Zeitgenossen - Kommentar Drucke bis Rezeption
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VI-38<br />
DIE ZEITGENOSSEN (APPARAT)<br />
nach künstlerischer Einheit zu suchen. Denn der Verfasser will uns<br />
offenbar kein Kunstwerk, keinen Roman, kein nothwendiges Ganze<br />
geben. [→ Globalkommentar: 6.1.1. Die enzyklopädische Darstellungsweise<br />
der <strong>Zeitgenossen</strong>]. [...]<br />
[264] Armer Autor, du hast deine besten Gedanken vergebens<br />
vergeudet. Mit diesen Gedanken, sauber vertheilt und weiter ausgesponnen,<br />
hättest du für dein ganzes Leben als Journalist ausreichen<br />
können! [...] Du hast Alles auf einmal gegeben, wo sparsame<br />
Arzenei nöthig war. Unser Publikum liebt in der Literatur die Homöopathie.<br />
Es ist zufrieden, unter tausend Wassertheilchen einen<br />
Gedanken zu finden, wenn nur das Wasser hübsch mit Zucker und<br />
Frivolität versüßt ist. Du giebst Gedanken auf Gedanken. Und was<br />
wird dein Lohn sein? Die, welche dich am meisten schmähen, werden<br />
dich am meisten ausbeuten.<br />
Ich muß auch auf die Mängel der <strong>Zeitgenossen</strong> kommen. Gutzkow<br />
hat den kleinen Heften zu viel anvertraut. Seine Hoffnung, bei<br />
dem deutschen Publikum durch den Inhalt derselben solche Theilnahme<br />
zu finden, daß die <strong>Zeitgenossen</strong> zu einem Journal würden,<br />
die er zu Anfang und Ende seiner Vorrede [→ Zg, Bd 1, S. III u.<br />
XXII-XXIII; ZgWWW, S. 5 u. 14-15] deutlich ausspricht, beruht auf<br />
einer so großen [265] Mißkennung des Publikums, wie ich sie<br />
Gutzkow am wenigsten zugetraut hätte. [...] Gutzkow sagt zwar<br />
selbst, daß er nicht auf die Leute wirken könne, die er liebe, auf das<br />
Volk, er hoffe aber auf die zu wirken, die mit dem Volke umgehen.<br />
[→ Zg, Bd 1, S. XXI; ZgWWW, S. 14] Daß dies geschehe, ist mein<br />
größter Wunsch. Möge kein Staatsmann, kein vornehm und zufrieden<br />
auf seine Hochwissenschaft herabblickender Gelehrter sich zu<br />
gut dünken, aus diesen <strong>Zeitgenossen</strong> zu lernen; möge keiner, der<br />
über sociale Fragen zu reden wagt, die <strong>Zeitgenossen</strong> nicht studirt<br />
haben!<br />
Ich will nicht behaupten, daß alle jene Lebensfragen, welche<br />
die Neuzeit durchkreuzen, hier richtig gelöset sind, daß der Verfasser<br />
das Gesetz, wonach die Echtheit des Wirklichen beurtheilt werden<br />
soll, immer in Herz und Auge gehabt hat, daß in dem Buche<br />
der Stein der Weisen gefunden sei, welchen die Menschheit sucht.<br />
Ich hätte vielmehr an hundert Stellen Einwürfe zu machen, könnte<br />
hier eine halbe Wahrheit, dort eine Täuschung nachweisen, man-<br />
© EDITIONSPROJEKT KARL GUTZKOW, MARTINA LAUSTER, EXETER 2000 (F. 1.0)