Erinnerungen 1848-1914 ..
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128 Intermezzo<br />
Lüders hatte Mittel gefunden, in den Süden zu fahren, wo es ihm glückte,<br />
zum Reisebegleiter des Prinzen Friedrich Karl berufen zu werden, was ihn in<br />
den Orient, zunächst an den Hof des Dey von Tunis brachte, aber den Studien<br />
entfremdete. Ein tunesischer Orden, der viele Nachfolger erhielt,<br />
machte ihm Freude. Den Druck seines aus einer von Jahn gestellten Preisarbeit<br />
erwachsenen Buches, die dionysischen Techniten, konnte er nicht<br />
selbst überwachen, übertrug es also mir, was namentlich an dem epigraphischen<br />
Anhang viel Arbeit machte, aber die Einführung in ein neues Gebiet<br />
war nützlich. Zum Dank hat er mir das Buch gewidmet. Ich wagte bei<br />
Curtius und Haupt Besuch zu machen und ward freundlich aufgenommen.<br />
Im Hause von Curtius war vornehmlich durch seine Damen ein bewegtes<br />
und geistig angeregtes Leben. Bei Haupt war man meist allein, da nahm<br />
mich die machtvolle Persönlichkeit ganz gefangen; er war ja viel mehr<br />
als seine Vorlesungen gaben und was er im Alter schrieb erkennen läßt.<br />
Einmal kam ich auch zu Mommsen ins Haus. Das ging so zu. Die Franzosen<br />
waren auch damals so verbockt und verkehrt, daß sie den wissenschaftlichen<br />
Verkehr abbrachen, um sich doch bald zu überzeugen, daß sie sich damit<br />
selbst ins Fleisch schnitten. Von unserer Seite ward daher beschlossen, der<br />
Gesandtschaft jemand anzuschließen, der Aufträge der deutschen Gelehrten,<br />
zunächst für die Unternehmungen der Akademie, in Paris erledigen sollte.<br />
Ich weiß nicht,<br />
wie man auf mich verfallen war. Mommsen beschied mich<br />
also zu sich, zog mich auch an seinen Familientisch und war sehr freundlich,<br />
obwohl sich sofort herausstellte, daß ich gänzlich ungeeignet war; Alfred<br />
Schöne ist berufen worden. Für Italien gab Mommsen mir Empfehlungskarten<br />
und die richtige Anweisung, Paläographie zu Hause zu treiben sei nutzlos;<br />
man lerne sie nur an den Handschriften, aber man müsse sich in viele hineinlesen;<br />
die wenigen, die man für seinen bestimmten Zweck brauche, reichten<br />
nicht und man würde mit ihnen erst fertig, wenn man sie von neuem vornähme,<br />
nachdem man sich an den vielen geübt hätte. Der Eindruck, den ich<br />
mitnahm, war erhebend und niederdrückend zugleich, dem vergleichbar,<br />
wenn man aus dem Tale zu dem unnahbaren Gipfel eines Hochgebirges aufschaut.<br />
Erfrischend und belehrend war der Verkehr mit Rudolf Scholl , der damals<br />
in Berlin Privatdozent war, um bald auf kurze Zeit als Professor nach<br />
Greifswald zu gehen. Er trieb mich aber zu vorschnellem Hervortreten an<br />
die Öffentlichkeit; von selbst wäre ich darauf nicht verfallen. Nietzsches<br />
Geburt der Tragödie erschien und versetzte mich in hellen Zorn. So traf<br />
mich Scholl , der mehr zu Spott geneigt war , und forderte mich auf, eine