01.11.2013 Aufrufe

Schön ist Bergmannsleben? - Institut 13: Ethnomusikologie ...

Schön ist Bergmannsleben? - Institut 13: Ethnomusikologie ...

Schön ist Bergmannsleben? - Institut 13: Ethnomusikologie ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

UG<br />

Deckblatt einer<br />

wissenschaftlichen Bachelorarbeit<br />

Vor- und Familienname<br />

Malik Sharif<br />

Studienrichtung<br />

Musikologie<br />

Matrikelnummer<br />

0612466<br />

Studienkennzahl<br />

B 033 636<br />

Thema der Arbeit:<br />

<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>?<br />

Ideologie im Bergmannslied – Bergmannslied in der Ideologie.<br />

Fallbeispiele aus der Region Eisenerz<br />

Angefertigt in der Lehrveranstaltung: SE H<strong>ist</strong>orische Quellen der <strong>Ethnomusikologie</strong>,<br />

Wintersemester 08/09<br />

Vorgelegt am: 9. Oktober 2009<br />

Beurteilt durch: Mag.art. Mag.phil. Dr.phil. Priv.Doz. Helmut Brenner


Inhaltsverzeichnis<br />

1. Einleitung ..................................................................................................................... 3<br />

1.1. Der ideale Bergmann............................................................................................. 5<br />

1.2. Gegenstand und Methode .................................................................................... 10<br />

2. Theoretische Überlegungen........................................................................................ <strong>13</strong><br />

2.1. Terminologie ....................................................................................................... <strong>13</strong><br />

2.1.1. Bergmannslied.............................................................................................. <strong>13</strong><br />

2.1.2. Ideologie ....................................................................................................... 17<br />

2.2. Musik und Ideologie............................................................................................ 24<br />

2.2.1. Ideologie in der Musik.................................................................................. 27<br />

2.2.2. Musik in der Ideologie.................................................................................. 34<br />

3. Ideologie in Bergmannsliedern................................................................................... 35<br />

3.1. Der Eisenerzer Bergreihen................................................................................... 35<br />

3.2. „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“ .............................................................................. 47<br />

3.3. „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“ ........................................................... 61<br />

3.4. „Gott gehört allein die Ehre“ und „Früh muß der Knapp aufstehn“................. 77<br />

4. Bergmannslieder im ideologisch geprägten Kontext ................................................. 83<br />

5. Abschließende Worte ................................................................................................. 90<br />

6. Wissenschaftlicher Apparat........................................................................................ 93<br />

6.1. Nachweis der Notenbeispiele .............................................................................. 93<br />

6.2. Primärquellen ...................................................................................................... 93<br />

6.3. Literaturverzeichnis............................................................................................. 93<br />

6.4. Internetquellen................................................................................................... 102<br />

6.6. AV-Medien........................................................................................................ 103<br />

6.7. Verwendete Bibliotheken und Archive ............................................................. 103<br />

6.8. Gewährspersonen............................................................................................... 103<br />

6.9. Verwendete Abkürzungen ................................................................................. 104<br />

6.10. Beigefügte CD ................................................................................................. 104<br />

6.11. Alphabetischer Index....................................................................................... 105<br />

2


1. Einleitung<br />

„‚<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>,<br />

Herrlich <strong>ist</strong> sein Lohn!’,<br />

Hat man vorgesungen<br />

Euch seit Jahren schon.<br />

Dennoch gibt es Knappen,<br />

´s <strong>ist</strong> ein seltsam Ding.<br />

Die da wirklich meinen,<br />

Daß der Lohn gering´.“ 1<br />

- Heinrich Kämpchen, „Undank“.<br />

Die Zeilen des Ruhrbergarbeiters, Sozialdemokraten und Dichters Heinrich Kämpchen<br />

(1847-1912), die dieser Arbeit vorangestellt sind, zielen auf eines ihrer Kernthemen: die<br />

häufige Diskrepanz zwischen der Darstellung der Bergleute sowie ihres Lebens in den<br />

Bergmannsliedern und der tatsächlichen Lebensrealität. Die vorliegende Arbeit versucht<br />

Ausmaß und Qualität dieser Diskrepanz, ferner normative Forderungen und Angebote<br />

zur emotionalen Auseinandersetzung mit der Umwelt, die in den Liedern kommuniziert<br />

werden, durch eine Analyse der maßgeblichen Ideologie zu erklären, welche die Entstehung<br />

der Lieder prägte und sich in ihnen manifestiert. Darüber hinaus soll die Verwendung<br />

solcher Bergmannslieder untersucht werden. Das Verhältnis von Ideologie und<br />

Bergmannsliedern wurde in der Forschung bis jetzt nicht systematisch betrachtet, mit<br />

dieser Arbeit soll ein erster Schritt zur Behebung dieses Mangels gemacht werden. Ideologie<br />

und Bergmannslied, die beiden zentralen Begriffe dieser Arbeit, sind keine „unschuldigen“,<br />

neutralen Begriffe. Neben einer Reihe denotativer Bedeutungen ziehen sie<br />

eine teilweise unüberschaubare Menge unterschiedlichster konnotativer Bedeutungen<br />

nach sich, und es gibt sicherlich Menschen, die Bergmannslieder nicht in Zusammenhang<br />

mit Ideologien gebracht sehen wollen. Dies fordert ein behutsames Vorgehen. Bevor<br />

Forschungsgegenstand, Erkenntnisziel und Methode dieser Arbeit genauer dargelegt<br />

werden, soll daher, quasi als Hinführung, das kulturell konstruierte „Image“ des Bergmanns<br />

2 und seiner Arbeit, anhand einiger Beispiele, untersucht werden. Damit soll ge-<br />

1 Heinrich Kämpchen, Das Lied des Ruhrkumpels, hg. von Waltraut Seifert und Erhard Scherner, Berlin<br />

o. J.: Verlag des Min<strong>ist</strong>eriums für Nationale Verteidigung, 90.<br />

2 Wenn in dieser Arbeit ausschließlich von Bergmännern und nie von Bergfrauen die Rede <strong>ist</strong>, so <strong>ist</strong> dies<br />

nicht einem unreflektierten Sprachgebrauch geschuldet, der den weiblichen Teil der Bergleute verleugnet.<br />

Frauen- und auch Kinderarbeit war in der Geschichte des Bergbaus durchaus üblich. Das soziokulturell<br />

konstruierte Bild der im Bergbau Tätigen <strong>ist</strong> jedoch männlich codiert. Dieses Bild <strong>ist</strong> Teil des Gegenstandes<br />

der vorliegenden Untersuchung. Da diese Arbeit an empirisch vorfindbare Phänomene der Kultur ge-<br />

3


zeigt werden, warum eine gesellschafts- und kulturwissenschaftliche Untersuchung von<br />

Bergmannsliedern unter dem Aspekt der Ideologie sinnvoll und angebracht scheint. Anschließend<br />

wird eine Klärung und Definition der zentralen Begriffe „Bergmannslied“<br />

und „Ideologie“ durchgeführt, und es werden Überlegungen zum Verhältnis von Ideologie<br />

und Musik im allgemeinen getroffen. Auf Basis dieser theoretischen Überlegungen<br />

sollen dann zum einen Bergmannslieder hinsichtlich ideologischer Inhalte, zum anderen<br />

die Verwendung von Bergmannsliedern im ideologisch geprägten Kontext analysiert<br />

werden.<br />

Zuallererst sei aber jenen Menschen gedankt, ohne deren Unterstützung und Hilfe die<br />

vorliegende Arbeit nicht hätte entstehen können:<br />

Helmut Brenner<br />

Lisa Falk<br />

Gerlinde Fahrleitner<br />

Sieglinde Fahrleitner<br />

Daniel Fuchsberger<br />

Rudolf Gstättner<br />

Sigrid Günther<br />

Karl Heiml<br />

Franz Huber<br />

Sonja Kerschbaumsteiner<br />

Erika Klapf<br />

Manfred König<br />

Johann Lesky<br />

Barbara Lödl<br />

Carolin Muhry<br />

Babak Nikzat<br />

Daniela Oberndorfer<br />

bunden <strong>ist</strong>, muss der Begriff der „Bergfrau“ als gegenstandslos angesehen werden, denn in den zur Analyse<br />

herangezogenen Texten wird ausschließlich der Begriff „Bergmann“ verwendet. Zur Frauen- und<br />

Kinderarbeit im Bergbau vgl. Gerhard Heilfurth, Der Bergbau und seine Kultur. Eine Welt zwischen<br />

Dunkel und Licht, Zürich 1981: Atlantis, 87-88. Zur Frauen- und Kinderarbeit am steirischen Erzberg:<br />

vgl. Konrad Zapf, Die soziale Lage der Eisenerzer Berg- und Hüttenarbeiter der Innerberger Hauptgewerkschaft<br />

im 19. Jahrhundert, Diss. phil. Karl-Franzens-Universität Graz o. J., 144-146.<br />

4


Lukas Proyer<br />

Sarah Schöberl<br />

Jonas Traudes<br />

Hubert Wendner<br />

Florian Wimmer<br />

Margarethe Wolf<br />

Johanna Ziemann<br />

Dank gilt ebenso allen hier nicht namentlich erwähnten Menschen, die durch unterschiedlichste<br />

Beiträge – Hinweise, Kritik, moralische Unterstützung und vieles mehr –<br />

zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben.<br />

1.1. Der ideale Bergmann<br />

Was sind Charakter, Wesen und Eigenschaften des Bergmanns?<br />

„Die Art und Weise der Beschäftigung, die ständige Gefahr, in der ein Bergmann schwebt, haben<br />

ihn me<strong>ist</strong> zu einem ernsten und stillen Menschen gemacht. Zähe hängt auch heute noch der<br />

Bergmann an alten Gewohnheiten und altem Brauchtum, mutig <strong>ist</strong> er und ausdauernd, wenn es<br />

gilt einer Gefahr entgegenzutreten oder Kameraden, die sich in Grubennot befinden, zu retten.<br />

Alle diese Eigenschaften besitzt der steirische Bergmann in hohem Maße.“ 3<br />

„Die Berg- und Hüttenleute der Steiermark, Arbeiter, Steiger, Me<strong>ist</strong>er und Ingenieure, dazu die<br />

von der Feder, sie stellen – dies darf ohne Überheblichkeit zusammenfassend gesagt werden –<br />

eine Summe technischer Intelligenz dar, basierend auf einer jahrhundertelangen beruflichen<br />

und technischen Erfahrung und Überlieferung, ein Kräftepotential, wie es nicht viele Gebiete<br />

der Erde in so geballter Form aufzuweisen haben. Sie setzen ihre Arbeitskraft und ihr Können<br />

jederzeit und mit Freude für ihr Vaterland Österreich ein. Das Land Steiermark kann auf seine<br />

Berg und Hüttenleute stolz sein.“ 4<br />

Mut, Furchtlosigkeit, Opferbereitschaft, Zähigkeit, Kameradschaft, Ernst, Traditionsbewusstsein,<br />

Brauchtumsverbundenheit und Vaterlandsliebe – in diesen beiden Zitaten<br />

des Bergbauingenieurs, Brauchtumspflegers und Volkskundlers Franz Kirnbauer, die<br />

sowohl hinsichtlich des Inhaltes als auch des Sprachduktus paradigmatisch sind, findet<br />

sich der Kernbestand von Eigenschaften, die seit spätestens dem 19. Jahrhundert und bis<br />

in die Gegenwart dem „Wesen des Bergmanns“ zugerechnet werden. 5 Zum Kanon der<br />

3 Franz Kirnbauer, Der steirische Bergmann (= Leobener Grüne Hefte 79), Wien 1964: Montan-Verlag,<br />

10.<br />

4 Kirnbauer 1964:47.<br />

5 Vgl. Stefan Riesenfellner, „Arbeitswelt und Literatur. Ein literarischer Spaziergang rund um den Erzberg“,<br />

Otto Hwaletz u.a., Bergmann oder Werkssoldat. Eisenerz als Fallbeispiel industrieller Politik. Dokumente<br />

und Analysen über die Österreichisch-Alpine Montangesellschaft in der Zwischenkriegszeit,<br />

Graz 1984: Edition Strahalm, 238-242,258-259.<br />

5


Bergmannstugenden, in den beiden Zitaten allerdings nicht erwähnt, zählen gemeinhin<br />

auch „ein tiefer, religiöser Sinn“ 6<br />

und, obgleich der Bergmann ernst <strong>ist</strong> und „kein<br />

Freund lärmender Vergnügungen“ 7 , „jene Heiterkeit [...], die jenen Menschen eigen <strong>ist</strong>,<br />

die Befriedigung in ihrem Berufe finden“ 8 . Als ein Beispiel dafür, dass sich Elemente<br />

dieses Bilds des Bergmanns auch in der Gegenwart finden lassen, kann ein Auszug aus<br />

Alfred Maiers Grußwort zum Ledersprung am 6.12.2008, bei der Barbarafeier in Eisenerz,<br />

zitiert werden:<br />

„Aber es <strong>ist</strong> ein Initialritus. Man wird aufgenommen in einen Kreis – und ich kann sagen in einen<br />

tollen Kreis, weil Bergmann <strong>ist</strong> wirklich ein Stand. Und wer immer einmal im Berg gearbeitet<br />

hat, der weiß: ein Bergmann <strong>ist</strong> etwas, worauf man sich hundertprozentig verlassen kann.<br />

So grauslich kann die Situation gar nicht sein, der steht immer, das heißt die beiden kommen in<br />

einen feinen Kreis. [...] Aber, äh, wie dem auch sei, ein alter Ritus, eine Aufnahme in einen<br />

Stand, äh, wir wissen, äh, dass es eine Besonderheit <strong>ist</strong>, dass wir überhaupt noch den einen o-<br />

der anderen Ritus pflegen. Und hier bei einer Barbarafeier kommt so ziemlich alles zusammen,<br />

was einem Bergmann wirklich taugt: die Barbara, Feiern, Bergmannslieder – Trinken auch<br />

womöglich was – und natürlich den Ledersprung.“ 9<br />

In diesem Zitat finden sich vor allem die Zähigkeit und der Mut, der Zusammenhalt, die<br />

Brauchtumsverbundenheit. Ebenso, aber weniger betont, wird die chr<strong>ist</strong>liche Religiosität<br />

angesprochen. Ob der Bergmann, in der Darstellung Maiers, tatsächlich lärmende<br />

Vergnügungen ablehnt, wie Kirnbauer es behauptet, lässt sich wohl anzweifeln.<br />

In poetisch gefasster Form finden sich diese Eigenschaftszuschreibungen auch in zahlreichen<br />

Bergmannsliedern. Hier sollen zunächst nur einige Beispiele gebracht werden:<br />

„Der Bergmannsstand sei hoch geehret,<br />

es lebe hoch der Bergmannsstand!<br />

Wenn er auch das Tageslicht entbehret,<br />

so tut ers doch fürs teure Vaterland.“ 10<br />

„Es gräbt der Bergmann in dem Schacht<br />

mit seiner kräftgen Hand<br />

an steiler Felsenwand,<br />

tief unten in der schwarzen Nacht.<br />

Und wenn er Erz zu Tage bringt,<br />

6 Franz Kirnbauer, „Der Bergmann“, Eduard Stepan (Hg.), Der Steirische Erzberg und seine Umgebung.<br />

Ein Heimatbuch (= Sonderheft der Zeitschrift „Deutsches Vaterland“), Bd. 2, Wien 1924: Verlag „Deutsches<br />

Vaterland“, 28.<br />

7 Kirnbauer 1924:28.<br />

8 Kirnbauer 1924:28.<br />

9 Ansprache von Dipl.Ing. Mag.iur. Dr.mont. Alfred Maier, Leiter der Sektion IV (Energie und Bergbau)<br />

im Bundesmin<strong>ist</strong>erium für Wirtschaft und Arbeit, 6.12.2008, bei der Barbarafeier in Eisenerz.<br />

10 Viktor Zack, Neun Bergmannslieder. Volkslieder für vierstimmigen Männerchor gesetzt, Graz 1931:<br />

Steirischer Sängerbund, 3-4.<br />

6


er fröhlich singt:<br />

Drum froh ans Werk mit lautem Schall!<br />

Glück auf, ihr Knappen all!“ 11<br />

„Und sollte einst im dunklen Schacht<br />

mein letztes Stündlein schlagen:<br />

Wir stehen ja in Gottes Macht,<br />

er läßt uns alles ertragen.<br />

Ade, mein Liebchen, weine nicht,<br />

den Tod nicht scheun, <strong>ist</strong> Bergmannspflicht.<br />

Wir fahren zum Himmel hinauf.<br />

Glück auf!“ 12<br />

Es soll hier nicht geleugnet werden, dass sich unter den Bergleuten mit hoher Wahrscheinlichkeit<br />

mutige, ernste, patriotische, hilfs- und opferbereite Menschen finden, insbesondere<br />

der Zusammenhalt unter Tage wird von den Bergleuten selber immer wieder<br />

betont. <strong>13</strong> Moser und Graf kommen aufgrund ihrer Feldforschung in Eisenerz in den 90er<br />

Jahren zu der Ansicht, dass das Selbstbild der Bergleute von einer „Verherrlichung der<br />

Gefahr“ 14 geprägt <strong>ist</strong>, unter welcher der Abbau als „ewiger Kampf mit dem Berg“ 15<br />

wahrgenommen wird. Die Frage <strong>ist</strong> aber vielmehr, welcher Zweck mit dem Entwurf eines<br />

solchen Idealbildes des Bergmanns, eines essential<strong>ist</strong>ischen und zeitlosen Bergmanns-an-sich,<br />

eines Sollens in Gestalt von Seinsaussagen, verfolgt wird. Welche Eigenschaften<br />

werden den Bergleuten durch die Zuschreibungen implizit abgesprochen,<br />

was wird verschwiegen? Kontrastierend sollen folgende Darstellungen zitiert werden:<br />

„Entsetzlich gräßlich wohnen die Arbeiter auf dem Erzberge! Da sind Holzschuppen errichtet,<br />

in denen (zwei Etagen) mehrere hundert Arbeiter schlafen und sich reinigen! Die Lagerstätten<br />

sind Bretterauflagen, darauf ein paar Decken und Lumpen, und hier liegen Mann an Mann, der<br />

eine den anderen berührend, oft monatelang ohne gründliche Reinigung. Es war gegen Mittag,<br />

als ich die Baracken auf dem Erzberg aufsuchte, also hätten sich die ‚Dünste’ schon lang verziehen<br />

können! Aber ein Nervenschwacher würde beim Eintritt in diese Sauställe ohnmächtig<br />

hingesunken sein! So lebt das Volk der Arbeit mitten in einer wunderherrlichen Natur. Hier<br />

plagt es sich für die Millionäre der Alpine Montangesellschaft, die in herrlichen Palästen und<br />

Villen wohnen. Die den Reichtum erzeugen tagsüber in glühendem Sonnenbrand oder strömenden<br />

Regen, sie kriechen des nachts wie die Säue zusammen, nein schlimmer noch, denn<br />

ein ordentlicher Viehzüchter sieht auf Ordnung in seinem Stalle. Wie es einem da wütend und<br />

11 Zack 1931:6-8.<br />

12 Zack 1931:15.<br />

<strong>13</strong> Vgl. Johannes Moser und Michael Graf, „Vom zentralen Faktor zur Marginalität? Bergmannsarbeit und<br />

Bergarbeiterleben in ihrer Bedeutung für Eisenerz“, Johannes Moser (Hg.), Eisenerz. Eine Bergbaugemeinde<br />

im Wandel, Frankfurt am Main 1997: <strong>Institut</strong> für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie,<br />

39.<br />

14 Moser und Graf 1997:58.<br />

15 Moser und Graf 1997:59.<br />

7


dann wieder wehmütig zumute wird, sieht man die Menschenkinder so erniedrigt, unter dem<br />

Vieh.“ 16<br />

„Das Ding <strong>ist</strong> halt auch, was viel passiert oft auch, daß die Leute zu früh, wenn geschossen<br />

worden <strong>ist</strong>, vor lauter Neugier oder was und schnell, schnell wieder, daß sie früher fertig werden,<br />

und daß sie in den Rauch reingehen. Und wenn du dann nicht viel gesehen hast und haben<br />

schon angefangen zu wageln. Der Baggerfahrer geht rein und der Kumpel oder was sagt, ich<br />

geh’ da nicht rein noch, ich warte noch eine Viertelstunde oder was, net, da hat’s schon viele<br />

Reibereien gegeben, wo auch dann viel Sachen passiert sind. Also <strong>ist</strong> mit selber passiert schon,<br />

daß, solange es so raucht da drinnen, geh’ ich nicht rein, ich wart’ noch ein bißchen, net. Und<br />

da heißt’s halt dann gleich: Du fauler Kumpel, aber rein von der Sicherheit her muß man das<br />

sehen da. Weil ja oft auch in der Nähe ein offener Schacht war oder minimal abgedeckt, und es<br />

<strong>ist</strong> auch schon passiert, daß dann viele runter geflogen sind in den Schacht, weil sie schon zu<br />

früh reingegangen sind und haben vergessen, daß der Schacht offen <strong>ist</strong>.“ 17<br />

Sicherlich ließe sich hier einwenden, dass die erste Darstellung aus der Perspektive eines<br />

sozial<strong>ist</strong>ischen Gewerkschafters und Redakteurs einer Arbeiterzeitung geschrieben<br />

<strong>ist</strong>, und dass es sich bei der zweiten um die subjektive Aussage eines Bergmanns handelt.<br />

Die Objektivität der beiden Zitate kann also zu Recht in Frage gestellt werden. Allerdings<br />

gilt dieser Einwand natürlich auch für die Zitate Kirnbauers, und die Beschreibung<br />

der Lebens- und Arbeitsbedingungen durch Otto Hue wird auch von anderen<br />

Quellen gestützt. 18 Festzustellen <strong>ist</strong> in jedem Fall, dass Kirnbauers „edler Bergmannsstand“<br />

19 in offensichtlicher Diskrepanz zu jenem Bild von Leben und Arbeit im Bergbau<br />

am steirischen Erzberg zu verschiedenen Zeiten im 20. Jahrhundert steht, welches<br />

in den beiden anderen Zitaten gegeben wird. Dieser Diskrepanz zwischen Sein und Sollen,<br />

bzw. zwischen Gegenwart und romantisierter, besserer Vergangenheit – Stefan Rie-<br />

16 Otto Hue, „Wanderungen durch die österreichischen Alpenländer“, Der Bergmann 19, 1922, 6, zitiert<br />

nach: Riesenfellner 1984:243.<br />

17 Ehemaliger Bergmann aus Eisenerz, zitiert nach: Johannes Moser und Michael Graf, „Zur symbolischen<br />

Bedeutung der Bergmannsarbeit in einer niedergehenden Bergbauregion“, Rolf Wilhelm Brednich<br />

und Heinz Schmitt (Hgg.), Symbole. Zur Bedeutung der Zeichen in der Kultur. Deutscher Volkskundekongress<br />

in Karlsruhe vom 25. bis 29. September 1995, Münster u.a. 1997: Waxmann, 249.<br />

18 Vgl. Helmut Lackner, „Die Arbeit am Erzberg“, Otto Hwaletz u.a., Bergmann oder Werkssoldat. Eisenerz<br />

als Fallbeispiel industrieller Politik. Dokumente und Analysen über die Österreichisch-Alpine<br />

Montangesellschaft in der Zwischenkriegszeit, Graz 1984: Edition Strahalm, 168-177, 198-200. Johannes<br />

Moser, „Kulturanthropologische Perspektiven auf den Bergbau. Das Fallbeispiel Eisenerz im 20. Jahrhundert“,<br />

Ursula Klingenböck und Martin Scheutz (Hgg.), Regionalgeschichte am Beispiel von Scheibbs<br />

in Niederösterreich. Die Vorträge des 22. Symposions des Niederösterreichischen <strong>Institut</strong>s für Landeskunde,<br />

1. bis 4. Juli (= Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen <strong>Institut</strong> für Landeskunde<br />

35), St. Pölten 2003: Amt der Niederösterreichischen Lanbdesregierung, 168-169.<br />

19 Kirnbauer 1964:5.<br />

8


senfellner spricht hier von „Gewerkenherrlichkeit“ 20 –, muss sich Kirnbauer selber bewusst<br />

gewesen sein. Er entwirft 1924, also in der Zeit, aus welcher das Zitat von Otto<br />

Hue stammt, in einer der großdeutschen Idee verpflichteten Publikation zunächst das<br />

teilweise wortwörtlich identische Bild seines Bergmann-Ideals von 1964, schreibt dann<br />

jedoch:<br />

„Heute sind die Verhältnisse beim deutschen Bergbau me<strong>ist</strong> leider ganz anders. Der frühere<br />

patriarchalische Betrieb mußte me<strong>ist</strong> einem Fabriksbetriebe mit modernen Anforderungen weichen.<br />

Aus den Bergknappen sind Bergarbeiter geworden. Wohl hat sich hie und da noch ein<br />

Ueberrest aus alter Zeit erhalten, aber im großen und ganzen hat die zweite Hälfte des vorigen<br />

Jahrhunderts einen Wandel geschaffen, der wohl in vieler Beziehung Vorteile gebracht hat,<br />

durch den aber so manche ehrwürdige Ueberlieferung, so mancher schöne Brauch und so mancher<br />

tiefe Gemütswert des Bergmannes ein Ende nahmen.“ 21<br />

Die Differenz zwischen imaginiertem Idealbild und Realität <strong>ist</strong> erklärungsbedürftig.<br />

Dies gilt nicht nur für die Quantität der Abweichung, sondern auch für ihre Qualität.<br />

Warum wird gerade ein bestimmtes Idealbild entworfen und nicht ein anderes? Im Falle<br />

Kirnbauers wird dies an wiederum anderer Stelle klar. In der Einleitung zu seiner umfangreichsten<br />

volkskundlichen Arbeit zur Bergbaukultur expliziert er seine Intention:<br />

„Die Sinngebung der nachfolgenden Zeilen und Bilder soll sein, dem Bergmann von heute aufzuzeigen,<br />

welche Bedeutung und welches Augenmerk bergmännischer Berufsstolz und bergmännische<br />

Berufsfreude in Vergangenheit und Gegenwart gehabt haben. Weiters, wie der<br />

Bergbau, die Welt unserer täglichen Arbeit, vom Wesen des Volkes, von den Männern der Arbeit<br />

durchdrungen und von ihnen dargestellt oder empfunden wird in volksmäßig-einfacher<br />

Form. Aus dieser Beziehung: Bergmann, Volk und Arbeit möge uns ein Stolz auf unseren<br />

Bergmannsberuf erfüllen, auf seine jahrhunderte [sic!] alte Tradition, und daraus eine Berufsverbundenheit<br />

allen erwachsen!“ 22<br />

Ohne die erzieherische Absicht zu bewerten, scheint offensichtlich zu sein, dass Kirnbauers<br />

Motivation auch ideologisch beeinflusst <strong>ist</strong>. Der Forschungsansatz der vorliegenden<br />

Untersuchung versucht, in Bezug auf Bergmannslieder, die Differenz zwischen<br />

verschiedenen Darstellungen der Bergleute, ihres Lebens und ihrer Arbeit, zwischen<br />

einzelner Darstellung und Realität, die verdeckten oder offenen normativen Forderungen<br />

sowie die Motivation und Instrumentalisierung solcher Darstellungen und normativer<br />

Forderungen mit Hilfe eines Ideologiebegriffs zu erklären, der noch ausführlich zu<br />

entwickeln <strong>ist</strong>.<br />

20 Riesenfellner 1984:240.<br />

21 Kirnbauer 1924:28.<br />

22 Franz Kirnbauer, Bausteine zur Volkskunde des Bergmanns. Bergmännisches Brauchtum (= Leobener<br />

Grüne Hefte 36), Wien 1958: Montan-Verlag, 16-17.<br />

9


1.2. Gegenstand und Methode<br />

Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit sollen Bergmannslieder 23 sein, die in der Region<br />

Eisenerz 24 gebräuchlich waren bzw. es immer noch sind. Dabei konzentriert sich die<br />

Analyse der Lieder auf die Frage, in welchem Maße sie zum Medium von Ideologien<br />

werden. Es sollen jedoch nicht nur einzelne Bergmannslieder unter dem Gesichtspunkt<br />

der Ideologie analysiert werden, sondern es soll auch die Verwendung der Lieder im i-<br />

deologisch geprägten Kontext untersucht werden. Als Beispiel dafür soll die Verwendung<br />

des Liedes „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“ bei der Eisenerzer Barbarafeier<br />

2008 dienen. Der Schwerpunkt der Untersuchung wird aber auf der Frage nach I-<br />

deologie in Bergmannsliedern liegen. Es sei hier bemerkt, dass sich die Funktion von<br />

Bergmannsliedern keineswegs darin erschöpft ideologische Inhalte zu transportieren.<br />

„Es [das Bergmannslied, M. S.] lobt und pre<strong>ist</strong>, es ermuntert, erfreut und erbaut, es erzählt und<br />

unterhält, es <strong>ist</strong> ein Mittel der Information, der Belehrung und Unterrichtung; es dient dem<br />

Selbstverständnis derjenigen, die im Bergbau arbeiten, und es gibt auf vielfältige Weise ihrer<br />

Eigenart und Solidarität Ausdruck; zugleich aber <strong>ist</strong> es auch ein Mittel der Werbung für den<br />

Bergbau nach außen, und von der anderen Seite her bezeugt es das Interesse der Öffentlichkeit<br />

für die geheimnisumwitterte Welt unter Tage.“ 25<br />

Betrachtet man diese Aufl<strong>ist</strong>ung, so wird man jedoch auch ohne präzisen Ideologiebegriff<br />

feststellen können, dass Ideologie eine relevante Größe in Bergmannsliedern <strong>ist</strong>,<br />

wenn einige ihrer Funktionen unter anderem Belehrung und Unterrichtung, Identitätsstiftung,<br />

Werbung und Lobpreisung sind.<br />

Vladimir Karbusicky hat eine Systematik der soziologischen Aspekte der Liedforschung<br />

aufgestellt, von denen mehrere für die vorliegende Untersuchung relevant sind und berücksichtigt<br />

werden müssen. 26 Da wäre zunächst, als zentraler Aspekt der vorliegenden<br />

23 Zur genauen Bestimmung des Begriffs „Bergmannslied“ siehe Kapitel 2.1.1.<br />

24 Damit sind die Stadt Eisenerz, sowie die Gemeinden Vordernberg, Radmer und Hieflau gemeint. In<br />

dieser Region wurde im Studienjahr 2008/09 vom <strong>Institut</strong> für <strong>Ethnomusikologie</strong> der Universität für Musik<br />

und darstellende Kunst Graz (KUG) ein Feldforschungsprojekt durchgeführt, in dessen Rahmen Informationen<br />

für die vorliegende Arbeit gesammelt wurden.<br />

25 Gerhard Heilfurth, „Bergmannslied“, Rolf Wilhelm Brednich, Lutz Röhrich und Wolfgang Suppan<br />

(Hgg.), Handbuch des Volksliedes. Bd. I: Die Gattungen des Volksliedes (= Motive. Freiburger Folklor<strong>ist</strong>ische<br />

Forschungen 1/I), München 1973: Wilhelm Fink, 761.<br />

26 Vgl. Vladimir Karbusicky, „Soziologische Aspekte der Volksliedforschung“, Rolf Wilhelm Brednich,<br />

Lutz Röhrich und Wolfgang Suppan (Hgg.), Handbuch des Volksliedes. Bd. II: H<strong>ist</strong>orisches und Systematisches.<br />

Interethnische Beziehungen. Musikethnologie (= Motive. Freiburger Folklor<strong>ist</strong>ische Forschungen<br />

1/II), München 1975: Wilhelm Fink, 75-88.<br />

10


Arbeit, die Frage nach Ideologie im Lied und Lied in der Ideologie. 27 Damit eng verbunden<br />

<strong>ist</strong> die Untersuchung von Liedern als Mittel der Kommunikation, der Denotationen<br />

und Konnotationen von Liedern, also auch ihrer ideologischen Bedeutung und<br />

Umdeutung. 28 Dabei muss vor allem auch die Mehrdeutigkeit von Liedern beachtet<br />

werden:<br />

„Ein und dasselbe Lied kann sein: ‚Aussage über ein Erlebnis’; ‚Zeichen der Wirklichkeit’;<br />

‚Nachricht über ein Ereignis’; ‚Äußerung der Subjekt-Objekt-Relation’; ‚Appell an das erwünschte<br />

Verhalten des Anderen’; ‚Kulturobjektivation des betreffenden sozialen Milieus’<br />

usw.“ 29<br />

Ebenso wie die Mehrdeutigkeit und der Bedeutungswandel von Liedern, muss auch ihre<br />

Polyfunktionalität und ihr Funktionswandel berücksichtigt werden. 30 Eine dieser Funktionen<br />

<strong>ist</strong> die soziogene Funktion, d.h. der gruppenbildende und gruppenbestärkende<br />

Charakter von Liedern, der gerade für die Frage nach Bergmannsliedern in der ideologisch<br />

geprägten Verwendung wichtig <strong>ist</strong>. 31 „Die Kenntnis derselben Lieder und ihr gemeinsames<br />

Singen bilden das ‚Gefühl der Zusammengehörigkeit’ der Gruppe, Gemeinschaft.“<br />

32 Daher <strong>ist</strong> auch die Frage danach wichtig, in welcher Art das Verhältnis vom<br />

Individuum zum Kollektiv thematisiert wird. 33<br />

„Ein Ich-Erlebnis bedeutet schon die Trennung, die Möglichkeit des sozialen Abstandes, der<br />

beobachtenden Einstellung zur Gruppe, die Störung des Konsensus. Kollektivität verlangt die<br />

Anpassung [...]. Das ‚Wir’ <strong>ist</strong> selten im Volkslied, viel häufiger in ideologischen Kunstliedern<br />

im Dienste der Indoktrination.“ 34<br />

Schließlich muss auch untersucht werden, von welcher Gruppe, von welcher Gemeinschaft<br />

bestimmte Lieder gesungen werden. 35 Karbusicky warnt zu Recht davor, aus den<br />

Inhalten der Lieder einer Gruppe voreilig auf die Weltanschauung der Gruppe selbst zu<br />

schließen, die „;inhaltliche’ Analyse muß mit genauen Beobachtungen der Funktionen<br />

konfrontiert werden“ 36 . In der vorliegenden Arbeit erwe<strong>ist</strong> sich dies vor allem in der h<strong>ist</strong>orischen<br />

Betrachtung als schwierig, da die Quellen selten Angaben dazu machen, von<br />

27 Vgl. Karbusicky 1975:81-82.<br />

28 Vgl. Karbusicky 1975:77.<br />

29 Karbusicky 1975:77.<br />

30 Vgl. Karbusicky 1975:80.<br />

31 Vgl. Karbusicky 1975:80-81.<br />

32 Karbusicky 1975:80.<br />

33 Vgl. Karbusicky 1975:81.<br />

34 Karbusicky 1975:81.<br />

35 Vgl. Karbusicky 1975:82-83.<br />

36 Karbusicky 1975:83.<br />

11


wem und in welchem Kontext Lieder gesungen wurden, als sie aufgezeichnet wurden.<br />

In der Betrachtung zeitgenössischen Singens <strong>ist</strong> dies einfacher, da hier konkrete Singanlässe<br />

beobachtet und analysiert werden können.<br />

Die Methoden, die Karbusicky vorschlägt und die für diese Untersuchung zentrale Bedeutung<br />

haben, sind Inhaltsanalyse der Lieder (unter Beachtung der Korrelationen zur<br />

musikalischen Struktur), Beobachtung und Befragung. Zu ergänzen wäre die Analyse<br />

h<strong>ist</strong>orischer Quellen. Bei der Inhaltsanalyse schlägt Karbusicky zwei Ansätze vor: die<br />

Analyse des Liedes einerseits als Objektivation eines Denksystems, andererseits als<br />

kommunikatives Mittel. 37 Eine quantitative Auswertung einer großen Zahl von Liedern,<br />

wie sie Karbusicky anregt, 38 <strong>ist</strong> im Rahmen dieser Arbeit leider nicht möglich. Gerade<br />

die starke, überregionale Verbreitung vieler Bergmannslieder lässt eine solche quantitative<br />

Analyse von Bergmannsliedern unter dem Gesichtspunkt der Ideologie wünschenswert<br />

erscheinen. In dieser Arbeit sollen jedoch einzelne Lieder detaillierten Analysen<br />

unterworfen werden, die nach verschiedenen Relevanzkriterien ausgewählt wurden,<br />

z.B. nach regionaler Bekanntheit, inhaltlicher Besonderheit oder h<strong>ist</strong>orischer Bedeutung.<br />

Da mehrere der Lieder nicht nur in der Region Eisenerz verbreitet sind, hat ihre<br />

Analyse auch überregionale Relevanz. Die Methode der Beobachtung kam vor allem<br />

bei einem Feldforschungsaufenthalt bei der Barbarafeier in Eisenerz, am 5.12. und<br />

6.12.2008, zum Tragen, bei dem ca. neun Stunden Filmaufnahmen von den Geschehnissen<br />

gemacht werden konnten, die durch Feldnotizen ergänzt wurden. Bei einem Feldforschungsaufenthalt<br />

in der Region Eisenerz, der vom 10.5. bis zum 15.5.2009 dauerte,<br />

konnten Interviews mit Gewährspersonen durchgeführt werden, bei denen Lieder aufgenommen<br />

wurden, aber auch für die vorliegende Arbeit relevante Informationen gesammelt<br />

werden konnten. Der Feldforschungsaufenthalt bei der Barbarafeier wurde zusammen<br />

mit Florian Wimmer durchgeführt, bei dem einwöchigen Aufenthalt in der Region<br />

Eisenerz waren insgesamt vierzehn Studierende des <strong>Institut</strong>s für <strong>Ethnomusikologie</strong><br />

der KUG beteiligt. Da von sämtlichen Interviews des zweiten Feldforschungsaufenthalts<br />

Tonaufnahmen angefertigt wurden, konnten für diese Arbeit die Äußerungen aller<br />

Gewährspersonen herangezogen werden. Die Studierenden, welche die einzelnen Interviews<br />

führten, werden entsprechend erwähnt. Für die Frage nach der Ideologie in<br />

37 Vgl. Karbusicky 1975:85.<br />

38 Vgl. Karbusicky 1975:85.<br />

12


Bergmannsliedern spielt vor allem die Methode der Inhaltsanalyse eine Rolle, für die<br />

Frage nach der Verwendung von Bergmannsliedern im ideologisch geprägten Kontext<br />

treten Beobachtung und Interview hinzu. Die analysierten Lieder wurden entweder veröffentlichten<br />

Sammlungen entnommen oder es wurden Transkriptionen von Tonaufnahmen<br />

der Gewährspersonen aus der Region angefertigt. Ergänzend wurden Recherchen<br />

im Deutschen Volksliedarchiv (DVA) angestellt.<br />

2. Theoretische Überlegungen<br />

2.1. Terminologie<br />

2.1.1. Bergmannslied<br />

Als Definition dessen, was in dieser Arbeit mit dem Begriff „Bergmannslied“ bezeichnet<br />

wird, soll folgende Formulierung Heilfurths dienen:<br />

„Wir verstehen hier unter Bergmannslied also nicht das von Bergleuten gesungene Liedgut<br />

insgesamt, sondern nur das inhaltlich auf das eigene Arbeits-, Berufs- und Lebensmilieu eingegrenzte,<br />

in dem Sinne, wie wir z.B. auch vom Jäger- oder vom Seemannslied sprechen. 39<br />

Das Liedrepertoire der Bergleute hat sich mit Sicherheit nie allein auf Bergmannslieder<br />

beschränkt, auch wenn sie bei ihnen einen im Vergleich größeren Teil des Repertoires<br />

ausgemacht haben und ausmachen als im Repertoire anderer sozialer Gruppen, bedeutet<br />

dies nicht, dass es sich dabei um den größten Teil ihres Liedrepertoires handelt. Es wäre<br />

unter dem Gesichtspunkt der Ideologie z.B. auch die Analyse des tatsächlich gesungenen<br />

Liedrepertoires einer Stichprobe aus der Belegschaft eines Bergbaubetriebes interessant.<br />

Hier sollen jedoch nur Lieder betrachtet werden, die einen inhaltlichen Bezug<br />

zum Bergbau haben. Ein spezifischer, musikalischer „Bergmannslied-Stil“ scheint nie<br />

ex<strong>ist</strong>iert zu haben, 40 einziges definitorisches Merkmal sind daher die Liedtexte.<br />

Folgende Anlässe, zu denen Bergmannslieder gesungen werden führte Heilfurth 1954<br />

an: bergmännisches Brauchtum, d.h. berufsbezogene Feierlichkeiten wie Ledersprünge,<br />

aber auch Hochzeiten, Begräbnisse u.a., Weihnachten, Barbarafeiern, Gottesdienste,<br />

Andachten vor Schichtbeginn, die Verwendung von Bergmannsliedern als Arbeitslie-<br />

39 Heilfurth 1973:761.<br />

40 Vgl. Wolfgang Suppan, „Musik und Bergbau. Mit Materialien zum Thema aus dem steirischen Bergbau“,<br />

Wolfgang Suppan, Werk und Wirkung. Musikwissenschaft als Menschen- und Kulturgüterforschung<br />

(= Musikethnologische Sammelbände 17), Bd. 3, Tutzing 2000: Hans Schneider, 1159-1160.<br />

<strong>13</strong>


der, geselliges Singen untertage oder in der Freizeit. 41 Viele dieser Anlässe gehörten bereits<br />

Mitte des 20. Jahrhunderts der Vergangenheit an, so bemerkt z.B. auch Kirnbauer<br />

im selben Jahr:<br />

„Das Singen bergmännischer Volkslieder ließ um die Jahrhundertwende in Österreich wie ü-<br />

berall in auffallendster Weise nach. Das Bergmannslied verstummte, außer in studentischen<br />

Kreisen in Leoben oder einigen Werksgesangsvereinen, fast bis zum Versiegen und Vergessen.“<br />

42<br />

Die Feldforschung in der Region Eisenerz deutet darauf hin, dass im privaten Rahmen<br />

und bei der Arbeit Bergmannslieder praktisch keine Rolle mehr spielen. Die Anlässe,<br />

bei denen sie gesungen werden, sind organisierten Charakters: Feierlichkeiten, wie Barbarafeiern<br />

oder Beerdigungen, Gottesdienste und Chorkonzerte. Die verschiedenen<br />

Funktionen der Bergmannslieder wurden bereits oben angeführt. Zusammenfassend seien<br />

hier die Funktionen der Lobpreisung, Erbauung, Unterhaltung, Information, Didaktik,<br />

Identitätsstiftung und Werbung genannt.<br />

Unter dem Vorbehalt, dass Bergmannsliedern selten nur ein inhaltliches Thema oder<br />

Motiv zu Grunde liegt, gliedert Heilfurth die Inhalte der Lieder nach folgenden Kategorien:<br />

„1. Verhältnis zu Arbeit und Beruf<br />

mit den Untergruppen: Fröhliche Arbeits- und Arbeitsverbundenheit; Gefährdung und Geborgenheit;<br />

Familie, Betrieb und Berufsgemeinschaft.<br />

2. Standesbewußtsein und Standesehre<br />

mit den Untergruppen: Standesstolz; Standespreis; Lob bergmännischen Lebens und Wesens;<br />

Repräsentation durch Tracht, Zeichen und Symbole, Gruß u.a.m.; Allegorien und Metaphern<br />

als sprachlicher Ausdruck des Stolzes auf die eigene Welt.<br />

3. Ruhm des Bergwerks.<br />

4. Liebe, Scherz, Geselligkeit.<br />

5. Kohlenbergbau und Kohlenbergmann.“ 43<br />

Für die vorliegende Untersuchung sind, der Fragestellung entsprechend, die ersten drei<br />

Kategorien von Interesse, da bei diesen Themen am stärksten ideologische Inhalte zum<br />

Ausdruck kommen können. Für die vierte Kategorie gilt dies nur eingeschränkt, wenngleich<br />

auch erneut betont werden muss, dass Bergmannslieder selten nur einer Kategorie<br />

zuzuordnen sind. Es sind also durchaus Liebes- oder Scherzlieder denkbar, in wel-<br />

41 Gerhard Heilfurth, Das Bergmannslied. Wesen, Leben, Funktion. Ein Beitrag zur Erhellung von Bestand<br />

und Wandlung der sozialkulturellen Elemente im Aufbau der industriellen Gesellschaft, Kassel-<br />

Basel 1954: Bärenreiter, 26-35.<br />

42 Franz Kirnbauer, „Über Art und Wesen des Bergmanns-Volksliedes“, Jahrbuch des Österreichischen<br />

Volksliedwerkes 3, 1954, 57.<br />

43 Heilfurth 1954:75.<br />

14


chen – quasi nebenher – ideologische Inhalte vermittelt werden. Die fünfte Kategorie<br />

fällt vollständig weg, da in der Region Eisenerz niemals Kohle abgebaut wurde und daher<br />

auch die hier untersuchten Lieder diesen Arbeitsbereich nicht thematisieren. Zu den<br />

Textinhalten lässt sich weiterhin folgendes feststellen:<br />

„Es <strong>ist</strong> indes natürlich nur ein Teil der Lieder, in dem das Schicksalhafte des Berufes überzeugend<br />

zum Ausdruck kommt. Auf weiten Strecken <strong>ist</strong> im Liedgut insbesondere des 19. und 20.<br />

Jahrhunderts die Schwere des Daseins überspielt oder ganz totgeschwiegen; oft werden bergmännisches<br />

Leben und Wesen in falscher Verklärung als Idyll gemalt.“ 44<br />

Man mag zu Heilfurths Sprachduktus stehen wie man will, in der Sache <strong>ist</strong> die Aussage<br />

stichhaltig, dass nämlich Bergmannslieder mehrheitlich einen verklärenden Charakter<br />

haben, wie durch die oben angeführten Liedbeispiele bereits angedeutet wurde. Auf diesen<br />

Umstand hat auch Suppan hingewiesen. 45 Hier zeigt sich deutlich, dass eine ideologiekritische<br />

Untersuchung von Bergmannsliedern, also eine Untersuchung, welche<br />

beurteilt, wo und in welcher Weise Ideologie eine relevante Größe <strong>ist</strong>, sinnvoll <strong>ist</strong>. Es<br />

soll jedoch nicht der Eindruck erweckt werden, dass Ideologie nur in offen verklärenden<br />

Liedern eine Rolle spielte. Ideologische Inhalte können auch auf subtilere Art zum Tragen<br />

kommen, als allein durch die Leugnung aller Härten des Lebens im Bergbau. Andererseits<br />

werden sozialkritische Lieder gerade die Härten betonen, ein Umstand, der jedoch<br />

auch wieder ideologisch begründet sein kann.<br />

Sozialkritische Lieder sind jedoch sehr rar unter den der Forschung bekannten Bergmannsliedern,<br />

dezidiert politische Lieder noch seltener. 46 Dies kann verschiedene Gründe<br />

haben. 1. Der Korpus der von Sammlung und Forschung erfassten Bergmannslieder<br />

stellt eine zuverlässige Stichprobe der tatsächlich ex<strong>ist</strong>ierenden Bergmannslieder dar<br />

und spiegelt die quantitative Verteilung von Inhalten wieder. Sozialkritische Bergmannslieder<br />

wären also tatsächlich selten. Dafür würde der tendenziell affirmative Charakter<br />

der Bergmannskultur sprechen, den Hinner, Lackner und Stocker für Österreich<br />

folgendermaßen beschreiben:<br />

„Der spezielle, einzigartige Arbeitsplatz des Bergmannes ‚vor Ort’ Untertag in der Urproduktion<br />

und der [...] privilegierte Sonderstatus der dabei Beschäftigten – etwa durch die Uniformierung,<br />

durch die eigene Berggesetzgebung (1553 Ferdinandeische Bergordnung, 1854 Berggesetz),<br />

das Recht des Waffentragens, die Befreiung von der Militärpflicht – integrierte die Bergarbeiter,<br />

als einzige Gruppe der Arbeiter, schon früh in die feudale Gesellschaft. Mit dieser also<br />

bereits im Mittelalter zu beobachtenden Sonderstellung und durch weitere behördliche Maß-<br />

44 Heilfurth 1973:772.<br />

45 Vgl. Suppan 2000:1162.<br />

46 Vgl. Heilfurth 1954:94.<br />

15


nahmen wurde versucht, den Bergarbeitern ein konservatives ‚Standesbewußtsein’, im Gegensatz<br />

zu dem entsprechenden ‚Klassenbewußtsein’ der Arbeiter im allgemeinen, zu vermitteln.“<br />

47<br />

2. Die Sammler der Lieder gingen selektiv vor und zeichneten nicht auf, was ihnen nicht<br />

sammlungswürdig erschien, was ihrem vorgefassten Bild des Bergmanns und des<br />

Bergmannsliedes nicht entsprach. Dass dies in der Geschichte der Liedsammlungen geschehen<br />

<strong>ist</strong>, dass nicht Volkslied sein durfte, was des Volkes nicht würdig erschien, <strong>ist</strong><br />

ein Faktum, auf welches nicht näher eingegangen werden muss. Der Verdacht eines solchen<br />

selektiven Vorgehens liegt auch bei Viktor Zack nahe, der als einer der wichtigsten<br />

Liedsammler in der Region Eisenerz vom Ende des 19. bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts<br />

tätig war. Es erscheint zumindest denkbar, dass Zack, der 17 Jahre lang die<br />

Grazer Akademische Sängerschaft Gothia leitete und während des ersten Weltkrieges<br />

zwei Soldatenliederbücher herausgab, 48 Lieder, welche die bestehende Ordnung allzu<br />

sehr kritisierten, aussortierte. 3. Die Forschung <strong>ist</strong> selektiv in dem, was sie aus den vorhandenen<br />

Liedbeständen auswählt, und ignoriert vor allem sozialkritische und politische<br />

Lieder. Insofern potenziert sich gegebenenfalls die Selektivität der Liedsammlungen.<br />

Diesen Vorwurf macht – aus einer staatssozial<strong>ist</strong>ischen Position heraus, dennoch nicht<br />

völlig unbegründet – explizit Wolfgang Steinitz Gerhard Heilfurth. 49 Wahrscheinlich<br />

werden in einem gewissen Maß alle drei Gründe die Quellenlage beeinflusst haben. Sicherlich<br />

darf aus der Abwesenheit bzw. Spärlichkeit von Belegen nicht geschlossen<br />

werden, dass es notwendigerweise immer so wenige sozialkritische Bergmannslieder<br />

gegeben hat, wie heute tradiert sind, dennoch <strong>ist</strong> man aber auf die vorhandenen Quellen<br />

verwiesen und muss mit diesen arbeiten. Aus der Region Eisenerz sind allerdings einige<br />

47 Ernst Hinner, Helmut Lackner und Karl Stocker, „Bergarbeiterkultur“, Ernst Hinner u.a., Fohnsdorf.<br />

Aufstieg und Krise einer österreichischen Kohlenbergwerksgemeinde in der Region Aichfeld-Murboden<br />

(= Interdisziplinäre Studien der Projektgruppe Fohnsdorf Aichfeld-Murboden 1), Graz-Wien 1982: 277-<br />

341.<br />

48 Vgl. Wolfgang Suppan, „Zack, Viktor“, Wolfgang Suppan (Hg.), Steirisches Musiklexikon, 2., völlig<br />

überarbeitete und erweiterte Aufl., Graz 2009: Akademische Druck- und Verlagsanstalt, 790-791.<br />

49 Vgl. Wolfgang Steinitz, Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten (=<br />

Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Veröffentlichung des <strong>Institut</strong>s für deutsche Volkskunde<br />

4/II), Bd. II, Berlin 1962: Akademie-Verlag., XXV.<br />

16


sozialkritische Lieder überliefert, die deshalb in dieser Arbeit auch untersucht werden<br />

sollen. 50<br />

2.1.2. Ideologie<br />

Ideologie <strong>ist</strong> ein „schillernder, innerhalb verschiedener Schulen unterschiedlich konzipierter,<br />

erkenntnis- oder gesellschaftskritischer Terminus der Sozialwissenschaften“ 51 .<br />

Seitdem die neuzeitliche Ideologiekritik mit Francis Bacons Idolenlehre ihren Anfang<br />

genommen hat, wurde der Begriff in einer Vielzahl von Bedeutungen verwendet, mal<br />

rein deskriptiv, mal als Kampfbegriff. 52 In der vorliegenden Untersuchung soll ein deskriptiver<br />

Ideologiebegriff verwendet werden, wie er z.B. von Parsons formuliert wurde,<br />

ohne dabei Parsons theoretischen Ansatz des Strukturfunktionalismus zu übernehmen:<br />

„An ideology [...] is a system of beliefs, held in common by the members of a collectivity, i.e.<br />

a society, or a sub-collectivity of one – including a movement deviant from the main culture of<br />

the society – a system of ideas which is oriented to the evaluative integration of the collectivity<br />

and of the situation in which it is placed, the processes by which it has developed to its given<br />

state, the goals to which its members are collectively oriented, and their relation to the future<br />

course of events.” 53<br />

Aus dieser Definition wird klar, dass es sich bei einer Ideologie nicht nur um das herrschende<br />

System von Überzeugungen handeln muss, sondern dass auch Glaubenssysteme<br />

von Minderheiten oder gesellschaftlichen Teilgruppen Ideologien sind, selbst dann,<br />

wenn sie zu den herrschenden Ideologien im Gegensatz stehen.<br />

Antonio Gramsci, der seine im Gefängnis aufgezeichneten Gedankengänge nie in eine<br />

systematische Form bringen konnte, hat in seinen sozialontologischen Überlegungen die<br />

50 Für Beispiele sozialkritischer und politischer Bergmannslieder: vgl. Wolfgang Steinitz, Deutsche<br />

Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten (= Deutsche Akademie der Wissenschaften<br />

zu Berlin. Veröffentlichung des <strong>Institut</strong>s für deutsche Volkskunde 4/I), Bd. I, 2. Aufl., Berlin<br />

1955: Akademie-Verlag, 271-294. Friedrich Sieber, Zwei Bergmännische Kampflieder aus dem ersten<br />

Viertel des 18. Jahrhunderts (= Kleine Beiträge zur Volkskunstforschung 4), Leipzig o. J. [1956]: Friedrich<br />

Hofme<strong>ist</strong>er. Steinitz 1962:289-291. Gerlinde Haid und Hans Haid (Hgg.), Weil ma arm san. Volkslieder<br />

aus Österreich, Wien 1981: o. V., 24. Reinhard Dithmar (Hg.), Arbeiterlieder 1844-1945, Neuwied-Kniftel-Berlin<br />

1993: Hermann Luchterhand, 103-1<strong>13</strong>.<br />

51 Herbert R. Ganslandt, „Ideologie“, Jürgen Mittelstraß (Hg.), Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie,<br />

unveränderte Sonderausgabe, Bd. 2, Stuttgart-Weimar 2004: Metzler, 193.<br />

52 Vgl. Ganslandt 2004:194-196. Für eine detaillierte Begriffsgeschichte: vgl. Terry Eagleton, Ideology.<br />

An Introduction, neue und überarb. Aufl., London-New York 2007: Verso, 63-220.<br />

53 Talcott Parsons, The Social System, 5. Aufl., Glencoe 1964: Free Press, 349.<br />

17


Theorie von Hegemonie und Herrschaft als Elemente politischer Macht entwickelt. 54<br />

Herrschaft bezeichnet dabei die Ausübung von Macht durch offenen Zwang, z.B. durch<br />

Polizei und Militär. Hegemonie <strong>ist</strong> die Ausübung von Macht durch Konsens, d.h. eine<br />

führende soziale Gruppe versucht die Interessen ihnen untergeordneter Gruppen teilweise<br />

zu integrieren, um im Großen und Ganzen die eigenen Vorstellungen, mit Einverständnis<br />

der untergeordneten Gruppen, durchsetzen zu können. Der gesellschaftliche<br />

Kampf um Hegemonie, der nie ein Ende erreicht, <strong>ist</strong> daher eine Auseinandersetzung von<br />

Ideologien, die sich im Laufe dieses Prozesses auch wandeln können. 55 Diese Auseinandersetzung<br />

wird vor allem auch in der Zivilgesellschaft ausgetragen, d.h. außerhalb<br />

der offensichtlich politischen <strong>Institut</strong>ionen von Legislative, Exekutive und Judikative: in<br />

der Presse, in Kunst und Kultur, Schule, Sport, Kirche, in den alltäglichen Beschäftigungen<br />

und in der Sprache. 56 Die Ideologie einer sozialen Gruppe wird in dem Maße zu<br />

einer hegemonialen Ideologie, in welchem sie zum Teil des Alltagsverstandes der Menschen<br />

in einer Gesellschaft wird, da der Alltagsverstand das Weltbild <strong>ist</strong>, welches am<br />

stärksten das Bewusstsein und die Handlungen der Menschen beeinflusst. 57 Lieder, auch<br />

Bergmannslieder, gehören als kulturelle Produkte in den Bereich der Zivilgesellschaft,<br />

hier können sie zum eingängigen Medium ideologischer Inhalte werden und auf den<br />

Alltagsverstand, auf das Weltbild der Menschen einwirken.<br />

„Das Lied scheint ein besonders geeignetes Mittel der Indoktrination zu sein. Dieses elementare<br />

Wort-Ton-Gebilde hat dank seiner jahrhundertealten Tradition viele wertvolle Eigenschaften,<br />

die man für die Beeinflussung des Massenmenschen nutzen kann.“ 58<br />

„Gruppenzugehörigkeit, berufsständische und ethnische Identität können durch Musik<br />

ebenso befördert/bewirkt werden wie Gruppenzwänge“ 59 . In ähnlicher Weise <strong>ist</strong> Mer-<br />

54 Da es sich bei dem Korpus von Notizen, der in Gramscis Gefängnisheften überliefert <strong>ist</strong>, um ein äußerst<br />

komplexes und unsystematisches Gefüge von Überlegungen handelt, aus denen spätere Abhandlungen<br />

entstehen sollten, kann in dieser Arbeit keine ausführliche Interpretation der Primärtexte Gramscis gele<strong>ist</strong>et<br />

werden, da dies rahmensprengend wäre. Hinsichtlich der Konzepte von Hegemonie und Herrschaft:<br />

vgl. Steve Jones, Antonio Gramsci (= Routledge Critical Thinkers), London-New York 2006: Routledge,<br />

41-56.<br />

55 Vgl. Jones 2006:46-48.<br />

56 Vgl. Jones 2006:32-33, 48-49.<br />

57 Vgl. Jones 2006:53-55.<br />

58 Vladimir Karbusicky, Ideologie im Lied. Lied in der Ideologie. Kulturanthropologische Strukturanalysen<br />

(= Musikalische Volkskunde. Materialien und Analysen II), Köln 1973: Musikverlage Hans Gerig,<br />

10.<br />

59 Suppan 2000:1154.<br />

18


iam der Ansicht, dass Liedtexte „the prevailing attitudes and values of a culture“ 60 reflektieren,<br />

„song is frequently used as an enculturative device. Finally, songs lead as<br />

well as follow, and political and social movements, often expressed through song because<br />

of the license it gives, shape and force the moulding of public opinion.” 61 Explizit<br />

spricht Steinitz die ideologische Funktion von Bergmannsliedern an:<br />

„Die Bedeutung des Bergmannsliedes als einer wichtigen ideologischen Waffe <strong>ist</strong> von den<br />

Grubenherren sehr gut erkannt worden. Seit dem vorigen Jahrhundert [dem 19., M. S.]haben<br />

die einzelnen Grubenverwaltungen, aber auch der Berg- und Hüttenmännische Verein und andere<br />

zentrale Organisationen Liederbücher herausgegeben, in denen einerseits die religiösen<br />

Lieder besonders propagiert, andererseits aber auch unter den Bergleuten verbreitete, nicht betont<br />

religiöse Lieder aufgenommen wurden, unter Weglassung oder Milderung scharf oppositioneller<br />

Strophen [...]. Die Pflege eines ‚loyalen’ Bergmannsliedes durch die Grubenherren<br />

reicht aber sicher weiter zurück.“ 62<br />

Fasst man Lieder insofern als Objektivationen von Ideologien auf, so findet man die i-<br />

deologischen Inhalte selten klar formuliert vor, vielmehr müssen sie analytisch herausgearbeitet<br />

werden. Gleiches gilt für den Gebrauch der Lieder im ideologischen Kontext,<br />

wo die maßgebliche Ideologie aus der konkreten Singsituation heraus rekonstruiert<br />

werden muss. Auf welche Weise, unter welchen Formungsbedingungen und in welchem<br />

Maße Ideologien sich in Liedern objektivieren können, darüber werden in Kapitel 2.2.<br />

genauere Überlegungen angestellt.<br />

Die im Bergbau beschäftigten Menschen können als gesellschaftliche Teilgruppe betrachtet<br />

werden, die sich wiederum nach der Hierarchie des Bergbaubetriebs und der<br />

entsprechenden sozialen Unterschiede untergliedert. Diese Untergliederung kann zur<br />

Folge haben, dass innerhalb dieser Berufsgruppe Ideologien konkurrierenden Inhalts e-<br />

x<strong>ist</strong>ieren. Die Grubenarbeiter haben eventuell eine andere Ideologie als die Ingenieure<br />

und Bergwerksdirektoren. Ein solcher Konflikt zwischen konkurrierenden Ideologien<br />

und den damit verbundenen politischen Vorstellungen fand z.B. in den 1920er Jahren<br />

im Eisenerzer Bergbaubetrieb der Österreichisch-Alpinen Montangesellschaft (ÖAMG),<br />

zwischen den sozialdemokratischen Teilen der Bergarbeiter und der sozialpatriarchalischen,<br />

der Heimwehr nahestehenden Unternehmensleitung statt. 63 Eventuell teilen die<br />

60 Alan P. Merriam, The Anthropology of Music, o. O. 1964: Northwestern University Press, 208.<br />

61 Merriam 1964:208.<br />

62 Steinitz 1955:272.<br />

63 Vgl. Karl Stocker, „Arbeiterschaft zwischen Selbstbestimmung und Unternehmerkontrolle – Einige<br />

Aspekte über Disziplinierung, Machtverhältnisse und Widerstand in Eisenerz“, Otto Hwaletz u.a., Berg-<br />

19


Grubenarbeiter jedoch auch die Ideologie ihrer Vorgesetzten, d.h. es liegt ein hegemoniales<br />

Machtverhältnis vor. Eagleton warnt jedoch davor, aus der Abwesenheit sozialer<br />

Konflikte darauf zu schließen, dass die Ideologie einer dominierenden Gruppe tatsächlich<br />

auch von den untergeordneten Gruppen geteilt wird:<br />

„If people do not actively combat a political regime which oppresses them, it may not be because<br />

they have meekly imbibed its governing values. It may be because they are too exhausted<br />

after a hard day’s work to have much energy left to engage in political activity, or because they<br />

are too fatal<strong>ist</strong>ic or apathetic to see the point of such activity. They may be frightened of the<br />

consequences of opposing the regime; or they may spend too much time worrying about their<br />

jobs and mortgages and income tax returns to give it much thought. Ruling classes have at their<br />

disposal a great many such techniques of ‘negative’ social control, which are a good deal more<br />

prosaic and material than persuading their subjects that they belong to a a master race or exhorting<br />

them to identify with the destiny of the nation.” 64<br />

So wurde in den 1920er Jahren in Eisenerz die organisierte Arbeiterbewegung durch die<br />

ÖAMG politisch massiv bekämpft und durch Entlassungen aus dem Betrieb verdrängt. 65<br />

Eine solche Form der Machtausübung müsste, im Sinne Gramscis, als Herrschaft bezeichnet<br />

werden. Die Drohung mit der Arbeitslosigkeit wird für viele Bergarbeiter ein<br />

hinreichender Grund gewesen sein, sich den Vorstellungen der ÖAMG zu fügen, ohne<br />

sie sich jedoch notwendigerweise zu Eigen zu machen. Andererseits versuchte die<br />

Werksleitung auch durch sozial- und kulturpolitische Maßnahmen, z.B. die Herausgabe<br />

einer Werkszeitung, die Einrichtung eines Kindergartens, die Wiederbelebung der Barbarafeiern<br />

in Verbindung mit bestimmten Bergmannsliedern, ihr Ziel, die „Anpassung<br />

der Arbeiter an die Produktion“ 66 , zu erreichen. Es wurde also durchaus auf Bedürfnisse<br />

der Arbeiter eingegangen, ein Alternativangebot zu dem der Arbeiterbewegung geschaffen,<br />

allerdings mit dem Hintergedanken, einen vollständig in das Arbeitsgefüge integrierten<br />

und sich mit dem Unternehmen identifizierenden, widerspruchslos funktionierenden<br />

Arbeiter zu erhalten, Macht also durch Hegemonie auszuüben. Die dazu notwendigen<br />

Strategien wurden vom Deutschen <strong>Institut</strong> für technische Arbeitsschulung<br />

entwickelt. 67<br />

mann oder Werkssoldat. Eisenerz als Fallbeispiel industrieller Politik. Dokumente und Analysen über die<br />

Österreichisch-Alpine Montangesellschaft, Graz 1984: Edition Strahalm, 15-58.<br />

64 Eagleton 2007:34.<br />

65 Vgl. Stocker 1984:40.<br />

66 Stocker 1984:20.<br />

67 Vgl. Stocker 1984:18-21.<br />

20


Ideologien können auch über- und untergeordneten Rang haben in einem hierarchischen<br />

System von Ideologien, das sich aus der Überschneidung und Verschachtelung sozialer<br />

Gruppen ergibt. Betrachtet man beispielsweise die soziale Gruppe der Vordernberger<br />

Gewerken im 18. Jahrhundert, so wird einerseits eine für diese, durch gemeinsame Geschichte,<br />

wirtschaftliche Interessen und kulturellen Hintergrund definierte Gruppe spezifische<br />

Ideologie vorzufinden sein, andererseits wird diese Gruppe aber auch übergeordnete<br />

Ideologien geteilt haben z.B. den Katholizismus oder die politischen Werte und<br />

Ziele des Hauses Habsburg, Ideologien, die nicht für diese soziale Gruppe spezifisch<br />

waren.<br />

Ernst Topitsch hat im Rahmen seiner Weltanschauungsanalyse den Begriff des plurifunktionalen<br />

Führungssystems geprägt, mit Hilfe dessen sich Ideologien – im zuvor definierten<br />

Sinne – untersuchen lassen. Plurifunktionale Führungssysteme erfüllen drei<br />

Grundfunktionen bei der Orientierung in der Welt, nämlich<br />

„die Funktionen der Informationsvermittlung oder Welterklärung, der Verhaltenssteuerung o-<br />

der Handlungsnormierung und der gefühlsmäßigen Auseinandersetzung mit der Realität im<br />

Sinne einer Weltverklärung oder aber einer Weltüberwindung. Dazu kommen die maßgebenden<br />

Leitvorstellungen, besonders die soziomorphen, technomorphen, biomorphen und ekstatisch-kathartischen.“<br />

68<br />

Die Funktion der Informationsvermittlung besteht darin, Auskunft über die Beschaffenheit<br />

der Welt zu vermitteln, über das Dies- und auch Jenseits, über Natur und gesellschaftliche<br />

Ordnung. Die Funktion der Verhaltenssteuerung erfüllen plurifunktionale<br />

Führungssysteme, indem sie Anweisungen über richtiges und falsches Handeln geben,<br />

indem sie Werte setzen. Die Funktion der gefühlsmäßigen Auseinandersetzung mit der<br />

Realität kann primär auf zwei Arten gele<strong>ist</strong>et werden, zum einen im Sinne einer Weltverklärung,<br />

d.h. die Realität wird als intrinsisch gut und gerecht dargestellt, zum anderen<br />

im Sinne einer Weltüberwindung, d.h. die empirische Welt und das mit ihr verbundene<br />

Leid sind nur etwas Oberflächliches und Unvollkommenes, welches es zu transzendieren<br />

gilt, um eine höhere Ebene der Vollkommenheit zu erreichen. 69<br />

68 Ernst Topitsch, Erkenntnis und Illusion. Grundstrukturen unserer Weltauffassung, 2., überarbeitete und<br />

erweiterte Aufl., Tübingen 1988: Mohr, 9.<br />

69 Zur Verdeutlichung dessen, wie diese Weltanschauungsfunktionen in der Realität vorliegen, könnten<br />

einige Kerngedanken des Chr<strong>ist</strong>entums betrachtet werden, die in den einzelnen Strömungen und Sekten<br />

Teil der Glaubenssysteme sind, unabhängig von theologischen Differenzen im Detail. So wird die Informationsfunktion<br />

durch eine ganze Reihe von Bibelpassagen erfüllt z.B. durch die Schöpfungsgeschichte,<br />

die Geschichte vom Sündenfall, Teile der Bergpredigt usw. Anweisungen zum richtigen Handeln werden<br />

21


Unter den von Topitsch erwähnten Leitvorstellungen sind bestimmte Grundkonzepte<br />

und Modelle zu verstehen, nach denen die Welt gedeutet wird. Topitsch schreibt dazu:<br />

„Diesen vier Gruppen emotional und lebenspraktisch grundlegender Gegebenheiten unseres<br />

Daseins – den sozialen Beziehungen, dem handwerklich-künstlerischen Verfertigen, den auffälligsten<br />

Lebenserscheinungen und der Auseinandersetzung mit dem Druck der Realität – entstammen<br />

die maßgebenden Motive und Modellvorstellungen von Formen der Weltauffassung<br />

und Selbstdeutung, welche viele Jahrtausende hindurch das menschliche Denken fast unbestritten<br />

beherrscht haben und erst unter dem Einfluß der modernen Wissenschaft zurückgetreten<br />

und verblaßt sind. Von jenen zentralen Gegebenheiten ausgehend, erschließt sich der Mensch<br />

die weitere Umwelt, indem er die wohlbekannten und gefühlsgesättigten Merkmale und Eigenschaften<br />

seines engeren Lebenskreises unbewußt auf das Fernerliegende und Unbekannte überträgt.<br />

Auf diese Weise deutet er die Welt soziomorph als gesellschaftliches Gebilde, technomorph<br />

als Erzeugnis der Kunstfertigkeit oder biomorph nach dem Muster des Lebendigen; dazu<br />

kommt noch der [...] Vorstellungskreis der weltüberlegenen ‚Seele’, der besonders in<br />

schaman<strong>ist</strong>ischen und verwandten Formen der Magierekstatik sowie in den Reinigungsmysterien<br />

eine Schlüsselrolle spielt und den man daher als den ekstatisch-kathartischen bezeichnen<br />

kann.“ 70<br />

In Topitschs Analysen finden sich zahlreiche Beispiele für Weltanschauungen aus Gegenwart<br />

und Vergangenheit, die diesen Leitvorstellungen folgen. 71 Für die vorliegende<br />

Untersuchung sind jedoch vor allem die Weltanschauungsfunktionen von Belang, denn<br />

sie liefern die Kategorien, nach denen in der vorliegenden Arbeit einerseits die musikalische<br />

Struktur und die Texte der Bergmannslieder, andererseits die Verwendung der<br />

Bergmannslieder analysiert werden sollen. Allerdings soll auch darauf geachtet werden,<br />

ob und in welchem Maße die erwähnten Leitvorstellungen in Bergmannsliedern zum<br />

Ausdruck kommen.<br />

Es <strong>ist</strong> nicht notwendig alle Ergebnisse Topitschs zu teilen, zu denen er in seinen Untersuchungen<br />

kommt, jedoch liegt mit dem Begriff des plurifunktionalen Führungssystems<br />

ein gutes Werkzeug vor, um Ideologien und ihren Einfluss in der sozialen Realität einer<br />

Analyse zu unterwerfen. Sicherlich <strong>ist</strong> Topitsch zuzustimmen, dass die Funktion der<br />

Welterklärung plurifunktionaler Führungssysteme mehr und mehr durch die Erkenntnisse<br />

der modernen Wissenschaften zurückgedrängt wurde, dass die modernen Wissenin<br />

prominenter Weise durch die zehn Gebote vermittelt. Eine mögliche Form der emotionalen Auseinandersetzung<br />

mit der Realität besteht z.B. in der Lehre vom himmlischen Paradies, das den Gläubigen am<br />

Ende des Weges durch das irdische Jammertal erwartet. Diese Analyse <strong>ist</strong> ohne Frage oberflächlich und<br />

aus religionswissenschaftlicher Sicht wahrscheinlich grob verallgemeinernd, sie sollte aber verdeutlichen,<br />

was unter den beschriebenen Weltanschauungsfunktionen zu verstehen <strong>ist</strong>.<br />

70 Topitsch 1988:58.<br />

71 Vgl. u.a. Ernst Topitsch, Vom Ursprung und Ende der Metaphysik. Eine Studie zur Weltanschauungskritik,<br />

München 1972: Deutscher Taschenbuch Verlag. Topitsch 1988.<br />

22


schaften in Ansätzen Teil des Alltagsverstandes geworden sind. 72 Topitschs aufklärerischer<br />

„Optimismus“, dass der, durch die inneren Widersprüche und die Widersprüche<br />

zur Wissenschaft beförderte, Zerfall der Führungssysteme „langsam und oft stockend,<br />

im ganzen aber wohl unaufhaltsam“ 73 weitergehe, muss zumindest in Frage gestellt<br />

werden, wenn man den derzeitig neu erwachsenden Einfluss etablierter Religionen und<br />

religiöser Alternativbewegungen oder die Wahlerfolge der europäischen Rechten, mehr<br />

noch ihre Beeinflussung des öffentlichen Diskurses betrachtet. Dass plurifunktionale<br />

Fühungssysteme nur in „wesentlich bescheidener Gestalt“ 74 , für die Orientierung im<br />

Alltag fortex<strong>ist</strong>ieren werden, erscheint zweifelhaft, wenn – unter anderem – eine keineswegs<br />

marginale Diskussion über Evolution und Kreationismus geführt wird. Es sollen<br />

hier jedoch keine Prophezeiungen über kommende Entwicklungen gemacht werden.<br />

Festzustellen <strong>ist</strong>, dass Ideologien, in jedem Fall im Bereich der Handlungssteuerung und<br />

emotionalen Auseinandersetzung mit der Welt, sowie in der Funktion der Information,<br />

insbesondere über die soziale Realität, 75 auch heute noch eine nicht zu unterschätzende<br />

Rolle spielen und in der Vergangenheit gespielt haben. Nicht übersehen sollte man, dass<br />

die Werte der Wissenschaft, wie Wahrheit, Objektivität, Intersubjektivität, Kritikfähigkeit<br />

usw., die alles andere als unumstritten sind, auch als Ideologie zu bezeichnen sind,<br />

da sie dem Selbstverständnis der sozialen Gruppe der Wissenschaftler dienen und bei<br />

der Bewertung ihrer Vergangenheit und bei der Orientierung auf die Zukunft helfen. Sie<br />

liefern Informationen, Bewertungen und Handlungsanweisungen, und in gewissem Maße<br />

le<strong>ist</strong>en sie auch Hilfe bei der emotionalen Auseinandersetzung mit der Welt, da sie<br />

die Wissenschaftler in der Gesellschaft legitimieren können. „Wissenschaftlichkeit“ <strong>ist</strong><br />

daher auch ein plurifunktionales Führungssystem, Wissenschaft und Ideologie stehen in<br />

keiner Dichotomie zueinander. Ob, welche und aus welchen Gründen eine Ideologie einer<br />

anderen vorzuziehen <strong>ist</strong>, sind ethische Fragen, die hier nicht beantwortet werden<br />

können.<br />

72 Vgl. Topitsch 1988:242-243.<br />

73 Topitsch 1988:306.<br />

74 Topitsch 1988:307<br />

75 Es wäre hier z. B. an Aussagen des Typs „Die Ausländer nehmen uns die Arbeit weg.“ oder „Nur ein<br />

freier Markt kann den größtmöglichen Wohlstand aller gewährle<strong>ist</strong>en.“ zu denken.<br />

23


2.2. Musik und Ideologie<br />

Im folgenden Kapitel sollen anhand von Beispielen Vorüberlegungen getroffen werden,<br />

wo Musik und Ideologie aufeinander treffen können. Es soll keine umfassende und abgeschlossene<br />

Systematik entworfen werden, sondern vielmehr exemplarisch zentrale<br />

Aspekte des Wirkens von Ideologie in der musikalischen Struktur, im musikalischen<br />

Klang und im Text untersucht werden, und wie Musik im ideologischen, sozialen Kontext<br />

verwendet werden kann. Diese Untersuchungen haben vor allem heur<strong>ist</strong>ischen Wert<br />

für die spätere Analyse von Bergmannsliedern und ihrer Verwendung, sie schärfen den<br />

Blick für Ideologie in der Musik und für Musik in der Ideologie. Als Orientierung dienen<br />

hierbei die Überlegungen Vladimir Karbusickys zum Verhältnis von Ideologie und<br />

Liedern und die Hypothesen Helmut Brenners zur politischen Musikverwendung, die<br />

auch für die Analyse des Verhältnisses von Ideologie und Musik hilfreich sind. 76 Karbusicky<br />

befasst sich in seiner Untersuchung nur mit politischen – fast ausschließlich totalitären<br />

– Ideologien, desweiteren vertritt er einen, in mancher Hinsicht vom hier verwendeten<br />

verschiedenen, Ideologiebegriff mit klar negativer Bedeutung. 77 Sowohl<br />

Brenners als auch Karbusickys Überlegungen müssen daher für die vorliegende Arbeit<br />

adaptiert werden, da in Bergmannsliedern nicht nur – im engeren Sinne – politische, geschweige<br />

denn totalitäre Ideologien eine Rolle spielen.<br />

Es sei zunächst festgestellt, dass es keine ideologische Musik per se gibt. Über Ideologie<br />

in der Sprache schreibt Eagleton:<br />

„Ideology is less a matter of the inherent lingu<strong>ist</strong>ic properties of a pronouncement than a question<br />

of who is saying what to whom. [...] The general point, then, is that exactly the same piece<br />

of language may be ideological in one context and not in another; ideology is a function of the<br />

relation of an utterance to its social context.“ 78<br />

Übertragen auf die Musik bedeutet dies, dass sie ihren ideologischen Gehalt aus dem<br />

entsprechenden sozioh<strong>ist</strong>orischen Kontext ihrer Entstehung bzw. ihrer Verwendung erhält.<br />

Wie musikalische Strukturen ideologisiert werden können, wie ideologische Inhalte<br />

in Texten transportiert werden, welche Rolle die Urheber eines Liedes spielen, wird<br />

in Kapitel 2.2.1. betrachtet. Dass die vom Kompon<strong>ist</strong>en intendierte Bedeutung der Musik<br />

und die Bedeutung, die der selben Musik zu einem späteren Zeitpunkt zugeschrieben<br />

76 Vgl. Karbusicky 1973:11-21. Helmut Brenner, Musik als Waffe? Theorie und Praxis der politischen<br />

Musikverwendung, dargestellt am Beispiel der Steiermark 1938-1945, Graz 1992: H. Weishaupt, 18-56.<br />

77 Vgl. Karbusicky 1973:202-204.<br />

78 Eagleton 2007:9.<br />

24


wird, grundverschieden sein können, <strong>ist</strong> ein rezeptionsgeschichtliches Phänomen. Beispiele<br />

dafür werden im Kapitel 2.2.2. gegeben. In jenem Kapitel stehen Aspekte des<br />

Gebrauchs und der Funktion von Musik in der Gesellschaft im Vordergrund.<br />

Brenner unterscheidet drei intentionale Ebenen bei der politischen Wirksamkeit von<br />

Musik, die hier für die Analyse entsprechend adaptiert werden sollen: Primärintention,<br />

Postintention und Präintention. „Als ‚Primärintention’ wird ausschließlich die vom<br />

Kompon<strong>ist</strong>en bzw. Autor dem Werk zugrundegelegte Intention verstanden, wobei [...]<br />

es keine Rolle spielt, ob dies bewußt oder unbewußt geschieht.“ 79 Es muss hier festgestellt<br />

werden, dass nicht jede Musik eine ideologische Primärintention haben muss. Die<br />

Primärintention muss nicht notwendigerweise erhalten bleiben, sie kann ersetzt oder ü-<br />

berformt werden durch andere Bedeutungen, die aus der Nutzung der Musik entstehen.<br />

80<br />

„Alle jene Intentionen, die, falls eine Primärintention vorhanden <strong>ist</strong>, von dieser unterschiedlich<br />

und chronologisch in einem darauffolgenden Abschnitt angesiedelt sind, oder jene, die einem<br />

ursprünglich ohne Intention entstandenen Werk nach dessen Entstehung beigegeben wurden,<br />

werden in dieser Arbeit mit dem Begriff ‚Postintention’ bezeichnet.“ 81<br />

„Als ‚Präintention’ sollen hier alle jene Intentionen bezeichnet werden, die aufgrund unterschiedlicher<br />

Faktoren intentional sind, ohne daß vom Kompon<strong>ist</strong>en oder Autor diese<br />

Intention – bewußt oder unbewußt vorgegeben wäre.“ 82<br />

Die Präintentionen werden<br />

durch kompositorische und dichterische Entscheidungen quasi „mit ins Boot“ geholt,<br />

durch die Entscheidung für eine bestimmte Form oder Gattung, durch die Auswahl der<br />

Instrumente, Kompositionstechniken, auch Vers- und Reimformen. Präintentionen entstehen<br />

also aus den Konnotationen, die solchen musikalischen und textlichen Elementen<br />

aufgrund ihrer geschichtlichen Entwicklung anhaften. So hat Marschmusik zunächst eine<br />

militärische Konnotation, selbst wenn man einen „Friedensmarsch“ komponieren<br />

würde. „Erwartungshaltungen und Vorurteile spielen bei der Entstehung von Präintentionen<br />

nicht immer, aber oft eine bedeutsame Rolle.“ 83 Bei der analytischen Unterscheidung<br />

von „Ideologie in der Musik“ und „Musik in der Ideologie“, spielt die Primärintention<br />

bei der Frage nach der Ideologie in der Musik eine Rolle. Die Postintentionen<br />

79 Brenner 1992:55.<br />

80 Vgl. Brenner 1992:55.<br />

81 Brenner 1992:55.<br />

82 Brenner 1992:56.<br />

83 Brenner 1992:56.<br />

25


sind Teil der Rezeption von Musik, d.h. sie entstehen bei der ideologischen Verwendung<br />

von Musik, wobei selbstverständlich auch die Primärintention immer noch eine<br />

Rolle spielen kann. Präintentionen spielen in beiden Bereichen eine Rolle.<br />

Wenn eine Unterscheidung der intentionalen Ebenen sinnvoll <strong>ist</strong>, so gilt dies auch für<br />

die Bedeutungsebenen, die in enger Beziehung zu den intentionalen Ebenen stehen.<br />

Karbusicky unterscheidet die angebotenen, die gesellschaftlich angeeigneten und die<br />

analytischen Bedeutungen. Zu den angebotenen Bedeutungen schreibt Karbusicky:<br />

„Diese besteht aus mehreren Teilintentionen: die ursprüngliche ideologische Absicht des Autors<br />

des Liedes; die Intention des Herausgebers, die man aus der Zusammenstellung des Liederbuchs<br />

erkennen kann; Intention der sozialen Gruppe, die sich das Lied angeeignet hat; offizielles<br />

Interesse der Bewegung (der Partei) an der Ideologie des Liedes, die auch nachträglich<br />

hineinprojiziert werden kann [...].“ 84<br />

Trotz Karbusickys Verwendung des Begriffs „Intention“ sollte keine Verwechslung mit<br />

den eben definierten intentionalen Ebenen stattfinden. Die Bedeutungszuweisung <strong>ist</strong> ein<br />

intentionaler Prozess, in dem einem Zeichen als etwas Bezeichnendes ein Bezeichnetes<br />

zugewiesen wird. Die intentionalen Ebenen gehen aber über diesen Prozess der Bedeutungszuweisung<br />

hinaus, mit ihnen sind auch die intendierten Wirkungen und Folgen<br />

gemeint, die ein bestimmtes Stück Musik zur Folge haben soll. Die angebotene Bedeutung<br />

kann insofern primärintentionalen, wie auch postintentionalen Charakter haben,<br />

denn der Herausgeber eines Liederbuchs kann mit der Aufnahme eines Liedes in eine<br />

Sammlung ganz andere Intentionen haben, als der ursprüngliche Kompon<strong>ist</strong> oder Dichter.<br />

Als zweite Bedeutungsebene unterscheidet Karbusicky die gesellschaftlich angeeigneten<br />

Bedeutungen, „die aus einer im Liede angebotenen Ideologie erst die ‚materielle Sozialkraft’<br />

bilden“ 85 . Damit sind also die Bedeutungen gemeint, die von den Menschen,<br />

an welche ein Lied gerichtet <strong>ist</strong>, tatsächlich wahrgenommen wird. Dies <strong>ist</strong> in jedem Fall<br />

ein postintentionaler Rezeptionsprozess, denn die angebotene Bedeutung kann vollständig,<br />

teilweise oder auch missverstanden werden. Entsprechend kann dies auch nichtintendierte<br />

Wirkungen zur Folge haben.<br />

84 Karbusicky 1973:11.<br />

85 Karbusicky 1973:11.<br />

26


Die dritte Bedeutungsebene sind die analytischen Bedeutungen: „die Metasemantik der<br />

Liedgebilde in einem Erkenntnisakt des Forschers. Diese Bedeutungen entstehen in einem<br />

beobachtenden Subjekt bei seiner ‚forscherischen Entfremdung’ der Gesellschaft<br />

gegenüber, in der das Lied unreflektiert funktioniert“ 86 . Hiermit <strong>ist</strong> also die kritischanalytische<br />

Rekonstruktion der ideologischen Bedeutungen – sowohl im Lied als auch<br />

in der Verwendung des Liedes – gemeint, die aus der Position einer möglichst alle relevanten<br />

Parameter umfassenden Gesamtschau heraus durchgeführt wird. Es sei hier angemerkt,<br />

dass zu diesem Erkenntnisakt keineswegs nur der berufsmäßige, wissenschaftliche<br />

Forscher in der Lage <strong>ist</strong>, auch wenn wissenschaftliche Methoden idealerweise die<br />

kritische Analyse unterstützen, denn der d<strong>ist</strong>anzierte Blick auf ein Lied und seinen Kontext<br />

<strong>ist</strong> in gewissem Maße Voraussetzung für jede karikierende Parodierung eines Liedes.<br />

Betrachtet man die drei Bedeutungsebenen, so sind gewisse Zusammenhänge zu dem<br />

Begriffspaar emisch-etisch festzustellen. Die angebotenen und die gesellschaftlich angeeigneten<br />

Bedeutungen sind emische Bedeutungen, insofern sie aus der intrakulturellen<br />

Perspektive der unterschiedlichen Akteure entstehen. Die analytischen Bedeutungen<br />

sind etische Bedeutungen, da sie aus einem extrakulturellen, theoretischen Rahmen heraus<br />

erzeugt werden und nicht aus der Perspektive eines Akteurs im analysierten Phänomen.<br />

2.2.1. Ideologie in der Musik<br />

Sofern vorhanden, <strong>ist</strong> der Text eines Musikstückes das Element, in dem ideologische<br />

Elemente am leichtesten zu erfassen sind. Brenner unterscheidet direkten und indirekten<br />

Textbezug, wobei mit direktem Textbezug eine manifeste Tendenz in einem Text gemeint<br />

<strong>ist</strong>, während die Semantik bei indirektem Textbezug mehrdeutig <strong>ist</strong>. 87 Als verdeutlichendes<br />

Beispiel, das noch mehrmals herangezogen werden wird, sollen das Lied<br />

„Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“ und seine Varianten dienen. Die ursprüngliche Fassung<br />

wurde 1920 von Hermann Scherchen in Anlehnung an Leonid P. Radins Rotgar-<br />

86 Karbusicky 1973:11.<br />

87 Vgl. Brenner 1992:19.<br />

27


d<strong>ist</strong>enmarsch („Kühn, Genossen, im Gleichschritt marschiert“) geschrieben und erlangte<br />

schnell Beliebtheit unter deutschen Sozialdemokraten und Kommun<strong>ist</strong>en. 88<br />

„1. Brüder, zur Sonne, zur Freiheit,<br />

Brüder zum Lichte empor!<br />

Hell aus dem dunklen Vergangnen<br />

leuchtet die Zukunft hervor!<br />

2. Seht, wie der Zug der Millionen<br />

endlos aus Nächtigem quillt,<br />

bis euer Sehnsucht Verlangen<br />

Himmel und Nacht überschwillt!<br />

3. Brüder, in eins nun die Hände,<br />

Brüder, das Sterben verlacht!<br />

Ewig der Knechtschaft ein Ende,<br />

heilig die letzte Schlacht!“ 89<br />

Dieser Liedtext zeichnet sich durch eine Eigenschaft aus, die Karbusicky als „funktionale<br />

Polyvalenz“ 90 bezeichnet, d.h. die Denotation des Textes <strong>ist</strong> ideologisch unspezifisch,<br />

der Textbezug <strong>ist</strong> indirekt. Zwar werden die Funktion der Informationsvermittlung,<br />

Handlungssteuerung und emotionalen Auseinandersetzung erfüllt, aber es <strong>ist</strong> unklar<br />

welche Zukunft aus welchem dunklen Vergangnen hervorleuchtet, was Gegenstand der<br />

Sehnsucht <strong>ist</strong>, welcher Knechtschaft ein Ende gesetzt werden soll und für was in der<br />

letzten Schlacht gekämpft werden wird. Das, was gemeint <strong>ist</strong>, wird erst durch die vom<br />

Kontext bestimmten konnotativen Bedeutungen aufgeklärt. Wenn das Lied von kommun<strong>ist</strong>ischen<br />

Arbeitern gesungen wird, dann <strong>ist</strong> klar, dass die Knechtschaft des Kapitalismus<br />

überwunden werden soll, dass die leuchtende Zukunft eine kommun<strong>ist</strong>ische Gesellschaft<br />

<strong>ist</strong> usw. Ebenso gibt Hermann Scherchens politische Ausrichtung Aufschluss<br />

über die Primärintention des Liedes. Die funktionale Polyvalenz des Liedes hatte jedoch<br />

zur Folge, dass die Nationalsozial<strong>ist</strong>en das Lied unverändert übernehmen konnten und<br />

ihm dadurch eine neue Postintention verliehen. 91 Zu finden <strong>ist</strong> es unter anderem im SA-<br />

88 Reinhard Dithmar, „Das ‚gestohlene’ Lied. Adaptionen vom Liedgut der Arbeiterbewegung in NS-<br />

Liedern“, Gottfried Niedhart und George Broderick (Hgg.), Lieder in Politik und Alltag des Nationalsozialismus,<br />

Frankfurt am Main u.a. 1999: Peter Lang, 25.<br />

89 Dithmar 1993:75.<br />

90 Karbusicky 1973:10.<br />

91 Vgl. Dithmar 1999:25-26.<br />

28


Liederbuch von 1934, allerdings ohne Angaben zum Urheber. 92 Es wurde aber auch ein<br />

neuer Text, von dem mehrere Varianten ex<strong>ist</strong>ieren, 93 über die selbe Melodie gedichtet:<br />

„1. Brüder in Zechen und Gruben, Brüder ihr hinter dem Pflug,<br />

aus den Fabriken und Stuben folgt unseres Banners Zug.<br />

2. Börsengauner und Schieber knechten das Vaterland;<br />

wir wollen ehrlich verdienen fleißig mit schaffender Hand.<br />

3. Hitler <strong>ist</strong> unser Führer, ihn lohnt nicht gold’ner Sold,<br />

der von den jüdischen Thronen vor seine Füße rollt.<br />

4. Einst kommt der Tag der Rache, einmal da werden wir frei:<br />

Schaffendes Deutschland erwache, brich deine Ketten entzwei.<br />

5. Dann laßt das Banner fliegen, daß unsere Feinde es sehn,<br />

immer werden wir siegen, wenn wir zusammen stehn.<br />

6. Hitler sind treu wir ergeben, treu bis in den Tod.<br />

Hitler wird uns führen einst aus dieser Not.<br />

7. Einst waren wir Marx<strong>ist</strong>en, Rotfront und S.P.D.,<br />

heut’ Nationalsozial<strong>ist</strong>en, Kämpfer der N.S.D.A.P.“ 94<br />

War „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“ noch für Sozialdemokraten, Kommun<strong>ist</strong>en und<br />

Nationalsozial<strong>ist</strong>en gleichermaßen tragbar, so <strong>ist</strong> dies bei „Brüder in Zechen und Gruben“<br />

definitiv nicht mehr der Fall. Der direkte Textbezug auf den Nationalsozialismus<br />

stellt jede Adaption für eine andere Ideologie außer Frage. Die Denotation des Liedtextes<br />

gibt bereits die ideologische Ausrichtung vor, das vermittelte ideologische Weltbild<br />

<strong>ist</strong> eindeutig: Deutschland wird vom jüdischen Kapital geknechtet, aber Hitler <strong>ist</strong> der<br />

unkorrumpierbare Führer in eine bessere Zukunft. Ihm gilt es sich anzuschließen und<br />

am „Tag der Rache“ unter seiner Führung die Feinde mit Sicherheit zu vernichten, auch<br />

wenn dies für den einzelnen den Tod bedeuten mag. Irrlehren muss abgeschworen werden,<br />

zu Gunsten der nationalsozial<strong>ist</strong>ischen Ideologie.<br />

Durch die in Kapitel 2.1.1. vorgenommene Definition des Begriffs „Bergmannslied“<br />

wird klar, dass Bergmannslieder primär durch ihre Texte gekennzeichnet sind, ihre Melodien<br />

also prinzipiell austauschbar sind, weshalb der Schluss nahe liegen würde, als<br />

Vorüberlegung für die Analyse von Bergmannsliedern wären allgemeine Betrachtungen<br />

zu Ideologie in Liedtexten ausreichend. Auf Basis dieses empirischen Befunds, der<br />

92 Vgl. Hans Fuchs (Hg.), SA-Liederbuch, vermehrte und verbesserte 2. Aufl., Diessen vor München<br />

1934: Jos. C. Huber, 30.<br />

93 Vgl. Karbusicky 1973:81-82.<br />

94 Fuchs 1934:28-29.<br />

29


durch umfangreiches Material gestützt <strong>ist</strong>, lässt sich jedoch nicht ausschließen, dass<br />

nicht doch musikalische Strukturen für die Analyse von Ideologie in Bergmannsliedern<br />

relevant sein könnten. Selbst wenn kein spezifischer Bergmannsliederstil ex<strong>ist</strong>iert, sind<br />

musikalisch-strukturelle Aspekte für das einzelne Lied und seine möglichen Bedeutungen<br />

und Wirkungen trotz allem relevant. Dies gilt umso mehr für den Fall des konkreten<br />

Gebrauchs eines Liedes: Welchen melo-rhythmischen Charakter besitzt es? Ist es als<br />

Marschlied geeignet? Wie <strong>ist</strong> es arrangiert? Dies alles sind Fragen, die besonders für die<br />

Untersuchung des Bergmannsliedes in der Ideologie relevant sind. Brenner stellt, unter<br />

Bezug auf musikpsychologische Forschungsergebnisse, fest,<br />

„daß, um bestimmte Bereitschaften zu erzielen, bestimmte melodisch/harmonische Modelle<br />

notwendig bzw. diese Modelle nicht beliebig austauschbar sind. Der Text von ‚Auf, auf zum<br />

Kampf’ wird selbst bei Stimmigkeit aller anderen Komponenten mit einer unterlegten, stufenweise<br />

fortschreitenden Choralmelodie weniger gut im Sinne der Weckung von Kampfbereitschaft<br />

funktionieren als die lediglich durch einige Durchgangstöne verschleierte, auf trompetenrufartigen<br />

Dreiklangszerlegungen basierende Originalmelodie im Marschrhythmus.“ 95<br />

Abgesehen von solchen allgemeinen – aber kulturspezifischen – psycho-physischen<br />

Wirkungen musikalischer Strukturen <strong>ist</strong> vor allem ein weiterer Aspekt relevant, nämlich<br />

die Semantik vorhandener struktureller Elemente. Melodien, Rhythmen, Tonsatztechniken,<br />

Instrumentation u.a. können konnotative Bedeutungen aus ihrem Gebrauch erhalten.<br />

Dadurch können strukturelle Elemente als Symbole fungieren, die auf ideologische<br />

Inhalte verweisen. 96 Die Ideologisierung und die symbolische Funktion struktureller E-<br />

lemente sollen daher im Folgenden im Mittelpunkt der Betrachtung stehen.<br />

Zur Frage, welche Rolle Melodien bei der symbolischen Ideologisierung von Musik<br />

spielen können, sollen erneut „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“ und die<br />

nationalsozial<strong>ist</strong>ische Variante „Brüder in Zechen und Gruben“ betrachtet werden. Die<br />

Melodie und der Text waren klar als „links“ konnotiert, das Singen des Liedes durch die<br />

Nationalsozial<strong>ist</strong>en war durchaus ein bewusster Akt der Provokation, ein Umstand, den<br />

sich die Nationalsozial<strong>ist</strong>en auch bei anderen adaptierten Lieder zunutze machten und<br />

sich damit auch brüsteten. 97<br />

Die Informationsfunktion des Liedes wird durch eine<br />

zusätzliche Ebene erweitert: die Nationalsozial<strong>ist</strong>en werden so über ihre linken Gegner<br />

siegen, wie sie sich des Lieds ihrer Gegner ermächtigt haben. Dieser Akt des<br />

symbolischen Triumphes, die Unterwerfung der sozialdemokratischen bzw.<br />

kommun<strong>ist</strong>ischen Melodie, wurde durch „Brüder in Zechen und Gruben“ zugespitzt.<br />

95 Brenner 1992:20-21.<br />

96 Vgl. Brenner 1992:21-22<br />

97 Vgl. Dithmar 1999:24-25.<br />

30


durch „Brüder in Zechen und Gruben“ zugespitzt. Die siebente Strophe verbalisiert das<br />

Überlaufen der Sozialdemokraten und Marx<strong>ist</strong>en zu den Nationalsozial<strong>ist</strong>en explizit,<br />

während gleichzeitig die ursprünglich links konnotierte Melodie den Zwecken der nationalsozial<strong>ist</strong>ischen<br />

Ideologie dient.<br />

Als ein Beispiel für die Ideologisierung<br />

von Musik mittels<br />

des Rhythmus’ kann Hans<br />

Werner Henzes „Oratorio volgare<br />

e militare“ „Das Floß der<br />

Medusa“ angeführt werden. Henze, der sich als Sozial<strong>ist</strong> verstand, schrieb dieses Werk<br />

1967/1968, also im sozioh<strong>ist</strong>orischen Kontext der linken Studentenbewegung in<br />

Deutschland. Gewidmet <strong>ist</strong> das Oratorium Che Guevara, der 1967 hingerichtet wurde.<br />

Der Text Erich Schnabels greift ein Ereignis aus dem Jahre 1816 auf, den Schiffbruch<br />

des französischen Kriegschiffs „Medusa“, in dessen Folge sich die hochrangigen Besatzungsmitglieder<br />

in Rettungsbooten retteten, die niedrigrangigen Mitglieder jedoch in<br />

einem freitreibenden Floß dem Tod Preis gaben. 98 Der in mehreren Sprachen erschienene<br />

Bericht zweier Überlebender und die künstlerische Verarbeitung im Gemälde Théodore<br />

Géricaults hatte schon im 19. Jahrhundert politische, anti-bourbonische Implikationen.<br />

99 Im Finale des Oratoriums wird zunächst von den Pauken, dann auch von den<br />

Tom-Toms ein ostinater Rhythmus gespielt. 100 Nach und nach kommen weitere Instrumente,<br />

vor allem Perkussionsinstrumente, hinzu, über 36 Takte gibt es ein Crescendo<br />

von ppp bis sffff im letzten Takt des Werks. Über diesen ostinaten Rhythmus wird zusätzlich<br />

von der Figur „Charon“ folgender Text gesprochen:<br />

Notenbeispiel 1: Hans Werner Henze, „Das Floß der Medusa“,<br />

Pauken, T. 15-16 nach Ziffer 25.<br />

„Am siebzehnten Juli Achtzehnhundertsechzehn vor zehn Uhr morgens sichtete die Brigg ‚Argus’<br />

das Floß der ‚Medusa’; der Mulatte Jean Charles, der den Blick auf das rettende Schiff gerichtet,<br />

den roten Fetzen geschwenkt hatte, lag in Agonie, als man ihn barg, und <strong>ist</strong> nicht mehr<br />

98 Vgl. Peter Petersen, „Hans Werner Henze: ‚Das Floß der Medusa’ (1968)“, Hanns-Werner He<strong>ist</strong>er<br />

(Hg.), Geschichte der Musik im 20. Jahrhundert: 1945-1975 (= Handbuch der Musik im 20. Jahrhundert<br />

3), Laaber 2005: Laaber-Verlag, 317-318.<br />

99 Vgl. Petersen 2005:318.<br />

100 Vgl. Notenbeispiel 1.<br />

31


erwacht. Die Überlebenden aber kehrten in die Welt zurück: belehrt von Wirklichkeit, fiebernd,<br />

sie umzustürzen.“ 101<br />

Der ostinate Rhythmus entspricht dem Sprachrhythmus der Parole „Ho – Ho – Ho Chi<br />

Minh“, die auf den Anti-Vietnamkriegsdemonstrationen skandiert wurde, er symbolisiert<br />

die Parole. 102 Äußerungen Henzes legen die Annahme nahe, dass er im Finale des<br />

Oratoriums einen das Publikum agitierenden Charakter, ein Durchbrechen der „vierten<br />

Wand“ bewusst intendiert hat. 103 Der Rhythmus würde demnach die Funktion der Informationsvermittlung<br />

und der Handlungssteuerung erfüllen. Er stellt einerseits eine positive<br />

Stellungsnahme zum Kampf des Vietcong – stellvertretend für einen internationalen<br />

und zeitenübergreifenden Kampf um Befreiung aus Unterdrückungsverhältnissen –<br />

dar, andererseits fordert er das Publikum zum Skandieren auf und diesen Kampf zu befürworten.<br />

Schließlich muss noch einmal betont werden, dass der Rhythmus seine ideologische<br />

Bedeutung erst aus dem inhaltlichen Kontext des Werkes und aus dem h<strong>ist</strong>orischen<br />

Kontext der Entstehung des Werkes erhält. Nicht jedes Werk, wahrscheinlich die<br />

wenigsten, in dem ein Rhythmus in den entsprechenden Proportionen auftaucht, nimmt<br />

Bezug auf die Parole „Ho – Ho – Ho Chi Minh“.<br />

Grundsätzlich kann jede normative, ästhetische Lehre als plurifunktionales Führungssystem<br />

angesehen und analysiert werden. Eine solche ästhetische Lehre informiert über<br />

das <strong>Schön</strong>e und das Hässliche, sie gibt Kriterien dafür, was als Kunst aufzufassen <strong>ist</strong><br />

und was nicht usw. Mit einer Poiesis liefert sie Handlungsanweisungen für die künstlerische<br />

Produktion. Bei der emotionalen Auseinandersetzung mit der Realität kann eine<br />

ästhetische Lehre vor allem dann helfen, wenn sie den Vorrang der ihren Kriterien entsprechenden<br />

Kunst legitimiert und somit alle ihre Gegner und Kritiker als unkünstlerisch<br />

brandmarkt. In besonders perfider Weise wurde diese Trostfunktion ästhetischer<br />

Ideologien von Richard Wagner vorgeführt, wenn er in seinem Pamphlet „Das Judentum<br />

in der Musik“ (vor allem in den Ergänzungen zur zweiten Fassung von 1869) seine<br />

musikalischen Misserfolge durch Intrigen eines unmusikalischen, internationalen Juden-<br />

101 Hans Werner Henze, Das Floß der Medusa. Oratorio volgare e militare in due parti (= Musik des 20.<br />

Jahrhunderts), Text von Ernst Schnabel, Studienpartitur, Mainz-London-New York o. J.: Schott (Ed.<br />

6326), T. 15-32 nach Ziffer 25.<br />

102 Vgl. Petersen 2005:321.<br />

103 Vgl. Petersen 2005:321.<br />

32


tums zu erklären versuchte. 104 Vor dem Hintergrund einer solchen Lehre können daher<br />

auch musikalische Aspekte ideologisiert werden, die im Vergleich zu bestimmten Melodien<br />

oder Rhythmen weniger spezifisch und auf einer höheren Ebene erscheinen: z.B.<br />

Tonsatztechniken, Harmonik oder Instrumentation.<br />

Dass solche ideologischen Wertungen Implikationen haben können, die über den unmittelbaren<br />

künstlerischen Diskurs hinausgehen, lässt sich am Beispiel der Ästhetik des sozial<strong>ist</strong>ischen<br />

Realismus demonstrieren. Der Formalismusvorwurf, der zahlreichen Kompon<strong>ist</strong>en<br />

– unter anderem Schostakowitsch, Strawinsky, Krenek und Eisler – gemacht<br />

wurde, traf auch bestimmte Kompositionstechniken wie die Dodekaphonie. Der Kompon<strong>ist</strong><br />

Ernst Hermann Meyer formulierte den Formalismusvorwurf im Jahre 1952 folgendermaßen:<br />

„Formal<strong>ist</strong>ische Tendenzen in der Musik sind nicht neu. Sie traten immer da auf, wo lebendige<br />

soziale Impulse fehlten, wo die Gesellschaftsschichten, die die Kunst trugen in Verfall gerieten.<br />

Dort beruhte das Schaffen des Künstlers nicht auf einem sozial-menschlichen künstlerischen<br />

Mitteilungsbedürfnis, sondern auf einem leeren, abstrakten Konstruierenwollen.“ 105<br />

Der Dodekaphonie <strong>Schön</strong>bergs und seiner Schüler warf er vor „pseudorevolutionär“ 106<br />

zu sein.<br />

„Sie [die Musik <strong>Schön</strong>bergs und seiner Schüler, M.S.] erschien [...] subjektiv als eine anarch<strong>ist</strong>isch-avantgard<strong>ist</strong>ische<br />

Revolte gegen den vom Kapitalismus verdorbenen Massengeschmack,<br />

aber darüber hinaus war sie objektiv vor allem eine Revolte gegen die Volksmusik überhaupt;<br />

sie war gleichzeitig eine Negierung all der positiven Inhaltswerte, die die Klassik von Bach bis<br />

Brahms enthält. Dies – die Negation – <strong>ist</strong> aber das entscheidende an ihr!“ 107<br />

Dodekaphon zu komponieren widerspricht daher der Ästhetik des sozial<strong>ist</strong>ischen Realismus’<br />

und in Folge auch der dahinter stehenden Staatsideologie. Ein grundsätzliches<br />

Charakter<strong>ist</strong>ikum von Kompositionen im Sinne des sozial<strong>ist</strong>ischen Realismus <strong>ist</strong> dem<br />

entgegen eine stark ausprägte Dur/Moll-Tonalität. Jedoch darf auch Dur/Moll-Tonalität<br />

nicht in ah<strong>ist</strong>orischer Weise als Kriterium zur Identifizierung von sozial<strong>ist</strong>ischem Realismus<br />

in der Musik herangezogen werden.<br />

104 Vgl. Richard Wagner, „Aufklärungen über das Judenthum in der Musik“, Richard Wagner, Gesammelte<br />

Schriften und Dichtungen, Bd. 8, 4. Aufl., Leipzig 1907: C.F.W. Siegel’s Musikalienhandlung, 240-<br />

257.<br />

105 Ernst H. Meyer, Musik im Zeitgeschehen, Berlin 1952: Bruno Henschel und Sohn, 149.<br />

106 Meyer 1952:150.<br />

107 Meyer 1993:150.<br />

33


2.2.2. Musik in der Ideologie<br />

Die Frage nach Musik in der Ideologie <strong>ist</strong> die Frage nach Prozessen, denen bereits ex<strong>ist</strong>ierende<br />

Musik unterworfen <strong>ist</strong>. Dies sind im weitesten Sinne Rezeptionsphänomene. Es<br />

<strong>ist</strong> die Frage nach der Funktionalisierung von Musik als Medium von Ideologie in der<br />

konkreten Verwendung. Die Analyse von Musik in der Ideologie muss deshalb die Postintention<br />

beachten, d.h. musikanthropologisch untersuchen, wer wann, wo, für wen, zu<br />

welchem Anlass, mit welchen Mitteln und zu welchem Zweck Musik zur Aufführung<br />

bringt, was sind use und function der Musik im Sinne Merriams. 108 Es muss untersucht<br />

werden, inwiefern und in welcher Ausprägung die drei Funktionen von Ideologie, aufgefasst<br />

als plurifunktionales Führungssystem, durch die Musik im Kontext des Aufführungsanlasses<br />

erfüllt werden. Die Primärintention der verwendeten Musik kann von der<br />

Postintention in der Situation der Verwendung grundverschieden sein. Es sei hier erneut<br />

an „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“ erinnert, dessen Primärintention eindeutig<br />

sozial<strong>ist</strong>isch bzw. kommun<strong>ist</strong>isch war, aufgrund seiner funktionalen Polyvalenz sich<br />

jedoch auch für den Gebrauch unter nationalsozial<strong>ist</strong>ischen Vorzeichen eignete. In<br />

Abhängigkeit davon, in welchem Liederbuch welcher politischer Richtung „Brüder, zur<br />

Sonne, zur Freiheit“ veröffentlicht wurde, änderte sich die angebotene, postintentionale<br />

Bedeutung, d.h. die Ideologie, die durch das Lied artikuliert werden sollte, war jeweils<br />

eine andere. Die gesellschaftlich angeeignete Bedeutung dieses Liedes <strong>ist</strong> dann im<br />

tatsächlich stattgefundenen Gebrauch des Liedes zu finden. Wurde das Lied von der<br />

nationalsozial<strong>ist</strong>ischen Bewegung als nationalsozial<strong>ist</strong>isches Lied akzeptiert, oder<br />

wurde bevorzugt die eindeutigere Variante „Brüder in Zechen und Gruben“ gesungen?<br />

Wurde es als „eigenes“ Lied gesungen oder primär als Provokation? Veränderte sich die<br />

Einstellung der Sozial<strong>ist</strong>en und Kommun<strong>ist</strong>en gegenüber dem Lied, weil es von den<br />

Nationalsozial<strong>ist</strong>en übernommen wurde, fand also auch im linken Kontext ein<br />

Bedeutungswandel statt? Diese Fragen zeigen deutlich, dass die methodischen<br />

Anforderungen für die Untersuchung von Musik in der Ideologie weit über eine<br />

musikimmanente Analyse der verwendeten Musik hinausgehen. 109<br />

108 Vgl. Merriam 1964:209-227.<br />

109 Vgl. Kapitel 1.2.<br />

34


3. Ideologie in Bergmannsliedern<br />

Die theoretischen Überlegungen sollen nun auf ausgewählte Bergmannslieder aus der<br />

Region Eisenerz angewandt werden. Die Auswahl der Lieder erfolgte, abgesehen von<br />

diesem geographischen Kriterium, aus folgenden Gründen: Der Eisenerzer Bergreihen<br />

<strong>ist</strong> das am frühesten datierbare Bergmannslied aus der Region Eisenerz <strong>ist</strong> und hat einen<br />

unmittelbaren Bezug zu dieser Region. „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“ und „Der Bergmannsstand<br />

sei hoch geehret“ wurden in die Analyse mit aufgenommen, da sie sich<br />

auch heute noch einer gewissen Popularität in der Region erfreuen und daher auch für<br />

die Frage nach Bergmannsliedern in der Ideologie ergiebig sein werden. „Früh muß der<br />

Knapp aufstehn“ bzw. „Gott gehört allein die Ehre“, zwei eng mit einander verwandte<br />

Lieder, wurden ausgewählt, da es sich bei diesen beiden Liedern um einige der wenigen<br />

Bergmannslieder aus der Region Eisenerz handelt, die eine sozialkritische Tendenz<br />

aufweisen. „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“ und „Gott gehört allein die Ehre“ sind außerdem<br />

Bergmannslieder, die – in Varianten – im gesamten deutschsprachigen Raum verbreitet<br />

sind.<br />

3.1. Der Eisenerzer Bergreihen<br />

Im 16. Jahrhundert erschienen im deutschsprachigen Raum zahlreiche Sammlungen von<br />

Bergmannsliedern, sogenannter Bergreihen. 110 1588/89 wurden in Graz in der Offizin<br />

des protestantischen Buchdruckers Johann Schmidt zwei Bergreihen veröffentlicht, der<br />

eine über das Eisenerzer Bergwerk, der andere über das in Vordernberg, für die sich<br />

beide ein gewisser, aus Tirol stammender, Sigmund Banstingl (auch Panstingl,<br />

Bainstingl) verantwortlich zeichnete. 111 Diese beiden me<strong>ist</strong>ergesangsartigen 112 Lieder<br />

stehen in einer Reihe mit weiteren, umfänglichen Loblieder auf Bergwerke aus dem 16.<br />

Jahrhundert. 1<strong>13</strong> Im Folgenden soll nur der Eisenerzer Bergreihen diskutiert werden.<br />

„Der Titel des Druckes, den das große Wappen des Erzherzog Carl von Steiermark ziert, lautet<br />

wortgetreu:<br />

110 Vgl. Suppan 2000:1155.<br />

111 Vgl. Anton Schlossar, Oesterreichische Cultur- und Literaturbilder mit besonderer Berücksichtigung<br />

der Steiermark, Wien 1879: Wilhelm Braumüller, 311-312, 326-327.<br />

112 Suppan vermutet sogar die Ex<strong>ist</strong>enz einer evangelisch geprägten Singschule in Eisenerz, die im Zuge<br />

der Gegenreformation erlosch (vgl. Suppan 2000:1161).<br />

1<strong>13</strong> Vgl. Heilfurth 1954:164.<br />

35


Aus Göttlicher genade<br />

Ist dem Edlen Ernvesten und wohlweissen<br />

N: Richter und Rath, Auch den Herren Radma<strong>ist</strong>ern,<br />

sambt ainer gantzen gemainde, souil<br />

deren in dem Weithgerimbten Marckth Eisenärtzt,<br />

im Hertzogthumb Steyr wohnend,<br />

diser Perckreihen von dem Uralten<br />

Eisen Perckwerch alda zu geselligen<br />

Ehren gedicht.<br />

In dem Thon wie man den Störtziger<br />

Perckreihen Singt.“ 114<br />

1655 wurde durch Mathias Abele von Lilienberg eine neue, den geänderten h<strong>ist</strong>orischen<br />

Bedingungen angepasste Fassung dieses Eisenerzer Bergreihens verfasst. 115 Im Gegensatz<br />

zu Heilfurths Aussage, dass die Urfassung von 1588 verschollen sei, 116 veröffentlichte<br />

Anton Schlossar sie 1879. 117 Abele überlieferte auch eine Melodie zum Eisenerzer<br />

Bergreihen, die Konrad Mautner 1919 im Faksimile abdruckte, ergänzt durch eine<br />

nicht unproblematische Transkription. 118 Da hier nur die Fassung von 1588 analysiert<br />

werden soll, wurde für diese Arbeit der Text der ersten Strophe der Banstingl-Fassung<br />

der von Abele tradierten Melodie unterlegt, in dem Bewusstsein, dass diese Melodie<br />

keinesfalls die von Banstingl ursprünglich gemeinte sein muss. 119 Vorsicht <strong>ist</strong> insofern<br />

geboten, da die bei Abele nicht textierte Bassstimme mit aller Wahrscheinlichkeit als<br />

Generalbassstimme 120<br />

gedacht <strong>ist</strong> und nicht als gesungene Stimme, wie Kirnbauer<br />

meint. 121 Eine Generalbassstimme wäre 1588 nicht unbedingt ein Anachronismus, je-<br />

114 Schlossar 1879:312.<br />

115 Vgl. Schlossar 1879:311.<br />

116 Heilfurth 1954:64.<br />

117 Vgl. Schlossar 1879:312-326.<br />

118 Vgl. Konrad Mautner (Hg.), Lob- und Ehren-Spruch von der großen Nutzbarkeit des Edlen und uralten<br />

Stahl- und Eisen-Bergwercks-Kleinods in dem berühmten Markt Eisenärzt des Landes Steyr gelegen /<br />

item: Der gemeine alte Eisenerztische Berck-Reimen auf eine löbl. Innerbergische Haubtgewerckschafft /<br />

und jetzig gegenwärtigen Stand / in etwas verändert durch Mathiam Abele / von Lilienberg / der hochlöbl.<br />

Fruchtbringenden Gesellschaft-Mitgenossen / 1655, Graz 1919: Deutsche Vereins-Druckerey, 10-<br />

12.<br />

119 Vgl. Notenbeispiel 2.<br />

120 Man beachte vor allem die Versetzungszeichen über einigen Basstönen (Vgl. Faksimile bei Mautner<br />

1919:10-11), die, abgesehen von einem Fall, der ein Druckfehler zu sein scheint (T. 10: B im Bass, des<br />

wird durch die Bezifferung gefordert, im Cantus wird aber d 2 gesungen), genau dann auftreten, wenn im<br />

Cantus die Terz zum Basston mit dem entsprechenden Versetzungszeichen auftaucht (T. 11-14).<br />

121 Die von Kirnbauer und Schubert herausgegebene Neuausgabe des Eisenerzer Bergreihens <strong>ist</strong> aufgrund<br />

der vorgenommenen und teilweise auf Fehlinterpretationen der Quellen beruhenden editorischen Eingrif-<br />

36


Notenbeispiel 2: Die erste Strophe des Eisenerzer Bergreihens in der Fassung Banstingls mit der von<br />

Abele überlieferten Melodie.<br />

doch ein ausgesprochen frühes Auftreten der Generalbasspraxis in Österreich. 122 Für die<br />

Entstehungszeit der Fassung Abeles gilt jedoch, „daß der Generalbass in Deutschland<br />

als Struktur- und Kompositionsprinzip selbstverständlich verwendet wurde und ihm eine<br />

fundamentale Bedeutung zukam“ 123 . Zu diesem Urteil kommen auch Federhofer und<br />

Flotzinger:<br />

„Erst die umgearbeitete Neuausgabe von 1655 enthält die Melodie samt einem mitgedruckten,<br />

aber erst später entstandenen Generalbaß, der der altertümlichen, zum Teil noch stark von linearen<br />

Kräften erfüllten Melodie nicht ganz gerecht wird. In ihm äußert sich die neuzeitliche verfe<br />

für wissenschaftliche Zwecke ungeeignet. Vgl. Franz Kirnbauer und Karl Leopold Schubert, Der gemeine<br />

alte Eisenerztische Berck-Reimen (= Leobener Grüne Hefte 46), Wien 1961: Montan-Verlag, 8.<br />

Kirnbauer 1924:37-40.<br />

122 Vgl. Jörg-Andreas Bötticher und Jesper B. Chr<strong>ist</strong>ensen, „Generalbaß“, Ludwig Finscher (Hg.), Die<br />

Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik, zweite, neubearbeitete Ausgabe,<br />

Sachteil, Bd. 3, Kassel u.a. 1995: Bärenreiter-Metzler, 1196-1201.<br />

123 Bötticher und Chr<strong>ist</strong>ensen 1995:1201.<br />

37


tikal-orientierte Musikauffassung, die Kunst- und Volksmusik im 17. Jahrhundert gleichermaßen<br />

durchdringt und zur Ausbildung der Herrschaft des Dur, der Akkordmelodik, Sequenztechnik<br />

und straffen Periodik führt.“ 124<br />

Die Textverteilung auf die Noten der Melodie <strong>ist</strong> bei der abeleschen Fassung keineswegs<br />

eindeutig, vor allem die Zeile „auf daß es muß erklingen“ <strong>ist</strong> unklar. Auffällig <strong>ist</strong><br />

aber, dass die Wortbetonungen bei den unstrittigen Stellen „Freut euch ihr Berckleut“<br />

und „Lobt Gott mit reichem“, ebenso die entsprechenden ersten und dritten Verse der<br />

anderen Strophen, nicht mit dem Metrum des durchgehenden 6/4-Taktes übereinstimmen,<br />

sondern vielmehr einen 3/2-Takt nahe legen. Dieser Umstand würde dafür sprechen,<br />

dass Abele keine neue Melodie komponiert hat, sondern ein präex<strong>ist</strong>entes Melodiemodell<br />

mit wechselndem Metrum in ein festes Taktschema gebracht und mit einer<br />

Generalbassstimme unterlegt hat. Ob der Cantus jedoch der von Banstingl gemeinte<br />

Ton war, <strong>ist</strong> nicht zu klären, solange nicht neue Quellen zur Melodie des verschollenen<br />

Störtziger (d.h. Sterzinger) Bergreihens auftauchen. Aus ideologieanalytischer Perspektive<br />

muss davon ausgegangen werden, dass die Entscheidung für diese spezielle Melodie<br />

keine ideologischen Implikationen hat. Durch den choralartigen Charakter scheint es<br />

eher für den kontemplativen Vortragsgebrauch geeignet, als für den aktiven als Marschoder<br />

Arbeitslied.<br />

Was <strong>ist</strong> der sozioh<strong>ist</strong>orische Kontext in welchem der Eisenerzer Bergreihen entstand?<br />

Das 16. Jahrhundert war in Eisenerz eine Zeit „voll schwerer wirtschaftlicher, politischer<br />

und religiöser Kämpfe, eine Zeit starken Aufstieges und dann unaufhaltsamen<br />

Abwärtsgleitens“ 125 . Die Eisenproduktion stieg bis in die 60er Jahre beständig an, durch<br />

die landesfürstlich reglementierten Eisenpreise, die steigenden Lebenshaltungskosten<br />

und Löhne sowie die starren Handelsregelungen konnten aber keine große Gewinne erwirtschaftet<br />

werden, die Radme<strong>ist</strong>er machten vielmehr Verluste, was mehrere Erhöhungen<br />

des Eisenpreises und der landesfürstlichen Subventionen notwendig machte. 126 Die<br />

Versorgung mit Lebensmitteln und Kohle war ein weiteres dauerhaftes Problem. 127 Der<br />

124 Hellmut Federhofer und Rudolf Flotzinger, „Musik in der Steiermark. H<strong>ist</strong>orischer Überblick“, Rudolf<br />

Flotzinger (Hg.), Musik in der Steiermark. Katalog der Landesausstellung 1980, Graz 1980: o. V., 80.<br />

125 Hans Pirchegger, „Geschichtliches“, Eduard Stepan (Hg.), Der Steirische Erzberg und seine Umgebung.<br />

Ein Heimatbuch (= Sonderheft der Zeitschrift „Deutsches Vaterland“), Bd. 1, Wien 1924: Verlag<br />

„Deutsches Vaterland“, 55.<br />

126 Vgl. Pirchegger 1924:62-63, 73.<br />

127 Vgl. Pirchegger 1924:58, 63-64.<br />

38


Abbau lag in der Hand der Radme<strong>ist</strong>er und fand nach keinem Plan statt, was zur Folge<br />

hatte, dass Stollen einander sehr nahe kamen mit der Gefahr des Einsturzes und dass<br />

sich die Grubenbesitzer mitunter gegenseitig das Erz nahmen, was wiederum gerichtliche<br />

Auseinandersetzungen zur Folge hatte. 128 Immer wieder wurden Klagen über<br />

schlechte Eisenqualität und einen Mangel an Eisen – auch in Zeiten steigender Erzförderung<br />

– laut. 129 Eine zwischen 1539 und 1541 arbeitende Untersuchungskommission<br />

sah die Gründe dafür in schlampiger Arbeit in den Blähhäusern, was eine Reihe neuer<br />

Regelungen und Ordnungen für die verschiedenen Zweige des Montanwesens zur Folge<br />

hatte. <strong>13</strong>0 Unter Erzherzog Karl II. und bis ins 17. Jahrhundert hinein stand der Erzberg<br />

„in Unwürde“, d.h. die Erzförderung ging drastisch zurück, „während der Innerberg im<br />

Jahre 1550 fast 12800 Maß [ein Maß entsprach ca. 9-10 Zentner zu 50kg, M. S.] Eisen<br />

erzeugte, waren es 1578 nur mehr 9700 und 1588 gar nur 9200 Maß“ <strong>13</strong>1 . Die wirtschaftliche<br />

Krise verschärfte sich also gerade in der Entstehungs- und Veröffentlichungszeit<br />

des Eisenerzer Bergreihens. Um die wirtschaftlich-organisatorischen Probleme am Erzberg<br />

in den Griff zu bekommen, schlug bereits 1567 eine Untersuchungskommission<br />

die Gründung einer gemeinsamen Gewerkschaft der Eisenerzer Radwerke vor, ein Plan<br />

der jedoch erst 1625 umgesetzt wurde. <strong>13</strong>2 1583 wurde in Eisenerz eine Eisengesellschaft<br />

gegründet, welche die Eisenerzer Radme<strong>ist</strong>er und Hammerherrn sowie die Steyrer Eisenverleger<br />

umfasste, und welche die Eisenproduktion, vom Erz, über das Roheisen, die<br />

verschiedenen Eisen- und Stahlsorten bis hin zu den Steyrer Händlern, regeln und koordinieren<br />

sollte. <strong>13</strong>3 „Die Klagen über zu wenig und schlechtes Eisen verstummten trotzdem<br />

nicht.“ <strong>13</strong>4<br />

Mit den wirtschaftlichen Veränderungen ging auch ein sozialer Wandel im Bergbau<br />

einher, von einem patriarchalischen Verhältnis des Radme<strong>ist</strong>ers zu seinen Untergebenen<br />

hin zu neuzeitlicheren Lohnarbeitsverhältnissen. Die neu erlassene Bergordnung von<br />

128 Vgl. Pirchegger 1924:55.<br />

129 Vgl. Pirchegger 1924:58-59.<br />

<strong>13</strong>0 Vgl. Pirchegger 1924:59-62, 64, 74-75.<br />

<strong>13</strong>1 Pirchegger 1924:75.<br />

<strong>13</strong>2 Vgl. Pirchegger 1924:74.<br />

<strong>13</strong>3 Vgl. Pirchegger 1924:75.<br />

<strong>13</strong>4 Pirchegger 1924:75.<br />

39


1586 regelte nicht nur die Löhne der in der Eisenproduktion Beschäftigten, sondern sah<br />

auch vor, dass<br />

„jeder Bergmann auf ein Jahr aufgenommen [wurde], der Oberhutmann [Vorarbeiter, M.S.]<br />

mußte sich einer Prüfung unterziehen; er nahm ja zume<strong>ist</strong> die Knappen auf und verrechnete mit<br />

ihnen. Für ihn betrug die Kündigungsfr<strong>ist</strong> einen Monat, für die anderen acht Tage.“ <strong>13</strong>5<br />

In den 80er Jahren verschärften sich mit den wirtschaftlichen Verhältnissen auch die sozialen<br />

Spannungen, 1584 kam es zu einem Hungeraufstand der Palsauer Holzknechte,<br />

1587 erhoben sich die Arbeiter in Eisenerz, welche die Gefängnisse öffneten und damit<br />

drohten die Obrigkeit zu töten. <strong>13</strong>6 Im Februar 1587 brannte ein Feuer zudem das Rathaus<br />

und die Häuser zahlreicher Bewohner nieder. <strong>13</strong>7 Parallel zu den sozioökonomischen<br />

Problemen belasteten im Laufe des 16. Jahrhunderts immer wieder die Auswirkungen<br />

der Kriege mit den Türken den Markt Eisenerz, <strong>13</strong>8 Erzherzog Karl II. nahm allerdings<br />

1565 Bergknappen, Holzknechte, Blähhaus- und Hammerschmiedenarbeiter<br />

explizit von der Rekrutierung aus. <strong>13</strong>9 Weitere Probleme entstanden durch den Protestantismus,<br />

der sich schon früh in Eisenerz verbreitete. 1525 beteiligten sich auch Teile der<br />

Eisenerzer Bevölkerung am Bauernkrieg, was auch religiöse Gründe gehabt haben<br />

könnte und strenge Maßregelungen zur Folge hatte. 140 1538 <strong>ist</strong> bereits ein lutheranischer<br />

Prädikant in Eisenerz nachgewiesen, ab den 60er Jahren scheint der größte Teil der Bevölkerung<br />

protestantisch gewesen zu sein. 141 Auch radikalere Strömungen waren vertreten:<br />

„Unter den Arbeitern gab es manche, die der ‚abgöttischen flacian<strong>ist</strong>ischen Sekte’ angehörten<br />

und sie weiter verbreiteten. Wohl kündete der Rat die Ausweisung an, aber er wagte nicht, sie<br />

durchzuführen. In seiner Hilflosigkeit drohte er sogar mit dem katholischen Erzpriester von<br />

Obersteier (1587)!“ 142<br />

Die wirtschaftlichen Interessen scheinen also höheres Gewicht gehabt zu haben, als die<br />

Positionierung in Konflikten zwischen protestantischen Strömungen. Erzherzog Karl II.<br />

war zwar ein Vorkämpfer der Gegenreformation, jedoch duldete er den Protestantismus<br />

in Eisenerz, offenbar, um nicht die Eisenproduktion und die ihm daraus erwachsenden<br />

<strong>13</strong>5 Pirchegger 1924:75.<br />

<strong>13</strong>6 Pirchegger 1924:76.<br />

<strong>13</strong>7 Vgl. Pirchegger 1924:78.<br />

<strong>13</strong>8 Vgl. Pirchegger 1924:57, 75.<br />

<strong>13</strong>9 Vgl. Gerhard Pferschy, „Arbeit und Leben im steirischen Eisenwesen“, Paul W. Roth (Hg.), Erz und<br />

Eisen in der Grünen Mark. Beiträge zum steirischen Eisenwesen, Graz 1984: o. V., 391-392.<br />

140 Vgl. Pirchegger 1924:57.<br />

141 Vgl. Pirchegger 1924:67-68, 77-78.<br />

142 Pirchegger 1924:78.<br />

40


Einnahmen zu gefährden. 143 Alles in allem erscheint der Hintergrund, vor dem Sigmund<br />

Banstingl den Eisenerzer Bergreihen dichtete, nicht sonderlich rosig.<br />

Der Eisenerzer Bergreihen umfasst 53 Strophen zu acht Versen, denen einige weitere<br />

Verse vorangestellt sind. In ihnen wird gleich zu Beginn über die angebotene Bedeutung<br />

informiert:<br />

„Weil man all Perckwerch preisen thuet,<br />

Mit manichen Perckreyen guet,<br />

So will ich preisen auch deßgleich,<br />

Ain Uralt Perckwerch guet und reich“ 144 .<br />

Lobpreisung des Bergbaus in Eisenerz, typisches Thema vieler Bergmannslieder, 145 soll<br />

also der Zweck des Liedes sein, der auch in äußerst direktem Textbezug erfüllt wird.<br />

Die vier ersten Strophen haben expositionsartigen Charakter, 146 darauf folgen elf Strophen,<br />

die den Mitgliedern der Obrigkeit und Verwaltung im Eisenerzer Bergbau gewidmet<br />

sind: den Radme<strong>ist</strong>ern (5., 11. und 12. Strophe), Erzherzog Karl II., dem Stifter<br />

der Bergordnung (6. und 7. Strophe) und den fürstlichen Verwaltungsbeamten, im einzelnen<br />

dem Amtmann (8. Strophe), dem Bergrichter (9. Strophe), den Schreibern, dem<br />

Bergschinner 147 und den geschworenen Einfahrern 148 (10. Strophe), des weiteren dem<br />

Richter und dem Rat des Marktes Eisenerz (<strong>13</strong>. Strophe), dem Verweser des Radwerkes<br />

im Ratsbesitz (14. Strophe), schließlich den Hutleuten der Radme<strong>ist</strong>er, d.h. ihren Vorarbeitern<br />

im Bergbau (15. Strophe). 149 Die nächsten neun Strophen beschreiben den Abbauprozess<br />

im Bergwerk inklusive aller daran beteiligter Arbeit, vom Stollenhäuer bis<br />

zum Erzführer, der das Erz ins Blähhaus fährt (16. bis 23. Strophe). 150 Nun folgen vier<br />

Strophen über das Holzschlagen, die Holzkohleerzeugung und die mit diesen Aufgaben<br />

befassten Arbeiter, auch die drei Holzrechen in Hieflau, Reifling und Gams finden Erwähnung<br />

(24. bis 27. Strophe). 151 Zwei Strophen sind den Blähhäusern am Erzbach sowie<br />

den Zimmerleuten, Maurern und Balgsetzern gewidmet, die sie erbauen (28. und<br />

143 Vgl. Pirchegger 1924:77.<br />

144 Schlossar 1879:312.<br />

145 Vgl. Heilfurth 1954:164-182.<br />

146 Vgl. Schlossar 1879:3<strong>13</strong>-314.<br />

147 Damit <strong>ist</strong>„eine Art Grubengeometer“ (Pferschy 1984:388) gemeint.<br />

148 Sie dienen als „Hilfsorgane zur regelmäßigen Kontrolle der Bergwerke“ (Pferschy 1984:389).<br />

149 Vgl. Schlossar 1879:314-317.<br />

150 Vgl. Schlossar 1879:317-319.<br />

151 Vgl. Schlossar 1879:319-320.<br />

41


29. Strophe). 152 Darauf folgen zehn Strophen über die Roheisenproduktion und die<br />

Blähhausleute (30. bis 39. Strophe). 153 Danach folgt je eine Strophe über die Hammerherren<br />

(40. Strophe) und die Kaufherren (41. Strophe), also die beiden anderen Glieder<br />

im Produktionsprozess und Handel mit Eisenprodukten neben den Radme<strong>ist</strong>ern. Drei<br />

Strophen behandeln den Wiegevorgang der Maße Roheisen durch Wäger und Gegenschreiber,<br />

die Berechnung der Abgaben durch den Mautschreiber und den Transport des<br />

Roheisens in die Hammerwerke (42. bis 44. Strophe). 154<br />

Als letzter Schritt im<br />

Produktionsprozess wird die Arbeit im Hammerwerk beschrieben (45. und 46.<br />

Strophe). 155 In der 47. Strophe finden schließlich auch der Bergschmied, der Fuhrmann,<br />

die schönen Frauen und der gute Wein Erwähnung, denn<br />

„Wier wöllen khains außlassen,<br />

Mueß als beym Perckhwerk sein.“ 156<br />

In den abschließenden sechs Strophen wird der Nutzen des Eisenerzer Bergbaus für das<br />

gesamte Land und alle Einwohner betont (48. und 50. Stophe), das häufig in Bergmannsliedern<br />

auftauchende Motiv von der Notwendigkeit des Eisens in allen Lebensprozessen<br />

wird in der 49. Strophe verarbeitet, eine Fürbitte wird an Gott gerichtet, Eisenerz<br />

zu segnen (51. Strophe), in der 52. Strophe offenbart sich schließlich Banstingl<br />

als Dichter und die letzte Strophe <strong>ist</strong> eine allgemeine Fürbitte an die heilige Dreifaltigkeit.<br />

157<br />

Als wichtige Frage hinsichtlich der Primärintention muss geklärt werden, worin<br />

Banstingls Motivation bestand, den Bergreihen zu schreiben und in Druck zu geben.<br />

Die Widmung an Richter, Rat und Radme<strong>ist</strong>er auf der Titelseite deutet darauf hin, dass<br />

er sich zumindest eine Entlohnung von Seiten des Marktes Eisenerz erhofft hat, wenn er<br />

nicht gar im Auftrag der Radme<strong>ist</strong>er handelte, die ja die einflussreichste Gruppe im Rat<br />

waren und aus deren Mitte der Richter gewählt wurde. Hierbei muss auch auf die 52.<br />

Strophe verwiesen werden, in der Banstingl sich vorstellt, quasi als Adressat für „all<br />

152 Vgl. Schlossar 1879:320.<br />

153 Vgl. Schlossar 1879:320-323.<br />

154 Vgl. Schlossar 1879:323-324.<br />

155 Vgl. Schlossar 1879:324-325.<br />

156 Schlossar 1879:325.<br />

157 Vgl. Schlossar 1879:325-326.<br />

42


frombe Herren“ 158 , die ihm das Gedicht nicht „verargen“ 159 . Dass als angebotene Bedeutung<br />

Lobpreisung intendiert <strong>ist</strong>, wurde bereits festgestellt, entsprechend <strong>ist</strong> aus ideologiekritischer<br />

Perspektive vor allem die Informationsfunktion vertreten. Minutiös werden<br />

alle Arbeitsprozesse und das Sozialgefüge mit seinen Hierarchien dargestellt. Zwar<br />

wacht über den Erzberg Karl II. mit seinen Beamten, die zentrale Rolle haben jedoch<br />

die Radme<strong>ist</strong>er, „fürsichtig weisse Herren“ 160 (11. Strophe), die zuerst in der 5. Strophe<br />

und damit noch vor dem Erzherzog erwähnt werden. An den Radme<strong>ist</strong>ern hängen der<br />

Bergbau und die Roheisenproduktion, die Darstellung der Rolle der Hammerme<strong>ist</strong>er<br />

und Kaufleute fällt verhältnismäßig gering aus, die Stadt Steyr, deren Kaufleute die einzigen<br />

waren, die das Eisenerzer Eisen erwerben durften, wird nicht einmal erwähnt.<br />

Diese Betonung der Stellung der Radme<strong>ist</strong>er korreliert mit der Widmung des Bergreihens.<br />

Ihre Konflikte mit der fürstlichen Admin<strong>ist</strong>ration werden verständlicherweise<br />

nicht erwähnt, 161 allerdings erhalten die niederrangigen Beamten, die Bergschinner, Einfahrer<br />

und Schreiber, zweifelhaftes Lob:<br />

„Des Lob habens all sambte,<br />

Sy Trincken all gern Wein“ 162 (10. Strophe).<br />

Dies kann als versteckte Spitze gegen die Verwaltung gedeutet werden.<br />

Die Arbeitsprozesse und die verschiedenen Arbeitsektoren (Bergwerk, Blähhaus, Hammerwerk)<br />

werden als vollkommen ineinandergreifend beschrieben. Die Güte und die<br />

große Menge des produzierten Roheisens, dem Produkt, für welches die Radme<strong>ist</strong>er<br />

verantwortlich sind, wird explizit gelobt:<br />

„Guet Eisen werth gemachte,<br />

Vil Khol man brauchen thuet,<br />

Die Mässen sy da machen,<br />

Bey vierzehn Centen schwär“ 163 (34. Strophe)<br />

Jeder Beschäftigte erfüllt seine Funktion, hat seinen Platz in der sozialen Hierarchie.<br />

Dies <strong>ist</strong> eine klare Verklärung der real ex<strong>ist</strong>ierenden Verhältnisse am Erzberg, bedenkt<br />

man den massiven Rückgang der Produktion, die Beschwerden der Hammerme<strong>ist</strong>er ü-<br />

ber ausbleibende Lieferungen und schlechte Qualität des Eisens und die erst 1587 er-<br />

158 Schlossar 1879:326.<br />

159 Schlossar 1879:326.<br />

160 Schlossar 1879:315.<br />

161 Vgl. Pirchegger 1924:76.<br />

162 Schlossar 1879:315.<br />

163 Schlossar 1879:321-322.<br />

43


folgten sozialen Unruhen der Arbeiter. In der informativen Darstellung der Arbeitsverhältnisse<br />

steckt also durch indirekten Textbezug die Handlungsanweisung, sich in die<br />

bestehende Ordnung einzufügen und seine Aufgaben zu erfüllen. Damit wird gleichzeitig<br />

auch die Funktion der emotionalen Auseinandersetzung mit der Welt erfüllt, denn<br />

die bestehenden Verhältnisse werden als von Gott gewollt und gesegnet dargestellt.<br />

Durchgehend finden sich floskelhafte Verse wie<br />

„Gott hat auß gnaden geben,<br />

Viel Perckhwerch uberall“ 164 (2. Strophe).<br />

„Darin Gott auf hat thon,<br />

Ain Eisen Perckhwerch guette“ 165 (3. Strophe)<br />

„Vil Tausend Man werden genährt,<br />

Durch die Göttlichen genaden,<br />

Bey disem Perckhwerch guet“ 166 (4. Strophe).<br />

„Eisenärtzt mag sich freuen,<br />

Der Reichen Gottes gaben.“ 167 (5. Strophe)<br />

„Gar Hoch wöllen wir preisen,<br />

Auß Göttlicher genad,<br />

Die Edl Besten unnd weisen,<br />

N: Richter unnd auch Rath“ 168 (<strong>13</strong>. Strophe).<br />

„Herrn Radma<strong>ist</strong>er guet,<br />

Jeder hat Aigens Holtze,<br />

Auß Göttlicher genad“ 169 (23. Strophe).<br />

„Die Hamerleuth alsannt,<br />

Gott wöl ihn Glückh bescheren“ 170 (45. Strophe).<br />

Nach wiederholten Fürbitten für verschiedene der im Bergbau Beschäftigten in den vorherigen<br />

Strophen, folgt schließlich die Fürbitte für ganz Eisenerz in der 51. Strophe:<br />

„Last uns bitten den Herrn,<br />

Der alle Dieng vermag,<br />

Das Er Segne und mehre,<br />

Solich sein milde gab,<br />

Gott wöl Euch allen geben,<br />

In Eisenärtzter Thall.<br />

Gesundt und friedt darneben,<br />

Das bitt wier alle mall.“ 171<br />

164 Schlossar 1879:3<strong>13</strong>.<br />

165 Schlossar 1879:3<strong>13</strong>.<br />

166 Schlossar 1879:314.<br />

167 Schlossar 1879:314.<br />

168 Schlossar 1879:316.<br />

169 Schlossar 1879:319.<br />

170 Schlossar 1879:325.<br />

171 Schlossar 1879:326.<br />

44


Die Härten und auch die Gefahren der Arbeit in Grube und Blähhaus werden vereinzelt<br />

tatsächlich angesprochen:<br />

„Ain gang thuet er in machen,<br />

Woll durch den fösten Stain,<br />

Das ein dem Perg thuet krachen,<br />

Sein Arbeit <strong>ist</strong> nit khlain.“ 172 (17. Strophe).<br />

„Wann nun das Artzt thuet prechen,<br />

Woll von der vesten Wandt,<br />

So muessen sy sich umbsehen,<br />

In sorgen sy dann stan,<br />

Offt Leib und Leben wagen.<br />

In das Gebürg hindan“ 173 (19. Strophe).<br />

„Die Hack steckht offt darinnen,<br />

Wol in der Massen haiß,<br />

Das ihn herab thuet Rinnen,<br />

Von hitz der Angstlich Schwaiß.“ 174 (35. Strophe).<br />

„Sy brauchen ein lauchschlegl,<br />

Bey Viertzig pfundten schwähr,<br />

Das vertreibt ihn die Gegl,<br />

Macht auch den Bauch gar Lär.“ 175 (36. Strophe).<br />

Die Gefahr und Härte wird aber durch die wiederholten Verweise auf die von Gott gewollte<br />

Ordnung und den Schutz Gottes kompensiert. Die 53. Strophe, mit welcher das<br />

Lied endet, <strong>ist</strong> schließlich ein allgemeines Gebet, in welchem diese Trostfunktion Gottes<br />

klar artikuliert wird:<br />

„Gott Vater wöll wier preisen,<br />

Sambt sein Sohn Jesum Chr<strong>ist</strong>,<br />

Auch den heiligen Ga<strong>ist</strong>e,<br />

Der unser Tröster <strong>ist</strong>,<br />

Allhie in diesem Leben,<br />

Helff uns Gott allen gleich,<br />

Darnach wöll er uns geben<br />

Das ewig himmelreich.<br />

AMEN.“ 176<br />

Der Trost reicht über den Schutz Gottes im Leben hinaus in das Leben nach dem Tod.<br />

Bei den religiösen Motiven im Eisenerzer Bergreihen sind aus ideologieanalytischer<br />

Sicht zwei weitere Aspekte interessant. Der erste <strong>ist</strong> die soziomorphe Interpretation Jesus’<br />

als Hutmann in der 2. Strophe:<br />

172 Schlossar 1879:317.<br />

173 Schlossar 1879:318.<br />

174 Schlossar 1879:322.<br />

175 Schlossar 1879:322.<br />

176 Schlossar 1879:326.<br />

45


„Darumben wöll wier dankhen,<br />

Dem Herrn Jesum Chr<strong>ist</strong>,<br />

In preisen mit Gesangke,<br />

Der unser Huetmann <strong>ist</strong>.“ 177<br />

Zum einen wird daraus die Autorität des Hutmanns im Bergbau ersichtlich, zum anderen<br />

wird die Gesamtordnung der Welt mit der Ordnung und Hierarchie des Bergbaus<br />

gleichgesetzt, was wiederum Rechtfertigung dieser Hierarchie <strong>ist</strong>. Der zweite Aspekt <strong>ist</strong><br />

die auffällige Tatsache, dass im gesamten Lied weder Maria noch andere Heilige erwähnt<br />

werden, insbesondere nicht die klassischen Bergbauheiligen Daniel und Barbara.<br />

Der Bergreihen <strong>ist</strong> zwar klar chr<strong>ist</strong>lich, in chr<strong>ist</strong>licher Hinsicht jedoch polyvalent, da er<br />

nur auf die unumstrittene Dreifaltigkeit verwe<strong>ist</strong>. Er <strong>ist</strong> für Protestanten wie Katholiken<br />

gleichermaßen akzeptabel. Das wird einerseits den Vorstellungen der Widmungsträger<br />

entgegengekommen sein, andererseits aber auch nicht die Rezeption des Bergreihens<br />

bei Katholiken behindert haben.<br />

Wie <strong>ist</strong> der Eisenerzer Bergreihen zusammenfassend zu beurteilen? Als Primärintentionen<br />

lassen sich folgende Aspekte anführen: 1. die Lobpreisung des Bergbaus in Eisenerz<br />

und damit auch der Widmungsträger. Dies <strong>ist</strong> die angebotene Bedeutung; 2. die<br />

Verklärung der sozialen Ordnung des Bergbaus als von Gott gewollt und gesegnet, mit<br />

dem Ziel sozialen Friedens bei Beibehaltung der Ordnung. Diese Botschaft <strong>ist</strong> an alle<br />

Mitglieder des Bergbaus gerichtet, insbesondere aber an die, die den größten Härten<br />

ausgesetzt sind; 3. Werbung für den von ökonomischen Problemen geplagten Bergbau.<br />

Der Produktionsprozess und die produzierte Ware werden als einwandfrei dargestellt.<br />

Diese Werbebotschaft <strong>ist</strong> nach außen gerichtet. Für diese werbende Intention spricht der<br />

Umstand, dass der Bergreihen, vor dem Hintergrund der Gegenreformation in der Steiermark,<br />

weder eindeutig protestantisch noch katholisch <strong>ist</strong>. Die Motivation Banstingls,<br />

den Bergreihen zu schreiben, wird vermutlich die Hoffnung auf Entlohnung oder die im<br />

Vorhinein vereinbarte Entlohnung durch die Widmungsträger gewesen sein.<br />

Über die Rezeption des Bergreihens <strong>ist</strong> wenig bekannt, weshalb sich nicht sagen lässt,<br />

ob die hier analytisch festgestellten Primärintentionen auch von Erfolg gekrönt waren.<br />

Schlossar schreibt, dass der Eisenerzer Bergreihen „ausgesprochenerweise als Volkslied<br />

177 Schlossar 1879:3<strong>13</strong>.<br />

46


vorkommt“ 178 . Er erläutert jedoch nicht näher, ob darunter zu verstehen <strong>ist</strong>, dass der<br />

Bergreihen – zumindest in Teilen – im 19. Jahrhundert tatsächlich gesungen wurde. Der<br />

Bergreihen kann zumindest in der Mitte des 17. Jahrhunderts nicht vollkommen der<br />

Vergessenheit anheim gefallen sein, schließlich hätte ihn Matthias Abele sonst nicht ü-<br />

berarbeiten können. Schlossar sieht in dem Titel der Fassung Abeles („Der gemeine alte<br />

Eisen-Ertz-Tische Berg Reimen usw.“) „einen Beweis, daß schon im Jahre 1655 das<br />

Lied als alt betrachtet wurde und sich volksthümlichen Eingang in den Kreisen der<br />

Bergleute verschafft hatte“ 179 . Die zweite Schlussfolgerung erscheint doch höchst spekulativ<br />

und es sei Heilfurths Urteil zitiert, hinsichtlich der Wirksamkeit der Loblieder<br />

auf Bergwerke aus dem 16. Jahrhundert:<br />

„Denn so beachtlich der kulturgeschichtliche Wert dieser großangelegten Lieder <strong>ist</strong> und so aufschlußreich<br />

sie gerade für die bergbauliche Frühzeit sind, so <strong>ist</strong> doch im allgemeinen ihre<br />

Wirksamkeit durch eine Häufung der Details von oft nur lokalem Interesse und durch die Breite<br />

der auf Vollständigkeit zielenden Berichterstattung herabgemindert.“ 180<br />

3.2. „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“<br />

Die Urheberschaft von „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“ <strong>ist</strong> unklarer als beim Eisenerzer<br />

Bergreihen. Der früheste bekannte Beleg <strong>ist</strong> eine Liederhandschrift, die als Kopie im<br />

DVA liegt. 181 Auf dem Einband der Handschrift steht geschrieben: „Liedersammlung<br />

für Pfr. Sauter zu Schramberg“. Darauf folgt eine Widmungsseite:<br />

„Zum Andenken<br />

v. seinem Freunde<br />

Caspar Jutz 1830.<br />

morbus est 1855.<br />

M. Lauter Cooperator<br />

zu<br />

30<br />

Constanz. 1835.“ 182<br />

Der Zusatz „morbus est 1855.“, der wohl auf Caspar Jutz zu beziehen <strong>ist</strong>, <strong>ist</strong> von einer<br />

anderen Hand (Pfarrer Sauters?) geschrieben. Ebenso <strong>ist</strong> auffällig, dass die Zahlen 1-8-<br />

3-5 in einer Ebene stehen und 3-0 oberhalb von 3-5 geschrieben <strong>ist</strong>. Wie dieses Faktum<br />

genau zu interpretieren <strong>ist</strong>, <strong>ist</strong> für die vorliegende Untersuchung irrelevant, die Handschrift,<br />

kann damit aber auf jeden Fall auf den Zeitraum 1830-1835 datiert werden. In<br />

178 Schlossar 1879:311.<br />

179 Schlossar 1879:311.<br />

180 Heilfurth 1954:164.<br />

181 Die Handschrift im DVA trägt die Signatur HL 211.<br />

182 DVA, HL 211, Bl. 2.<br />

47


dieser Handschrift befindet sich ein Lied mit dem Titel „Der Bergmann“, das eine Variante<br />

des Liedes „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“ <strong>ist</strong>, die sowohl textlich als auch melodisch<br />

mit dem Gros der späteren Varianten eng verwandt <strong>ist</strong>. 183 „Wesentlichen Veränderungen<br />

<strong>ist</strong> das Lied auf seinen Wanderungen im allgemeinen nicht unterzogen worden“<br />

184 , stellt Heilfurth fest, auch wenn ihm die Variante der Handschrift nicht bekannt<br />

war.<br />

Notenbeispiel 3: „Der Bergmann“ aus der „Liedersammlung für Pfr. Sauter zu Schramberg“.<br />

Die Melodie we<strong>ist</strong> einen eher kontemplativen Charakter auf. Sie steht im Dreivierteltakt,<br />

was einen Gebrauch als Marschlied sehr erschweren würde. Auf die sangliche Melodie<br />

in den Takten 1-8 folgt ein sich wiegender Abschnitt mit großen Intervallsprün-<br />

183 Vgl. Notenbeispiel 3, Text siehe unten. Von den bekannten Liedbelegen mit Melodie we<strong>ist</strong> nur DVA,<br />

A 166436 eine Melodie eines anderen Typs auf.<br />

184 Heilfurth 1954:255.<br />

48


gen. Ein auffälliges harmonisches Merkmal <strong>ist</strong> das Ausweichen in die Subdominante in<br />

diesen Takten 9-12. Die eigentliche Tonika wird hier (Takt 9 und 11) zum Dominantseptakkord,<br />

bezogen auf die Subdominante (Takt 10 und 12). Dieses Merkmal <strong>ist</strong> auch<br />

für die späteren Melodievarianten typisch. Eine Zäsur im Melodiefluss stellt der rezitativische<br />

Abschnitt von Takt <strong>13</strong> bis 16 dar, auf den der Refrain folgt. Dieser wird ebenfalls<br />

durchbrochen von dem tänzerischen lalala-Abschnitt von Takt 20-24. Dieser tänzerische<br />

Abschnitt fehlt später in vielen Melodievarianten. Die letzte Wiederholung des<br />

„und auf Gott, auf Gott vertraut“ wird durch das geforderte rallentando besonders betont.<br />

Der vollständige Text des Liedes lautet:<br />

„1. <strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>,<br />

herrlich <strong>ist</strong> sein Lohn,<br />

seine Schäze geben<br />

Glanz dem Königsthron.<br />

In der Erde Gründen,<br />

in den Felsenschlünden,<br />

strahlt der König der Metalle,<br />

blizen lautere Chrystalle.<br />

Drum hinaufgeschaut, drum hinaufgeschaut<br />

und auf Gott auf Gott vertraut!<br />

la la la usw.!<br />

Drum hinaufgeschaut, drum hinaufgeschaut<br />

und auf Gott auf Gott vertraut,<br />

und auf Gott, auf Gott vertraut.<br />

2. Wenn bey Wetterstürmen,<br />

Mensch und Thier sich scheuen,<br />

Wogen hoch sich thürmen<br />

er kann ruhig sein.<br />

Mag der Donner brüllen,<br />

Nacht den Tag verhüllen,<br />

er im sichren Schoß der Erde,<br />

trotzet jeglicher Gefährde;<br />

Drum hinaufgeschaut, usw.<br />

3. Wenn vom Erdenwallen,<br />

er nach Ruh sich sehnt,<br />

Lied und Ton verhallen<br />

kein „Glückauf“ mehr tönt.<br />

Wenn der Hammer schweiget,<br />

Bergmannsabend neiget,<br />

fliegt der Ge<strong>ist</strong> zum ewigen Lichte,<br />

erntet stiller Tugend Früchte;<br />

Drum hinaufgeschaut, usw.“ 185<br />

185 DVA, HL 211, Bl. 119-120.<br />

49


Interessant <strong>ist</strong> an dieser Textvariante, dass sie konsequent in der dritten Person berichtet.<br />

186 Es <strong>ist</strong> die Beschreibung des furchtlosen, tugendhaften, chr<strong>ist</strong>lichen Bergmanns,<br />

dessen Glaube ihn vor den Gefahren bewahrt und der aus einer Wunderwelt der Kr<strong>ist</strong>alle<br />

und des Goldes die Reichtümer der Welt an den Tag befördert. Sein Lohn <strong>ist</strong> die<br />

Aufnahme im Himmelreich als Ernte „stiller Tugend Früchte“. Diese idyllische Beschreibung<br />

korreliert mit dem melodischen Charakter. Die me<strong>ist</strong>en anderen Varianten<br />

wechseln nach der ersten Strophe in die erste Person Plural. Das Lied wird damit also<br />

zum „Wir“-Lied. Die Folgen dieses Perspektivwechsels werden weiter unten diskutiert.<br />

In der Regel bilden die drei Strophen der Liederhandschrift, in diversen Abwandlungen,<br />

die Basis für die bekannten Liedbelege. Gelegentlich sind auch zusätzliche Strophen zu<br />

finden.<br />

Rechts neben dem Liedtitel befindet sich eine etwas unleserliche Angabe „v. Kreuzer“.<br />

Tatsächlich <strong>ist</strong> damit der Kompon<strong>ist</strong> Conradin Kreutzer (1780-1849) gemeint, 187 denn<br />

im Werksverzeichnis von 1980 <strong>ist</strong> als KWV 7123 ein „Bergmannslied“ für Männerchor<br />

verzeichnet, dessen Text mit „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> Bergmanns Leben“ beginnt und für welches<br />

folgende Quelle angegeben wird: „Stift Kremsmünster, Musikarchiv, G 42, 710; Handschrift<br />

um 1830 von Pfarrer Efrauenberger [sic! Damit muss Ernest Frauenberger gemeint<br />

sein. M.S.]“ 188 . Ernest Frauenberger (1769-1840) war Mönch im Stift Kremsmünster<br />

und Pfarrer verschiedener Gemeinden. 189 Daneben war er als Kompon<strong>ist</strong> tätig:<br />

„Frauenbergers Schaffen umfaßt vier Gebiete: Lateinische Kirchenmusik, das deutsche<br />

Kirchenlied, das deutsche weltliche Kunstlied mit geselligen Gelegenheitskompositionen,<br />

Klavierwerke.“ 190 Ein großer Teil seiner Produktion <strong>ist</strong> dem Bereich des weltlichen<br />

186 Die Variante aus der Liederhandschrift <strong>ist</strong> melodisch und textlich beinahe identisch mit einer Variante<br />

aus der Schweiz (vgl. Heilfurth 1954:514-515). Diese Fassung <strong>ist</strong> daher nicht, wie Heilfurth annimmt<br />

(vgl. Heilfurth 1954:277), durch einen Umsingprozess der später gedruckten Fassung des Liedes entstanden,<br />

die weiter unten diskutiert werden wird, sondern geht direkt auf die Variante zurück, die auch in der<br />

Liederhandschrift enthalten <strong>ist</strong>.<br />

187 Für diese Interpretation der Namensangabe in der Handschrift danke ich Johanna Ziemann vom DVA.<br />

188 Karl-Peter Brecht, Conradin Kreutzer. Biographie und Werkverzeichnis, Meßkirch 1980: Verlag der<br />

Stadt Meßkirch, 230.<br />

189 Vgl. Altman Kellner, Musikgeschichte des Stiftes Kremsmünster, Kassel-Basel 1956: Bärenreiter, 600.<br />

190 Kellner 1956:600.<br />

50


Kunstliedes und des Gesellschaftsliedes zuzurechnen, häufig auch im „Volkston“, 191 insofern<br />

„<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“ sehr gut zu seinen eigenen kompositorischen Interessen<br />

passt. Kreutzers Musik war in Kremsmünster grundsätzlich nicht unbekannt, vor<br />

allem „Das Nachtlager von Granada“ war populär, aber auch zahlreiche Männerchöre<br />

liegen dort in Erstdrucken und zeitgenössischen Abschriften vor. 192<br />

Das Lied „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“ wurde erstmals 1838 in den „Grubenklängen“<br />

als „Lied in der Teufe“ abgedruckt, allerdings ohne Melodie und Verfasserangabe, frühere<br />

Drucke sind nicht bekannt. 193 Im ersten Heft der „Sächsischen Bergreyhen“ von<br />

1839 erscheint es ebenfalls als „Lied in der Teufe“, ohne Melodie, aber mit der Verfasserangabe<br />

„Wahlert“. 194 Die Texte sind in beiden Publikationen identisch, unterscheiden<br />

sich jedoch signifikant von jenem der Liederhandschrift. Hoffmann von Fallersleben i-<br />

dentifiziert diesen Wahlert folgendermaßen:<br />

„Wahlert, Georg Ernst Adam. Geb. 28. Sept. 1782 zu Steindorf bei Halberstadt, Direktor einer<br />

Erziehungsanstalt in Iserlohn, Rektor bei Lippstadt, gest. dort 23. April 1850. Das <strong>ist</strong> der einzige<br />

Wahlert, den ich kenne, und er <strong>ist</strong> vielleicht der Verfasser von 1006 [„<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“,<br />

M.S.].“ 195<br />

„Pierer’s Universal-Lexikon der Vergangenheit und Gegenwart“ informiert darüber,<br />

dass Wahlert nicht nur eine ganze Reihe von Lehrbüchern veröffentlichte, sondern sich<br />

auch dichterisch betätigte, es werden ein Schauspiel „Hermann“ (1816) und ein Trauerspiel<br />

„Johanna Gray“ (1821) angeführt. 196 Zwar sind auch drei Musikdrucke mit Kom-<br />

191 Vgl. Kellner 1956:602-6<strong>13</strong>.<br />

192 Vgl. Kellner 1956:656-657.<br />

193 Vgl. Heilfurth 1954:697. O. A., Grubenklänge. Eine Liedersammlung für Bergleute, bergmännische<br />

Sänger-Chöre und Freunde des bergmännischen Gesanges; herausgegeben von der Gewerkschaft der<br />

Zeche Wiesche, 2., mit einem Anhange vermehrte Aufl., Mühlheim an der Ruhr 1840: F. H. Nieten, 24-<br />

25. Das von den Herausgebern angekündigte Heft mit den Melodien der Lieder (vgl. O. A. 1840:X-XI,<br />

XIV-XV) <strong>ist</strong> scheinbar nie erschienen.<br />

194 Vgl. Moritz Döring (Hg.), Sächsische Bergreyhen, erstes Heft, Grimma 1839: Verlags-Comptoir, 57-<br />

58.<br />

195 August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, Unsere volkstümlichen Lieder, 4. Aufl., hg. und neu bearbeitet<br />

von Karl Hermann Prahl, Leipzig 1900: Wilhelm Engelmann, 319.<br />

196 Vgl. O. A., „Wahlert, Georg Ernst Adam“, O. A., Pierer’s Universal-Lexikon der Vergangenheit und<br />

Gegenwart oder Neuestes encyclopädisches Wörterbuch der Wissenschaften, Künste und Gewerbe, Bd.<br />

18, 4., umgearbeitete und stark vermehrte Aufl., Altenburg 1864: H. A. Pierer, 752. Zu weiteren Werken<br />

Wahlerts: vgl. http://www.lwl.org/literaturkommission/alex/index.php?id=00000003&letter=W&layout=-<br />

2&author_id=00000259&SID=5bddbf6a1816cd28a44a09aab9636795, Stand vom 19. August 2009.<br />

51


positionen Wahlerts erhalten, die in der Sächsischen Landesbibliothek liegen, allerdings<br />

<strong>ist</strong> unter ihnen nicht das Lied „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“. Geht man davon aus, dass<br />

Kreutzer der Kompon<strong>ist</strong> der Melodie <strong>ist</strong>, so <strong>ist</strong> nicht ausgeschlossen, dass der Text von<br />

Wahlert stammt. Abschließend kann dies hier nicht geklärt werden. Festgestellt werden<br />

muss, dass Kreutzer – zumindest nach aktueller Quellenlage – keine anderen Texte von<br />

Wahlert vertonte.<br />

Der Text dieser ersten Druckfassungen des Liedes lautet folgendermaßen:<br />

„<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>,<br />

Herrlich <strong>ist</strong> sein Lohn!<br />

Seine Werke geben,<br />

Glanz dem Königsthron.<br />

In der Erde Gründen,<br />

In den Felsen-Schlünden,<br />

Strahlt der König der Metalle,<br />

Blitzen lautere Kr<strong>ist</strong>alle.<br />

Doch auf Gott vertrau’<br />

Bei der Berge Bau!<br />

Wenn bei Wellenstürmen,<br />

Mensch und Thier sich scheu’n,<br />

Wogen hoch sich thürmen,<br />

Fürchten wir kein Dräu’n;<br />

Mag bei Donnerbrüllen<br />

Nacht den Tag verhüllen,<br />

Wir im sichern Schooß der Erde<br />

Trotzen jeglicher Beschwerde.<br />

Drum auf Gott vertrau’<br />

Bei der Berge Bau!<br />

Wenn einst unsre Lieder<br />

Sind verhallt im Schacht;<br />

Wenn die müden Glieder<br />

Ruhn in Grabesnacht;<br />

Wenn die Bergesreigen<br />

Und die Fäustel schweigen;<br />

O dann laßt in Himmelschören,<br />

Uns den Gott der Berge ehren.<br />

Drum auf ihn vertrau’<br />

Bei der Berge Bau!“ 197<br />

Die Konkordanzen mit dem Text der Liederhandschrift sind offensichtlich, diese Textvariante<br />

fand dann in der Folge weite Verbreitung durch Liederbücher, häufig mit dem<br />

Verweis auf Wahlert. 198 Die Variante des Liedes, die heute in Radmer gängig <strong>ist</strong>, geht<br />

197 O. A. 1840:24-25.<br />

198 Vgl. Heilfurth 1954:697-698.<br />

52


textlich auch auf diese gedruckte Fassung zurück, melodisch <strong>ist</strong> es eine Variante des<br />

Melodietyps der Liederhandschrift. 199<br />

199 Vgl. Notenbeispiel 4.<br />

53


Notenbeispiel 4: „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“, in der heute in Radmer üblichen Variante.<br />

Bei der Feldforschung wurde das Lied nur von Gewährspersonen aus Radmer vorgesungen,<br />

die Taktwechsel, die den kontemplativen Charakter der Melodie noch verstärken,<br />

sind kons<strong>ist</strong>ent bei allen Aufnahmen vorzufinden, ebenso <strong>ist</strong> die Oberstimme ein-<br />

54


heitlich. 200 Vermutlich <strong>ist</strong> durch die jahrelange Verwendung des Liedes bei der örtlichen<br />

Barbarafeier eine relativ homogene Radmerer Variante entstanden, die in Radmer als<br />

„Barbaralied“ bekannt <strong>ist</strong>. Tatsächlich wird das Lied als ein Stück Radmerer Tradition<br />

wahrgenommen, wie sich folgender Äußerung des Obmanns des MGV „Lugauer“<br />

Radmer entnehmen lässt: „Des is das Barbaralied. Des heast woandersch kaum oder fåst<br />

goa nie, bei uns is es aber Tradition in der Radmer, des is, wird bei uns der Schluss von<br />

der Barbarafeier.“ 201<br />

Bemerkenswert sind die Unterschiede zwischen dem Text der Liederhandschrift und<br />

dem Text in den beiden gedruckten Liederbüchern, auf welchen auch die heutige Fassung<br />

aus Radmer zurückgeht, vor allem der Wechsel ins „Wir“. Das idyllisierende Lied<br />

über Bergleute, geprägt von biedermeierlicher Beschaulichkeit, 202 wird zum Lied für<br />

Bergleute. Die Ansichten eines außenstehenden Betrachters werden zu den Ansichten<br />

der Bergleute selber, es kommt zu einem Wandel der angebotenen Bedeutung. Heilfurth<br />

schreibt über die Gruppe von Liedern, zu welcher er auch explizit „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“<br />

zählt:<br />

„Charakter<strong>ist</strong>isch für diese Lieder <strong>ist</strong> die pädagogische Absicht, die mehr oder minder spürbar<br />

hinter ihnen allen steht. Weniger als direkte lehrhafte Ermahnung, vielmehr me<strong>ist</strong> indirekt,<br />

werbend und festigend, durch verklärende Schilderungen des Bergmannstums, soll die Berufsfreudigkeit<br />

und die Berufsverbundenheit eine Stärkung erfahren.“ 203<br />

Die dafür maßgeblichen Motive lassen sich aus den Vorworten der „Grubenklänge“<br />

und der „Sächsischen Bergreyhen“ rekonstruieren, wenn auch unklar <strong>ist</strong>, unter welchen<br />

Umständen es zur Entstehung der Liederbuchfassung des Liedes kam. Die Herausgeber<br />

der „Grubenklänge“ sprechen davon, dass sie durchaus bearbeitend in die Lieder eingriffen:<br />

„Andere [Lieder, M.S.] bedurften für unsern Zweck einer gänzlichen Umschmelzung,<br />

noch andere sind mit leiser Hand gefeilt.“ 204 Eigentlich handelt es sich bei<br />

der Aufnahme des Liedes in die Liedersammlungen um ein postintentionales Phänomen,<br />

aber selbst wenn das Lied nicht durch die Herausgeber in die gedruckte Form ge-<br />

200 Vgl. Hörbeispiele 1-5. Nähere Informationen zu den Hör- und Videobeispielen auf der beiliegenden<br />

CD sind im Abschnitt 6.10. zu finden.<br />

201 Interview von Daniel Fuchsberger, Daniela Oberndorfer und Sarah Schöberl mit Hubert Wendner,<br />

Lokführer und Obmann des MGV „Lugauer“ Radmer, geb. 1967, vom 11.5.2009.<br />

202 Vgl. Heilfurth 1954:323.<br />

203 Heilfurth 1954:324.<br />

204 O. A. 1840:IX-X.<br />

55


acht wurde, sondern bereits zuvor in dieser Fassung im Umlauf war, fügt sich das<br />

Lied jedoch stil<strong>ist</strong>isch und inhaltlich zu den anderen Lieder der beiden Sammlungen, die<br />

teilweise gezielt für diese gedichtet wurden, so dass es legitim erscheint, die Äußerungen<br />

in den Vorworten auch auf dieses Lied zu beziehen.<br />

Die Zielgruppe der Liederbücher sind die Bergleute selbst und keine Außenstehenden.<br />

Herausgeber bzw. Auftraggeber für die Liedersammlungen sind im Fall der „Grubenklänge“<br />

die Gewerkschaft der Mühlheimer Zeche Wiesche, im Fall der „Sächsischen<br />

Bergreyhen“ der sächsische Oberberghauptmann Freiesleben. 205 Insbesondere das Vorwort<br />

der „Grubenklänge“ <strong>ist</strong> hinsichtlich der Absichten der Herausgeber sehr offen.<br />

Man hatte den Wunsch, „die bergmännischen Feste und Aufzüge durch den Klang der<br />

Berghautbois und den Sang unserer Knappen vervollständigt zu sehen“ 206 . Sie mussten<br />

jedoch folgendes feststellen: „Leider aber waren unsere Bergleute mit dem Sang und<br />

Klang der Berge so unbekannt, daß ihre geselligen Kreise nur von höchst unedeln, dem<br />

bergmännischen Charakter durchaus fremden Liedern wiederhallten.“ 207 Es wird „die<br />

Flachheit des hiesigen <strong>Bergmannsleben</strong>s“ 208 beklagt, das fehlende Brauchtum und Standesbewusstsein:<br />

„Und noch jetzt müssen wir bemerken, wie das jüngere Geschlecht nicht aus Liebe zum Stande,<br />

sondern aus persönlicher Noth, nach Schlägel und Eisen greift, so daß ‚die edle Kunst des<br />

Bergbaus’, wie Novalis sich ausdrückt, zu einem armseligen Handwerkstreiben hinabsinkt.“ 209<br />

Warum <strong>ist</strong> dies in den Augen der Gewerkschaft ein Problem? „Mit dem Gefühl für<br />

Stand und Beruf schwindet auch bei manchem viel von dem Pflichtgefühl und der Berufstreue.“<br />

210 Der kulturelle Mangel wird also als unmittelbar bedeutsam für die Arbeitsqualität<br />

und Arbeitsmoral angesehen, weshalb sie Bedarf sahen einzuschreiten:<br />

„Um nun, so viel an uns war, wenigstens in unserm Kreise des edlen Gefühls für den Beruf und<br />

der Berufstreue zu pflegen, glaubten wir kein Mittel näher und wirksamer als den Gesang. Das<br />

Vaterlandsgefühl wird ja genährt und erfrischt durch den patriotischen Hochgesang. Den Krieger<br />

bege<strong>ist</strong>ert ein einfaches Soldatenlied, auf dem Marsch oder vor der Schlacht gesungen, zum<br />

Sieg über die äußersten Mühseligkeiten. Der Gesang erweitert das persönliche Bewußtsein<br />

zum erhebenden Gefühl der größern Gemeinschaft, bege<strong>ist</strong>ert für die gemeinsame Sache, und<br />

<strong>ist</strong> nicht selten, wie der mächtige Windeshauch, der sogar den trägen Staub aufwärts jagt.“ 211<br />

205 Döring 1839:VI.<br />

206 O. A. 1840:V-VI.<br />

207 O. A. 1840:VI.<br />

208 O. A. 1840:VI-VII.<br />

209 O. A. 1840:VII.<br />

210 O. A. 1840:VII.<br />

211 O. A. 1840:VII-VIII.<br />

56


Das <strong>ist</strong> nichts Geringeres als eine Theorie der ideologischen Indoktrination durch Gesang.<br />

Die Intention der Herausgeber <strong>ist</strong> es, diese Erkenntnis auf den Bergbau zu übertragen:<br />

„Was dürfen wir daher dem mächtigen Einfluß des Gesanges auf das Gemüth und Leben des<br />

ohnedies, wenigstens bei uns, so gesangeslustigen Bergmanns nicht zutrauen! Der Bergmann<br />

allein mag mit innigem Vergnügen die Reize desselben genießen; sein tief unter die Erde gebannter<br />

Beruf wird ihm durch ein höheres Licht beleuchtet, die mühsame Arbeit erleichtert, die<br />

Einsamkeit verkürzt und die Bergfeste, die ihn für sein Arbeitsleben bege<strong>ist</strong>ern sollen, werden<br />

ihm dadurch erst recht festlich werden, wenn er sie selbst mit seinem Gesange weihen darf. Indem<br />

er den Geschmack am Bänkelgesang und an den unsittlichen Gassenhauern verliert, werden<br />

selbst die niedern geselligen Kreise bergmännisch veredelt, er gewinnt Achtung vor seinem<br />

ernsten Beruf, fängt an sein Schlägel und Eisen so männlich zu lieben, wie der bege<strong>ist</strong>erte<br />

Reiter sein Schwert an der Linken; und wer sich als Bergmann fühlt im geselligen und bürgerlichen<br />

Leben, der wird auch Bergmann sein auf der Halde und im Gedinge.“ 212<br />

Die Deutlichkeit der Ausführungen erübrigt eigentlich jeden Kommentar. Die erzieherische<br />

Intention wird klar ausgesprochen. Diese Intention, sowohl der „Grubenklänge“<br />

als auch der „Sächsischen Bergreyhen“, wurde bereits von Heilfurth festgestellt, ohne<br />

jedoch ihre Ursachen zu untersuchen. 2<strong>13</strong><br />

Die Äußerungen der Herausgeber der „Grubenklänge“ über ihre Intentionen müssen<br />

vor ihrem sozioh<strong>ist</strong>orischen Hintergrund, der deutschen Frühindustrialisierung, gesehen<br />

werden, die sich in etwa im Zeitraum zwischen 1815 und 1840 vollzog und großen Einfluss<br />

auf den Bergbau hatte. 214 Fand der größte Wachstumsschub im Bergbau vor allem<br />

im dritten Jahrhundertviertel statt, 215 so zeichneten sich doch auch in der ersten Jahrhunderthälfte<br />

Wandlungen in den Arbeitsverhältnissen ab. Betrachtet man die Entwicklung<br />

der Belegschaften in den Kohlerevieren an der Ruhr (die „Grubenklänge“ wurden<br />

von einer Gewerkschaft aus Mühlheim an der Ruhr herausgegeben), so stieg die Beschäftigtenzahl<br />

von 3444 im Jahre 1816 über 4457 im Jahre 1830 auf 12741 im Jahre<br />

1850. 216 Dennoch waren bis zur Jahrhundertmitte auch noch kleine bis mittelgroße Betriebe<br />

an der Steinkohleförderung beteiligt. 217 Seit den 1830er Jahren kam es zu einer<br />

212 O. A. 1840:VIII-IX.<br />

2<strong>13</strong> Vgl. Heilfurth 1954:48-50.<br />

214 Vgl. Hans-Werner Kahn, Die industrielle Revolution in Deutschland (= Enzyklopädie Deutscher Geschichte<br />

49), München 1998: R. Oldenbourg, <strong>13</strong>-24.<br />

215 Vgl. Jürgen Kocka, Arbeitsverhältnisse und Arbeiterex<strong>ist</strong>enzen. Grundlagen der Klassenbildung im<br />

19. Jahrhundert (=Geschichte der Arbeiter und der Arbeiterbewegung in Deutschland seit dem Ende des<br />

18. Jahrhunderts 2), Bonn 1990: J. H. W. Dietz Nachf., 401-412.<br />

216 Kocka 1990:399.<br />

217 Vgl. Kocka 1990:394.<br />

57


zunehmenden Verbesserung der Technik und Organisation der Kohleförderung, was zu<br />

einem Zuwachs der Produktion führte. 218 Damit entstanden aber auch neue Probleme für<br />

die Bergarbeiter:<br />

„Die Zufahrten und Abfahrten wurden länger, und Konflikte entstanden wegen der Art der Anrechnung<br />

der dafür benötigten Zeiten auf die festgelegte Schichtdauer. Die Einführung der<br />

Seilzüge stieß anfangs auf Mißtrauen, sie galten zu Recht als sehr unsicher. Überhaupt wuchs<br />

die Unfallgefahr. Die Temperatur am Arbeitsplatz nahm mit der Tiefe zu.“ 219<br />

Die Entwicklung der Bergarbeiter zu Lohnarbeitern verzögerte sich im Vergleich zu anderen<br />

Berufsgruppen, was Kocka auf „ihre ländlich-landwirtschaftliche Einbindung und<br />

die vorherrschende staatliche Leitung des Bergbaus, das sog. Direktionsprinzip“ 220 , zurückführt.<br />

„Der Besitz eines ‚Prumenkotten’ gehörte zu den begehrtesten Zielen des jungen Schleppers<br />

oder Hauers an der Ruhr, der zudem me<strong>ist</strong> aus einer ländlich-landwirtschaftlichen Familie der<br />

Umgebung stammte. Man wußte, daß das eigene Stück Acker, der eigene Garten, die Ziege,<br />

das Federvieh, später der Taubenschlag etwas zusätzliche Sicherheit und Selbstständigkeit verbürgten;<br />

zu den Ärmsten gehörten die Bergleute auch in den elenden 40er Jahren nicht.“ 221<br />

Damit verbunden war ein Konservativismus, „ein an dörflichen Werten orientiertes Bewußtsein<br />

ebenso wie die Einbettung in die ländliche Nachbarschaft, Seßhaftigkeit und<br />

eine oft durch kirchliche Bindungen noch verstärkte Hochschätzung des Herkömmlichen“<br />

222 . Der zweite prägende Aspekt, das staatliche Direktionsprinzip, stellte eine „besondere<br />

Mischung von Privilegierung und Disziplinierung, von staatlichen Fürsorgele<strong>ist</strong>ungen<br />

und Loyalitätserwartungen“ 223 dar. Einer strengen Reglementierung der Arbeit<br />

und auch des Privatlebens (z.B. Heirat nur mit Erlaubnis des Grubenbeamten, Verbot<br />

von Wirtshausbesuchen an Lohntagen), der Drohung von Disziplinarmaßnahmen von<br />

der Verwarnung bis zur Prügelstrafe, stand andererseits eine verlässliche Arbeitsplatzsicherheit,<br />

zumindest für die länger dienenden Arbeiter, gegenüber, die die Bergleute von<br />

den Lohnarbeitern in den Privatunternehmen unterschied. 224 Die Mitgliedschaft in den<br />

Knappschaften, den staatlichen Versicherungs- und Standesorganisationen war verpflichtend,<br />

jedoch begann sich ab den 1820er Jahren eine Hierarchie in ihnen zwischen<br />

218 Vgl. Kocka 1990:399-400.<br />

219 Kocka 1990:400.<br />

220 Kocka 1990:394.<br />

221 Kocka 1990:395.<br />

222 Kocka 1990:395.<br />

223 Kocka 1990:395.<br />

224 Kocka 1990:395-396.<br />

58


den „vereidigten“ und den „unvereidigten“ Bergleuten auszubilden. 225 Kocka interpretiert<br />

diese Entwicklung folgendermaßen:<br />

„Der Sinn war ein doppelter: Zur Vollmitgliedschaft gehörte nicht nur die Erschwerung des<br />

Arbeitsplatzwechsels für den Bergmann, sondern auch die Erschwerung der Kündigung durch<br />

den Arbeitgeber. Vor allem verheiratete Vollmitglieder genossen praktisch Unkündbarkeit. Um<br />

sich das für einen Wirtschaftsbetrieb unter Bedingungen schnellen Wandels unverzichtbare<br />

Maß an Flexibilität zu sichern, schuf man die Kategorie der ‚unständigen’, nicht dem oben genannten<br />

Eid zu verpflichtenden ‚Bergtagelöhner’, die – so die ursprüngliche Idee – je nach Bedarf<br />

kurzfr<strong>ist</strong>ig angestellt und auch wieder entlassen werden konnten.“ 226<br />

Die Möglichkeit des Aufstiegs zum „vereidigten“ und auch der Degradierung zum „unvereidigten“<br />

Bergarbeiter, deren Zahl stetig stieg, war „ein Anreiz zu stetiger Arbeit,<br />

Anhänglichkeit und Bewährung, ein typisch bürokratisches Integrationsmittel“ 227 .<br />

Die Knappschaft hatte aber auch weitergehende Funktionen, die für die vorliegende Untersuchung<br />

relevant sind. Sie war<br />

„ein Organ zur Pflege der bergmännischen Moral und Gemeinschaft. Sie wurde von den Behörden<br />

systematisch genutzt, um den Bergleuten ständisches Sonderbewußtsein, beruflichen<br />

Stolz und D<strong>ist</strong>anz zur entstehenden Lohnarbeiterschaft im allgemeinen zu vermitteln: Neben<br />

den genannten Verpflichtungen und Sonderrechten dienten dazu die allerdings nie voll durchgeführte<br />

Verpflichtung zum Tragen von Knappenuniformen, die Organisation von Bergfesten,<br />

die bewußte Pflege von alten bergmännischen Bräuchen und Liedern, das teilweise aus den<br />

sehr viel älteren, fester gefügten Erzbergbau-Traditionen übernommen wurde. Vieles davon<br />

blieb künstlich und aufgepfropft. Denn von den an Zahl zunehmenden Bergleuten stammte nur<br />

ein kleiner Teil aus bergmännischen Familien, die me<strong>ist</strong>en dagegen aus ländlichunterbäuerlichen<br />

oder kleinbäuerlichen Milieus der näheren Umgebung [...]. Ihnen allen waren<br />

die Bräuche, Lieder und Legenden der Bergleute sehr fremd. Aber andererseits konnte sich<br />

solche berufsständische Bewußtseinspflege auf ein gewisses Zusammengehörigkeitsbewußtsein<br />

der Bergleute stützen, das immer wieder durch gemeinsame Arbeitserfahrungen, durch<br />

gemeinsam erlebte Gefahren, durch die verbindende Isolation des bergmännischen Arbeitsplatzes<br />

gestützt und durch die öffentliche Anerkennung der bergmännischen Arbeit bekräftigt wurde.“<br />

228<br />

Die Knappschaften waren also hegemoniale Apparate, die den Zwang, der durch die Betriebsordnung<br />

und die drohenden Disziplinarmaßnahmen ausgeübt wurde, durch soziale<br />

und kulturelle Angebote ergänzten, um Konsens unter den Bergarbeitern zu erzeugen.<br />

Hierin <strong>ist</strong> auch klar das Motiv der Gewerkschaft der Zeche Wiesche zu sehen, die<br />

„Grubenklänge“ herauszugeben. Das Liederbuch soll den Bergleuten „bessere“ Lieder<br />

geben, die ihre D<strong>ist</strong>inktion von anderen Berufsgruppen und Identifikation mit dem eigenen<br />

Beruf fördern. Ähnlich sind auch die „Sächsischen Bergreyhen“ zu beurteilen,<br />

die im Auftrag der sächsischen Berghauptmannschaft entstanden. Insgesamt waren die<br />

225 Vgl. Kocka 1990:396.<br />

226 Kocka 1990:397.<br />

227 Kocka 1990:397.<br />

228 Kocka 1990:397.<br />

59


Bemühungen der Bergverwaltungen in der ersten Hälfte des Jahrhunderts durchaus erfolgreich:<br />

„Die agrarische Einbindung einerseits, die staatliche Privilegierung und Disziplinierung andererseits<br />

haben in Verbindung mit spezifischen Arbeits- und Gemeinschaftserfahrungen der<br />

Bergleute zur Entstehung eines bürokratisch durchsetzten, etat<strong>ist</strong>isch gefärbten, oft religiös<br />

durchwirkten Standesbewußtseins beigetragen, das weder die scharfen antikapital<strong>ist</strong>ischen, anti-unternehmerischen<br />

Frontstellungen des sich später entwickelnden Klassenbewußtseins besaß<br />

noch eine emanzipatorisch-obrigkeitskritische Stoßrichtung aufwies. Im Vergleich zu anderen<br />

Arbeitergruppen war man vergleichsweise gut gestellt.“ 229<br />

Tatsächlich wirkten die Privilegien scheinbar anziehend auf Mitglieder der ländlichen<br />

Unterschicht, die auf sozialen Aufstieg hofften, und auch an der Revolution 1848 waren<br />

die Bergarbeiter unterdurchschnittlich beteiligt. 230<br />

„<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“ <strong>ist</strong> geprägt von diesem Kontext. Auf der Ebene der Informationsvermittlung<br />

wird ein idyllisches Bild des Bergbaus gezeichnet. Die Arbeitswelt<br />

des Bergmanns <strong>ist</strong> „im sichern Schooß der Erde“, wo er von Gold und Kr<strong>ist</strong>allen umgeben<br />

<strong>ist</strong> und Lieder singt. Die Gefahren des Bergbaus werden in der zweiten Strophe<br />

zwar thematisiert, jedoch nur vage als „jegliche Beschwerde“ angedeutet. Die reale<br />

Möglichkeit des Unfalltods wird verschwiegen, vor den Bedrohungen der Welt über<br />

Tage sind sie sogar behütet. Das Vertrauen auf Gott garantiert die Sicherheit. Die<br />

Furchtlosigkeit <strong>ist</strong> D<strong>ist</strong>inktionsmerkmal des Bergmanns, welches ihn von „Mensch und<br />

Thier“ abhebt. Der Bergmann fördert die Reichtümer der Welt an den Tag und auch<br />

sein Lohn <strong>ist</strong> herrlich, womit jedoch wohl nicht sein materieller Lohn gemeint <strong>ist</strong>.<br />

Vielmehr scheint damit die Nähe zu Gott nach dem Tod gemeint sein, die in der dritten<br />

Strophe beschrieben wird. Dies <strong>ist</strong> der Lohn für ein furchtloses, pflichtbewusstes und<br />

vor allem gottesfürchtiges Leben. Ein solches Leben zu führen, <strong>ist</strong> auch die zentrale,<br />

handlungsnormierende Forderung, welche das Lied stellt. Insofern nennt Heilfurth es<br />

auch zu Recht einen „säkularisierten Choral“ 231 . Die Funktion der emotionalen Auseinandersetzung<br />

mit der Umwelt wird auf zwei Arten erfüllt, einerseits durch die Verklärung<br />

der Lebensrealität, andererseits durch die Hoffnung auf die Aufnahme in den<br />

229 Kocka 1990:400.<br />

230 Vgl. Kocka 1990:401.<br />

231 Heilfurth 1954:255.<br />

60


Himmel. 232 „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“ transportiert also die Ideologie eines positiven<br />

Bekenntnisses zum Bergmannsberuf und richtet sich insofern an die Bergarbeiter selber,<br />

denen es diese Ideologie durch das „Wir“ in den Mund legt, wenn sie es singen. Es fügt<br />

sich somit in die Bemühungen der Knappschaften um eine hegemoniale Integration der<br />

Belegschaft, wie sie oben beschrieben wurde. Es kann aber auch als Werbelied aufgefasst<br />

werden, eine Arbeit im expandierenden Bergbau der Frühindustrialisierung aufzunehmen.<br />

3.3. „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“<br />

Wenn man eine Genealogie des Liedes „Der Bergmannsstand sei hochgeehret“ schreiben<br />

möchte, erscheint es sinnvoll Eugène Scribe als Ausgangspunkt zu nehmen. Scribe<br />

schrieb, auf Basis verschiedener literarischer Vorlagen, vor allem von Walter Scott, das<br />

Libretto „La Dame d’Avenel“, welches er 1821 François Adrien Boieldieu vorlegte. 233<br />

Boieldieu komponierte nach diesem Libretto die Opéra-comique „La Dame blanche“,<br />

welche am 10. Dezember 1825 in Paris uraufgeführt wurde. 234 Die deutschsprachige<br />

Erstaufführung fand 1826 in Wien statt, in einer Übersetzung die Ignaz Franz Castelli<br />

besorgte. 235 Die Figur des George Brown singt im I. Akt die Auftrittsarie „Ah! quel<br />

plaisir d’être soldat“, also wörtlich „Ah! was für eine Freude es <strong>ist</strong> Soldat zu sein“, für<br />

deren Vertonung Boieldieu Musik aus früheren Werken verwendete. 236 Ein Klavierauszug<br />

der deutschsprachigen, Wiener Fassung von 1826 erschien im selben Jahr bei Tobias<br />

Haslinger. 237 Dieser Klavierauszug erschien zwar ohne Jahresangabe, er kann aber<br />

mittels der Verlagsnummer sicher auf 1826 datiert werden. 238 Castelli übersetzte die be-<br />

232 Eine spätere, weniger verklärende, allerdings auch weniger verbreitete Variante des Liedes <strong>ist</strong> „Armen<br />

Bergmanns Leben“, dass jedoch ebenfalls den chr<strong>ist</strong>lichen Glauben als Kompensation anbietet (vgl. Heilfurth<br />

1954:277-278, 365-366, 585).<br />

233 Vgl. Klaus Hortschansky, „La Dame blanche“Carl Dahlhaus (Hg.), Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters.<br />

Oper, Operette, Musical, Ballett, Bd. 1, München-Zürich 1986: Piper, 384.<br />

234 Vgl. Hortschansky 1986:384.<br />

235 Hortschansky 1986:386.<br />

236 Vgl. Hortschansky 1986:384.<br />

237 François Adrien Boieldieu, Die Weisse Frau (La Dame blanche), nach dem französischen des Scribe<br />

von I.F. Castelli, vollständiger Clavier Auszug, nach der Aufführung des k.k. Hoftheaters in Wien und<br />

den übrigen Theatern der oesterr. Provinzen, Wien o. J. [1826]: Tobias Haslinger (Nr. 4836).<br />

238 Vgl. Alexander Weinmann, Vollständiges Verlagsverzeichnis Senefelder, Steiner, Haslinger. Bd. 2:<br />

Tobias Haslinger (Wien 1826-1843), München-Salzburg 1980: Musikverlag Emil Katzbichler, 1.<br />

61


sagte Arie des George Brown als „Es lebe hoch der Kriegerstand“. 239 Da sich die gesamte<br />

Oper großer Beliebtheit erfreute, 240 erscheint es nicht erstaunlich, dass diese Arie<br />

in Castellis Übersetzung zu einem klassischen „Kunstlied im Volksmund“ wurde, denn<br />

aus ihr wurde ein verbreitetes Soldatenlied.<br />

Die Verwandtschaft der Arie mit dem Soldatenlied lässt sich durch einen Textvergleich<br />

leicht nachweisen. Beim DVA sind Liedflugschriften aus den 1840er Jahren nachgewiesen,<br />

241 Wolfgang Mayer verwe<strong>ist</strong> auf ein „Liederbuch. Auswahl der beliebtesten Jagd-,<br />

Trink- und Gesellschaftslieder, Arien etc. (Bamberg ca. 1840), Nr. 66 (‚Bekannte Melodie.<br />

Es lebe hoch der Kriegerstand...’)“ 242 als frühesten gedruckten Nachweis, handschriftliche<br />

Aufzeichnungen finden sich ab den 1850er Jahren. 243 Bei der Recherche für<br />

die vorliegende Arbeit wurde in der durchgesehenen Forschungsliteratur keine Verbindung<br />

zur Arie festgestellt. Mayer schreibt: „Das Lied vom Kriegerstand erscheint etwa<br />

seit 1840 in den populären Liederbüchern und hier fast ausschließlich mit dem Anfang<br />

‚Es lebe hoch der Kriegerstand’“ 244 . Mayer vermutet, dass Melodie und Text um 1840<br />

gemeinsam entstanden sind. 245 Der Nachweis, dass diese Annahme falsch <strong>ist</strong>, soll mit<br />

Hilfe der Texte der Castelli-Fassung der Arie und einer Fassung des Soldatenliedes, die<br />

1851 im „Allgemeinen Schweizer-Liederbuch“ abgedruckt wurde (ohne Noten, mit dem<br />

Hinweis: „Eigene Weise“ 246 ), gebracht werden.<br />

Arie:<br />

„Georges.<br />

Es lebe hoch der Kriegerstand,<br />

Es lebe hoch der Kriegerstand!<br />

ob man vieles auch entbehre,<br />

Lied:<br />

„Es lebe hoch der Kriegerstand!<br />

Es lebe hoch der Kriegerstand!<br />

Wenn er auch so manches entbehre,<br />

239 Vgl. Boieldieu o. J.:22-28.<br />

240 Vgl. Hortschansky 1986:386.<br />

241 Vgl. Otto Holzapfel, Liedverzeichnis. Die ältere deutschsprachige, populäre Liedüberlieferung, Bd. 1,<br />

Hildesheim-Zürich-New York 2006: Georg Olms, 502-503.<br />

242 Wolfgang Mayer, Die Raindinger Handschrift. Eine „Lieder Sammlung“ aus Niederbayern (1845-50)<br />

(= Quellen und Studien zur musikalischen Volkstradition in Bayern Reihe II: Volkslieder, Band 1), 2.<br />

Aufl., München 1999: o. V., 425.<br />

243 Vgl. Mayer 1999:141, 425.<br />

244 Mayer 1999:425.<br />

245 Mayer 1999:426.<br />

246 O. A., Allgemeines Schweizer-Liederbuch. Eine Sammlung von 725 der beliebtesten Gesänge, Kühreihen<br />

und Volkslieder, 5., umgearbeitete und erweiterte Aufl., Aarau und Thun 1851: J. J. Chr<strong>ist</strong>en, 521.<br />

247 Boieldieu o. J.:22-28.<br />

62


kämpft man froh für sein theures Vaterland!<br />

und dem Sohn des Muths und der Ehre<br />

reichet jeder freundlich die Hand,<br />

ja dem Sohn des Muths und der Ehre,<br />

reichet jeder freundlich die Hand,<br />

ja es lebe hoch es lebe hoch<br />

es lebe hoch der Kriegerstand,<br />

ja es lebe hoch es lebe hoch<br />

es lebe hoch der Kriegerstand,<br />

ja, hoch der edle Kriegerstand,<br />

ja, hoch der edle Kriegerstand,<br />

ja, hoch der edle Kriegerstand!<br />

Ertönt die Trompete in der Weite,<br />

und wirbelt die Trommel die uns ruft,<br />

so eilet man lächelnd zum Streite<br />

ein Hurrah tönet froh durch die Luft<br />

hört ihr dort das Siegesgeschrey,<br />

hört ihr dort das Siegesgeschrey,<br />

ruhmvoll <strong>ist</strong> die Schlacht<br />

jetzt geschlagen mit Ruhm die Schlacht geschlagen<br />

es tönet laut der Freude Schall<br />

es tönet laut der Freude Schall<br />

bringt Wein, und trinkt,<br />

zusammen die Gläser geschlagen,<br />

es lebe hoch, hoch hoch unser General<br />

hoch leb der General!<br />

hoch leb der General!<br />

hoch leb der General!<br />

hoch leb der General!<br />

ha ha ha<br />

Kämpft er doch für’s Vaterland.<br />

Dem Sohne des Ruhmes und der Ehre<br />

Reicht Jeder freundlich die Hand.<br />

Es lebe hoch der Kriegerstand!<br />

Ertönt die Trompete in der Weite,<br />

Erschallt die Trommel, die uns ruft,<br />

Eilen wir zum verwegenen Streite,<br />

Ein Hurrah erschallt durch Luft.<br />

Dem Sohne u.s.w.<br />

Bringen wir dann die Feinde zum Sinken,<br />

Ist vernichtet die blutige Schaar,<br />

Frische Lorbeer’n des Ruhmes uns winken<br />

Auf der Ehre hohem Altar.<br />

Dem Sohne u.s.w.<br />

preiset laut den Kriegerstand<br />

preiset laut den Kriegerstand<br />

ob man vieles auch entbehre<br />

kämpft man froh fürs Vaterland!<br />

und der Sohn des Muths und der Ehre<br />

reichet jedem freundlich die Hand<br />

ja dem Sohn des Muths und der Ehre<br />

reichet jeder freundlich die Hand,<br />

ja, es lebe hoch es lebe hoch<br />

Es lebe hoch der Kriegerstand,<br />

ja, es lebe hoch es lebe hoch<br />

es lebe hoch der Kriegerstand!<br />

wird der holde Friede dann segensreich erscheinen<br />

kehrt der Krieger zurück zu den Seinen<br />

so wartet auf ihn neues Glück,<br />

der Vater hier, dort ein Freund<br />

treten froh ihm entgegen<br />

des Wiedersehens Wonne strahlt<br />

aus jeglichem trunkenen Blick<br />

und die Mutter, wie <strong>ist</strong> sie selig!<br />

ja die Mutter, wie <strong>ist</strong> sie selig<br />

b<strong>ist</strong> dus denn, lieber Sohn?<br />

Wenn am Herd uns die Freunde umschlingen<br />

Und das Vaterland freundlich uns grüßt,<br />

Hoch die Herzen der Mädchen aufspringen,<br />

Die der Held in die Arme sich schließt.<br />

Dem Sohne u.s.w.“ 248<br />

248 O. A. 1851:521.<br />

63


kommst gesund mir zurück?<br />

komst [sic!] gesund mir zurück!<br />

Chor.<br />

Welch beneidenswerthes Glück<br />

Georges.<br />

Doch ich hatte ja ein Liebchen<br />

wo <strong>ist</strong> denn dieses?<br />

hatte gar ein schönes Liebchen<br />

wo <strong>ist</strong> denn diese?<br />

schon gut! merke wohl<br />

dass die Zeit sie zerstreut,<br />

es lebe hoch der Kriegerstand,<br />

ach lebe hoch, ach lebe hoch,<br />

ach lebe hoch der Kriegerstand<br />

hoch der edle Kriegerstand<br />

hoch der edle Kriegerstand<br />

hoch der edle Kriegerstand<br />

Chor.<br />

o welch ein schöner Stand<br />

o welch ein schöner Stand<br />

o welch edler schöner Stand!“ 247<br />

Die Konkordanzen in den ersten beiden Strophen des Liedes mit dem Arientext sollten<br />

offensichtlich sein, obgleich hier bereits Umsingprozesse zu beobachten sind. Die 3.<br />

und 4. Strophe besitzen keine textliche Verwandtschaft mehr mit der Arie, obwohl sie<br />

inhaltlich gewisse Parallelen aufzeigen: Sieg in der Schlacht und Heimkehr nach Hause.<br />

Dass die Arien- und Liedtext nach der 3. Strophe entkoppelt sind, erklärt sich aus der<br />

Tatsache, dass die Arie hier den Strophencharakter verliert, wobei allerdings eine Textvariante<br />

der ersten Strophe („preiset laut den Stand der Ehren“) noch einmal eingeschoben<br />

wird. Die textliche Komplexität der Arie <strong>ist</strong> im Lied also auf die Strophe-Refrain-<br />

Form reduziert. Häufig wird diese Form noch durch den Wechsel von Solo und Chor<br />

unterstrichen, worin Mayer einen Einfluss der Gesangsverein-Bewegung vermutet. 249<br />

Der Liedtext aus dem „Allgemeinen Schweizer-Liederbuch“ kann grundsätzlich als typisch<br />

angesehen werden. Mayer stellt fest, dass Ende des 19. Jahrhunderts „die Variante<br />

der 1. Zeile ‚Es lebe hoch der Stand der Ehren’ populär wird“ 250 . Auf die Textvariante<br />

aus der sogenannten Raindinger Handschrift aus Niederbayern soll weiter unten noch<br />

eingegangen werden. 251<br />

249 Vgl. Mayer 1999:426.<br />

250 Mayer 1999:425.<br />

251 Interessant, jedoch für die vorliegende Untersuchung irrelevant, <strong>ist</strong> auch eine hier aufgezeichnete 5.<br />

Strophe in der man das österreichische Herrscherhaus, inklusive Erzherzog Johann, hoch leben lässt. Vgl.<br />

Mayer 1999:141.<br />

64


Notenbeispiel 5: A: Melodie der ersten Strophe der Arie „Es lebe hoch der Kriegerstand“ (Originaltonart:<br />

F-Dur); B: Variante des Soldatenliedes aus der Raindinger Handschrift; C: Variante des Soldatenliedes<br />

aus dem „Deutschen Kommersbuch“.<br />

66


Genau wie der Text <strong>ist</strong> auch die Melodie durch einen Umsingprozess aus der Arie entstanden.<br />

Dies soll durch einen Melodievergleich gezeigt werden, 252 in welchem die A-<br />

rienmelodie der 1. Strophe mit der in der Raindinger Handschrift, die auf den Zeitraum<br />

von 1845 bis 1854 datiert werden kann, 253 aufgezeichneten Melodie und einer späteren<br />

Melodievariante, die im „Deutschen Kommersbuch“ abgedruckt <strong>ist</strong> und aus dem zweiten<br />

Band der „Deutschen Liederhalle“ (1844/46) stammen soll, 254 verglichen werden.<br />

Zum besseren Vergleich wurde die Arienmelodie nach C-Dur transponiert, der Tonart in<br />

der die beiden Liedbelege notiert sind.<br />

Eine detaillierte Analyse der drei Melodien sollte nicht notwendig sein, die gegenseitige<br />

Verwandtschaft <strong>ist</strong> offensichtlich. Die Abweichungen in Melodie und Rhythmus sind<br />

alle ohne Probleme durch Umsingprozesse erklärbar. Dass die Liedvariante C kürzer <strong>ist</strong><br />

als B ergibt sich aus der Tatsache, dass die T. 16-20 nicht noch einmal wiederholt werden.<br />

Dass die Arienmelodie länger <strong>ist</strong>, ergibt sich aus der dreimaligen Wiederholung<br />

des zusätzlichen Verses „ja, hoch der edle Kriegerstand“. Die Arie <strong>ist</strong> an dieser Stelle<br />

auch noch nicht zu Ende, sondern erreicht nur eine Zäsur, die durch ein instrumentales<br />

Zwischenspiel markiert wird.<br />

Durch den Text- und Melodievergleich sollte unzweifelhaft klar sein, dass die verschiedenen<br />

Liedvarianten genetisch von der Arie „Ah! quel plaisir d’être soldat“, aus „La<br />

Dame blanche“, in der Übersetzung Ignaz Franz Castellis, abstammen. Das Lied „Der<br />

Bergmannsstand sei hoch geehret“ <strong>ist</strong> wiederum eine Umdichtung des Liedes „Es lebe<br />

hoch der Kriegerstand“. Auf diesen Umstand haben zuerst Hruschka und Toischer hingewiesen.<br />

255 Der früheste gedruckte Beleg, 256 gleichzeitig frühester überhaupt, befindet<br />

sich im „Commersbuch der Wiener Studenten“ von 1880, eingesandt vom bergakade-<br />

252 Vgl. Notenbeispiel 5.<br />

253 Vgl. Mayer 1999:XIII.<br />

254 Vgl. Karl Reisert (Hg.), Deutsches Kommersbuch, h<strong>ist</strong>orisch-kritische Bearbeitung, 10. Aufl., Freiburg<br />

im Breisgau 1908: Herdersche Verlagsbuchhandlung, 524-525.<br />

255 Vgl. Alois Hruschka und Wendelin Toischer (Hgg.), Deutsche Volkslieder aus Böhmen, Prag 1891:<br />

Verlag des Deutschen Vereines zur Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse, 514.<br />

256 Vgl. Heilfurth 1954:606.<br />

67


mischen Korps „Montania“ in Leoben. 257 Die dort abgedruckte Fassung entspricht textlich<br />

und melodisch, bis auf minimale Abweichungen, der heute in der Region Eisenerz<br />

gesungenen Variante. 258<br />

Notenbeispiel 6: „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“, in der heute in der Region Eisenerz gängigen<br />

Variante.<br />

Grundsätzlich weisen Texte und Melodien der bekannten Belege eine hohe Homogenität<br />

auf. Viktor Zack schreibt zu seiner Veröffentlichung des Liedes von 1931: „Aus<br />

Vordernberg, von Zack in den Siebzigerjahren aufgenommen. In der Steiermark auch<br />

sonst verbreitet“ 259 . Zur Verdeutlichung der Verwandtschaft des Bergmanns- und des<br />

Soldatenliedes sollen zunächst der Text von „Es lebe hoch der Kriegerstand“ aus der<br />

Raindinger Handschrift mit dem Text von „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“<br />

verglichen werden, wie er heute in der Region Eisenerz gesungen wird. Der Text der<br />

Raindinger Handschrift <strong>ist</strong> insofern interessant, da dies der einzige bekannte Beleg <strong>ist</strong>,<br />

257 Vgl. Max Breitenstein (Hg.), Commersbuch der Wiener Studenten, Wien 1880: Alfred Hölder, 167-<br />

168.<br />

258 Vgl. Notenbeispiel 6 und Videobeispiele 1 und 2.<br />

259 Zack 1931:22.<br />

68


der mit „Der Kriegerstand sei hoch geehret“ beginnt und damit die größte Parallelität zu<br />

dem Bergmannslied aufwe<strong>ist</strong>. Die me<strong>ist</strong>en Belege beginnen mit „Es lebe hoch der Kriegerstand“<br />

oder „Es lebe hoch der Stand der Ehren“. 260<br />

„1. Der Kriegerstand sei hoch geehret,<br />

lebe hoch du Kriegerstand.<br />

Und obgleich er auch vieles entbehret,<br />

kämpft er doch fürs Vaterland.<br />

Chor. Dem Sohne des Ruhmes und der Ehre<br />

reicht ein jeder freundlich die Hand.<br />

Dem Sohne des Ruhmes und der Ehre,<br />

reicht ein jeder freundlich die Hand.<br />

Es lebe hoch, es lebe hoch,<br />

es lebe hoch, es lebe hoch,<br />

Es lebe hoch der Kriegerstand.<br />

„1. Der Bergmannsstand sei hoch geehret,<br />

es lebe hoch der Bergmannsstand!<br />

Wenn er auch das Tageslicht entbehret,<br />

so tut er’s doch für’s teure Vaterland.<br />

Ja, den Söhnen der Gruben und der Berge<br />

reicht ein jeder freundlich die Hand.<br />

Ja, den Söhnen der Gruben und der Berge<br />

reicht ein jeder freundlich die Hand.<br />

Es lebe hoch, es lebe hoch,<br />

Es lebe hoch, es lebe hoch,<br />

Es lebe hoch der Bergmannsstand!<br />

2. Erschalln die Trompeten in die Weite,<br />

Ertönet die Tromel [sic!] die uns ruft;<br />

Eilen wir zum verwegenen Streite<br />

Es erschallt Hurrah durch die Luft:<br />

Chor. Dem Sohne des Ruhmes etc.<br />

3. Haben wir das Vaterland gerettet;<br />

Ist errungen die blutige Schlacht<br />

Stehn wir Brüder eng verkettet,<br />

Als starke unüberwindliche Macht.<br />

Chor. Dem Sohne des Ruhmes etc.<br />

2. Hört ihr nicht des Glöckleins leises Schallen?<br />

Hört ihr nicht die Klopfe die uns ruft?<br />

Nun, wohlan, zum Schachte lasst uns wallen,<br />

ein Glück Auf! erschalle durch die Luft.<br />

Ja, den Söhnen der Gruben und der Berge usw.<br />

3. Bringen wir die Berge dann zum Weichen,<br />

und <strong>ist</strong> gewonnen dann das reiche Erz,<br />

großer Lohn den sieh alsdann uns reichen,<br />

und die Lieb’ erfreuet unser Herz.<br />

Ja, den Söhnen usw.“ 262<br />

4. Sitzen wir beim Glase und singen<br />

Durch das Vaterland dankbar begrüßt<br />

Hoch die Herzen der Mädchen sie schwingen<br />

Wenn der Held in die Arme sie schließt<br />

Chor. Dem Sohne des Ruhmes etc.<br />

5. Es lebe hoch der Erzherzog Carl<br />

Es lebe hoch der Prinz Johann<br />

Es lebe hoch die Marianne<br />

Und der Kaiser Ferdinand.“ 261<br />

Wieder sind die Parallelen im Text offensichtlich, teilweise sind nur einzelne Wörter<br />

ausgetauscht. Aus dem Kriegerstand wird der Bergmannsstand, statt vieles entbehrt dieser<br />

Stand das Tageslicht. Die Trompeten und die Trommel werden durch die Signalinstrumente<br />

des Bergbaus, Glöcklein und Klopfe 263 , ersetzt, statt zum Streite zu ziehen<br />

260 Vgl. Mayer 1999:425-426.<br />

261 Mayer 1999:141.<br />

262 Transkription: Malik Sharif, nach Videobeispiel 2.<br />

263 „Klopf (die), ein eigenes Gebäude, in welchem entweder mit einer Glocke (Schichtglocke) oder einem<br />

Hammer an einer hängenden Eisenplatte das Zeichen gegeben wird, wann die Arbeitszeit [...] beginne o-<br />

der ende.“ Carl von Scheuchenstuel, Idoticon der österreichischen Berg- und Hüttensprache. Zum besseren<br />

Verständnisse des österr. Berg-Gesetzes und dessen Motive für Nicht-Montan<strong>ist</strong>en, Wien 1856: Wilhelm<br />

Braumüller, 140.<br />

69


wallt man zum Schachte, und statt „Hurrah“ wird „Glück Auf!“ gerufen. Die 3. Strophe<br />

von „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“ hat die stärksten Textabweichungen. Betrachtet<br />

man aber die 3. Strophe von „Es lebe hoch der Stand der Ehren“ aus dem<br />

„Deutschen Kommersbuch“ sind die Parallelen wieder klar erkennbar.<br />

„Und bringen wir dann die Feinde zum Sinken<br />

und <strong>ist</strong> entwichen die blutige Schar,<br />

frische Lorbeer’n des Sieges uns winken<br />

auf des Ruhmes geweihten Altar.“ 264<br />

Aus den Feinden, die zum Sinken gebracht werden, werden die Berge, die zum Weichen<br />

gebracht werden, und dieser Vorgang hat anstatt Lorbeeren großen Lohn zur Folge.<br />

Ein Melodievergleich der heute in Eisenerz gängigen Variante des Liedes „Der Bergmannsstand<br />

sei hoch geehret“ mit den in Notenbeispiel 5 abgedruckten Varianten des<br />

Soldatenliedes zeigt wieder viele offenkundige Parallelen. Insbesondere die Variante C<br />

we<strong>ist</strong> zu Beginn das charakter<strong>ist</strong>ische Signalmotiv, bestehend aus umspielten Dreiklangsbrechungen,<br />

auf, mit welchem auch „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“ beginnt.<br />

Trotz diverser Abweichungen im Detail zwischen den verschiedenen Melodievarianten,<br />

sollten die strukturellen Ähnlichkeiten groß genug sein, um die genetische Abstammung<br />

der Bergmannsliedmelodie von der des Soldatenliedes zu belegen.<br />

Wann und durch wen das Soldatenlied in ein Bergmannslied umgedichtet wurde, <strong>ist</strong><br />

aufgrund fehlender Quellen nicht festzustellen. Das Bergmannslied muss zwischen<br />

1826 und 1880 entstanden sein, da 1826 Castellis deutsche Übersetzung von Scribes<br />

Libretto zur Aufführung kam und 1880 das Bergmannslied zum ersten mal gedruckt<br />

wurde. Es soll hier aber trotzdem eine – zugegebenermaßen spekulative – Hypothese<br />

über den, bzw. die Urheber aufgestellt werden. Bedenkt man einerseits, dass das Lied<br />

vom Leobener Korps „Montania“ an den Herausgeber des „Commersbuchs Wiener<br />

Studenten“ geschickt wurde, und andererseits, dass Viktor Zack das Lied, laut eigener<br />

Aussage, in den 1870er Jahren in Vordernberg aufzeichnete, bedenkt man weiter, dass<br />

keine früheren Belege ex<strong>ist</strong>ieren, so erscheint es zumindest plausibel, dass das Lied irgendwo<br />

in dieser Region entstanden <strong>ist</strong>. Es erscheint weiterhin plausibel anzunehmen,<br />

dass das Lied auch im Umfeld der korporierten Leobener Studenten entstanden <strong>ist</strong> und<br />

dass es durch diese in den steirischen Bergbaugebieten verbreitet wurde. Diese zweite<br />

264 Reisert 1908:525.<br />

70


Vermutung begründet sich in der Tatsache, dass Soldatenlieder zum Repertoire der<br />

Verbindungsstudenten gehörten (und gehören), wie sich durch einen Blick in die Inhaltsverzeichnisse<br />

von Kommersbüchern leicht überprüfen lässt. Es <strong>ist</strong> also denkbar,<br />

dass irgendeine Variante von „Es lebe hoch der Kriegerstand“ auch bei den Leobener<br />

Studenten bekannt war und von diesen auf ihr Berufsfeld umgedichtet wurde. Zwar <strong>ist</strong><br />

es nicht ausgeschlossen, dass „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“ von Bergarbeitern<br />

gedichtet wurde und über diese zu den Leobener Studenten gelangte, jedoch erscheint<br />

es, vor allem aufgrund des Pathos des Liedes, naheliegender, den oder die Urheber<br />

entweder außerhalb der im Bergbau Beschäftigten zu vermuten oder eben unter der<br />

besser gestellten Gruppe der Angestellten, z.B. angehenden Bergingenieuren in Leoben.<br />

Dies würde der von Heilfurth festgestellten Tendenz entsprechen, dass sich im 19. Jahrhundert<br />

die Produktion von Bergmannsliedern in die Oberschicht verschob. 265 Diese<br />

Hypothese über die Urheberschaft wird deutlicher, wenn man den sozioh<strong>ist</strong>orischen<br />

Kontext des möglichen Entstehungszeitraumes, geographisch und kulturell eingeschränkt<br />

auf das steirische Bergwesen als vermutetem Entstehungszusammenhang, betrachtet.<br />

Der Zeitraum zwischen 1826 und 1880 war im steirischen Bergwesen durch sozialen<br />

Wandel gekennzeichnet, der sich einer einfachen Beurteilung entzieht, da er zu facettenreich<br />

war. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war die soziale und wirtschaftliche Lage<br />

der Bergarbeiter „jedenfalls im Vergleich zu den Zuständen in anderen Erwerbszweigen<br />

als befriedigend zu bezeichnen“ 266 . Daher verhielt sich bei der Revolution 1848 „die<br />

Bergarbeiterschaft der Steiermark [...] im wesentlichen passiv, wenn man von der Bildung<br />

lokaler Nationalgarden absieht“ 267 . Noch bis ins 19. Jahrhundert galt im steirischen<br />

Bergbau der Acht-Stunden-Arbeitstag, der durch die Ferdinandeische Bergordnung<br />

von 1553 festgelegt worden war. 268 „Erst in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts<br />

[d. h. des 19., M.S.] wurde die Arbeitszeit fast allgemein auf zwölf Stunden erhöht, ab-<br />

265 Vgl. Heilfurth 1954:68.<br />

266 Alois Adler, „Die soziale Lage der Berg- und Hüttenarbeiter in der Steiermark ab 1848“, Friedrich<br />

Waidacher (Hg.), Der Bergmann - Der Hüttenmann. Gestalter der Steiermark. Katalog der 4. Landesausstellung<br />

1968, Graz 1968: o. V., 297.<br />

267 Adler 1968:297.<br />

268 Vgl. Pferschy 1984:390-391.<br />

71


züglich zwei Stunden Ruhepausen.“ 269 Bis zum Erlass des Allgemeinen Berggesetzes<br />

(ABG) im Jahre 1854 galt auch der Bezug von Tabak zu limitierten Preisen (limito-<br />

Fassung) für die Bergarbeiter, gedacht als Ausgleich niedriger Löhne. 270 Im Eisenerzer<br />

Bergbau ex<strong>ist</strong>ierte darüber hinaus bis 1868 eine limito-Fassung, die aus Nahrungsmitteln<br />

bestand. 271 Der Abbau von Privilegien begann jedoch schon vor 1854, so wurde<br />

1828 die Befreiung der Bergleute vom Militärdienst aufgehoben, was Abwanderungen<br />

und Personalmangel zur Folge hatte. 272 Positiv hervorgehoben werden muss die Entwicklung<br />

der sogenannten Bruderladen von seelsorgerischen zu sozialversicherungsartigen<br />

Einrichtungen, die durch das ABG schließlich für die Bergbauunternehmen verpflichtend<br />

wurden. 273<br />

Ein Problem war die Frauen- und Kinderarbeit: „Die im 19. Jahrhundert vielfach bewußt<br />

niedrig gehaltenen Einkommen der Arbeiterschaft bedingten die Einbeziehung<br />

sämtlicher Familienmitglieder in den Arbeitsprozeß.“ 274 Diesen niedrigen Löhnen lag<br />

eine Lohntheorie zu Grunde, „die nur durch niedrige Löhne der Arbeiter, bei gleichzeitig<br />

hohen Gewinnen der Unternehmer, das wirtschaftliche Wachstum gesichert sah“ 275 .<br />

Obwohl das Problem der Kinderarbeit seit Ende des 18. Jahrhunderts bei der Legislative<br />

bekannt war, wurde der Bergbau bei entsprechenden Kinderschutzbestimmungen ausgespart.<br />

276 In das ABG wurden ebenfalls keine Regelungen aufgenommen. Dazu schreibt<br />

der damalige Sektionschef Scheuchenstuel:<br />

„In den früheren Gesetzentwürfen wurde beantragt, daß Frauen und Kinder, insbesondere aber<br />

letztere, von der Bergarbeit gänzlich ausgeschlossen werden sollten, und zwar diese wegen einer<br />

zu frühzeitigen Erschöpfung ihrer Kräfte, die Frauen aber, um nicht zu einer Demoralisation<br />

des Bergvolkes Veranlassung zu geben.<br />

Allein es gibt doch sehr viele Arbeiten beim Berge, wozu es mindere Kräfte, aber mehr Gelenkigkeit<br />

erfordert, welche daher schlechter verrichtet werden, und dennoch höher bezahlt werden<br />

müßten, wenn der Bergwerksbesitzer gezwungen wäre, selbe nur durch Männer verrichten<br />

zu lassen, z.B. die Klaubarbeiten, die Handsiebsetzung u. dgl. Bei vielen Bergwerken stehen<br />

269 Pferschy 1984:391.<br />

270 Vgl. Pferschy 1984:392.<br />

271 Vgl. Zapf o. J.:179-180.<br />

272 Vgl. Pferschy 1984:392. Carl von Scheuchenstuel, Motive zu dem allgemeinen österreichischen Berggesetze<br />

vom 23. Mai 1854. Aus ämtlichen Quellen, Wien 1855: Wilhelm Braumüller, 374.<br />

273 Vgl. Pferschy 1984:405-406.<br />

274 Zapf o. J.:144.<br />

275 Zapf o. J.:184.<br />

276 Zapf o. J.:145.<br />

72


die Frauen seit hundert Jahren in diesen Beschäftigungen, ohne daß das Bergvolk deswegen<br />

demoralisiert werden könnte.<br />

Man erachte daher, die Frage über die Zulässigkeit der Frauen und Kinder zur Bergarbeit nach<br />

den jedesmaligen Verhältnissen des Bergwerksbetriebes, der bisherigen Uebung, der Beobachtung<br />

des moralischen Zustandes der Bevölkerung, von Fall zu Fall durch die Bergbehörde, unter<br />

allfälliger Mitwirkung der Ge<strong>ist</strong>lichkeit und der politischen Behörde, erörtern zu lassen, bestimmte<br />

positive [im rechtsphilosophischen Sinne, M.S.] Verfügungen aber diesfalls in das Gesetz<br />

nicht aufzunehmen.“ 277<br />

Gesetzliche Schutzbestimmungen für Kinder, Jugendliche und Frauen im Bergbau gab<br />

es erst 1884. 278<br />

Die eben zitierte, längere Passage zeigt exemplarisch die Intention hinter dem ABG: es<br />

ging nicht primär um soziale und wirtschaftliche Sicherheit für die Bergarbeiter, sondern<br />

um die Sicherung der Profite der Unternehmer. Sofern soziale Einrichtungen, z.B.<br />

die Versorgung durch Bruderladen, in dieser Hinsicht zweckdienlich erschienen, wurden<br />

sie in das Gesetz aufgenommen, wo sie hinderlich waren, wurden sie ausgeschlossen.<br />

Diese wirtschaftsliberale Tendenz war prägend für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts:<br />

„Trotz dieser vorbildlichen Sozialgesetzgebung waren in den Revieren die Arbeitsverhältnisse<br />

mitunter katastrophal. Die gesetzlichen Lücken, wie Dauer der Arbeitszeit, Frauen- und Kinderarbeit,<br />

Sonntags- und Feiertagsruhe und anderes, wurden vom Unternehmertum rücksichtslos<br />

gegen das Wohl der Bergleute ausgenützt. Eine Stat<strong>ist</strong>ik aus dem Jahre 1860 zeigt im<br />

Bergbau eine Beschäftigungsdauer von durchschnittlich 290 Tagen im Jahr, bei 14stündiger<br />

Arbeitszeit.“ 279<br />

Es gab Beschwerden über Sonntagsarbeitszwang und Misshandlungen durch Vorgesetzte.<br />

280 In einem Bericht von 1859 wurden im obersteirischen Bergbau, aufgrund von Absatzschwierigkeiten,<br />

massive Entlassungen festgestellt: „5% der Gesamtbevölkerung,<br />

nämlich 10.216 Personen waren damals in der Eisenindustrie beschäftigt. Die Zahl der<br />

Entlassungen überstieg jedoch bald 3000.“ 281 Grundtendenz war die Proletarisierung<br />

277 Scheuchenstuel 1855:373-374.<br />

278 Vgl. Zapf o. J.:146.<br />

279 Adler 1968:298.<br />

280 Adler 1968:298.<br />

281 Adler 1968:297.<br />

73


des ehemals privilegierten Berufsstandes, 282 womit die Grundlage für die politisch organisierte<br />

Arbeiterbewegung im Bergbau ab den 1880er Jahren gelegt war. 283<br />

Es kann nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass „Der Bergmannsstand sei<br />

hoch geehret“ im Umfeld der Bergarbeiter entstanden <strong>ist</strong>. Vor dem eben beschriebenen<br />

sozioh<strong>ist</strong>orischen Hintergrund und wie die folgende Analyse zeigen wird, erscheint jedoch<br />

eine Urheberschaft in sozial besser gestellten Kreisen wahrscheinlich. Die Melodie<br />

we<strong>ist</strong> den Charakter eines Marschliedes auf, was in erster Linie auf die dominierenden,<br />

punktierten Rhythmen im geraden Taktmaß zurückzuführen <strong>ist</strong>. Auf das markante Signalmotiv,<br />

mit welchem das Lied beginnt, wurde bereits hingewiesen, aber auch die restliche<br />

Melodie besteht primär aus Dur-Dreiklangsbrechungen mit Durchgangstönen auf<br />

den schwachen Takteilen. Schließlich <strong>ist</strong> noch auf die zweite Hälfte des Refrains hinzuweisen,<br />

in welcher die Sänger wiederholt in zwei Gruppen geteilt sind und „es lebe<br />

hoch“ quasi als Frage und Antwort singen. Alle diese melo-rhythmischen, strukturellen<br />

Eigenschaften können als Residuen der Vorlage „Es lebe hoch der Kriegerstand“ angesehen<br />

werden, die teilweise noch verstärkt wurden, z.B. <strong>ist</strong> die punktierte Rhythmik in<br />

den Melodievarianten B und C keineswegs so ausgeprägt. Es <strong>ist</strong> fraglich, ob die Melodie<br />

von „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“ neben der, für das 19 Jahrhundert und<br />

auch die Gegenwart, unstrittigen Konnotation eines Marschliedes, auch als direktes<br />

Symbol für „Es lebe hoch der Kriegerstand“ gehört wurde. Dazu müsste der Bekanntheitsgrad<br />

des Soldatenliedes beurteilt werden, was nur schwer möglich <strong>ist</strong>.<br />

Beim Liedtext <strong>ist</strong> zunächst auffällig, dass er in der ersten Strophe noch ganz in der beobachtenden<br />

Perspektive verbleibt. Vom Bergmannsstand, von „den Söhnen der Gruben<br />

und der Berge“ wird in der dritten Person gesprochen. In der zweiten und dritten Strophe<br />

wird das Lied – ähnlich wie „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“ – aber zu einem „Wir“-<br />

Lied, d.h. das Gesungene <strong>ist</strong> Ausdruck eines Kollektivs. Wie bereits in der Einleitung<br />

zitiert, sieht Karbusicky dieses „Wir“ als Merkmal von Liedern an, die zur Indoktrination<br />

bestimmt sind. Es liegt also ein Indiz vor, dass das, was vom lyrischen „Wir“ ausge-<br />

282 Vgl. Zapf o. J.:183.<br />

283 Vgl. Adler 1968:298. Eduard G. Staudinger, „Gewerkschaftsorganisationen der Eisen- und Metallarbeiterschaft<br />

in der Steiermark“, Paul W. Roth (Hg.), Erz und Eisen in der Grünen Mark. Beiträge zum<br />

steirischen Eisenwesen, Graz 1984: o. V., 418.<br />

74


drückt wird, eigentlich die Ansichten und Vorstellungen einer anderen Gruppe sind. Die<br />

Frage <strong>ist</strong> daher, welche Personen unter dem Begriff des „Bergmannsstandes“ zu subsumieren<br />

sind. Wie bereits ausgeführt wurde, muss dieser Begriff im Laufe des 19. Jahrhundert<br />

mehr und mehr als Anachronismus angesehen werden, obgleich schon in den<br />

vorhergehenden Jahrhunderten eine hypostasierte Gemeinschaft des „Bergvolks“, bestehend<br />

aus allen im Bergbau Tätigen, vom Gewerken bis zum Truhenläufer, als Fiktion<br />

angesehen werden muss. Neben dem fortschreitenden Verlust alter Privilegien, die die<br />

Bezeichnung Stand noch gerechtfertigt hatten, wurde durch das ABG eine Unterteilung<br />

und Ungleichbehandlung von Arbeitern, Aufsehern und Beamten festgelegt, 284 und das<br />

Arbeitsverhältnis nach „dem Prinzip der Vertragsfreiheit zwischen formal juridisch<br />

gleichberechtigten Kontrahenten (Arbeitgeber – Arbeitnehmer)“ 285 , im Sinne des Liberalismus,<br />

geregelt. Wenn also in „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“ vom Bergmannsstand,<br />

als „Söhne der Gruben und der Berge“ gesungen wird, so muss man hierin<br />

die Vorspiegelung eines real nicht (mehr) ex<strong>ist</strong>ierenden Kollektivs sehen, eine Zusammenfassung<br />

ungleicher Elemente.<br />

Welches Interesse steckt hinter einer solchen anachron<strong>ist</strong>ischen Konstruktion des<br />

Bergmannsstandes? Dazu muss zunächst untersucht werden, inwiefern das Lied darüber<br />

hinaus die Informationsfunktion erfüllt. Wie wird der Bergmannsstand beschrieben?<br />

Der Bergmannsstand <strong>ist</strong> zum Verzicht bereit und patriotisch, er entbehrt das Tageslicht,<br />

bringt dieses Opfer jedoch für das „teure Vaterland“. Fröhlich und pünktlich geht der<br />

Bergmannsstand an seine Arbeit. Sobald die Klopfe ruft „wallt“ man zum Schacht, wozu<br />

man ein „Glück auf!“ durch die Luft erschallen lässt. Der Weg zur Arbeit <strong>ist</strong> also eine<br />

quasi-religiöse Handlung, eine Wallfahrt. Dieser fröhliche Arbeitsbeginn beim Klang<br />

des Schachtglöckchens <strong>ist</strong> ein häufiges Motiv in Bergmannsliedern. 286 Die Arbeit, bei<br />

der „die Berge dann zum Weichen“ gebracht werden, zeitigt „uns“, also dem Bergmannsstand,<br />

„großen Lohn“ und Liebe im Herzen. Hier muss bereits die Frage gestellt<br />

werden, wer diesen Lohn erhält. Sicher erwirtschaftete der steirische Bergbau große<br />

Gewinne, davon profitierten jedoch nicht alle im Bergbau Tätigen, in jedem Fall nicht<br />

284 Vgl. Gustav von Gränzenstein, Das allgemeine österreichische Berggesetz vom 23. Mai 1854, und die<br />

Verordnungen über die Bergwerksabgaben vom 4. October 1854, Wien 1855: Friedrich Manz, 306-314.<br />

285 Zapf o. J.:183.<br />

286 Vgl. Heilfurth 1954:78-80.<br />

75


die Bergarbeiter, deren Löhne niedrig gehalten wurden. Für alle diese Eigenschaften<br />

und Verhaltensweisen des Bergmannsstandes wird er geehrt und es wird ihm freundlich<br />

die Hand gereicht. Hinter der angebotenen Bedeutung einer Beschreibung des Ist-<br />

Zustandes, steckt auch, aus analytischer Perspektive, die normative Forderung, sich in<br />

der beschriebenen Art zu verhalten, da sonst nicht Ehre und Dank winken, sondern die<br />

in der Dienstordnung vorgesehenen Strafen. Insofern wird auch die Funktion der Verhaltenssteuerung<br />

erfüllt. Die Funktion der gefühlsmäßigen Auseinandersetzung mit der<br />

Umwelt wird in erster Linie durch Verklärung gewährle<strong>ist</strong>et. Das Leben des Bergmannsstandes<br />

<strong>ist</strong> froh, von großem Lohn und Liebe erfüllt und allseits geehrt. Der einzige<br />

negative Aspekt <strong>ist</strong> der Verzicht auf das Tageslicht, der sofort zum Dienst am Vaterland<br />

gewendet und somit erträglich wird. Im Vergleich zu den realen Nöten der<br />

Bergarbeiter, die hierbei völlig ausgeklammert werden und die wohl weniger aus patriotischen<br />

Überzeugungen, als aus der Sorge, die Angehörigen zu ernähren, nicht in vollständige<br />

Armut abzugleiten usw. in Kauf genommen wurden, erscheint der Verzicht auf<br />

das Tageslicht doch als eher geringes Übel.<br />

Die Analyse der Bedeutungen und Intentionen des Liedes wird dadurch erschwert, dass<br />

der Verfasser unbekannt <strong>ist</strong>, jedoch kann die oben aufgestellte Hypothese als Hilfe dienen.<br />

Die Hypothese wird zusätzlich durch die festgestellten denotativen Bedeutungen<br />

des Liedtextes gestützt, die in starker Diskrepanz zur Lebensrealität der Bergarbeiter<br />

stehen, jedoch mit den Interessen und dem Selbstverständnis der höheren Schichten der<br />

im Bergbau des 19. Jahrhunderts Beschäftigten korrelieren. Über die Gruppe von Liedern<br />

des 19. Jahrhunderts, die sich durch eine Mischung von „Sentimentalität, Frohsinn<br />

und dem Appell an die Tüchtigkeit und Männlichkeit, verbunden mit tröstendem Gottvertrauen“<br />

287 auszeichnen, und zu denen in vielerlei Hinsicht auch „Der Bergmannsstand<br />

sei hoch geehret“ gezählt werden kann, hat Heilfurth geschrieben:<br />

„Immer erneut hat man versucht, durch solches Singgut das hier aufgestellte Leitbild den Bergleuten<br />

nahezubringen und sie so auch mit Hilfe des Liedes in einer Zeit übergreifender Sozialbewegungen<br />

in ihrem Beruf zu verwurzeln. Zwar sind diese Versuche oft erfolglos geblieben –<br />

einmal, weil sich die Wirklichkeit keineswegs immer mit dem deckte, was die Lieder besangen,<br />

zum andern, weil die rapiden wirtschaftlich-technischen Veränderungen viele Bemühungen<br />

um eine standes- und traditionsbewußte Bergarbeiterschaft und um die Erhaltung einer inneren<br />

Konsolidierung der bergmännischen Lebenswelt überrannte. Doch bleibt die unbestreitbare<br />

Bemühung dieser Liedproduktion um die ge<strong>ist</strong>ig-seelische Beheimatung im Beruf. Woran<br />

287 Heilfurth 1973:773.<br />

76


es nicht selten mangelt, <strong>ist</strong> der Blick für das Gewicht der ökonomischen Spannungen, die sich<br />

in der industriell-kapital<strong>ist</strong>ischen Gesellschaft auszuwirken begannen.“ 288<br />

Heilfurths Annahme, dass hinter der besagten Liedproduktion die ex<strong>ist</strong>enzphilosophische<br />

Sorge um die „ge<strong>ist</strong>ig-seelische Beheimatung im Beruf“ stand, erscheint doch etwas<br />

naiv. Die Ideologie des bergmännischen Standesbewusstseins, wie sie unter anderem<br />

in „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“ beschworen wird, diente gerade jener<br />

technisch-wirtschaftlichen Veränderung der industriellen Revolution, insofern sie deren<br />

reibungsfreien Ablauf gewährle<strong>ist</strong>en sollte. Die Probleme, mit welchen die Bergarbeiter<br />

im 19. Jahrhundert zu kämpfen hatten, waren wohl weniger ihre Entwurzelung aus dem<br />

Beruf, als Armut, hohe Arbeitszeiten, Kinderarbeit usw. Diese Probleme trieben sie in<br />

die übergreifenden Sozialbewegungen, die Kritik an den technisch-wirtschaftlichen<br />

Veränderungen und an deren sozialen Folgen übten. Da diese Sozialbewegungen den<br />

Interessen der Bergbauunternehmer und ihrer Beamten entgegenstanden, <strong>ist</strong> das Angebot<br />

des Standes- und Traditionsbewusstseins als hegemoniales Ablenkungsmanöver zu<br />

interpretieren, um den Betriebsfrieden zu wahren. Das Pathos des Liedes „Der Bergmannsstand<br />

sei hoch geehret“, welches eine präintentionale Erbschaft seiner Abstammung<br />

aus der Oper „La Dame blanche“ <strong>ist</strong>, wird hier zur Sozialromantik, eingekleidet<br />

in optim<strong>ist</strong>ische Marschästhetik, im Sinne der unternehmerischen Interessen der Oberschichten<br />

des Bergbaus, der Radme<strong>ist</strong>er, der Bergoffiziere und Studenten, die in dem<br />

Lied ihre eigene Tätigkeit heroisiert sehen.<br />

3.4. „Gott gehört allein die Ehre“ und „Früh muß der Knapp aufstehn“<br />

Verglichen mit „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“ oder „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“<br />

zeichnen die beiden im folgenden Kapitel analysierten Lieder ein völlig anderes<br />

Bild von der Bergarbeit. Beide Lieder gehören zu einer variantenreichen und weit verbreiteten<br />

Liedfamilie, die sich zwar bis ins frühe 18. Jahrhundert zurückverfolgen<br />

lässt, 289 in den hier besprochenen Varianten jedoch als Dokumente der Erzbergregion<br />

im 19. Jahrhundert aufgefasst werden müssen, also des selben geographischen Raumes<br />

und der selben Zeit, die den sozioh<strong>ist</strong>orischen Kontext für „Der Bergmannsstand sei<br />

hoch geehret“ bildeten. Anders als bei den drei bisher analysierten Liedern weisen die<br />

Varianten der Familie dieser beiden Lieder teilweise sehr große textliche und inhaltliche<br />

288 Heilfurth 1973:773.<br />

289 Vgl. Heilfurth 1954:657-658.<br />

77


Differenzen auf. „Früh muß der Knapp aufstehn“ und „Gott gehört allein die Ehre“<br />

sollen hier daher als originäre Produkte ihrer Zeit aufgefasst und analysiert werden,<br />

wenngleich – oder gerade weil – sie Ergebnisse eines postintentionalen Rezeptionsphänomens<br />

sind.<br />

Die Texte beider Lieder sind in Schlossars „Deutschen Volksliedern aus Steiermark“<br />

abgedruckt. Zu „Früh muß der Knapp aufstehn“ <strong>ist</strong> vermerkt: „Häufig in und um Eisenerz.<br />

Aus dem Volksmunde.“ 290 „Gott gehört allein die Ehre“ hat Schlossar der<br />

Sammlung des Erzherzog Johann entnommen. 291 Die Aufzeichnung von „Früh muß der<br />

Knapp aufstehn“ scheint also aus der Zeit Schlossars zu stammen, wohingegen „Gott<br />

gehört allein die Ehre“ im Rahmen der stat<strong>ist</strong>ischen Erhebung von 1811 aufgezeichnet<br />

wurde. Die beiden Texte sollen hier zunächst wieder einander gegenüber gestellt werden,<br />

um ihre Verwandtschaft mit einander zu verdeutlichen.<br />

„1. Gott gehört allein die Ehre,<br />

Dem Bergmann Jesu Chr<strong>ist</strong>,<br />

Mit Wunder kann man sehen<br />

Wie das beschaffen <strong>ist</strong>,<br />

Wie’s Gold und Silber graben,<br />

Wie auch die Schmelzerei,<br />

Mit Wunder kann man sehen<br />

Wie das beschaffen sei.<br />

2. Wann die Bergleut aufstehn<br />

Und habn ihr Gebet verricht,<br />

Das Grubenglöcklein hören,<br />

Dazu sie seind verpflicht,<br />

Gott behüt euch liebe Kinder,<br />

Wie auch dich, mein liebes Weib,<br />

Mein Reis muss ich vollenden,<br />

Weiß auch nicht wo ich bleib.<br />

3. Mit Schlögel und mit Eisen<br />

Muß ich gewinnen’s Brod,<br />

Das will ich euch beweisen,<br />

Viele tausend bleiben tod,<br />

Oft mancher wird blassiret,<br />

An Arm oder an Bein,<br />

Wenn wir mit Pulver schießen,<br />

So springen auch die Stein.<br />

„1. Früh muß der Knapp aufstehn,<br />

Dann spricht er sein Gebet,<br />

Und hört ers Grubenglöcklein,<br />

So säumt er nicht und geht;<br />

Nimmt Abschied von den Kindern<br />

Und seinem lieben Weib:<br />

Beschütze euch der Himmel,<br />

Wer weiß wo ich verbleib.<br />

2. Mit Schlägl und mit Eisen<br />

Gewinnen wir das Brod;<br />

Ich kann es euch beweisen:<br />

Viel tausend bleiben tod;<br />

Gar manchem wird zerrissen<br />

der Arm wohl oder’s Bein,<br />

Weil wir mit Pulver schießen<br />

Und sprengen das Gestein.<br />

4. Die gemeinen Berggesellen<br />

290 Anton Schlossar (Hg.), Deutsche Volkslieder aus Steiermark. Zugleich Beiträge zur Kenntniß der<br />

Mundart und der Volkspoesie auf bairisch-österreichischem Sprachgebiete, Innsbruck 1881: Verlag der<br />

Wagner’schen Univeritäts-Buchhandlung, 426.<br />

291 Schlossar 1881:426.<br />

292 Schlossar 1881:275-276.<br />

78


Sollen alle gehen schwarz,<br />

Schwarz Kuttl und schwarzes Leder,<br />

Das <strong>ist</strong> des Bergmanns Art,<br />

Schwarz sollen sie alle gehen<br />

Und trauern bei Lebenszeit,<br />

Weil mancher wird erschlagen,<br />

Gar tod in der Gruben bleibt.<br />

5. Die Bergoffizier alle tragen<br />

Von Sammt einen grünen Hut,<br />

Mit Gold sein sie beschlagen,<br />

Des Kaisers Wappen gut,<br />

Haben Feuerzeug in der Taschen,<br />

Zunder, Schwefel, Stahl und Stein,<br />

Damit sie können machen<br />

Ein Licht in schneller Eil.<br />

6. Wann wir in die Grube fahren<br />

Sankt Barbara steh uns bei,<br />

Du wollst uns stets bewahren,<br />

Wann wir fahren aus und ein,<br />

Und wann es kommt zum Sterben<br />

An unserm letzten End,<br />

Hilf, daß wir würdig empfangen<br />

Das heilige Sakrament.<br />

3. Drum, wenn wir Bergleut einfahrn<br />

Sankt Barbara steh uns bei,<br />

Daß unser armes Leben<br />

Bewahrt vor Unglück sei,<br />

Und kommt es einst zum Sterben<br />

Kommt unsre letzte Stund,<br />

So schütz uns vor Verderben<br />

Und vor der Hölle Schlund.“ 293<br />

7. Jetzt wollen wir beschließen<br />

Das edle Berggesang,<br />

Und fallen Gott zu Füßen,<br />

Dem obersten Bergmann.<br />

Wir Danken ihm vor die Gaben,<br />

Die er uns hat beschert,<br />

Wir wollen auch ferneres haben,<br />

Gott sei allein geehrt.“ 292<br />

Die Konkordanzen zwischen den beiden Liedern sind offensichtlich. „Früh muß der<br />

Knapp aufstehn“ kann als eine reduzierte Variante von „Gott gehört allein die Ehre“<br />

angesehen werden, bei welcher die beiden einrahmenden Strophen und die beiden Strophen<br />

über die Kleidung der „gemeinen Berggesellen“ und der Bergoffiziere fehlen. Diese<br />

beiden Strophen sind bei Schlossar wiederum als ein eigenes, mundartliches Lied zu<br />

finden, „Die Bergwerksoffizier dö tragn“, mit dem Hinweis: „Mündlich von einem<br />

Bergknappen in Eisenerz.“ 294 Scheinbar <strong>ist</strong> das längere Lied vom Anfang des 19. Jahrhunderts<br />

im Laufe der Zeit in zwei kürzere Lieder zerfallen, von denen das eine dann<br />

zusätzlich in die regiolektale Sprachvarietät überführt wurde.<br />

293 Schlossar 1881:272.<br />

294 Schlossar 1881:425.<br />

79


Bei Schlossar <strong>ist</strong> nur die Melodie zu „Gott gehört allein die Ehre“ abgedruckt, 295 bei<br />

Kirnbauer <strong>ist</strong> „Früh muß der Knapp aufstehn“ ebenfalls mit dieser Melodie zu<br />

Notenbeispiel 7: „Gott gehört allein die Ehre“, in der von Anton Schlossar überlieferten Variante.<br />

finden. 296 Kirnbauer nennt keine Quelle für sein Lied, da der Liedtext aber, abgesehen<br />

von einigen orthographischen Änderungen, identisch mit dem bei Schlossar abgedruckten<br />

<strong>ist</strong>, liegt die Vermutung nahe, dass es Kirnbauer war, der dem Text die Melodie unterlegte,<br />

ohne das Lied tatsächlich selbst in Eisenerz in dieser Form gehört zu haben.<br />

Ebenso <strong>ist</strong> „Die Bergwerksoffizier dö tragn“, wiederum orthographisch angeglichen,<br />

mit der selben Melodie abgedruckt. 297 Allerdings <strong>ist</strong> dieses Vorgehen durchaus plausibel,<br />

denn die Annahme liegt nahe, dass sich die Lieder nicht nur textlich sondern auch<br />

melodisch ähnelten. Bei Kirnbauer <strong>ist</strong> auch eine Variante von „Gott gehört allein die<br />

Ehre“ zu finden (hier: „Gott sei allein die Ehre“), die allerdings textlich und insbesondere<br />

melodisch einige Abweichungen zur Variante Schlossars aufwe<strong>ist</strong>. 298 In der Betrachtung<br />

der gesamten Liedfamilie lässt sich feststellen, dass, bis auf wenige Ausnahmen,<br />

die Melodien der verschiedenen Überlieferungen sehr eng miteinander verwandt<br />

sind. 299 Heilfurth we<strong>ist</strong> auch auf eine Verwandtschaft mit dem weit verbreiteten Lied<br />

„Glückauf, ihr Bergleut jung und alt, seid frisch und wohlgemut“ hin, dem sogenannten<br />

„Harzer Bergmannslied“. 300<br />

295 Vgl. Notenbeispiel 7.<br />

296 Vgl. Kirnbauer 1924:43.<br />

297 Vgl. Kirnbauer 1924:44.<br />

298 Vgl. Kirnbauer 1924:43-44.<br />

299 Vgl. Heilfurth 1954:658.<br />

300 Vgl. Heilfurth 1954:449, 658.<br />

80


Die Melodie hat eine gängige Struktur: A-A’-B-A. Die Melodie we<strong>ist</strong> keine spezielle<br />

Symbolik oder andere Charakter<strong>ist</strong>ika (z.B. Marschrhythmik) auf, sie orientiert sich an<br />

den Akkordtönen von Tonika und Dominante. Schlossars Tempobezeichnung entsprechend<br />

handelt es sich um eine ruhige und in gewisser Hinsicht unspezifische Melodie.<br />

Anders als beim Lied „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“, dessen Melodie „militärische“,<br />

zur Aktion rufende Charakter<strong>ist</strong>ika aufwe<strong>ist</strong>, <strong>ist</strong> diese Melodie für eine Vielzahl<br />

von Liedern unterschiedlichsten Inhalts denkbar, abgesehen vielleicht von expliziten<br />

Kampfliedern.<br />

Zunächst soll der umfangreichere Text von „Gott gehört allein die Ehre“ analysiert<br />

werden, danach im Vergleich der von „Früh muß der Knapp aufstehn“. Strukturell bilden<br />

die 1. und die letzte Strophe einen Rahmen für das Lied. In beiden Strophen werden<br />

Gott bzw. Jesus, in soziomorpher Deutung, als Bergmann oder sogar oberster Bergmann<br />

bezeichnet, die allein geehrt werden sollen. In der 1. Strophe wird zur Betrachtung der<br />

zum Wundern anregenden Welt von Bergbau und Schmelzhütte eingeladen. Scheinbar<br />

sind dies die Gaben, für die in der letzten Strophe Gott gedankt wird, wenngleich man<br />

sich auch „ferneres“ erhofft. Die 1. und die letzte Strophe scheinen sich an Außenstehende<br />

zu richten. Die 2. Strophe beginnt beschreibend, wechselt dann aber in wörtliche<br />

Rede („Gott behüt euch liebe Kinder,...“) und somit in die Perspektive eines der Bergleute.<br />

Diese Perspektive bleibt auch in der 3. Strophe erhalten („Muß ich gewinnen’s<br />

Brod“, „Das will ich euch beweisen“), auch wenn in Folge nicht nur aus der individuellen<br />

Perspektive sondern über das Kollektiv der Bergleute berichtet wird („Wenn wir mit<br />

Pulver schießen“). Zwar sind die 4. und 5. Strophe rein berichtend, durch die vorherige<br />

Strophe bleibt aber der Eindruck erhalten, dass der Bericht des Bergmanns weitergeht.<br />

In der 6. Strophe wird wiederum aus der Perspektive des „Wir“ berichtet, was aber immer<br />

noch das „Wir“ des Bergmanns <strong>ist</strong>, der für das Kollektiv spricht. Damit endet der<br />

Bericht über das Leben im Bergbau. Die 7. Strophe wechselt dann, wegen ihres Bezugs<br />

auf die 1. Strophe wieder in ein umfassenderes „Wir“.<br />

Entsprechend der inhaltlichen Struktur des Liedtextes lassen sich zwei Hauptthemen unterscheiden:<br />

alltägliche Arbeit im Bergbau und Religiosität. Über die Arbeit informiert<br />

das Lied in der 2. bis zur 5. Strophe. Die 2. Strophe schildert zunächst den Morgen des<br />

Bergmanns: er steht auf, betet und geht zur Arbeit, sobald er das Grubenglöcklein hört,<br />

wie es seine Pflicht <strong>ist</strong>. Der Aufbruch gestaltet sich jedoch anders als im Lied „Der<br />

81


Bergmannsstand sei hoch geehret“. Der Bergmann nimmt Abschied von seiner Familie<br />

und übergibt sie in Gottes Schutz, da er selbst nicht weiß, ob ihm etwas bei der Arbeit<br />

zustößt. Die dritte Strophe formuliert in äußerster Deutlichkeit die Härte der Arbeit. Anstatt<br />

die Arbeit zu einem Dienst am Vaterland oder einer Form der Selbstverwirklichung<br />

zu verklären, wird als Grund, warum der Bergmann dieser Arbeit nachgeht, die Notwendigkeit<br />

genannt, Geld für das tägliche Brot zu verdienen. Es bleibt nicht verschwiegen,<br />

dass diese Arbeit mit vielen tausend Toten und Verletzten verbunden <strong>ist</strong>. Infolgedessen<br />

wird in der 4. Strophe die schwarze Bergmannskleidung als Trauerkleid interpretiert.<br />

301 Kontrastierend dazu werden in der 5. Strophe die Bergoffiziere beschrieben. Sie<br />

tragen kein Trauerkleid, sondern einen samtenen, grünen Hut, der mit dem Wappen des<br />

Kaisers verziert wird. Diese Gegenüberstellung kann so interpretiert werden, dass die<br />

Bergoffiziere weniger Gefahren ausgesetzt sind als die einfachen Bergleute, und dass<br />

sich dies in der Kleidung widerspiegelt. Andererseits verfügen die Bergoffiziere aber<br />

auch über das notwendige Werkzeug um Licht zu machen, bringen also das Licht in das<br />

Dunkel des Bergbaus. 302<br />

Was wird dieser verhältnismäßig düsteren Schilderung des Lebens im Bergbau entgegengesetzt,<br />

die gleichzeitig wenig normative Elemente, im Sinne einer handlungssteuernden<br />

Funktion enthält? Das Kompensationsangebot <strong>ist</strong> chr<strong>ist</strong>lich-katholische Religiosität.<br />

Die Schutzheilige des Bergbaus, die Heilige Barbara, wird in der 6. Strophe angerufen.<br />

Sie soll die Bergleute vor den Gefahren beschützen, zumindest aber gewährle<strong>ist</strong>en,<br />

dass sie im Tode noch das Sterbesakrament erhalten. Darüber hinaus bilden die 1.<br />

und die 7. Strophe einen religiösen Rahmen, in dem der Bergbau auch als Geschenk<br />

Gottes verklärt wird, das ein Wundern beim Betrachter hervorruft. Andererseits kommt<br />

in der 7. Strophe auch ein ekstatisch-kathartisches Motiv zum tragen. Zwar wird Gott<br />

für seine Gaben gedankt, man erwünscht sich aber auch Ferneres, was wohl nicht nur<br />

auf das Diesseits bezogen <strong>ist</strong>, sondern vor allem auch auf das Jenseits, es <strong>ist</strong> die „Wendung<br />

zu der Gewißheit einer letzten Geborgenheit“ 303 .<br />

301 Vgl. Heilfurth 1954:87.<br />

302 Zum Motiv des Lichts in Bergmannsliedern: vgl. Heilfurth 1954:104-105.<br />

303 Heilfurth 1954:229.<br />

82


In „Früh muß der Knapp aufstehn“ sind diese Inhalte auf die Kernaspekte reduziert:<br />

Bericht über den Abschied des Bergmanns am Morgen (1. Strophe), Bericht über die<br />

Gefahren des Bergbaus (2. Strophe) und schließlich der katholische Glaube mit der Heiligen<br />

Barbara als Kompensation dieser Belastungen (3. Strophe). Die verklärenden E-<br />

lemente, die in „Gott gehört allein die Ehre“ noch in Ansätzen zu finden sind, fehlen<br />

hier vollständig. Möglicherweise hat dieser Umstand mit der tendenziellen sozialen<br />

Verschlechterung im 19. Jahrhundert zu tun, so dass die spätere Liedvariante kaum noch<br />

optim<strong>ist</strong>ische Elemente enthält. Interessant <strong>ist</strong>, dass in beiden Liedern hinsichtlich der<br />

Handlungsnormierung nur das Bekenntnis zu Gott gefordert wird, welches dabei hilft<br />

die Härten der Arbeit, das ewige Trauern zu Lebzeiten zu ertragen und das auf ein besseres<br />

Leben nach dem Tod hoffen lässt. Die Lieder vermitteln also eine Ideologie chr<strong>ist</strong>licher<br />

Duldsamkeit, 304 anstatt zu fragen, was die Ursache für diese Lebens- und Arbeitsbedingungen<br />

<strong>ist</strong> und wie sie verbessert werden könnten. Als Grund dafür, warum diese<br />

Härten in Kauf zu nehmen sind, wird jedoch kein höheres Ideal angeführt, sondern allein<br />

die Sicherung des Lebensunterhalts.<br />

4. Bergmannslieder im ideologisch geprägten Kontext<br />

Während sich die vorigen Analysen auf die Lieder in ihrem Entstehungszusammenhang<br />

konzentriert haben, soll nun die postintentionale Verwendung von Bergmannsliedern im<br />

ideologisch geprägten Kontext untersucht werden. Exemplarisch soll dafür die mehrfache<br />

Verwendung des Lieds „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“ bei der Eisenerzer<br />

Barbarafeier 2008 herangezogen werden. Diese Barbarafeier wurde immer wieder von<br />

Musik begleitet, Musik war mitunter ein zentrales Element des Geschehens. Eine erschöpfende<br />

Untersuchung von uses und functions der Musik bei der Barbarafeier soll<br />

hier nicht gele<strong>ist</strong>et werden, 305 die hier analysierten Ausschnitte der Barbarafeier wurden<br />

ausgewählt, weil bei diesen die Funktion der Bergmannslieder als Medium ideologischer<br />

Inhalte am greifbarsten ausgeprägt waren.<br />

304 Heilfurth würde von „Ex<strong>ist</strong>enzme<strong>ist</strong>erung durch Gottvertrauen und gläubige Zuversicht“ (Heilfurth<br />

1954:88) sprechen.<br />

305 Florian Wimmer befasst sich ausführlich mit diesem Themenkomplex in einer zur Zeit in Arbeit befindlichen<br />

Bachelorarbeit an der KUG.<br />

83


Feiern für die Schutzheilige der Bergleute, die Heilige Barbara, sind eine weit verbreitete<br />

Tradition in deutschsprachigen Bergbaugebieten, 306 die Entwicklung der Eisenerzer<br />

Barbarafeiern im 20. Jahrhundert hat Johannes Moser ausführlich erforscht und interpretiert.<br />

Es gibt Hinweise darauf, dass bereits vor 1900 Barbarafeiern begangen wurden,<br />

allerdings wurden um die Jahrhundertwende die letzten Feiern dieser Art begangen. 307<br />

Das Einschlafen dieser Tradition wird von Karl Stocker mit der Proletarisierung der<br />

Bergarbeiter erklärt, die einen Bedeutungsverlust ständischer Bräuche zur Folge hatte.<br />

308 Die Wiederbelebung der Barbarafeiern fand 1926 durch die Werksleitung des Eisenerzer<br />

Bergwerks, im Klima der Auseinandersetzung zwischen der Werksleitung und<br />

den sozialdemokratischen Teilen der Arbeiterschaft, die in Kapitel 2.1.2. beschrieben<br />

wurde, statt, seitdem hat sich allmählich eine Gruppe von Merkmalen ausgeprägt, welche<br />

die Barbarafeier als Gesamtritual konstituieren:<br />

„Die Barbarafeier wird jährlich an einem Wochenende um den 4. Dezember, das Patrozinium<br />

dieser Schutzheiligen der Bergleute, gefeiert. In dieses Brauchtum eingebettet sind die Ehrungen<br />

langjähriger Mitarbeiter, der ‚Ledersprung’, diverse Umzüge, das Gedenken an die verunglückten<br />

und verstorbenen Bergmänner auf dem Friedhof, ein ökumenischer Gottesdienst und<br />

ein geselliger Abend.“ 309<br />

Moser fasst seine Interpretation der wechselnden Funktionen der Barbarafeier folgendermaßen<br />

zusammen:<br />

„In der ersten Phase ab 1926 sollte es zu einer Betriebsverbundenheit im Sinne der Betriebsleitung<br />

beitragen, die Wert auf eine neue Mitarbeiterführung legte, dabei jedoch zunächst hauptsächlich<br />

an die höheren Angestellten und Beamten dachte, da ihr die Arbeiterschaft politisch<br />

suspekt war. Dennoch hoffte man offensichtlich, das Brauchtum werde durch einen gewissen<br />

Sickerungsprozess auch von der Arbeiterschaft angenommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

und mit der neuen und mächtigen Rolle der Arbeiterbewegung und deren Beteiligung an den<br />

Planungen wird das Barbararitual zu einer identitätsstiftenden Angelegenheit nach innen und<br />

zu einer Demonstration der Bedeutung des Bergbaus nach aussen. Obwohl es dabei im Inneren<br />

durchaus noch Konflikte gab, die sich auch bei der Barbarafeier ausdrücken konnten, handelte<br />

es sich dabei um die Phase, in der sich dieses Ritual besonderer Beliebtheit erfreute. Seit der<br />

ökonomischen Krise und dem Niedergang des Bergbaus schliesslich erhält das Barbarabrauchtum<br />

die zusätzliche Funktion, als tour<strong>ist</strong>isches Zugpferd zu dienen und an vergangene Zeiten<br />

zu erinnern.“ 310<br />

Wichtig <strong>ist</strong> an dieser Stelle, festzuhalten, dass die Barbarafeier immer auch eine politische<br />

Funktion erfüllte, in wechselnder Gewichtung sowohl betriebsintern als auch in<br />

306 Vgl. Kirnbauer 1958:168.<br />

307 Vgl. Johannes Moser, „Das Barbarabrauchtum in Eisenerz“, Schweizerisches Archiv für Volkskunde<br />

100, 2004, 102.<br />

308 Vgl. Stocker 1984:46.<br />

309 Moser 2003:175-176.<br />

310 Moser 2004:124.<br />

84


Bezug auf Landes- und Staatspolitik. Wie die Barbarfeier 2008 zu beurteilen <strong>ist</strong>, soll in<br />

Folge diskutiert werden.<br />

Die Eisenerzer Barbarafeier 2008 erstreckte sich über zwei Tage, Freitag den 5. Dezember<br />

und Samstag den 6. Dezember, wobei die Veranstaltungen am Freitag eher betriebsinternen<br />

Charakter hatten, der Betriebsratsvorsitzende Bernhard Rothleitner sprach in<br />

seiner Begrüßungsansprache explizit vom Freitag als „Tag der Mitarbeiter“ 311 , und der<br />

Samstag stärker an die Öffentlichkeit außerhalb des Betriebs gerichtet war. Der Freitagsveranstaltungen<br />

begannen um 17:15 Uhr und bestanden aus dem Gedenken an die<br />

verstorbenen und verunglückten Bergleute am Friedhof und einer betriebsinternen Veranstaltung<br />

im Innerberger Gewerkschaftshaus, die sich aus Ansprachen des Bergdirektors<br />

und des Betriebsratsvorsitzenden, Grußworten von Arbeiter- und Wirtschaftskammervertretern,<br />

der Ehrung der Jubilare, dem Ledersprung zweier Betriebsmitglieder,<br />

einem Abendessen, diversen Musikeinlagen eines Bläserensembles des Musikvereins<br />

Bergkapelle Eisenerz und schließlich dem „Barbaratanz“, einer Tanzveranstaltung mit<br />

der Band Nordwand, zusammensetzte. Die Zahl der Gäste und Beteiligten kann auf ca.<br />

150 Personen geschätzt werden. Obwohl der Hin- und Rückweg zwischen Gewerkschaftshaus<br />

und Friedhof als Parade absolviert wurde, war das Interesse Außenstehender<br />

gering, nur vereinzelte Menschen standen am Straßenrand, einige kamen am Friedhof<br />

zur Gedenkveranstaltung hinzu.<br />

Der Samstag begann um 9:00 Uhr mit einem Empfang für die Ehrengäste im Gewerkschaftshaus.<br />

Als Ehrengäste waren Vertreter der Bundes-, Landes- und Regionalpolitik,<br />

der VOEST Alpine, der Geschäftskunden und -partner, des Bundesheeres, Professoren<br />

von der Montanuniversität Leoben und verschiedene andere Gäste aus Wirtschaft und<br />

Verwaltung zugegen, die „Politprominenz“ fehlte allerdings. Darauf folgte ein Festzug<br />

zur Oswaldikirche, in welcher ein ökumenischer Gottesdienst abgehalten wurde. Nach<br />

dem Rückmarsch von der Kirche nahmen die Abordnungen der beteiligten Knappschaften,<br />

die beiden Blasmusikkapellen aus Eisenerz und Breitenau und die Ehrengäste am<br />

Theodor-Körner-Platz beim Gewerkschaftshaus Aufstellung. Darauf folgte die Segnung<br />

eines neuen, 80t schweren LKW, eines sogenannten „Haulys“, der im Tagbau am Erz-<br />

311 Bernhard Rothleitner, Betriebsratsvorsitzender der VA Erzberg GmbH, 5.12.2008, bei der Barbarafeier<br />

in Eisenerz.<br />

85


erg zum Einsatz kommen sollte. Die Segnung wurde durch zwei Bergmannslieder des<br />

Barbarachors begleitet, eines achtköpfigen Männerchors, bestehend aus Mitgliedern<br />

des AGV Stadtchor Eisenerz. Am Theodor-Körner-Platz folgte daraufhin der „Barbaramarkt“,<br />

eine Art Weihnachtsmarkt, der von der Stadtgemeinde Eisenerz organisiert<br />

wurde, die eigentliche Barbarafeier wurde im Innerberger Gewerkschaftshaus fortgesetzt.<br />

Die zentralen Bestandteile waren hier die Begrüßung der Ehrengäste durch den<br />

Bergoffizier Erhard Klimbacher, ein Jahresrückblick und Ausblick durch die beiden<br />

neuen Geschäftsführer Josef Pappenreiter und Chr<strong>ist</strong>ian Treml sowie den Betriebsratsvorsitzenden<br />

Bernhard Rothleitner, der auch den ehemaligen Geschäftsführer Stefan Petermann<br />

verabschiedete, der Ledersprung Chr<strong>ist</strong>ian Tremls und Alfred Düsings, eines<br />

Vorstandsfunktionärs der VOEST Alpine, schließlich das Barbaragulaschessen mit Musikbegleitung.<br />

Auch zwischen die anderen Programmpunkte waren immer wieder Musikeinlagen<br />

der Bergkapelle eingestreut. Das Programm der Barbarafeier wurde nach<br />

dem Gottesdienst durchgehend von Erhard Skupa moderiert, der unter anderem Pressesprecher<br />

der Montanuniversität Leoben <strong>ist</strong>. Die Gesamtzahl der offiziellen Gäste und<br />

Beteiligten belief sich am Samstag auf ca. 230 Personen, die LKW-Segnung und der<br />

Barbaramarkt konnte zusätzlich schätzungsweise 100 Zuschauer anlocken. Die Veranstaltung<br />

im Gewerkschaftshaus, die seit den 90er Jahren der Öffentlichkeit zugänglich<br />

<strong>ist</strong>, 312 verfolgten etwa 60 Zuschauer von der Empore aus.<br />

Das Lied „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“ wurde bei der Barbarafeier jeweils<br />

nach dem Ledersprung am Freitag und Samstag von allen versammelten Personen gesungen,<br />

ohne dass jemand auf Textblätter zurückgegriffen hätte. Das gilt auch für die<br />

Zuschauer am Samstag. Das kollektive Singen dieses Liedes scheint seit der Wiederbelebung<br />

der Barbarafeier in den 20er Jahren ein traditionelles Element zu sein, wie aus<br />

dem Programm der Barbarafeier 1929 hervorgeht. 3<strong>13</strong> Die dominante ideologische Funktion<br />

war an beiden Tagen eine unterschiedliche. Während am Freitag die soziale Integration<br />

der Betriebsmitglieder in das Betriebsgefüge, die Stärkung des Vertrauens in die<br />

Betriebsführung im Vordergrund stand, erfüllte das Lied am Samstag eher eine nach<br />

außen gerichtete, werbende Funktion.<br />

312 Vgl. Moser 2004:123.<br />

3<strong>13</strong> Vgl. Stocker 1984:49.<br />

86


Die Veranstaltungen am Freitag hatten alle direkten Bezug auf die Belegschaft: Totengedenken,<br />

Jubilarsehrung, betriebsinterner Ledersprung und schließlich der „Barbaratanz“.<br />

Auch die Ansprachen waren auf die Interessen der Betriebsmitglieder bezogen.<br />

Obwohl sich der Betriebsratsvorsitzende einzelne Spitzen gegen die Geschäftsführung<br />

erlaubte, was durchaus üblich <strong>ist</strong> bei Barbarafeiern, 314 wurde im Großen und Ganzen<br />

Einigkeit demonstriert. Bernhard Rothleitner drückte sich in seiner Begrüßungsansprache,<br />

nachdem er auch schon – humorvolle – Kritik am ehemaligen Bergdirektor Stefan<br />

Petermann geübt und die sinkenden Beschäftigtenzahlen angesprochen hatte,<br />

folgendermaßen aus:<br />

„Die Arbeitsbedingungen in diesen vielen Jahrzehnten [Die Rede bezieht sich auf die Betriebsjubilare.<br />

M.S.] waren sicher nicht leicht, doch wir haben dieses Auf und Ab, ??? [unverständlich,<br />

M.S.], Konjunkturknicks und so manche schwarze Wolke am Himmel durchgestanden.<br />

Ich hoffe auch, dass die schwarzen Wolken, die sich derzeit abzeichnen, an uns vorübergehen<br />

werden und der Bevölkerung von Eisenerz nicht noch mehr traurige und dramatische Szenarien<br />

bringen, als ohnehin schon bekannt. Wir standen mehrmals am Abgrund, aber wir haben eines<br />

immer getan: Wir haben zusammengehalten, wir haben durchgestartet, wir haben uns angepasst.<br />

wir haben uns verändert, wir mussten uns verändern. Wir haben uns neu ausgericht’ und<br />

unser Unternehmen über schwere Zeiten gebracht. Ich bin sehr zuversichtlich, meine sehr geehrten<br />

Damen und Herren, dass wir 35-, 25-Jährigen und alle anderen Mitarbeiter in unserem<br />

Unternehmen diesen Kampf aufnehmen werden, auch wenn es düster wird, und unser Unternehmen<br />

noch viele Jahre am Leben erhalten.“ 315<br />

Das primäre Ziel <strong>ist</strong> also, zunächst das Unternehmen zu retten, sich auch entsprechend<br />

zu verändern und anzupassen. Es wird keine Dichotomie aufgebaut zwischen Betriebsführung<br />

und Mitarbeitern, sondern die Mitarbeiter stehen für ihr Unternehmen ein. Diese<br />

Rhetorik des Zusammenhalts und guten Verhältnisses von Betriebsleitung und Belegschaft<br />

wurde vom neuen Bergdirektor Josef Pappenreiter in seiner Rede aufgegriffen.<br />

Der Höhepunkt des Abends, der Ledersprung zweier Betriebsmitglieder unter lautstarker<br />

Anteilnahme der Kollegen, führte, nach einem langen Abschnitt von Ansprachen, zu<br />

einer emotionalisierten Affirmation dieser in den Reden angesprochenen Betriebsgemeinschaft.<br />

In dieser Situation wurde nun gemeinsam „Der Bergmannsstand sei hoch<br />

geehret“ gesungen. 316 In dieser postintentionalen Verwendung des Liedes treten die in<br />

Kapitel 3.3 analysierten Inhalte – Patriotismus, Opferbereitschaft, Überhöhung der<br />

Bergarbeit – zurück. Das Lied selbst <strong>ist</strong> in seiner gesellschaftlich angeeigneten Bedeutung<br />

zum Symbol geworden für Berufsverbundenheit und Stolz auf einen Beruf, der im<br />

314 Vgl. Moser 2004:117.<br />

315 Bernhard Rothleitner, Betriebsratsvorsitzender der VA Erzberg GmbH, 5.12.2008, bei der Barbarafeier<br />

in Eisenerz.<br />

316 Vgl. Videobeispiel 1.<br />

87


modernen Tagebau am Erzberg kaum noch etwas mit dem mythisch verklärten Bild des<br />

Bergmanns zu tun hat und um dessen Zukunft es nicht gut bestellt <strong>ist</strong>. Vor der verschärften<br />

Krisensituation im Winter 2008 erscheint es aber wie ein bergmännisches<br />

„Trotz Alledem“. Das Singen in der Gruppe macht es zum tatsächlichen „Wir“-Lied, es<br />

wirkt identitätsstiftend und ruft zur Solidarität aller Betriebsmitglieder auf. Insofern bekräftigt<br />

es die Botschaft der grundsätzlichen Eintracht von Betriebsrat und Geschäftsführung,<br />

es fordert zu einer Unterstützung dieser Politik auf und spendet durch das Gemeinschaftsgefühl<br />

Trost und Kraft angesichts der Wirtschaftskrise. Das Lied <strong>ist</strong> also<br />

Medium eines plurifunktionalen Führungssystems.<br />

Auch am Samstag wurde im Jahresrückblick durch die Geschäftsführung auf die Krise<br />

Bezug genommen, wobei bemerkt werden muss, dass der Eisenerzer Bergbau sich seit<br />

Mitte der 70er Jahre in einer kontinuierlichen Krise befindet. 317 Betont wurden aber<br />

auch der Umsatzrekord in der Erzförderung und das Umsatzplus in den anderen Geschäftszweigen,<br />

wobei gleichzeitig die Erwartungen für 2009 gebremst wurden. Ausführlich<br />

wurde über die geplante Pelletieranlage berichtet, die 120-150 Arbeitsplätze<br />

schaffen würde und von deren Realisierung auch der Fortbestand des Bergbaus am Erzberg<br />

abhängig <strong>ist</strong>. Explizit wurde von Chr<strong>ist</strong>ian Treml bei der Politik um Unterstützung<br />

gebeten im Zulassungsverfahren und bei der Regelung der CO 2 -Problematik, da die geplanten<br />

EU-Richtlinien eine zu starke Teuerung zur Folge hätten, als dass das aufbereitete<br />

Erz noch konkurrenzfähig wäre. Auch Bernhard Rothleitner betonte das Engagement<br />

des Betriebsrats und der Gewerkschaften bei der EU für die Interessen der energieintensiven<br />

Industrie, also auch des Bergbaus. Hier wurde also erneut das Bild vermittelt,<br />

dass Geschäftsführung und Belegschaft trotz aller Auseinandersetzungen an einem<br />

Strang ziehen. Auch bei anderen Themen, dem Bau einer Zufahrtsstraße, um die tour<strong>ist</strong>ische<br />

Attraktivität des Erzbergs zu fördern, und der Befreiung von der Mineralölsteuer,<br />

um wettbewerbsfähig zu bleiben, bat Chr<strong>ist</strong>ian Treml um Unterstützung durch die Politik.<br />

Der Bergbau am Erzberg wurde also als ein regional in mehrfacher Hinsicht bedeutendes<br />

und wirtschaftlich le<strong>ist</strong>ungsfähiges Unternehmen dargestellt, das trotz Krise immer<br />

noch zukunftsfähig sei und deshalb Unterstützung benötige. Diese direkte Botschaft<br />

war in die folklor<strong>ist</strong>ischen Elemente – Gottesdienst, Parade, LKW-Segnung, Ledersprung,<br />

Barbaragulasch und Barbarabier – eingebettet, in denen Tradition, Zukunft und<br />

317 Vgl. Moser 2004:118-121.<br />

88


Relevanz des Bergbaus symbolisch repräsentiert wurden. Das Heraustragen der Knappschaftsfahnen<br />

aus dem Gewerkschaftshaus vor dem Marsch zur Kirche und ihre Rückführung<br />

ins Gewerkschaftshaus nach der LKW-Segnung erhielten eine besonders staatstragende<br />

Konnotation, da die Vorgänge durch die Bundeshymne bzw. die steirische<br />

Landeshymne begleitet wurden. Nach dem Ledersprung forderte der Moderator Erhard<br />

Skupa mit folgenden Worten zum Singen des Liedes auf:<br />

„Meine Damen und Herren, ich darf sie bitten sich jetzt von ihren Sitzen zu erheben und mit<br />

uns gemeinsam das Bekenntnis zum Bergmannsstand am heutigen Tag zu erneuern, indem wir<br />

die drei Strophen der inoffiziellen Hymne der Bergleute singen: ‚Der Bergmannsstand sei hoch<br />

geehret’.“ 318<br />

Die allgemeine Bekanntheit des Liedes wurde hier durch die Bezeichnung des Liedes<br />

als „inoffizielle Hymne“ und des Singens als „Bekenntnis zum Bergmannsstand“ zusätzlich<br />

überhöht. Anstatt in erster Linie eine identitätsstiftende Funktion zu erfüllen<br />

wie am Freitag, war das Lied in diesem Kontext dramatischer Höhepunkt der werbenden<br />

Repräsentation des Eisenerzer Bergbaus und hatte insofern zunächst informierende<br />

Funktion. Das Mitsingen – und alle, Belegschaft, Ehrengäste und Zuschauer, singen mit<br />

– bedeutete aber auch ein Bekenntnis zu diesem Bergbau und zu seiner Zukunft, die<br />

Forderung, die als Handlungsappell dahinter steht, zielte auf den zukünftigen Einsatz<br />

für den Bergbau, in welcher gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder politischen Position<br />

man sich auch befindet. Das heroisch-patriotische Pathos des Liedtextes, zusätzlich<br />

unterstützt durch die marschartige Begleitung der Bergkapelle, war dazu äußerst zweckdienlich.<br />

Die Frage, die sich nun unmittelbar stellt, <strong>ist</strong>, inwiefern diese Strategie erfolgreich war.<br />

Leider <strong>ist</strong> diese Frage wahrscheinlich nicht zu beantworten, denn die Bemühungen um<br />

Betriebsfrieden und Interessensharmonie nach innen und um politische und wirtschaftliche<br />

Unterstützung nach außen, werden durch die Barbarafeier zwar symbolisch repräsentiert,<br />

und im Rahmen dieser Repräsentation kommt auch das Lied „Der Bergmannsstand<br />

sei hoch geehret“ zum Einsatz, jedoch kommen auch andere und wahrscheinlich<br />

notwendigere Mittel zur Verfolgung dieser Ziele zum Einsatz. Die Barbarafeier <strong>ist</strong> nur<br />

ein Instrument im Repertoire der Mittel wirtschaftspolitischer, hegemonialer Einflussnahme,<br />

welches als kulturelle Veranstaltung allerdings öffentlichkeitswirksam <strong>ist</strong>, was<br />

318 Erhard Skupa, Moderator und Pressesprecher der Montanuniversität Leoben, 6.12.2008, bei der Barbarafeier<br />

in Eisenerz. Vgl. Videobeispiel 2.<br />

89


sich auch in der Anwesenheit verschiedener Pressevertreter zeigt, und damit die kommunizierte<br />

Botschaft multipliziert.<br />

5. Abschließende Worte<br />

Die Analyse der Bergmannslieder konnte zeigen, dass sich in ihnen ideologische Inhalte<br />

befinden: sie informieren über die Beschaffenheit der Welt, insbesondere über den<br />

Bergbau, sie geben – mal explizit fordernd, mal durch implizite Beschreibung von Idealzuständen<br />

– Handlungsanweisungen, und sie bieten Möglichkeiten zur emotionalen<br />

Auseinandersetzung mit der Umwelt – mal verklärend und affirmativ, mal durch Verweis<br />

auf ein besseres Jenseits. Die Ausprägung der für ein Lied maßgeblichen Ideologie<br />

lässt sich, wie gezeigt werden konnte, durch den sozioh<strong>ist</strong>orischen Kontext schlüssig<br />

erklären. Wie sich diese ideologische Prägung manifestiert, <strong>ist</strong> unterschiedlich und von<br />

den Einflüssen des Entstehungskontextes der Lieder abhängig, so dass nicht von einer<br />

Ideologie der Bergmannslieder gesprochen werden kann, wenngleich bestimmte Inhalte<br />

und Themen immer wieder auftauchen, anscheinend also über längere Zeiträume aktuell<br />

waren. Der Eisenerzer Bergreihen beschreibt minutiös einen wohlfunktionierenden, patriarchalischen<br />

und von Gott gesegneten Betrieb , „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“ <strong>ist</strong> eine<br />

kontemplativ-idyllische Darstellung des braven, sittlichen, gläubigen und furchtlosen<br />

Bergmanns, „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“ zeichnet sich durch heroisches<br />

Pathos aus, und „Gott gehört allein die Ehre“ bzw. „Früh muß der Knapp aufstehn“<br />

sind in der Darstellung der Lebens- und Arbeitsbedingungen wenig beschönigend, trösten<br />

aber – die eine Variante mehr, die andere weniger – durch die chr<strong>ist</strong>liche, ekstatischkathartische<br />

Hoffnung auf das Himmelreich.<br />

Durch die Analyse der Verwendung des Liedes „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“<br />

bei der Barbarafeier 2008 konnte gezeigt werden, dass auch in der Gegenwart<br />

Bergmannslieder noch eine ideologische Funktion erfüllen können. Durch den postintentionalen<br />

Gebrauch des Liedes ändert sich jedoch seine Bedeutung, der Optimismus<br />

und Heroismus stellt keine ernsthafte Forderung an die Belegschaft dar und tritt in den<br />

Hintergrund, wobei den möglichen Bedeutungsänderungen natürlich durch das gegebene<br />

Lied Grenzen gesetzt sind. „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“ eignet sich aufgrund<br />

von Text und Melodie besser zur Generierung von Solidarität und Identität bzw.<br />

90


als folklor<strong>ist</strong>isches „Image“-Lied der VA Erzberg GmbH, als beispielsweise „Früh<br />

muss der Knapp aufstehn“, mit seinen negativ-düsteren Inhalten.<br />

Die Wirkung der Bergmannslieder sollte man jedoch nicht überschätzen, sie sind kein<br />

Mittel zur „Gehirnwäsche“, sondern eines von vielen Werkzeugen zur Artikulation und<br />

Verbreitung von Ideologien in der hegemonialen Auseinandersetzung. Auch die Fähigkeit<br />

der Menschen zur kritischen Reflektion sollte nicht unterschätzt werden, so berichtet<br />

z.B. Erika Klapf von ihrem Vater, der Bergmann in Radmer war:<br />

„Aber der Vater hat immer gsagt, des is a Bledsinn, weil die [Bergmannslieder, M.S.] klingen<br />

so schen und des war so schwere Arbeit am Berg. Ja, weil da, weißt eh, immer ‚der Bergmannsstand<br />

sei hoch verehret’ und so, da hat er immer gesagt: ‚Geh, so ein Bledsinn.’“ 319<br />

Ebenso <strong>ist</strong> es ein Akt der Subversion, wenn ein affirmatives Lied wie das „Harzer<br />

Bergmannslied“ in ein satirisch-kritisches und politisches Lied, das „Neue Fohnsdorfer<br />

Bergmannslied“, umgedichtet wird. 320 Die Wirksamkeit von Bergmannsliedern bei der<br />

Beeinflussung des Alltagsverstandes lässt sich schwer prüfen, da der Prozess der Indoktrination<br />

und Überzeugungsarbeit nicht auf das Singen oder Anhören von Liedern<br />

reduziert werden kann. Einen Versuch durchzuführen, bei welchem im Labor den Probanden<br />

„Der Bergmannsstand sei hoch geehret“ vorgespielt wird und getestet wird, ob<br />

sie eine positivere Einstellung zum Bergbau haben als die Kontrollgruppe, die keine<br />

Lieder zu hören bekommen hat, <strong>ist</strong> müßig, da ein solcher Versuch völlig realitätsfremd<br />

<strong>ist</strong> und weil er zu sehr vom Kontext einer hegemonialen Gesamtstrategie abstrahiert.<br />

Bergmannslieder erfüllen den Zweck des ideologischen Mediums wahrscheinlich dann<br />

am besten, und vermutlich gilt dies für Lieder im Allgemeinen, wenn bei den Adressaten<br />

bereits eine gewisse Bereitschaft vorhanden <strong>ist</strong>, die Inhalte zu akzeptieren, welche<br />

die Lieder transportieren sollen.<br />

In dieser Arbeit konnten nur einzelne Fallbeispiele untersucht werden, die jedoch eine<br />

gewisse Repräsentativität beanspruchen können. Eine mögliche Erweiterung des in dieser<br />

Arbeit verfolgten Forschungsansatzes wäre es also, eine größere Stichprobe von<br />

Bergmannsliedern aus einem bestimmten Zeitraum, z.B. aus dem frühen 19. Jahrhundert,<br />

einer quantitativen Inhaltsanalyse zu unterziehen und so zentrale ideologische In-<br />

319 Interview von Lukas Proyer, Malik Sharif und Florian Wimmer mit Erika Klapf, Pension<strong>ist</strong>in (Gärtnerin,<br />

Archivarin) in Leoben und Radmer, geb. 1948, vom <strong>13</strong>.5.2009.<br />

320 Haid und Haid 1981:24.<br />

91


halte identifizieren zu können. Auf gleiche Art könnte die Zusammenstellung von<br />

Bergmannsliederbüchern analysiert werden und in Bezug gesetzt werden zum sozioh<strong>ist</strong>orischen<br />

Kontext der Liederbuchherausgabe. In jedem Fall müsste die tatsächliche<br />

Verwendung der Lieder stärker in der Forschung berücksichtigt werden. Ebenso wären<br />

Untersuchungen wünschenswert, die den nicht-deutschsprachigen Raum berücksichtigen,<br />

z.B. die Bergbauregionen in Großbritannien. Insgesamt würde sich auch die Möglichkeit<br />

einer vergleichenden Betrachtung der Verwendung von Bergmannsliedern anbieten,<br />

zumal viele europäische Bergbauregionen in den vergangenen Jahrzehnten mit<br />

wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen hatten, die soziale Konflikte zur Folge hatten.<br />

Welche Rolle spielt Musik bei Bergarbeiterstreiks? Werden Streiklieder komponiert?<br />

Wenn ja, von wem und wie werden sie rezipiert? Zahlreiche Fragen ergeben sich hier,<br />

für die Vergangenheit genauso wie für die Gegenwart. Um nicht durch einseitige Forschung<br />

zu einem verzerrten Bild zu gelangen, wäre auch ein Perspektivwechsel notwendig.<br />

Es müsste das gesamte Musikleben in Bergbauregionen untersucht werden, um<br />

den Stellenwert von Bergmannsliedern, in der Vergangenheit wie in der Gegenwart, beurteilen<br />

zu können, denn Wolfgang Suppan <strong>ist</strong> sicherlich zuzustimmen, wenn er<br />

schreibt:<br />

„Und zweifellos beschränkte sich das Singen in Montanbezirken nicht auf das, was gemeinhin<br />

als ‚Bergmannslied’ bezeichnet wird, was sich aus der literarischen Überlieferung dazu herauslesen<br />

läßt. Dieses letztere Repertoire, es reicht von den Bergreihen des 16. Jahrhunderts bis zu<br />

bergmännischer Dichtung des 20. Jahrhunderts, bildet nur einen kleinen Teil des Liederschatzes<br />

der Berg- und Hüttenleute, der die jeweils in Mode stehenden geselligen Lieder, ge<strong>ist</strong>liche<br />

und sozialkritische Lieder, die Volksballade ebenso wie das Schnaderhüpfl, das erotische Lied<br />

ebenso wie die ordinäre Zote einschließt.“ 321<br />

Dass diese Mahnung an den allzu selektiven Forscher auch noch für das 21. Jahrhundert<br />

gilt, dafür genügt der Hinweis darauf, dass der quantitativ größte Anteil der Musik bei<br />

der Eisenerzer Barbarafeier 2008 von der Schlagerband Nordwand stammte. Die Ideologie<br />

des deutschsprachigen Schlagers <strong>ist</strong> jedoch wieder ein anderes Thema.<br />

321 Wolfgang Suppan, Lieder einer steirischen Gewerkensgattin aus dem 18. Jahrhundert. Handschrift<br />

1483 des Steiermärkischen Landesarchivs, Graz (= Beiträge zur Erforschung Steirischer Geschichtsquellen<br />

XLIX), Graz 1970: Selbstverlag des H<strong>ist</strong>orischen Vereines für Steiermark, 5.<br />

92


6. Wissenschaftlicher Apparat<br />

6.1. Nachweis der Notenbeispiele<br />

1 Henze o. J.:T. 15-16 nach Ziffer 25.<br />

2 Notation: Malik Sharif; Text nach Schlossar 1879:3<strong>13</strong>; Melodie nach Mautner<br />

1919:10-11.<br />

3 Notation: Malik Sharif; nach DVA, HL 211, Bl. 119-120.<br />

4 Transkription und Notation: Malik Sharif; nach Hörbeispiel 1.<br />

5 Notation: Malik Sharif; A: nach Boieldieu o. J.:22-23; B: nach Mayer 1999:141;<br />

C: nach Reisert 1908:524-525.<br />

6 Transkription und Notation: Malik Sharif; nach Videobeispiel 1.<br />

7 Notation: Malik Sharif; nach Schlossar 1881:461.<br />

6.2. Primärquellen<br />

DVA, HL 211, „Liedersammlung für Pfr. Sauter zu Schramberg“, 1830/35.<br />

DVA, A 166436, „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> Bergmanns Leben“, Bayern, Haselbach vor der Rhön,<br />

1937.<br />

6.3. Literaturverzeichnis<br />

ADLER, Alois<br />

1968 „Die soziale Lage der Berg- und Hüttenarbeiter in der Steiermark ab 1848“,<br />

Friedrich Waidacher (Hg.), Der Bergmann - Der Hüttenmann. Gestalter der<br />

Steiermark. Katalog der 4. Landesausstellung 1968, Graz: o. V., 296-303.<br />

BOIELDIEU, François Adrien<br />

o. J. [1826] Die Weisse Frau (La Dame blanche), nach dem französischen des Scribe<br />

von I.F. Castelli, vollständiger Clavier Auszug, nach der Aufführung des k.k.<br />

Hoftheaters in Wien und den übrigen Theatern der oesterr. Provinzen, Wien:<br />

Tobias Haslinger (Nr. 4836).<br />

BÖTTICHER, Jörg-Andreas/CHRISTENSEN, Jesper B.<br />

1995 „Generalbaß“, Ludwig Finscher (Hg.), Die Musik in Geschichte und Gegenwart.<br />

Allgemeine Enzyklopädie der Musik, zweite, neubearbeitete Ausgabe, Sachteil,<br />

Bd. 3, Kassel u.a.: Bärenreiter-Metzler, 1194-1256.<br />

93


BRECHT, Karl-Peter<br />

1980 Conradin Kreutzer. Biographie und Werkverzeichnis, Meßkirch: Verlag der<br />

Stadt Meßkirch.<br />

BREITENSTEIN, Max (Hg.)<br />

1880 Commersbuch der Wiener Studenten, Wien: Alfred Hölder.<br />

BRENNER, Helmut<br />

1992 Musik als Waffe? Theorie und Praxis der politischen Musikverwendung, dargestellt<br />

am Beispiel der Steiermark 1938-1945, Graz: H. Weishaupt.<br />

DITHMAR, Reinhard<br />

1993 Arbeiterlieder 1844-1945, Neuwied-Kniftel-Berlin: Hermann Luchterhand.<br />

1999 „Das ‚gestohlene’ Lied. Adaptionen vom Liedgut der Arbeiterbewegung in NS-<br />

Liedern“, Gottfried Niedhart und George Broderick (Hgg.), Lieder in Politik und<br />

Alltag des Nationalsozialismus, Frankfurt am Main u.a.: Peter Lang, 17-33.<br />

DÖRING, Moritz (Hg.)<br />

1839 Sächsische Bergreyhen, erstes Heft, Grimma: Verlags-Comptoir.<br />

EAGLETON, Terry<br />

2007 Ideology. An Introduction, neue und überarbeitete Aufl., London-New York:<br />

Verso.<br />

FEDERHOFER, Hellmut/FLOTZINGER, Rudolf<br />

1980 „Musik in der Steiermark. H<strong>ist</strong>orischer Überblick“, Rudolf Flotzinger (Hg.),<br />

Musik in der Steiermark. Katalog der Landesausstellung 1980, Graz : o. V., 15-<br />

83.<br />

FUCHS, Hans (Hg.)<br />

1934 SA-Liederbuch, vermehrte und verbesserte 2. Aufl., Diessen vor München: Jos.<br />

C. Huber.<br />

94


GANSLANDT, Herbert R.<br />

2004 „Ideologie“, Jürgen Mittelstraß (Hg.), Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie,<br />

unveränderte Sonderausgabe, Bd. 2, Stuttgart-Weimar: Metzler,<br />

193-197.<br />

GRÄNZENSTEIN, Gustav von<br />

1855 Das allgemeine österreichische Berggesetz vom 23. Mai 1854, und die Verordnungen<br />

über die Bergwerksabgaben vom 4. October 1854, Wien: Friedrich<br />

Manz.<br />

HAID, Gerlinde/HAID, Hans (Hgg.)<br />

1981 Weil ma arm san. Volkslieder aus Österreich, Wien: o. V.<br />

HEILFURTH, Gerhard<br />

1954 Das Bergmannslied. Wesen, Leben, Funktion. Ein Beitrag zur Erhellung von Bestand<br />

und Wandlung der sozialkulturellen Elemente im Aufbau der industriellen<br />

Gesellschaft, Kassel-Basel: Bärenreiter.<br />

1973 „Bergmannslied“, Rolf Wilhelm Brednich, Lutz Röhrich und Wolfgang Suppan<br />

(Hgg.), Handbuch des Volksliedes. Bd. I: Die Gattungen des Volksliedes (= Motive.<br />

Freiburger Folklor<strong>ist</strong>ische Forschungen 1/I), München: Wilhelm Fink, 761-<br />

778.<br />

1981 Der Bergbau und seine Kultur. Eine Welt zwischen Dunkel und Licht, Zürich:<br />

Atlantis.<br />

HENZE, Hans Werner<br />

o. J. Das Floß der Medusa. Oratorio volgare e militare in due parti (= Musik des 20.<br />

Jahrhunderts), Text von Ernst Schnabel, Studienpartitur, Mainz-London-New<br />

York: Schott (Ed. 6326).<br />

HINNER, Ernst/LACKNER, Helmut/STOCKER, Karl<br />

1982 „Bergarbeiterkultur“, Ernst Hinner u.a., Fohnsdorf. Aufstieg und Krise einer österreichischen<br />

Kohlenbergwerksgemeinde in der Region Aichfeld-Murboden (=<br />

Interdisziplinäre Studien der Projektgruppe Fohnsdorf Aichfeld-Murboden 1),<br />

Graz-Wien: Leykam, 277-341.<br />

95


HOFFMANN VON FALLERSLEBEN, August Heinrich<br />

1900 Unsere volkstümlichen Lieder, 4. Aufl., hg. und neu bearbeitet von Karl Hermann<br />

Prahl, Leipzig: Wilhelm Engelmann.<br />

HOLZAPFEL, Otto<br />

2006a Liedverzeichnis. Die ältere deutschsprachige, populäre Liedüberlieferung, Bd.<br />

1, Hildesheim-Zürich-New York: Georg Olms.<br />

2006b Liedverzeichnis. Die ältere deutschsprachige, populäre Liedüberlieferung, Bd.<br />

2, Hildesheim-Zürich-New York: Georg Olms.<br />

HORTSCHANSKY, Klaus<br />

1986 „La Dame blanche“, Carl Dahlhaus (Hg.), Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters.<br />

Oper, Operette, Musical, Ballett, Bd. 1, München-Zürich: Piper, 384-386.<br />

HRUSCHKA, Alois/TOISCHER, Wendelin (Hgg.)<br />

1891 Deutsche Volkslieder aus Böhmen, Prag: Verlag des Deutschen Vereines zur<br />

Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse.<br />

JONES, Steve<br />

2006 Antonio Gramsci (= Routledge Critical Thinkers), London-New York: Routledge.<br />

KAHN, Hans-Werner<br />

1998 Die industrielle Revolution in Deutschland (= Enzyklopädie Deutscher Geschichte<br />

49), München: R. Oldenbourg.<br />

KÄMPCHEN, Heinrich<br />

o. J. Das Lied des Ruhrkumpels, hg. von Waltraut Seifert und Erhard Scherner, Berlin:<br />

Verlag des Min<strong>ist</strong>eriums für Nationale Verteidigung.<br />

KARBUSICKY, Vladimir<br />

1973 Ideologie im Lied. Lied in der Ideologie. Kulturanthropologische Strukturanalysen<br />

(= Musikalische Volkskunde. Materialien und Analysen II), Köln: Musikverlage<br />

Hans Gerig.<br />

96


1975 „Soziologische Aspekte der Volksliedforschung“, Rolf Wilhelm Brednich, Lutz<br />

Röhrich und Wolfgang Suppan (Hgg.), Handbuch des Volksliedes. Bd. II: H<strong>ist</strong>orisches<br />

und Systematisches. Interethnische Beziehungen. Musikethnologie (=<br />

Motive. Freiburger Folklor<strong>ist</strong>ische Forschungen 1/II), München: Wilhelm Fink,<br />

45-88.<br />

KELLNER, Altman<br />

1956 Musikgeschichte des Stiftes Kremsmünster, Kassel-Basel: Bärenreiter.<br />

KIRNBAUER, Franz<br />

1924 „Der Bergmann“, Eduard Stepan (Hg.), Der Steirische Erzberg und seine Umgebung.<br />

Ein Heimatbuch (= Sonderheft der Zeitschrift „Deutsches Vaterland“), Bd.<br />

2, Wien: Verlag „Deutsches Vaterland“, 28-50.<br />

1954 „Über Art und Wesen des Bergmanns-Volksliedes“, Jahrbuch des Österreichischen<br />

Volksliedwerkes 3, 54-62.<br />

1958 Bausteine zur Volkskunde des Bergmanns. Bergmännisches Brauchtum (= Leobener<br />

Grüne Hefte 36), Wien: Montan-Verlag.<br />

1964 Der steirische Bergmann (= Leobener Grüne Hefte 79), Wien: Montan-Verlag.<br />

KIRNBAUER, Franz/SCHUBERT, Karl Leopold<br />

1961 Der gemeine alte Eisenerztische Berck-Reimen (= Leobener Grüne Hefte 46),<br />

Wien 1961: Montan-Verlag.<br />

KOCKA, Jürgen<br />

1990 Arbeitsverhältnisse und Arbeiterex<strong>ist</strong>enzen. Grundlagen der Klassenbildung im<br />

19. Jahrhundert (= Geschichte der Arbeiter und der Arbeiterbewegung in<br />

Deutschland seit dem Ende des 18. Jahrhunderts 2), Bonn: J. H. W. Dietz Nachf.<br />

LACKNER, Helmut<br />

1984 „Die Arbeit am Erzberg“, Otto Hwaletz u.a., Bergmann oder Werkssoldat. Eisenerz<br />

als Fallbeispiel industrieller Politik. Dokumente und Analysen über die<br />

Österreichisch-Alpine Montangesellschaft in der Zwischenkriegszeit, Graz: Edition<br />

Strahalm, 157-204.<br />

97


MAUTNER, Konrad (Hg.)<br />

1919 Lob- und Ehren-Spruch von der großen Nutzbarkeit des Edlen und uralten<br />

Stahl- und Eisen-Bergwercks-Kleinods in dem berühmten Markt Eisenärzt des<br />

Landes Steyr gelegen / item: Der gemeine alte Eisenerztische Berck-Reimen auf<br />

eine löbl. Innerbergische Haubtgewerckschafft / und jetzig gegenwärtigen Stand<br />

/ in etwas verändert durch Mathiam Abele / von Lilienberg / der hochlöbl.<br />

Fruchtbringenden Gesellschaft-Mitgenossen / 1655, Graz: Deutsche Vereins-<br />

Druckerey.<br />

MAYER, Wolfgang<br />

1999 Die Raindinger Handschrift. Eine „Lieder Sammlung“ aus Niederbayern (1845-<br />

50) (= Quellen und Studien zur musikalischen Volkstradition in Bayern Reihe II:<br />

Volkslieder, Band 1), 2. Aufl., München: o. V.<br />

MERRIAM, Alan P.<br />

1964 The Anthropology of Music, o. O.: Northwestern University Press.<br />

MEYER, Ernst H.<br />

1952 Musik im Zeitgeschehen, Berlin: Bruno Henschel und Sohn.<br />

MOSER, Johannes<br />

2003 „Kulturanthropologische Perspektiven auf den Bergbau. Das Fallbeispiel Eisenerz<br />

im 20. Jahrhundert“, Ursula Klingenböck und Martin Scheutz (Hgg.), Regionalgeschichte<br />

am Beispiel von Scheibbs in Niederösterreich. Die Vorträge des<br />

22. Symposions des Niederösterreichischen <strong>Institut</strong>s für Landeskunde, 1. bis 4.<br />

Juli (= Studien und Forschungen aus dem Niederösterreichischen <strong>Institut</strong> für<br />

Landeskunde 35), St. Pölten: Amt der Niederösterreichischen Lanbdesregierung,<br />

161-179.<br />

2004 „Das Barbarabrauchtum in Eisenerz“, Schweizerisches Archiv für Volkskunde<br />

100, 101-128.<br />

MOSER, Johannes/GRAF, Michael<br />

1997a „Vom zentralen Faktor zur Marginalität? Bergmannsarbeit und Bergarbeiterleben<br />

in ihrer Bedeutung für Eisenerz“, Johannes Moser (Hg.), Eisenerz. Eine<br />

98


Bergbaugemeinde im Wandel, Frankfurt am Main: <strong>Institut</strong> für Kulturanthropologie<br />

und Europäische Ethnologie, 27-71.<br />

1997b „Zur symbolischen Bedeutung der Bergmannsarbeit in einer niedergehenden<br />

Bergbauregion“, Rolf Wilhelm Brednich und Heinz Schmitt (Hgg.), Symbole.<br />

Zur Bedeutung der Zeichen in der Kultur. Deutscher Volkskundekongress in<br />

Karlsruhe vom 25. bis 29. September 1995, Münster u.a.: Waxmann.<br />

O. A.<br />

1840 Grubenklänge. Eine Liedersammlung für Bergleute, bergmännische Sänger-<br />

Chöre und Freunde des bergmännischen Gesanges; herausgegeben von der Gewerkschaft<br />

der Zeche Wiesche, 2., mit einem Anhange vermehrte Aufl., Mühlheim<br />

an der Ruhr: F. H. Nieten.<br />

1851 Allgemeines Schweizer-Liederbuch. Eine Sammlung von 725 der beliebtesten<br />

Gesänge, Kühreihen und Volkslieder, 5., umgearbeitete und erweiterte Aufl.,<br />

Aarau und Thun: J. J. Chr<strong>ist</strong>en.<br />

1864 „Wahlert, Georg Ernst Adam“, O. A., Pierer’s Universal-Lexikon der Vergangenheit<br />

und Gegenwart oder Neuestes encyclopädisches Wörterbuch der Wissenschaften,<br />

Künste und Gewerbe, Bd. 18, 4., umgearbeitete und stark vermehrte<br />

Aufl., Altenburg: H. A. Pierer.<br />

PARSONS, Talcott<br />

1964 The Social System, 5. Aufl., Glencoe: Free Press.<br />

PETERSEN, Peter<br />

2005 „Hans Werner Henze: ‚Das Floß der Medusa’ (1968)“, Hanns-Werner He<strong>ist</strong>er<br />

(Hg.), Geschichte der Musik im 20. Jahrhundert: 1945-1975 (= Handbuch der<br />

Musik im 20. Jahrhundert 3), Laaber: Laaber-Verlag, 317-321.<br />

PFERSCHY, Gerhard<br />

1984 „Arbeit und Leben im steirischen Eisenwesen“, Paul W. Roth (Hg.), Erz und Eisen<br />

in der Grünen Mark. Beiträge zum steirischen Eisenwesen, Graz: o. V., 387-<br />

409.<br />

99


PIRCHEGGER, Hans<br />

1924 „Geschichtliches“, Eduard Stepan (Hg.), Der Steirische Erzberg und seine Umgebung.<br />

Ein Heimatbuch (= Sonderheft der Zeitschrift „Deutsches Vaterland“),<br />

Bd. 1, Wien: Verlag „Deutsches Vaterland“, 27-106.<br />

POGATSCHNIGG, V[alentin]/HERRMANN, Em. (Hgg.)<br />

1870 Deutsche Volkslieder aus Kärnten. Bd. II: Lieder vermischten Inhaltes, Graz: Josef<br />

Pock.<br />

REISERT, Karl (Hg.)<br />

1908 Deutsches Kommersbuch, h<strong>ist</strong>orisch-kritische Bearbeitung, 10. Aufl., Freiburg<br />

im Breisgau: Herdersche Verlagsbuchhandlung.<br />

RIESENFELLNER, Stefan<br />

1984 „Arbeitswelt und Literatur. Ein literarischer Spaziergang rund um den Erzberg“,<br />

Otto Hwaletz u.a., Bergmann oder Werkssoldat. Eisenerz als Fallbeispiel industrieller<br />

Politik. Dokumente und Analysen über die Österreichisch-Alpine Montangesellschaft<br />

in der Zwischenkriegszeit, Graz: Edition Strahalm, 235-260.<br />

SCHEUCHENSTUEL, Carl von<br />

1855 Motive zu dem allgemeinen österreichischen Berggesetze vom 23. Mai 1854. Aus<br />

ämtlichen Quellen, Wien: Wilhelm Braumüller.<br />

1856 Idoticon der österreichischen Berg- und Hüttensprache. Zum besseren Verständnisse<br />

des österr. Berg-Gesetzes und dessen Motive für Nicht-Montan<strong>ist</strong>en,<br />

Wien: Wilhelm Braumüller.<br />

SCHLOSSAR, Anton<br />

1879 Oesterreichische Cultur- und Literaturbilder mit besonderer Berücksichtigung<br />

der Steiermark, Wien: Wilhelm Braumüller.<br />

1881 Deutsche Volkslieder aus Steiermark. Zugleich Beiträge zur Kenntniß der<br />

Mundart und der Volkspoesie auf bairisch-österreichischem Sprachgebiete,<br />

Innsbruck: Verlag der Wagner’schen Univeritäts-Buchhandlung.<br />

100


SIEBER, Friedrich<br />

o. J. [1956] Zwei Bergmännische Kampflieder aus dem ersten Viertel des 18. Jahrhunderts<br />

(= Kleine Beiträge zur Volkskunstforschung 4), Leipzig: Friedrich Hofme<strong>ist</strong>er.<br />

STAUDINGER, Eduard G.<br />

1984 „Gewerkschaftsorganisationen der Eisen- und Metallarbeiterschaft in der Steiermark“,<br />

Paul W. Roth (Hg.), Erz und Eisen in der Grünen Mark. Beiträge zum<br />

steirischen Eisenwesen, Graz: o. V., 411-429.<br />

STEINITZ, Wolfgang<br />

1955 Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten (=<br />

Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Veröffentlichung des <strong>Institut</strong>s<br />

für deutsche Volkskunde 4/I), Bd. I, 2. Aufl., Berlin: Akademie-Verlag.<br />

1962 Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten (=<br />

Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Veröffentlichung des <strong>Institut</strong>s<br />

für deutsche Volkskunde 4/II), Bd. II, Berlin: Akademie-Verlag.<br />

STOCKER, Karl<br />

1984 „Arbeiterschaft zwischen Selbstbestimmung und Unternehmerkontrolle – Einige<br />

Aspekte über Disziplinierung, Machtverhältnisse und Widerstand in Eisenerz“,<br />

Otto Hwaletz u.a., Bergmann oder Werkssoldat. Eisenerz als Fallbeispiel industrieller<br />

Politik. Dokumente und Analysen über die Österreichisch-Alpine Montangesellschaft,<br />

Graz: Edition Strahalm, 15-58.<br />

SUPPAN, Wolfgang<br />

1970 Lieder einer steirischen Gewerkensgattin aus dem 18. Jahrhundert. Handschrift<br />

1483 des Steiermärkischen Landesarchivs, Graz (= Beiträge zur Erforschung<br />

Steirischer Geschichtsquellen XLIX), Graz: Selbstverlag des H<strong>ist</strong>orischen Vereines<br />

für Steiermark.<br />

2000 „Musik und Bergbau. Mit Materialien zum Thema aus dem steirischen Bergbau“,<br />

Wolfgang Suppan, Werk und Wirkung. Musikwissenschaft als Menschenund<br />

Kulturgüterforschung (= Musikethnologische Sammelbände 17), Bd. 3, Tutzing:<br />

Hans Schneider, 1150-1172.<br />

101


2009 „Zack, Viktor“, Wolfgang Suppan (Hg.), Steirisches Musiklexikon, 2., völlig ü-<br />

berarbeitete und erweiterte Aufl., Graz: Akademische Druck- und Verlagsanstalt,<br />

790-791.<br />

TOPITSCH, Ernst<br />

1972 Vom Ursprung und Ende der Metaphysik. Eine Studie zur Weltanschauungskritik,<br />

München: Deutscher Taschenbuch Verlag.<br />

1988 Erkenntnis und Illusion. Grundstrukturen unserer Weltauffassung, 2., überarbeitete<br />

und erweiterte Aufl., Tübingen: Mohr.<br />

WAGNER, Richard<br />

1907 „Aufklärungen über das Judenthum in der Musik“, Richard Wagner, Gesammelte<br />

Schriften und Dichtungen, Bd. 8, 4. Aufl., Leipzig: C.F.W. Siegel’s Musikalienhandlung,<br />

238-260.<br />

WEINMANN, Alexander<br />

1980 Vollständiges Verlagsverzeichnis Senefelder, Steiner, Haslinger. Bd. 2: Tobias<br />

Haslinger (Wien 1826-1843), München-Salzburg: Musikverlag Emil Katzbichler.<br />

ZACK, Victor<br />

1931 Neun Bergmannslieder. Volkslieder für vierstimmigen Männerchor gesetzt,<br />

Graz: Steirischer Sängerbund.<br />

ZAPF, Konrad<br />

o. J. Die soziale Lage der Eisenerzer Berg- und Hüttenarbeiter der Innerberger<br />

Hauptgewerkschaft im 19. Jahrhundert, Diss. phil. Karl-Franzens-Universität<br />

Graz.<br />

6.4. Internetquellen<br />

O. A.<br />

o. J. „Georg Ernst Adam Wahlert“, Lexikon Westfälischer Autoren und Autorinnen<br />

1750-1950.<br />

102


http://www.lwl.org/literaturkommission/alex/index.php?id=00000003&letter=W<br />

&layout=2&author_id=00000259&SID=5bddbf6a1816cd28a44a09aab9636795,<br />

Stand vom 19. August 2009.<br />

6.6. AV-Medien<br />

MÄNNERGESANGSVEREIN „LUGAUER“ RADMER/ORTSKAPELLE RADMER<br />

2005 Glück Auf. Bergmännische Lieder und Musikstücke vom MGV „Lugauer“ Radmer<br />

und der Ortskapelle Radmer, JHB20050521, Eisenerz.<br />

6.7. Verwendete Bibliotheken und Archive<br />

Bibliothek der Karl-Franzens-Universität Graz<br />

Bibliothek der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz<br />

Deutsches Volksliedarchiv<br />

Österreichische Nationalbibliothek<br />

Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden<br />

Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz<br />

6.8. Gewährspersonen<br />

FAHRLEITNER, Gerlinde. Heilmasseurin, geb. 1967, 8795 Radmer. Interview: Lukas<br />

Proyer, Malik Sharif und Florian Wimmer, <strong>13</strong>.5.2009 in Radmer.<br />

FAHRLEITNER, Sieglinde. Hausfrau (Näherin), geb. 1940, 8795 Radmer. Interview: Lisa<br />

Falk, Rudolf Gstättner, Carolin Muhry und Babak Nikzat, 14.5.2009 in Radmer.<br />

HEIML, Karl. Pension<strong>ist</strong> (Elektriker, Gastwirt), geb. 1926, 8795 Radmer. Interview: Daniel<br />

Fuchsberger, Daniela Oberndorfer und Sarah Schöberl, 11.5.2009 in Radmer.<br />

HUBER, Franz. Penison<strong>ist</strong> (Bergarbeiter, Tischler), geb. 1930, 8795 Radmer. Interview:<br />

Daniel Fuchsberger, Daniela Oberndorfer und Sarah Schöberl, 11.5.2009 in<br />

Radmer.<br />

103


KLAPF, Erika. Pension<strong>ist</strong>in (Gärtnerin, Archivarin), geb. 1948, 8700 Leoben und 8795<br />

Radmer. Interview: Lukas Proyer, Malik Sharif und Florian Wimmer, <strong>13</strong>.5.2009<br />

in Radmer.<br />

LESKY, Johann. Pension<strong>ist</strong> (Schuster, Holzarbeiter), 1928, 8795 Radmer. Interview: Daniel<br />

Fuchsberger, Daniela Oberndorfer und Sarah Schöberl, 11.5.2009 in Radmer.<br />

LÖDL, Barbara. Pension<strong>ist</strong>in (Verkäuferin), geb. 1944, 8920 Hieflau. Interview: Daniel<br />

Fuchsberger, Daniela Oberndorfer und Sarah Schöberl, 14.5.2009 in Radmer.<br />

WENDNER, Hubert. Lokführer, Obmann des MGV „Lugauer“ Radmer, geb. 1967, 8795<br />

Radmer. Interview: Daniel Fuchsberger, Daniela Oberndorfer und Sarah Schöberl,<br />

11.5.2009 in Radmer.<br />

WOLF, Margarethe. Pension<strong>ist</strong>in (Maschinenstickerin, Verkäuferin, Näherin), geb. 1948,<br />

8795 Radmer. Interview: Daniel Fuchsberger, Daniela Oberndorfer und Sarah<br />

Schöberl, 14.5.2009 in Radmer.<br />

6.9. Verwendete Abkürzungen<br />

ABG Allgemeines Berggesetz (1854)<br />

DVA Deutsches Volksliedarchiv<br />

KUG Universität für Musik und darstellende Kunst Graz<br />

ÖAMG Österreichisch-Alpine Montangesellschaft<br />

6.10. Beigefügte CD<br />

Bei der beiliegenden CD handelt es sich um eine Daten-CD. Die Hör- und Videobeispiele<br />

tragen jeweils den Dateinamen hörbeispiel_x.wav bzw. videobeispiel_y.wmv.<br />

HÖRBEISPIEL 1: „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“, gesungen von Karl Heiml, Franz Huber,<br />

Johann Lesky und Hubert Wendner, beim Interview mit Daniel Fuchsberger,<br />

Daniela Oberndorfer und Sarah Schöberl, am 11.5.2009 in Radmer.<br />

104


HÖRBEISPIEL 2: „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“, gesungen von Barbara Lödl und<br />

Margarethe Wolf, beim Interview mit Daniel Fuchsberger, Daniela Oberndorfer<br />

und Sarah Schöberl, am 14.5.2009 in Radmer.<br />

HÖRBEISPIEL 3: „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“ (nur 1. Strophe), gesungen von Gerlinde<br />

Fahrleitner und Erika Klapf, beim Interview mit Lukas Proyer, Malik Sharif und<br />

Florian Wimmer, am <strong>13</strong>.5.2009 in Radmer.<br />

HÖRBEISPIEL 4: „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“ (nur 1. Strophe), gesungen von Sieglinde<br />

Fahrleitner, beim Interview mit Lisa Falk, Rudolf Gstättner, Carolin Muhry und<br />

Babak Nikzat, am 14.5.2009 in Radmer.<br />

HÖRBEISPIEL 5: „<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong>“, gesungen vom MGV „Lugauer“ Radmer,<br />

Track 18 der CD Glück Auf. Bergmännische Lieder und Musikstücke vom MGV<br />

„Lugauer“ Radmer und der Ortskapelle Radmer.<br />

VIDEOBEISPIEL 1: „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“, gesungen von den Anwesenden<br />

bei der Barbarafeier der VA Erzberg GmbH, begleitet vom Bläserensemble<br />

des Musikvereins Bergkapelle Eisenerz, im Innerberger Gewerkschaftshaus,<br />

Eisenerz, gefilmt von Malik Sharif und Florian Wimmer, Eisenerz, am<br />

5.12.2008.<br />

VIDEOBEISPIEL 2: „Der Bergmannsstand sei hoch geehret“, gesungen von den Anwesenden<br />

bei der Barbarafeier der VA Erzberg GmbH, begleitet vom Musikverein<br />

Bergkapelle Eisenerz, im Innerberger Gewerkschaftshaus, Eisenerz, gefilmt von<br />

Malik Sharif und Florian Wimmer, am 6.12.2008.<br />

6.11. Alphabetischer Index<br />

Abele von Lilienberg, Mathias 36, 38,<br />

47, 98<br />

AGV Stadtchor Eisenerz 86<br />

Ah! quel plaisir d’être soldat Siehe Es<br />

lebe hoch der Kriegerstand<br />

Akademische Sängerschaft Gothia 16<br />

Allgemeines Berggesetz von 1854<br />

(ABG) 72, 73, 75, 104<br />

Banstingl, Sigmund 35, 36, 38, 41, 42<br />

Barbara, Heilige 82, 84<br />

105


Barbarachor Siehe AGV Stadtchor<br />

Eisenerz<br />

Barbarafeier 6, 10, 12, 55, 83, 84, 85,<br />

86, 87, 89, 90, 92, 105<br />

Barbaralied Siehe <strong>Schön</strong> <strong>ist</strong><br />

<strong>Bergmannsleben</strong><br />

Bedeutung<br />

analytische 27<br />

angebotene 26<br />

angeeignete 26<br />

Bergmann, Stereotypen 9<br />

Bergmannslied, Definition <strong>13</strong><br />

Bergreihen<br />

Eisenerzer 35, 36, 38, 41, 45, 46, 47,<br />

90<br />

Vordernberger 35<br />

Boieldieu, François Adrien 61, 62, 93<br />

Brenner, Helmut 4, 24, 25, 27, 30<br />

Brüder in Zechen und Gruben 29, 30,<br />

34<br />

Brüder, zur Sonne, zur Freiheit 27, 28,<br />

29, 30, 34<br />

Bundeshymne, österreichische 89<br />

Castelli, Ignaz Franz 61, 62, 67, 70<br />

Das Floß der Medusa 31, 32<br />

Der Bergmannsstand sei hoch geehret<br />

6, 10, 35, 61, 67, 68, 69, 70, 71, 74,<br />

75, 76, 77, 81, 82, 83, 86, 87, 89, 90,<br />

91, 105<br />

Deutsches <strong>Institut</strong> für technische<br />

Arbeitsschulung 20<br />

Die Bergwerksoffizier dö tragn 79, 80<br />

Düsing, Alfred 86<br />

Eisenerz 5, 6, 7, 8, 10, 12, 14, 15, 16,<br />

19, 20, 35, 38, 40, 41, 42, 44, 46, 68,<br />

70, 78, 79, 80, 84, 85, 87, 89, 98, 105<br />

Eisler, Hanns 33<br />

Es lebe hoch der Kriegerstand 62, 67,<br />

68, 69, 71, 74<br />

Es lebe hoch der Stand der Ehren<br />

Siehe Es lebe hoch der Kriegerstand<br />

Fahrleitner, Gerlinde 4, 103, 105<br />

Fahrleitner, Sieglinde 4, 103, 105<br />

Falk, Lisa 4, 105<br />

Ferdinandeische Bergordnung 15, 71<br />

Formalismusvorwurf 33<br />

Frauenberger, Ernest 50<br />

Freiesleben, Oberberghauptmann 56<br />

Früh muß der Knapp aufstehn 35, 77,<br />

78, 79, 80, 81, 83, 90<br />

Fuchsberger, Daniel 4, 55, 103, 104,<br />

105<br />

Führungssystem, plurifunktionales 22<br />

Gams 41<br />

Géricaults, Théodore 31<br />

Gott gehört allein die Ehre 35, 77, 78,<br />

79, 80, 81, 83, 90<br />

Gramsci, Antonio 17, 18<br />

Graz 35<br />

Grubenklänge 51, 55, 56, 57, 59, 99<br />

Gstättner, Rudolf 4, 103, 105<br />

Guevara, Che 31<br />

Günther, Sigrid 4<br />

Harzer Bergmannslied 80, 91<br />

Hegemonie, Definition 18<br />

106


Heilfurth, Gerhard 4, 10, <strong>13</strong>, 14, 15, 16,<br />

35, 36, 41, 47, 48, 50, 51, 52, 55, 57,<br />

60, 61, 67, 71, 75, 76, 77, 80, 82, 83<br />

Heiml, Karl 4, 103, 104<br />

Heimwehr 19<br />

Henze, Hans Werner 31, 32, 93<br />

Herrschaft, Definition 18<br />

Hieflau 10, 41, 104<br />

Huber, Franz 4, 103, 104<br />

Hue, Otto 8, 9<br />

Ideologie, Definition 17<br />

Johann, Erzherzog von Österreich 64,<br />

78<br />

Jutz, Caspar 47<br />

Kämpchen, Heinrich 3<br />

Karbusicky, Vladimir 10, 11, 12, 18,<br />

24, 26, 27, 28, 29, 74<br />

Karl II., Erzherzog von Innerösterreich<br />

39, 40, 41<br />

Kerschbaumsteiner, Sonja 4<br />

Kirnbauer, Franz 5, 6, 8, 9, 14, 36, 37,<br />

80, 84<br />

Klapf, Erika 4, 91, 104, 105<br />

Klimbacher, Erhard 86<br />

König, Manfred 4, 49<br />

Konstanz 47<br />

Kremsmünster 50, 97<br />

Krenek, Ernst 33<br />

Kreutzer, Conradin 50, 52<br />

Kühn, Genossen, im Gleichschritt<br />

marschiert 28<br />

La Dame blanche 61, 67, 77<br />

Landeshymne, steirische 89<br />

Ledersprung 6, 84, 85, 86, 87, 88<br />

Leoben 14, 68, 71, 85, 89, 91, 104<br />

Lesky, Johann 4, 104<br />

Lied in der Teufe Siehe <strong>Schön</strong> <strong>ist</strong><br />

<strong>Bergmannsleben</strong><br />

Lödl, Barbara 4, 104, 105<br />

Maier, Alfred 6<br />

Mautner, Konrad 36, 93<br />

Meyer, Ernst Hermann 33<br />

MGV „Lugauer“ Radmer 105<br />

Montania, bergakademisches Korps in<br />

Leoben 68, 70<br />

Moser, Johannes 7, 8, 84, 86, 87, 88<br />

Mühlheim 51, 57<br />

Muhry, Carolin 4, 103, 105<br />

Musikverein Bergkapelle Eisenerz 85,<br />

86, 89, 105<br />

Neues Fohnsdorfer Bergmannslied 91<br />

Nikzat, Babak 4, 103, 105<br />

Nordwand 85, 92<br />

Oberndorfer, Daniela 4, 55, 103, 104,<br />

105<br />

Ortskapelle Radmer 103, 105<br />

Österreichisch-Alpine<br />

Montangesellschaft (ÖAMG) 19, 20,<br />

104<br />

Pappenreiter, Josef 86, 87<br />

Paris 61<br />

Parsons, Talcott 17, 99<br />

Petermann, Stefan 86, 87<br />

Polyvalenz, funktionale 28<br />

Postintention, Definition 25<br />

Präintention, Definition 25<br />

Primärintention, Definition 25<br />

Proyer, Lukas 5, 91, 103, 104, 105<br />

107


Radin, Leonid P. 27<br />

Radmer 10, 52, 54, 55, 91, 103, 104,<br />

105<br />

Raindinger Handschrift 62, 64, 67, 68<br />

Realismus, sozial<strong>ist</strong>ischer 33<br />

Reifling 41<br />

Rothleitner, Bernhard 85, 86, 87, 88<br />

Sächsische Bergreyhen 55, 56, 57, 59<br />

Sächsischen Bergreyhen 51<br />

Sauter, Pfarrer 47, 93<br />

Scherchen, Hermann 27<br />

Schlossar, Anton 35, 36, 41, 42, 43, 44,<br />

45, 46, 47, 78, 79, 80, 93<br />

Schmidt, Johann 35<br />

Schnabel, Erich 31, 32, 95<br />

Schöberl, Sarah 5, 55, 103, 104, 105<br />

<strong>Schön</strong> <strong>ist</strong> <strong>Bergmannsleben</strong> 3, 35, 47,<br />

48, 49, 51, 52, 55, 60, 74, 77, 90,<br />

104, 105<br />

<strong>Schön</strong>berg, Arnold 33<br />

Schostakowitsch, Dmitri 33<br />

Schramberg 47, 93<br />

Scott, Walter 61<br />

Scribe, Eugène 61<br />

Scribes, Eugène 70<br />

Skupa, Erhard 86, 89<br />

Steyr 36, 43, 98<br />

Strawinsky, Igor 33<br />

Topitsch, Ernst 21, 22, 23<br />

Traudes, Jonas 5<br />

Treml, Chr<strong>ist</strong>ian 86, 88<br />

VA Erzberg GmbH 85, 87, 91, 105<br />

VOEST Alpine 85, 86<br />

Vordernberg 10, 35, 68, 70<br />

Wagner, Richard 32, 33, 78<br />

Wahlert, Georg Ernst Adam 51, 52<br />

Wendner, Hubert 5, 104<br />

Wien 61<br />

Wimmer, Florian 5, 12, 83, 91, 103,<br />

104, 105<br />

Wolf, Margarethe 5, 104, 105<br />

Zack, Viktor 6, 7, 16, 68, 70<br />

Ziemann, Johanna 5, 50<br />

108

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!