Anduin 95
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ANDUIN <strong>95</strong><br />
RAUBKOPIEN VON ROLLENSPIELEN<br />
ENVOYER<br />
Dieser Artikel ist bereits im Rahmen des<br />
Rollenspielmagazins Envoyer veröffentlicht<br />
worden.<br />
Diese Unsicherheit – haben Raubkopien<br />
eine Auswirkung – ist zentral für dieses Thema.<br />
Wer contra Raubkopien argumentiert,<br />
kann auf die möglichen wirtschaftlichen Probleme<br />
hinweisen. Und das pro Raubkopieren?<br />
Es geht nicht um pro oder contra Raubkopien,<br />
sondern um egal und contra. Man<br />
versucht doch meist nur die vorgebrachten<br />
Argumente zu entkräften. Ein aktives pro<br />
Raubkopien habe ich bisher nicht erlebt,<br />
denn ein wirklich positives Argument für<br />
Raubkopien zu finden ist wohl sehr schwer.<br />
„[Raubkopieren] führt zu vermehrtem<br />
ausprobieren, was an sich positiv ist.“<br />
— Spieler/Spielerin<br />
„Ich halte es für wahrscheinlich, dass das<br />
den Verlagen ganz schön schadet. Andererseits<br />
kann ich mir auch vorstellen, dass ein<br />
Effekt einsetzt, der dem erwarteten entgegen<br />
gesetzt ist, dass mehr Menschen durch<br />
die „Appetithappen“ Interesse bekommen<br />
und hinterher investieren.“<br />
— Spieler/Spielerin<br />
„Umgekehrt ist dem Rollenspiel-Raubkopien<br />
keinerlei positiver Aspekt abzugewinnen<br />
– den gibt es bei der Musik in bestimmtem<br />
Maße, […] also hier kann man einer<br />
beschleunigten Verbreitung des Produkts<br />
über Raubkopien auch einen Werbeeffekt<br />
zubilligen, was aber nicht bedeutet, dass<br />
ich solche Praktiken gut heiße, es sei denn,<br />
der Künstler ist damit einverstanden.“<br />
— Werner Fuchs, FanPro<br />
„Unter Umständen könnten [die Verlage]<br />
sich erhoffen, dass Raubkopierer Blut<br />
lecken und dann doch kaufen.“<br />
— Spieler/Spielerin<br />
Nun – auch über diesen Werbeeffekt gibt<br />
es bei Rollenspielen keine Untersuchungen.<br />
Aber die oben genannten Zahlen der Musikbranche<br />
zeigen, dass das Interesse durch<br />
Raubkopien zunimmt. Dieses Interesse führt<br />
aber nur sehr bedingt. zu höheren Verkaufszahlen<br />
– wie bei Werbung erwünscht – sondern<br />
zu höheren Kopierzahlen. Raubkopieren<br />
nützt also nur, wenn man – ähnlich wie<br />
Microsoft mit Windows in der Computerbranche<br />
– die Kontrolle über den Rollenspielmarkt<br />
anstrebt.<br />
„Übrigens liegt im Problem der Kopien<br />
auch der Grund, warum wir uns sehr genau<br />
überlegen, irgendwelche Produkte als<br />
Software zu publizieren. Alles, was als Datei<br />
vorliegt, lädt zum Kopieren geradezu ein.<br />
Daher müssen wir bei einem DSA-Lexikon<br />
auf CD, bei einem versofteten Kartenwerk<br />
und auch bei einem Heldengenerator sehr<br />
genau überlegen, ob die hohen Programmier-Kosten<br />
überhaupt wirtschaftlich sein<br />
können – obwohl wir auf jeden Fall den Sinn<br />
solcher Produkte sehen.“<br />
— Florian Don-Schauen, FanPro<br />
Ein bisschen<br />
„Druck“ machen…<br />
„Die heutigen Standards für Rollenspielprodukte<br />
sind im Vergleich zu früher sehr<br />
hoch – hochwertige Inhalte und Texte,<br />
vierfarbiger Druck, qualitativ hochwertige<br />
Zeichnungen, Hardcover und gute Bindung,<br />
gute Papierqualität – dies alles hat natürlich<br />
auch seinen Preis.“<br />
— Björn Meyer, Amigo<br />
Kaum jemand will nur Raubkopien zum<br />
Rollenspielen verwenden. Die Kopien sind<br />
schlecht, teuer im Druck – besonders in Farbe<br />
– und ein Schlabberhefter ist dröge. Das<br />
ist der große Vorteil, den die gedruckten Materialien<br />
haben.<br />
„Natürlich bemühen wir uns, den Kunden<br />
auch das Gefühl zu vermitteln, dass das<br />
Original besser ist, als eine Kopie – indem<br />
wir zum Beispiel in zunehmendem Maße<br />
Hardcover produzieren, die einfach viel<br />
praktischer sind als ein abgehefteter Kopienstapel,<br />
oder Farbkarten und Handouts<br />
beilegen, die ebenfalls schlecht zu kopieren<br />
sind.“<br />
— Florian Don-Schauen, FanPro<br />
„Gute Sachen finden sich aber bei mir<br />
in Papierform – insbesondere wenn die<br />
Aufmachung stimmt. Edle, gut verarbeitete<br />
Hardcover, etc. – man wird dekadent. Das<br />
scheint auch der Weg der Verlage zu sein:<br />
Added Value durch ansprechendes Design<br />
– Sparfüchse laden immer schlechte Kopien<br />
aus dem Netz.“<br />
— Spieler/Spielerin<br />
Es gibt einige Beispiele für frei im Netz veröffentlichtes<br />
Material: Issaries (HeroQuest)<br />
bietet Quellenmaterial kostenlos an. Ironcrown<br />
Enterprises (Rolemaster) verkauft<br />
PDF-Versionen von einigen Produkten. Greg<br />
Stolze veröffentlicht Erweiterungen seines<br />
Systems Reign als zunächst kostenpflichtige,<br />
später freie Downloads. Neue, kleine Systeme<br />
(z.B. Endland, AERA) haben ihr komplettes<br />
Grundregelwerk im Netz freigegeben.<br />
Lohnt es sich vielleicht zusätzliches Material<br />
auf diesem Weg anzubieten? Ein paar Waffentabellen<br />
hier, ein paar Zaubersprüche dort?<br />
„Die von uns angebotenen Downloads sind<br />
bisher unentgeltlich, jedoch tragen wir uns<br />
mit dem Gedanken, diverses Material (auch<br />
Abenteuer) in Zukunft gegen eine geringe<br />
Gebühr im Web anzubieten. Wir werden<br />
dabei den Spielern finanziell soweit wie<br />
möglich entgegenkommen, denn ich weiß<br />
aus eigener Erfahrung, dass man nur dann<br />
etwas kauft (besonders online), wenn man<br />
sich nicht übers Ohr gehauen fühlt.“<br />
— Elsa Franke Verlag für F&SF-Spiele<br />
Am Ende?<br />
Ein Punkt fiel meiner Meinung nach bisher<br />
unter den Tisch: die Gleichgültigkeit gegenüber<br />
den Rollenspielwerken. Die Raubkopien<br />
machen aus ihnen ein billiges Wegwerfprodukt<br />
– mit einem Klick sind sie auf der Platte<br />
und mit einem weiteren Klick wieder gelöscht.<br />
Der Respekt gegenüber der Arbeit der<br />
Autoren und aller anderen Mitarbeiter geht<br />
in der Masse der herunterladbaren Produkte<br />
verloren. So gut wie niemand kann das ganze<br />
Material wirklich erfassen und verstehen, und<br />
so wird alles nur überflogen. Wer kann denn<br />
schon außergewöhnliche Werke innerhalb<br />
von 5 Minuten erkennen? Überspitzt gesagt,<br />
wandern die Produkte so vom Status der<br />
Sonderausgabe eines Hochglanzmagazins zu<br />
dem eines Supermarkt-Werbeprospekts im<br />
Briefkasten. Ganze Lebenswerke wandern in<br />
Minuten über die Leitung und schaffen eine<br />
neue Erwartungshaltung: wenn Werke, die<br />
mit viel Freude und Herzblut geschrieben<br />
werden, kostenlos und im Überfluss herumliegen,<br />
was muss dann erst geleistet werden,<br />
um für 20 € verkauft werden zu können?<br />
„[Was sagen Verlage und Autoren?] Genauso<br />
unterschiedliche Dinge wie Musiker<br />
bzw. Produzenten. Verlage stehen dem<br />
wahrscheinlich abgeneigter gegenüber als<br />
Autoren.“<br />
— Spieler/Spielerin<br />
„Vielleicht ist es aber auch einfach eine Notwendigkeit,<br />
sich damit abzufinden und auf<br />
die Ehrlichkeit der echten Fans zu hoffen,<br />
die auch bereit sind für ihre Devotionalien<br />
zu bezahlen.“<br />
— Ralf Sandfuchs, Krimsu •<br />
Seite 78<br />
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