedes wurde hier durch die Bezeichnung des Liedes<br />
als „inoffizielle Hymne“ und des Singens als „Bekenntnis zum Bergmannsstand“ zusätzlich<br />
überhöht. Anstatt in erster Linie eine identitätsstiftende Funktion zu erfüllen<br />
wie am Freitag, war das Lied in diesem Kontext dramatischer Höhepunkt der werbenden<br />
Repräsentation des Eisenerzer Bergbaus und hatte insofern zunächst informierende<br />
Funktion. Das Mitsingen – und alle, Belegschaft, Ehrengäste und Zuschauer, singen mit<br />
– bedeutete aber auch ein Bekenntnis zu diesem Bergbau und zu seiner Zukunft, die<br />
Forderung, die als Handlungsappell dahinter steht, zielte auf den zukünftigen Einsatz<br />
für den Bergbau, in welcher gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder politischen Position<br />
man sich auch befindet. Das heroisch-patriotische Pathos des Liedtextes, zusätzlich<br />
unterstützt durch die marschartige Begleitung der Bergkapelle, war dazu äußerst zweckdienlich.<br />
Die Frage, die sich nun unmittelbar stellt, <strong>ist</strong>, inwiefern diese Strategie erfolgreich war.<br />
Leider <strong>ist</strong> diese Frage wahrscheinlich nicht zu beantworten, denn die Bemühungen um<br />
Betriebsfrieden und Interessensharmonie nach innen und um politische und wirtschaftliche<br />
Unterstützung nach außen, werden durch die Barbarafeier zwar symbolisch repräsentiert,<br />
und im Rahmen dieser Repräsentation kommt auch das Lied „Der Bergmannsstand<br />
sei hoch geehret“ zum Einsatz, jedoch kommen auch andere und wahrscheinlich<br />
notwendigere Mittel zur Verfolgung dieser Ziele zum Einsatz. Die Barbarafeier <strong>ist</strong> nur<br />
ein Instrument im Repertoire der Mittel wirtschaftspolitischer, hegemonialer Einflussnahme,<br />
welches als kulturelle Veranstaltung allerdings öffentlichkeitswirksam <strong>ist</strong>, was<br />
318 Erhard Skupa, Moderator und Pressesprecher der Montanuniversität Leoben, 6.12.2008, bei der Barbarafeier<br />
in Eisenerz. Vgl. Videobeispiel 2.<br />
89
sich auch in der Anwesenheit verschiedener Pressevertreter zeigt, und damit die kommunizierte<br />
Botschaft multipliziert.<br />
5. Abschließende Worte<br />
Die Analyse der Bergmannslieder konnte zeigen, dass sich in ihnen ideologische Inhalte<br />
befinden: sie informieren über die Beschaffenheit der Welt, insbesondere über den<br />
Bergbau, sie geben – mal explizit fordernd, mal durch implizite Beschreibung von Idealzuständen<br />
– Handlungsanweisungen, und sie bieten Möglichkeiten zur emotionalen<br />
Auseinandersetzung mit der Umwelt – mal verklärend und affirmativ, mal durch Verweis<br />
auf ein besseres Jenseits. Die Ausprägung der für ein Lied maßgeblichen Ideologie<br />
lässt sich, wie gezeigt werden konnte, durch den sozioh<strong>ist</strong>orischen Kontext schlüssig<br />
erklären. Wie sich diese ideologische Prägung manifestiert, <strong>ist</strong> unterschiedlich und von<br />
den Einflüssen des Entstehungskontextes der Lieder abhängig, so dass nicht von einer<br />
Ideologie der Bergmannslieder gesprochen werden kann, wenngleich bestimmte Inhalte<br />
und Themen immer wieder auftauchen, anscheinend also über längere Zeiträume aktuell<br />
waren. Der Eisenerzer Bergreihen beschreibt minutiös einen wohlfunktionierenden, patriarchalischen<br />
und von Gott gesegneten Betrieb , „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“ <strong>ist</strong> eine<br />
kontemplativ-idyllische Darstellung des braven, sittlichen, gläubigen und furchtlosen<br />
Bergmanns, „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“ zeichnet sich durch heroisches<br />
Pathos aus, und „Gott gehört allein die Ehre“ bzw. „Früh muß der Knapp aufstehn“<br />
sind in der Darstellung der Lebens- und Arbeitsbedingungen wenig beschönigend, trösten<br />
aber – die eine Variante mehr, die andere weniger – durch die chr<strong>ist</strong>liche, ekstatischkathartische<br />
Hoffnung auf das Himmelreich.<br />
Durch die Analyse der Verwendung des Liedes „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“<br />
bei der Barbarafeier 2008 konnte gezeigt werden, dass auch in der Gegenwart<br />
Bergmannslieder noch eine ideologische Funktion erfüllen können. Durch den postintentionalen<br />
Gebrauch des Liedes ändert sich jedoch seine Bedeutung, der Optimismus<br />
und Heroismus stellt keine ernsthafte Forderung an die Belegschaft dar und tritt in den<br />
Hintergrund, wobei den möglichen Bedeutungsänderungen natürlich durch das gegebene<br />
Lied Grenzen gesetzt sind. „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“ eignet sich aufgrund<br />
von Text und Melodie besser zur Generierung von Solidarität und Identität bzw.<br />
90
als folklor<strong>ist</strong>isches „Image“-Lied der VA Erzberg GmbH, als beispielsweise „Früh<br />
muss der Knapp aufstehn“, mit seinen negativ-düsteren Inhalten.<br />
Die Wirkung der Bergmannslieder sollte man jedoch nicht überschätzen, sie sind kein<br />
Mittel zur „Gehirnwäsche“, sondern eines von vielen Werkzeugen zur Artikulation und<br />
Verbreitung von Ideologien in der hegemonialen Auseinandersetzung. Auch die Fähigkeit<br />
der Menschen zur kritischen Reflektion sollte nicht unterschätzt werden, so berichtet<br />
z.B. Erika Klapf von ihrem Vater, der Bergmann in Radmer war:<br />
„Aber der Vater hat immer gsagt, des is a Bledsinn, weil die [Bergmannslieder, M.S.] klingen<br />
so schen und des war so schwere Arbeit am Berg. Ja, weil da, weißt eh, immer ‚der Bergmannsstand<br />
sei hoch verehret’ und so, da hat er immer gesagt: ‚Geh, so ein Bledsinn.’“ 319<br />
Ebenso <strong>ist</strong> es ein Akt der Subversion, wenn ein affirmatives Lied wie das „Harzer<br />
Bergmannslied“ in ein satirisch-kritisches und politisches Lied, das „Neue Fohnsdorfer<br />
Bergmannslied“, umgedichtet wird. 320 Die Wirksamkeit von Bergmannsliedern bei der<br />
Beeinflussung des Alltagsverstandes lässt sich schwer prüfen, da der Prozess der Indoktrination<br />
und Überzeugungsarbeit nicht auf das Singen oder Anhören von Liedern<br />
reduziert werden kann. Einen Versuch durchzuführen, bei welchem im Labor den Probanden<br />
„Der Bergmannsstand sei hoch geehret“ vorgespielt wird und getestet wird, ob<br />
sie eine positivere Einstellung zum Bergbau haben als die Kontrollgruppe, die keine<br />
Lieder zu hören bekommen hat, <strong>ist</strong> müßig, da ein solcher Versuch völlig realitätsfremd<br />
<strong>ist</strong> und weil er zu sehr vom Kontext einer hegemonialen Gesamtstrategie abstrahiert.<br />
Bergmannslieder erfüllen den Zweck des ideologischen Mediums wahrscheinlich dann<br />
am besten, und vermutlich gilt dies für Lieder im Allgemeinen, wenn bei den Adressaten<br />
bereits eine gewisse Bereitschaft vorhanden <strong>ist</strong>, die Inhalte zu akzeptieren, welche<br />
die Lieder transportieren sollen.<br />
In dieser Arbeit konnten nur einzelne Fallbeispiele untersucht werden, die jedoch eine<br />
gewisse Repräsentativität beanspruchen können. Eine mögliche Erweiterung des in dieser<br />
Arbeit verfolgten Forschungsansatzes wäre es also, eine größere Stichprobe von<br />
Bergmannsliedern aus einem bestimmten Zeitraum, z.B. aus dem frühen 19. Jahrhundert,<br />
einer quantitativen Inhaltsanalyse zu unterziehen und so zentrale ideologische In-<br />
319 Interview von Lukas Proyer, Malik Sharif und Florian Wimmer mit Erika Klapf, Pension<strong>ist</strong>in (Gärtnerin,<br />
Archivarin) in Leoben und Radmer, geb. 1948, vom <strong>13</strong>.5.2009.<br />
320 Haid und Haid 1981:24.<br />
91
halte identifizieren zu können. Auf gleiche Art könnte die Zusammenstellung von<br />
Bergmannsliederbüchern analysiert werden und in Bezug gesetzt werden zum sozioh<strong>ist</strong>orischen<br />
Kontext der Liederbuchherausgabe. In jedem Fall müsste die tatsächliche<br />
Verwendung der Lieder stärker in der Forschung berücksichtigt werden. Ebenso wären<br />
Untersuchungen wünschenswert, die den nicht-deutschsprachigen Raum berücksichtigen,<br />
z.B. die Bergbauregionen in Großbritannien. Insgesamt würde sich auch die Möglichkeit<br />
einer vergleichenden Betrachtung der Verwendung von Bergmannsliedern anbieten,<br />
zumal viele europäische Bergbauregionen in den vergangenen Jahrzehnten mit<br />
wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hatten, die soziale Konflikte zur Folge hatten.<br />
Welche Rolle spielt Musik bei Bergarbeiterstreiks? Werden Streiklieder komponiert?<br />
Wenn ja, von wem und wie werden sie rezipiert? Zahlreiche Fragen ergeben sich hier,<br />
für die Vergangenheit genauso wie für die Gegenwart. Um nicht durch einseitige Forschung<br />
zu einem verzerrten Bild zu gelangen, wäre auch ein Perspektivwechsel notwendig.<br />
Es müsste das gesamte Musikleben in Bergbauregionen untersucht werden, um<br />
den Stellenwert von Bergmannsliedern, in der Vergangenheit wie in der Gegenwart, beurteilen<br />
zu können, denn Wolfgang Suppan <strong>ist</strong> sicherlich zuzustimmen, wenn er<br />
schreibt:<br />
„Und zweifellos beschränkte sich das Singen in Montanbezirken nicht auf das, was gemeinhin<br />
als ‚Bergmannslied’ bezeichnet wird, was sich aus der literarischen Überlieferung dazu herauslesen<br />
läßt. Dieses letztere Repertoire, es reicht von den Bergreihen des 16. Jahrhunderts bis zu<br />
bergmännischer Dichtung des 20. Jahrhunderts, bildet nur einen kleinen Teil des Liederschatzes<br />
der Berg- und Hüttenleute, der die jeweils in Mode stehenden geselligen Lieder, ge<strong>ist</strong>liche<br />
und sozialkritische Lieder, die Volksballade ebenso wie das Schnaderhüpfl, das erotische Lied<br />
ebenso wie die ordinäre Zote einschließt.“ 321<br />
Dass diese Mahnung an den allzu selektiven Forscher auch noch für das 21. Jahrhundert<br />
gilt, dafür genügt der Hinweis darauf, dass der quantitativ größte Anteil der Musik bei<br />
der Eisenerzer Barbarafeier 2008 von der Schlagerband Nordwand stammte. Die Ideologie<br />
des deutschsprachigen Schlagers <strong>ist</strong> jedoch wieder ein anderes Thema.<br />
321 Wolfgang Suppan, Lieder einer steirischen Gewerkensgattin aus dem 18. Jahrhundert. Handschrift<br />
1483 des Steiermärkischen Landesarchivs, Graz (= Beiträge zur Erforschung Steirischer Geschichtsquellen<br />
XLIX), Graz 1970: Selbstverlag des H<strong>ist</strong>orischen Vereines für Steiermark, 5.<br />
92
6. Wissenschaftlicher Apparat<br />
6.1. Nachweis der Notenbeispiele<br />
1 Henze o. J.:T. 15-16 nach Ziffer 25.<br />
2 Notation: Malik Sharif; Text nach Schlossar 1879:3<strong>13</strong>; Melodie nach Mautner<br />
1919:10-11.<br />
3 Notation: Malik Sharif; nach DVA, HL 211, Bl. 119-120.<br />
4 Transkription und Notation: Malik Sharif; nach Hörbeispiel 1.<br />
5 Notation: Malik Sharif; A: nach Boieldieu o. J.:22-23; B: nach Mayer 1999:141;<br />
C: nach Reisert 1908:524-525.<br />
6 Transkription und Notation: Malik Sharif; nach Videobeispiel 1.<br />
7 Notation: Malik Sharif; nach Schlossar 1881:461.<br />
6.2. Primärquellen<br />
DVA, HL 211, „Liedersammlung für Pfr. Sauter zu Schramberg“, 1830/35.<br />
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Zur Bedeutung der Zeichen in der Kultur. Deutscher Volkskundekongress in<br />
Karlsruhe vom 25. bis 29. September 1995, Münster u.a.: Waxmann.<br />
O. A.<br />
1840 Grubenklänge. Eine Liedersammlung für Bergleute, bergmännische Sänger-<br />
Chöre und Freunde des bergmännischen Gesanges; herausgegeben von der Gewerkschaft<br />
der Zeche Wiesche, 2., mit einem Anhange vermehrte Aufl., Mühlheim<br />
an der Ruhr: F. H. Nieten.<br />
1851 Allgemeines Schweizer-Liederbuch. Eine Sammlung von 725 der beliebtesten<br />
Gesänge, Kühreihen und Volkslieder, 5., umgearbeitete und erweiterte Aufl.,<br />
Aarau und Thun: J. J. Chr<strong>ist</strong>en.<br />
1864 „Wahlert, Georg Ernst Adam“, O. A., Pierer’s Universal-Lexikon der Vergangenheit<br />
und Gegenwart oder Neuestes encyclopädisches Wörterbuch der Wissenschaften,<br />
Künste und Gewerbe, Bd. 18, 4., umgearbeitete und stark vermehrte<br />
Aufl., Altenburg: H. A. Pierer.<br />
PARSONS, Talcott<br />
1964 The Social System, 5. Aufl., Glencoe: Free Press.<br />
PETERSEN, Peter<br />
2005 „Hans Werner Henze: ‚Das Floß der Medusa’ (1968)“, Hanns-Werner He<strong>ist</strong>er<br />
(Hg.), Geschichte der Musik im 20. Jahrhundert: 1945-1975 (= Handbuch der<br />
Musik im 20. Jahrhundert 3), Laaber: Laaber-Verlag, 317-321.<br />
PFERSCHY, Gerhard<br />
1984 „Arbeit und Leben im steirischen Eisenwesen“, Paul W. Roth (Hg.), Erz und Eisen<br />
in der Grünen Mark. Beiträge zum steirischen Eisenwesen, Graz: o. V., 387-<br />
409.<br />
99
PIRCHEGGER, Hans<br />
1924 „Geschichtliches“, Eduard Stepan (Hg.), Der Steirische Erzberg und seine Umgebung.<br />
Ein Heimatbuch (= Sonderheft der Zeitschrift „Deutsches Vaterland“),<br />
Bd. 1, Wien: Verlag „Deutsches Vaterland“, 27-106.<br />
POGATSCHNIGG, V[alentin]/HERRMANN, Em. (Hgg.)<br />
1870 Deutsche Volkslieder aus Kärnten. Bd. II: Lieder vermischten Inhaltes, Graz: Josef<br />
Pock.<br />
REISERT, Karl (Hg.)<br />
1908 Deutsches Kommersbuch, h<strong>ist</strong>orisch-kritische Bearbeitung, 10. Aufl., Freiburg<br />
im Breisgau: Herdersche Verlagsbuchhandlung.<br />
RIESENFELLNER, Stefan<br />
1984 „Arbeitswelt und Literatur. Ein literarischer Spaziergang rund um den Erzberg“,<br />
Otto Hwaletz u.a., Bergmann oder Werkssoldat. Eisenerz als Fallbeispiel industrieller<br />
Politik. Dokumente und Analysen über die Österreichisch-Alpine Montangesellschaft<br />
in der Zwischenkriegszeit, Graz: Edition Strahalm, 235-260.<br />
SCHEUCHENSTUEL, Carl von<br />
1855 Motive zu dem allgemeinen österreichischen Berggesetze vom 23. Mai 1854. Aus<br />
ämtlichen Quellen, Wien: Wilhelm Braumüller.<br />
1856 Idoticon der österreichischen Berg- und Hüttensprache. Zum besseren Verständnisse<br />
des österr. Berg-Gesetzes und dessen Motive für Nicht-Montan<strong>ist</strong>en,<br />
Wien: Wilhelm Braumüller.<br />
SCHLOSSAR, Anton<br />
1879 Oesterreichische Cultur- und Literaturbilder mit besonderer Berücksichtigung<br />
der Steiermark, Wien: Wilhelm Braumüller.<br />
1881 Deutsche Volkslieder aus Steiermark. Zugleich Beiträge zur Kenntniß der<br />
Mundart und der Volkspoesie auf bairisch-österreichischem Sprachgebiete,<br />
Innsbruck: Verlag der Wagner’schen Univeritäts-Buchhandlung.<br />
100
SIEBER, Friedrich<br />
o. J. [1956] Zwei Bergmännische Kampflieder aus dem ersten Viertel des 18. Jahrhunderts<br />
(= Kleine Beiträge zur Volkskunstforschung 4), Leipzig: Friedrich Hofme<strong>ist</strong>er.<br />
STAUDINGER, Eduard G.<br />
1984 „Gewerkschaftsorganisationen der Eisen- und Metallarbeiterschaft in der Steiermark“,<br />
Paul W. Roth (Hg.), Erz und Eisen in der Grünen Mark. Beiträge zum<br />
steirischen Eisenwesen, Graz: o. V., 411-429.<br />
STEINITZ, Wolfgang<br />
1955 Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten (=<br />
Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Veröffentlichung des <strong>Institut</strong>s<br />
für deutsche Volkskunde 4/I), Bd. I, 2. Aufl., Berlin: Akademie-Verlag.<br />
1962 Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten (=<br />
Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Veröffentlichung des <strong>Institut</strong>s<br />
für deutsche Volkskunde 4/II), Bd. II, Berlin: Akademie-Verlag.<br />
STOCKER, Karl<br />
1984 „Arbeiterschaft zwischen Selbstbestimmung und Unternehmerkontrolle – Einige<br />
Aspekte über Disziplinierung, Machtverhältnisse und Widerstand in Eisenerz“,<br />
Otto Hwaletz u.a., Bergmann oder Werkssoldat. Eisenerz als Fallbeispiel industrieller<br />
Politik. Dokumente und Analysen über die Österreichisch-Alpine Montangesellschaft,<br />
Graz: Edition Strahalm, 15-58.<br />
SUPPAN, Wolfgang<br />
1970 Lieder einer steirischen Gewerkensgattin aus dem 18. Jahrhundert. Handschrift<br />
1483 des Steiermärkischen Landesarchivs, Graz (= Beiträge zur Erforschung<br />
Steirischer Geschichtsquellen XLIX), Graz: Selbstverlag des H<strong>ist</strong>orischen Vereines<br />
für Steiermark.<br />
2000 „Musik und Bergbau. Mit Materialien zum Thema aus dem steirischen Bergbau“,<br />
Wolfgang Suppan, Werk und Wirkung. Musikwissenschaft als Menschenund<br />
Kulturgüterforschung (= Musikethnologische Sammelbände 17), Bd. 3, Tutzing:<br />
Hans Schneider, 1150-1172.<br />
101
2009 „Zack, Viktor“, Wolfgang Suppan (Hg.), Steirisches Musiklexikon, 2., völlig ü-<br />
berarbeitete und erweiterte Aufl., Graz: Akademische Druck- und Verlagsanstalt,<br />
790-791.<br />
TOPITSCH, Ernst<br />
1972 Vom Ursprung und Ende der Metaphysik. Eine Studie zur Weltanschauungskritik,<br />
München: Deutscher Taschenbuch Verlag.<br />
1988 Erkenntnis und Illusion. Grundstrukturen unserer Weltauffassung, 2., überarbeitete<br />
und erweiterte Aufl., Tübingen: Mohr.<br />
WAGNER, Richard<br />
1907 „Aufklärungen über das Judenthum in der Musik“, Richard Wagner, Gesammelte<br />
Schriften und Dichtungen, Bd. 8, 4. Aufl., Leipzig: C.F.W. Siegel’s Musikalienhandlung,<br />
238-260.<br />
WEINMANN, Alexander<br />
1980 Vollständiges Verlagsverzeichnis Senefelder, Steiner, Haslinger. Bd. 2: Tobias<br />
Haslinger (Wien 1826-1843), München-Salzburg: Musikverlag Emil Katzbichler.<br />
ZACK, Victor<br />
1931 Neun Bergmannslieder. Volkslieder für vierstimmigen Männerchor gesetzt,<br />
Graz: Steirischer Sängerbund.<br />
ZAPF, Konrad<br />
o. J. Die soziale Lage der Eisenerzer Berg- und Hüttenarbeiter der Innerberger<br />
Hauptgewerkschaft im 19. Jahrhundert, Diss. phil. Karl-Franzens-Universität<br />
Graz.<br />
6.4. Internetquellen<br />
O. A.<br />
o. J. „Georg Ernst Adam Wahlert“, Lexikon Westfälischer Autoren und Autorinnen<br />
1750-1950.<br />
102
http://www.lwl.org/literaturkommission/alex/index.php?id=00000003&letter=W<br />
&layout=2&author_id=00000259&SID=5bddbf6a1816cd28a44a09aab9636795,<br />
Stand vom 19. August 2009.<br />
6.6. AV-Medien<br />
MÄNNERGESANGSVEREIN „LUGAUER“ RADMER/ORTSKAPELLE RADMER<br />
2005 Glück Auf. Bergmännische Lieder und Musikstücke vom MGV „Lugauer“ Radmer<br />
und der Ortskapelle Radmer, JHB20050521, Eisenerz.<br />
6.7. Verwendete Bibliotheken und Archive<br />
Bibliothek der Karl-Franzens-Universität Graz<br />
Bibliothek der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz<br />
Deutsches Volksliedarchiv<br />
Österreichische Nationalbibliothek<br />
Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden<br />
Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz<br />
6.8. Gewährspersonen<br />
FAHRLEITNER, Gerlinde. Heilmasseurin, geb. 1967, 8795 Radmer. Interview: Lukas<br />
Proyer, Malik Sharif und Florian Wimmer, <strong>13</strong>.5.2009 in Radmer.<br />
FAHRLEITNER, Sieglinde. Hausfrau (Näherin), geb. 1940, 8795 Radmer. Interview: Lisa<br />
Falk, Rudolf Gstättner, Carolin Muhry und Babak Nikzat, 14.5.2009 in Radmer.<br />
HEIML, Karl. Pension<strong>ist</strong> (Elektriker, Gastwirt), geb. 1926, 8795 Radmer. Interview: Daniel<br />
Fuchsberger, Daniela Oberndorfer und Sarah Schöberl, 11.5.2009 in Radmer.<br />
HUBER, Franz. Penison<strong>ist</strong> (Bergarbeiter, Tischler), geb. 1930, 8795 Radmer. Interview:<br />
Daniel Fuchsberger, Daniela Oberndorfer und Sarah Schöberl, 11.5.2009 in<br />
Radmer.<br />
103
KLAPF, Erika. Pension<strong>ist</strong>in (Gärtnerin, Archivarin), geb. 1948, 8700 Leoben und 8795<br />
Radmer. Interview: Lukas Proyer, Malik Sharif und Florian Wimmer, <strong>13</strong>.5.2009<br />
in Radmer.<br />
LESKY, Johann. Pension<strong>ist</strong> (Schuster, Holzarbeiter), 1928, 8795 Radmer. Interview: Daniel<br />
Fuchsberger, Daniela Oberndorfer und Sarah Schöberl, 11.5.2009 in Radmer.<br />
LÖDL, Barbara. Pension<strong>ist</strong>in (Verkäuferin), geb. 1944, 8920 Hieflau. Interview: Daniel<br />
Fuchsberger, Daniela Oberndorfer und Sarah Schöberl, 14.5.2009 in Radmer.<br />
WENDNER, Hubert. Lokführer, Obmann des MGV „Lugauer“ Radmer, geb. 1967, 8795<br />
Radmer. Interview: Daniel Fuchsberger, Daniela Oberndorfer und Sarah Schöberl,<br />
11.5.2009 in Radmer.<br />
WOLF, Margarethe. Pension<strong>ist</strong>in (Maschinenstickerin, Verkäuferin, Näherin), geb. 1948,<br />
8795 Radmer. Interview: Daniel Fuchsberger, Daniela Oberndorfer und Sarah<br />
Schöberl, 14.5.2009 in Radmer.<br />
6.9. Verwendete Abkürzungen<br />
ABG Allgemeines Berggesetz (1854)<br />
DVA Deutsches Volksliedarchiv<br />
KUG Universität für Musik und darstellende Kunst Graz<br />
ÖAMG Österreichisch-Alpine Montangesellschaft<br />
6.10. Beigefügte CD<br />
Bei der beiliegenden CD handelt es sich um eine Daten-CD. Die Hör- und Videobeispiele<br />
tragen jeweils den Dateinamen hörbeispiel_x.wav bzw. videobeispiel_y.wmv.<br />
HÖRBEISPIEL 1: „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“, gesungen von Karl Heiml, Franz Huber,<br />
Johann Lesky und Hubert Wendner, beim Interview mit Daniel Fuchsberger,<br />
Daniela Oberndorfer und Sarah Schöberl, am 11.5.2009 in Radmer.<br />
104
HÖRBEISPIEL 2: „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“, gesungen von Barbara Lödl und<br />
Margarethe Wolf, beim Interview mit Daniel Fuchsberger, Daniela Oberndorfer<br />
und Sarah Schöberl, am 14.5.2009 in Radmer.<br />
HÖRBEISPIEL 3: „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“ (nur 1. Strophe), gesungen von Gerlinde<br />
Fahrleitner und Erika Klapf, beim Interview mit Lukas Proyer, Malik Sharif und<br />
Florian Wimmer, am <strong>13</strong>.5.2009 in Radmer.<br />
HÖRBEISPIEL 4: „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“ (nur 1. Strophe), gesungen von Sieglinde<br />
Fahrleitner, beim Interview mit Lisa Falk, Rudolf Gstättner, Carolin Muhry und<br />
Babak Nikzat, am 14.5.2009 in Radmer.<br />
HÖRBEISPIEL 5: „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“, gesungen vom MGV „Lugauer“ Radmer,<br />
Track 18 der CD Glück Auf. Bergmännische Lieder und Musikstücke vom MGV<br />
„Lugauer“ Radmer und der Ortskapelle Radmer.<br />
VIDEOBEISPIEL 1: „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“, gesungen von den Anwesenden<br />
bei der Barbarafeier der VA Erzberg GmbH, begleitet vom Bläserensemble<br />
des Musikvereins Bergkapelle Eisenerz, im Innerberger Gewerkschaftshaus,<br />
Eisenerz, gefilmt von Malik Sharif und Florian Wimmer, Eisenerz, am<br />
5.12.2008.<br />
VIDEOBEISPIEL 2: „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“, gesungen von den Anwesenden<br />
bei der Barbarafeier der VA Erzberg GmbH, begleitet vom Musikverein<br />
Bergkapelle Eisenerz, im Innerberger Gewerkschaftshaus, Eisenerz, gefilmt von<br />
Malik Sharif und Florian Wimmer, am 6.12.2008.<br />
6.11. Alphabetischer Index<br />
Abele von Lilienberg, Mathias 36, 38,<br />
47, 98<br />
AGV Stadtchor Eisenerz 86<br />
Ah! quel plaisir d’être soldat Siehe Es<br />
lebe hoch der Kriegerstand<br />
Akademische Sängerschaft Gothia 16<br />
Allgemeines Berggesetz von 1854<br />
(ABG) 72, 73, 75, 104<br />
Banstingl, Sigmund 35, 36, 38, 41, 42<br />
Barbara, Heilige 82, 84<br />
105
Barbarachor Siehe AGV Stadtchor<br />
Eisenerz<br />
Barbarafeier 6, 10, 12, 55, 83, 84, 85,<br />
86, 87, 89, 90, 92, 105<br />
Barbaralied Siehe <strong>Schön</strong> <strong>ist</strong><br />
<strong>Bergmannsleben</strong><br />
Bedeutung<br />
analytische 27<br />
angebotene 26<br />
angeeignete 26<br />
Bergmann, Stereotypen 9<br />
Bergmannslied, Definition <strong>13</strong><br />
Bergreihen<br />
Eisenerzer 35, 36, 38, 41, 45, 46, 47,<br />
90<br />
Vordernberger 35<br />
Boieldieu, François Adrien 61, 62, 93<br />
Brenner, Helmut 4, 24, 25, 27, 30<br />
Brüder in Zechen und Gruben 29, 30,<br />
34<br />
Brüder, zur Sonne, zur Freiheit 27, 28,<br />
29, 30, 34<br />
Bundeshymne, österreichische 89<br />
Castelli, Ignaz Franz 61, 62, 67, 70<br />
Das Floß der Medusa 31, 32<br />
Der Bergmannsstand sei hoch geehret<br />
6, 10, 35, 61, 67, 68, 69, 70, 71, 74,<br />
75, 76, 77, 81, 82, 83, 86, 87, 89, 90,<br />
91, 105<br />
Deutsches <strong>Institut</strong> für technische<br />
Arbeitsschulung 20<br />
Die Bergwerksoffizier dö tragn 79, 80<br />
Düsing, Alfred 86<br />
Eisenerz 5, 6, 7, 8, 10, 12, 14, 15, 16,<br />
19, 20, 35, 38, 40, 41, 42, 44, 46, 68,<br />
70, 78, 79, 80, 84, 85, 87, 89, 98, 105<br />
Eisler, Hanns 33<br />
Es lebe hoch der Kriegerstand 62, 67,<br />
68, 69, 71, 74<br />
Es lebe hoch der Stand der Ehren<br />
Siehe Es lebe hoch der Kriegerstand<br />
Fahrleitner, Gerlinde 4, 103, 105<br />
Fahrleitner, Sieglinde 4, 103, 105<br />
Falk, Lisa 4, 105<br />
Ferdinandeische Bergordnung 15, 71<br />
Formalismusvorwurf 33<br />
Frauenberger, Ernest 50<br />
Freiesleben, Oberberghauptmann 56<br />
Früh muß der Knapp aufstehn 35, 77,<br />
78, 79, 80, 81, 83, 90<br />
Fuchsberger, Daniel 4, 55, 103, 104,<br />
105<br />
Führungssystem, plurifunktionales 22<br />
Gams 41<br />
Géricaults, Théodore 31<br />
Gott gehört allein die Ehre 35, 77, 78,<br />
79, 80, 81, 83, 90<br />
Gramsci, Antonio 17, 18<br />
Graz 35<br />
Grubenklänge 51, 55, 56, 57, 59, 99<br />
Gstättner, Rudolf 4, 103, 105<br />
Guevara, Che 31<br />
Günther, Sigrid 4<br />
Harzer Bergmannslied 80, 91<br />
Hegemonie, Definition 18<br />
106
Heilfurth, Gerhard 4, 10, <strong>13</strong>, 14, 15, 16,<br />
35, 36, 41, 47, 48, 50, 51, 52, 55, 57,<br />
60, 61, 67, 71, 75, 76, 77, 80, 82, 83<br />
Heiml, Karl 4, 103, 104<br />
Heimwehr 19<br />
Henze, Hans Werner 31, 32, 93<br />
Herrschaft, Definition 18<br />
Hieflau 10, 41, 104<br />
Huber, Franz 4, 103, 104<br />
Hue, Otto 8, 9<br />
Ideologie, Definition 17<br />
Johann, Erzherzog von Österreich 64,<br />
78<br />
Jutz, Caspar 47<br />
Kämpchen, Heinrich 3<br />
Karbusicky, Vladimir 10, 11, 12, 18,<br />
24, 26, 27, 28, 29, 74<br />
Karl II., Erzherzog von Innerösterreich<br />
39, 40, 41<br />
Kerschbaumsteiner, Sonja 4<br />
Kirnbauer, Franz 5, 6, 8, 9, 14, 36, 37,<br />
80, 84<br />
Klapf, Erika 4, 91, 104, 105<br />
Klimbacher, Erhard 86<br />
König, Manfred 4, 49<br />
Konstanz 47<br />
Kremsmünster 50, 97<br />
Krenek, Ernst 33<br />
Kreutzer, Conradin 50, 52<br />
Kühn, Genossen, im Gleichschritt<br />
marschiert 28<br />
La Dame blanche 61, 67, 77<br />
Landeshymne, steirische 89<br />
Ledersprung 6, 84, 85, 86, 87, 88<br />
Leoben 14, 68, 71, 85, 89, 91, 104<br />
Lesky, Johann 4, 104<br />
Lied in der Teufe Siehe <strong>Schön</strong> <strong>ist</strong><br />
<strong>Bergmannsleben</strong><br />
Lödl, Barbara 4, 104, 105<br />
Maier, Alfred 6<br />
Mautner, Konrad 36, 93<br />
Meyer, Ernst Hermann 33<br />
MGV „Lugauer“ Radmer 105<br />
Montania, bergakademisches Korps in<br />
Leoben 68, 70<br />
Moser, Johannes 7, 8, 84, 86, 87, 88<br />
Mühlheim 51, 57<br />
Muhry, Carolin 4, 103, 105<br />
Musikverein Bergkapelle Eisenerz 85,<br />
86, 89, 105<br />
Neues Fohnsdorfer Bergmannslied 91<br />
Nikzat, Babak 4, 103, 105<br />
Nordwand 85, 92<br />
Oberndorfer, Daniela 4, 55, 103, 104,<br />
105<br />
Ortskapelle Radmer 103, 105<br />
Österreichisch-Alpine<br />
Montangesellschaft (ÖAMG) 19, 20,<br />
104<br />
Pappenreiter, Josef 86, 87<br />
Paris 61<br />
Parsons, Talcott 17, 99<br />
Petermann, Stefan 86, 87<br />
Polyvalenz, funktionale 28<br />
Postintention, Definition 25<br />
Präintention, Definition 25<br />
Primärintention, Definition 25<br />
Proyer, Lukas 5, 91, 103, 104, 105<br />
107
Radin, Leonid P. 27<br />
Radmer 10, 52, 54, 55, 91, 103, 104,<br />
105<br />
Raindinger Handschrift 62, 64, 67, 68<br />
Realismus, sozial<strong>ist</strong>ischer 33<br />
Reifling 41<br />
Rothleitner, Bernhard 85, 86, 87, 88<br />
Sächsische Bergreyhen 55, 56, 57, 59<br />
Sächsischen Bergreyhen 51<br />
Sauter, Pfarrer 47, 93<br />
Scherchen, Hermann 27<br />
Schlossar, Anton 35, 36, 41, 42, 43, 44,<br />
45, 46, 47, 78, 79, 80, 93<br />
Schmidt, Johann 35<br />
Schnabel, Erich 31, 32, 95<br />
Schöberl, Sarah 5, 55, 103, 104, 105<br />
<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong> 3, 35, 47,<br />
48, 49, 51, 52, 55, 60, 74, 77, 90,<br />
104, 105<br />
<strong>Schön</strong>berg, Arnold 33<br />
Schostakowitsch, Dmitri 33<br />
Schramberg 47, 93<br />
Scott, Walter 61<br />
Scribe, Eugène 61<br />
Scribes, Eugène 70<br />
Skupa, Erhard 86, 89<br />
Steyr 36, 43, 98<br />
Strawinsky, Igor 33<br />
Topitsch, Ernst 21, 22, 23<br />
Traudes, Jonas 5<br />
Treml, Chr<strong>ist</strong>ian 86, 88<br />
VA Erzberg GmbH 85, 87, 91, 105<br />
VOEST Alpine 85, 86<br />
Vordernberg 10, 35, 68, 70<br />
Wagner, Richard 32, 33, 78<br />
Wahlert, Georg Ernst Adam 51, 52<br />
Wendner, Hubert 5, 104<br />
Wien 61<br />
Wimmer, Florian 5, 12, 83, 91, 103,<br />
104, 105<br />
Wolf, Margarethe 5, 104, 105<br />
Zack, Viktor 6, 7, 16, 68, 70<br />
Ziemann, Johanna 5, 50<br />
108