Jahresbericht 1988/89
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dukaten zu Hause auf. Niemand wußte von<br />
diesem Schatz. Seit ich jedoch alt und gebrechlich<br />
bin, kommt jeden zweiten Tag<br />
Frau Wagner als Bedienerin zu mir. Diese<br />
entdeckte eines Tages dos Versteck und<br />
riet mir, die Goldstücke zur Sparkasse zu<br />
t,'agen.<br />
Ich wollte das jedoch nicht und beschloß,<br />
das Gold im Garten zu vergraben. Am selben<br />
Tag noch grub ich ein Gartenbeet um,<br />
buddelte ein tiefes Loch und legte meinen<br />
Schatz hinein. Anschließend säte ich Petersiliensamen<br />
und begoß ihn reichlich. Entweder<br />
hat mich damals jemand beobachtet,<br />
oder Frau Wagner bemerkte bei ihrem<br />
nächsten Besuch das frisch angelegte Beet,<br />
dachte sich ihren Teil und erzählte jemandem<br />
davon.<br />
Heute Nacht, es war jedenfalls noch dunkel,<br />
hörte ich Schritte vor meinem Schlafzimmerfenster.<br />
Erst am Morgen, als ich in<br />
den Garten hinausschaute, entdeckte ich<br />
das aufgegrabene Petersilienbeet. Erschrocken<br />
lief ich hin und sah ein tiefes, leeres<br />
Loch. - Meine Golddukaten waren<br />
weg."<br />
Ich fragte, ob wir hinausgehen und uns alles<br />
ansehen dürften. Frau Gruber hatte nichts<br />
dagegen, und so liefen wir in den Garten<br />
und besichtigten das betreffende Beet. Alice<br />
entdeckte in der frischen Erde einen großen<br />
Fußabdruck, der nicht von uns Kindern<br />
stammte. Sie fragte Frau Gruber, ob sie<br />
solche Schuhe habe. Frau Gruber stellte<br />
ihren Fuß auf den Abdruck, und alle sahen,<br />
daß der Abdruck von einem viel größeren<br />
Schuh stammen mußte. Der Unbekannte<br />
mußte mindestens Schuhgröße vierzig haben.<br />
Wir fragten Frau Gruber, ob sie vielleicht<br />
Gips im Hause hätte. Sie beiahte und<br />
holte etwas davon. Mit Wasser und Gips<br />
rührten wir einen dicken Brei an und gossen<br />
damit den Abdruck aus.<br />
Astrid bemerkte, daß in dem ganzen Beet<br />
kaum Petersilienblätter zu sehen wären.<br />
Obwohl überall die aufgegrabene Erde<br />
lag, konnte man gut erkennen, daß fast alle<br />
Stengel abgeschnitten waren. Frau Gruber<br />
versicherte aber, sie hätte in den letzten<br />
Tagen nur wenig Petersilie geerntet. Also<br />
mußte es der Dieb getan haben.<br />
Wir suchten die umliegende Gegend ab<br />
und entdeckten hie und da einzelne verlorene<br />
Stämmchen. Wir folgten dieser Spur<br />
bis zur Straße, doch dort war nichts mehr zu<br />
finden. In diesem Augenblick fuhr unser<br />
Briefträger mit seinem Rad vorbei. Er winkte<br />
uns zu, und wir sahen, daß ein großer Buschen<br />
Petersilie auf seinem Gepäcksträger<br />
lag.<br />
Bei Astrids Gartentor angekommen, berieten<br />
wir, was wir als nächstes unternehmen<br />
konnten. Ich schlug vor, Frau Wagner, die<br />
Bedienerin, aufzusuchen, vielleicht würden<br />
wir dort etwas Wichtiges entdecken. Diesem<br />
Vorschlag stimmten Astrid und Alice zu,<br />
und wir machten uns gleich auf den Weg.<br />
Da Frau Wagner weiter weg wohnte, fuhren<br />
wir mit unseren Rädern hin. Als Vorwand<br />
für unseren Besuch dachten wir uns<br />
aus, daß wir ihr etwas von Frau Gruber<br />
ausrichten müßten; aber was? Alice meinte,<br />
daß Frau Wagner morgen Petersilie besorgen<br />
und mitbringen solle, da Frau Gruber<br />
ja keine mehr habe.<br />
Frau Wagner wohnte in einem alten dreistöckigen<br />
Haus, und wir mußten bis in das<br />
letzte Stockwerk hinauf. Am Gang roch es<br />
recht gut nach Faschiertem oder gebackenem<br />
Leberkäse. Wir läuteten an und erzählten<br />
Frau Wagner, was wir uns vorgenommen<br />
hatten. Sie sagte:.Das trifft sich<br />
gut. Ich habe soeben von meinem Verlobten<br />
einen riesigen Buschen geschenkt bekommen.<br />
Wie ihr seht, bin ich gerade beim Bakken,<br />
denn heute abend gibt es Petersilienkartoffeln,<br />
grünen Salat und gebackenen<br />
Leberkäse. Wenn ihr wollt, könnt ihr gleich<br />
jetzt ein Büscherl davon mitnehmen." Wir<br />
bedankten uns und gingen. Bei unseren<br />
Fahrrädern angekommen, meinte Alice,<br />
daß diese Frau höchstens Schuhgröße siebenunddreißig<br />
hätte. Sie kam also als Täter<br />
nicht in Frage.<br />
Etwas enttäuscht fuhren wir den Weg wieder<br />
zurück. Wir entschlossen uns, nochmals<br />
zur Frau Gruber zu fahren. Sie war erstaunt,<br />
uns schon wieder zu sehen. Astrid<br />
überreichte ihr das Petersilienpäckchen und<br />
berichtete von unserer List. Frau Gruber<br />
lachte: .Ihr seid mir ja richtige Schlaumeier!<br />
Aber ich habe nie ernstlich geglaubt, daß<br />
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