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FluSi205.V5.qxp - Luftwaffe

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Flugsicherheit<br />

geschwindigkeit von 60G85 Knoten<br />

an und wir flogen mit einer Geschwindigkeit<br />

über Grund von etwa<br />

60 Knoten. Sogleich unterrichtete ich<br />

unseren VIP, dass wir aufgrund der<br />

Winde einen Tankstopp in Bugojno<br />

einlegen müssten. Soweit keine Beschwerden.<br />

Um von Banja Luka nach<br />

Bugojno zu gelangen, mussten wir ein<br />

kurzes Stück von etwa 15 bis 20<br />

Meilen durch eine Bergkette fliegen.<br />

Als wir in ein Tal einbogen und der<br />

Wind genau von der Seite kam, bekamen<br />

wir die Turbulenzen zum ersten<br />

Mal so richtig zu spüren. Es war<br />

schlimm, aber zu dieser Zeit noch<br />

nicht zu extrem.<br />

Unser zweiter Fehler war, den Flug<br />

fortzusetzen. Nun trafen wir auf heftige<br />

Turbulenzen, die uns mit abwechselnden<br />

Steig- und Sinkraten von<br />

2000 ft/min auf- und abwärts schleuderten.<br />

Der Hubschrauber flog bereits<br />

mit einem Schiebewinkel von 45 Grad<br />

nach rechts und wurde um 90 Grad<br />

vom Kurs gedrängt. Um den Rotor<br />

während der rapiden Wechsel auf<br />

dem Variometer unter Kontrolle zu<br />

halten, musste ich den Blattverstellhebel<br />

anziehen. Unglücklicherweise<br />

befand sich die Wolkenuntergrenze<br />

nur ein paar hundert Fuß über uns<br />

und kam näher. Es gelang uns die<br />

Steigfluggeschwindigkeit zu stabilisieren,<br />

jedoch nur auf Kosten einer<br />

Rotor-Überdrehzahl. Nachdem alle<br />

Besatzungsmitglieder die Situation mit<br />

ein paar kräftigen Bemerkungen gewürdigt<br />

hatten, gelang es mir, uns tief<br />

und nah genug zu einem Berg zu<br />

steuern, sodass die Turbulenzen etwas<br />

abflauten und eine Notlandung in<br />

Novi Travnik, einem niederländischen<br />

Lazarett, durchzuführen. Nachdem<br />

wir einige Stunden am Boden verbrachten,<br />

um unsere Fassung wiederzugewinnen<br />

und nach mehreren Telefonaten<br />

und Inspektionen, waren wir<br />

in der Lage, den Hubschrauber wieder<br />

nach Banja Luka zu fliegen, wobei wir<br />

möglichst tief flogen, um den<br />

schlimmsten Winden aus dem Weg<br />

bulenzen und der bekannten Abneigung<br />

unseres Passagiers gegen das<br />

Fliegen abzusagen. Kein Problem. Wie<br />

erwartet wurden wir gefragt, ob wir<br />

den VIP wenigstens bis Bugojno bringen<br />

könnten, das auf halber Strecke<br />

lag. Da ich immer noch bemüht war,<br />

mit meinen anderen beiden Passagieren<br />

dorthin zu gelangen, erwiderte<br />

ich, dass dies kein Problem sein<br />

dürfte, er aber mit einem sehr turbulenten<br />

Flug rechnen müsse. Er war<br />

dennoch erfreut, da die Autofahrt<br />

nun um die Hälfte kürzer würde.“<br />

(Anmerkung von Major Lee: So weit,<br />

so gut. Die Entscheidung zu fliegen<br />

basierte darauf, dass der Einsatz kürzer<br />

war und die Möglichkeit bestand,<br />

den Auftrag vor dem Einsetzen der<br />

vorhergesagten starken Turbulenzen<br />

abzuschließen). Zufälligerweise hatte<br />

es eine mit Wetterradar ausgestattete<br />

slowenische Bell 412 (eine zivile Griffon)<br />

eine halbe Stunde vor unserer<br />

Abflugzeit von Sarajevo kommend<br />

geschafft und der VIP hatte davon<br />

Wind bekommen. Als wir ankamen,<br />

um ihn und die beiden anderen Passagiere<br />

abzuholen, erklärte er, er wolle<br />

doch versuchen bis Sarajevo zu kommen,<br />

da er dort an einer sehr wichtigen<br />

Besprechung teilnehmen müsse.<br />

Ich erläuterte ihm unsere wetterbedingten<br />

schlechten Erfolgsaussichten<br />

und teilte ihm mit, dass mein<br />

Einsatzauftrag nun laute, die beiden<br />

anderen Passagiere nach Bugojno zu<br />

bringen. Im Wesentlichen erwiderte er<br />

darauf, seine Person gehe vor und<br />

alles andere müsse warten.<br />

Hier beging ich meinen größten<br />

Fehler. Ich gab nach und willigte ein,<br />

es zu versuchen, warnte ihn aber, dies<br />

werde ein turbulenter Flug und ich<br />

könne ihm nicht versprechen, dass wir<br />

es schaffen würden. Die beiden niederländischen<br />

Passagiere waren nicht<br />

allzu glücklich, flogen jedoch mit, in<br />

der Hoffnung Bugojno auf dem Rückflug<br />

zu erreichen.<br />

Nach dem Start zeigte unser Avionik-Management-System<br />

eine Windzu<br />

gehen. Zum Vergleich: wir brauchten<br />

90 Minuten bis nach Novi Travnik<br />

und weniger als 20 Minuten für den<br />

Rückflug.<br />

An diesem Tag lernte ich eine ganze<br />

Menge. Die erste Lektion war, meine<br />

Entscheidung bezüglich des Wetters<br />

nie im Nachhinein anzuzweifeln. Die<br />

Zweite war, mich nicht bei schlechten<br />

oder unsicheren Bedingungen zu<br />

einem Flugeinsatz, zumindest nicht zu<br />

einem unwichtigen, drängen zu lassen.<br />

Nebenbei bemerkt: auch der VIP-<br />

Passagier räumte ein, an diesem Tag<br />

seine Lektion gelernt zu haben. Er<br />

wird die Entscheidung eines Luftfahrzeugführers<br />

aufgrund von Wetterbedingungen<br />

(genauer gesagt: aufgrund<br />

von Turbulenzen) nie wieder in<br />

Frage stellen.“<br />

Die aus diesem Zwischenfall abzuleitende<br />

Präventivmaßnahme lautete:<br />

„Alle Luftfahrzeugbesatzungen sind<br />

zu informieren“. Von dieser Geschichte<br />

erfuhren die Piloten in Bosnien,<br />

darüber hinaus jedoch niemand.<br />

Dies war ein erhebliches Versäumnis<br />

insbesondere in Bezug auf die übrigen<br />

Griffon-Piloten, und ganz allgemein in<br />

Bezug auf alle Piloten. Was immer<br />

noch gesagt werden könnte, wäre der<br />

Sache nicht dienlich. Es genügt wohl,<br />

zu sagen, dass die Gelegenheit, diesen<br />

Zwischenfall dazu zu nutzen eine<br />

wichtige Botschaft an alle Piloten weiter<br />

zu geben, aus welchen Gründen<br />

auch immer, verpasst wurde. Sorgen<br />

Sie dafür, dass Sie Ihre Gelegenheiten<br />

nicht verpassen.<br />

<br />

Bild: Archiv GenFlSichhBw<br />

8 II/2005 FLUGSICHERHEIT

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