Jahresbericht 1988/89
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fegte die letzten Spuren des Feudalismus hinwee- und schuf im Code civii<br />
eiae meisterhafte Anpassung des alten römischen Rechts an moderne kapitalistische<br />
Verhältnisse, ,,3) Die "Klassizität" der Französischen Revolution liegt<br />
also einmal darin begründet, daß sie von allen Revolutionen am konsequentesten<br />
die Errichtung der bürgerlichen Herrschaft betrieben und durchgesetzt<br />
hat. Die Bezeichnung "klassisch" weist aber zum anderen auch auf<br />
einen kulturhistorischen Zusammenhang hin, nämlich auf das "klassische<br />
Zeitalter" Frankreichs (17, - 18. Jahrhundert), an dessen Endpunkt der<br />
Sieg- des Bürgertums steht. Und ebenso wie die Klassik durch eine neue<br />
Epoche übenJUnden wurde, so hat - insb8sondere in der Sichtweise<br />
marxistischer Historiker - die proletarisch-sozialistische Revolution, d, h.<br />
die l<br />
Oktoberrevolution des Jahres 1917, das Erbe der klassischen Revolution<br />
der Franzosen angetreten, Schon LENIN hat diesen Anspruch klar formuliert:<br />
"Doch um die Errungenschaften der bürgerlich-demokratischen Revolution<br />
zum festen Besitz der Völker Rußlands zu machen, mußten wir weiter<br />
vormarschieren , und wir sind weiter vormarschiert. Wir haben die Fragen<br />
der bürgerlich-demokratischen Revolution während des Vorrückens , im Vorbeigehen,<br />
als 'Nebenprodukt' unserer hauptsächlichen und eigentlichen,<br />
unserer proletarisch-revolutionären, sozialistischen Arbeit gelöst. ,,4)<br />
***<br />
In HEIN ZR. UNGERS Proletenpassion sucht ein BURGER nach einem "ideologischen<br />
Gerüst" für seinen Kampf um die Macht und findet es bei einem<br />
PHILOSOPHEN, der den "Geist der Aufklärung" vertritt:<br />
Ich liefere den überbau und die Ideale:<br />
Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit - das ganze Liberale.<br />
Lange Zeit wurde tatsächlich die geistige Bewegung der Aufklärung für den<br />
Ausbruch der Französischen Revolution verantwortlich gemacht - in gutem<br />
wie in schlechtem Sinn, Für einen Großteil der Historiker ist zwar die<br />
Französische Revolution ein Triumph des Fortschritts über die überkommene<br />
Feudalgesellschaft des ancie~ regime und deren Werte; für andere wiederum<br />
stellt sie den traurigen Höhepunkt einer geistig und moralisch verkommenen<br />
Gesellschaft dar. So schrieb z. B. schon CHATEA UBRIAND 1797 in seinem<br />
Essai sur les Revolutions: "Seit dem Regierungsantritt LUDWIGS XVI, verfiel<br />
die Religion immer mehr, bis sie schließlich im Abgrund der Revolution<br />
versank." Diesen allzu vereinfachenden Interpretationen steht eine differenziertere<br />
Betrachtungsweise geg'enüber, die die Aufklärung nicht ohne weiteres<br />
als Theorie der revolutionären Praxis betrachtet. Bei den Aufklärern<br />
selbst wird man vergebens nach einer Theorie suchen, die die Notwendig'<br />
keit von Revolutionen zur Veränderung der Gesellschaft begründet, man<br />
wird vergebens überlegungen hinsichtlich ihrer Durchführung in Frankreich,<br />
geschweige denn praktisch-organisatorische lVJaßnahmen zu ihrer Vorbereitung<br />
ausfindig machen. Fast alle bedeutenden Aufklärer, die allesamt<br />
die Revolution nicht mehr erlebt haben, wären zweifelsohne der Volksherrschaft<br />
und der Terreur kritisch gegenüberg'estanden; ihre Schüler, falls<br />
sie die Wirren heil überstanden, wurden vielfach zu den erbittertsten Feinden<br />
der Revolution, Die meisten Philosophen der Aufklärung' bekämpften zwar<br />
3) F, Engels, Die Entwicklung' des Sozialismus von c!~r.. Utopie zur Wissenschaft,<br />
ibid., S. 408-409.<br />
4) w:T:"""Lenin, Zum vierten Jahrestag der Oktoberrevolution, in: Ausg~wähl~~rke,<br />
lVioskau 1971, S. 710-711.--·········_··<br />
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