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Erinnerungen 1848-1914 ..

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Landwirtschaft \^<br />

spiel mit hohem Einsatz ausübt. Auch das soll man einmal kosten. Wer niemals<br />

einen Rausch gehabt, der ist kein rechter Mann. Zu freier sittlicher<br />

Haltung gelangt erst, wer seine Leidenschaften überwindet, weil er ihren<br />

Reiz erfahren hat, sagt ein Athener.<br />

Fische waren zwar keine Volksnahrung, aber doch noch reichlich vorhanden;<br />

in den fließenden Gewässern gab es Hecht und Schlei, selbst in<br />

kleinen Teichen Karauschen. Der untere Goplo ist jetzt durch die Abwässer<br />

einer Zuckerfabrik verseucht; als er noch von keinen Dampfbooten und<br />

Schleppern durchfahren war, gab es in kalten Wintern die Eisfischerei. Da<br />

ward es zu einem Volksfeste, wenn auf dem festgefrorenen Goplo Löcher<br />

geschlagen und Netze gezogen wurden. Groß und klein fuhr in Schlitten auf<br />

die Eisdecke, man lief und fror und schaute sich an, was zappelnd aus den<br />

Netzen kam, ganze Wagenladungen voll ;<br />

ein Wels von Meterlänge war nicht<br />

unerhört. Das gab für die Leute reichliche Fest- und Fastenspeise i).<br />

Die Landschaft ist durch den Rübenbau ganz verändert, der in den ersten<br />

70 er Jahren anfangend bald eine große Ausdehnung erhielt, zumal auch die<br />

Bauern Land genug hatten, um sich an ihm zu beteiligen; in der Genossenschaft,<br />

die mein Bruder mit einem Nachbarn gründete, waren polnische und<br />

deutsche Bauern Mitglieder. Voraussetzung war, daß die Eisenbahn Posen<br />

Thorn, später auch Inowrazlaw—Bromberg endlich gebaut und auch sonst<br />

für bessere Wege gesorgt war. Solange über 50 Kilometer weit alles verkaufte<br />

Getreide durch die eigenen Gespanne abgeführt, jede Maschine zugeführt<br />

werden mußte, war die Belastung der Wirtschaft allzu schwer. Kohlen<br />

konnten nicht beschafft werden ;<br />

und wer hält heute einen Betrieb ohne sie<br />

für möglich? Rindvieh ward nur zur Milchgewinnung gehalten; nicht einmal<br />

Käsereien bestanden. Die Düngung blieb daher ungenügend. Immer<br />

noch lagen mehrere Schläge brach, Bau der Ölfrüchte war ein Risiko; Klee,<br />

der zum Futter nicht entbehrt werden konnte, wo Wiesen fehlten,<br />

winterte<br />

leicht aus. Da war die Schafzucht eine Haupteinnahmequelle; es sind in<br />

Markowitz wohl 4000 gehalten worden. Die Schafwäsche und Schur war<br />

ein Fest von mehreren Tagen. Da saßen die Kujawiankas höchst vergnügt<br />

^) Einmal hatte sich ein zweijähriges Füllen ein Bein gebrochen, so daß es getötet<br />

werden mußte. Gerade waren Gäste geladen. Da ließ meine Mutter die Keulen braten<br />

und alle Anwesenden lobten den zarten Kalbsbraten übermäßig. Leider ward das Geheimnis<br />

verraten, denn nun wurde manchem übel. So stark ist das törichte Vorurteil<br />

geworden, wo doch unsere Ahnen ihren Göttern das Roß besonders gerne geopfert<br />

und mit ihnen verspeist haben. Der fremde Glaube hat es verboten, weil die Sitten<br />

der Völker des Südens und Ostens sich schon festgesetzt hatten, als die Indogermanen<br />

der ersten Völkerwanderung das bisher unbekannte Pferd mit sich brachten.<br />

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