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Erinnerungen 1848-1914 ..

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'<br />

Elternhaus<br />

risch und noch mehr dilettantisch. Es ward beschlossen, ich müßte Klavierspielen<br />

lernen; meine Mutter kam wohl auf eine lange zurückgedrängte<br />

Neigung zurück. Der Unterricht war aber derart,<br />

daß es schien, als sei die<br />

Musik für die Finger, nicht für das Ohr gemacht. Statt dieses zu üben, hören<br />

zu lernen , sollte der Junge die Kunst ausüben ; soviel er fragte , worin sie<br />

eigentlich bestünde,<br />

was denn ein Akkord, eine Melodie wäre, bekam er<br />

von niemandem Auskunft. Tonleitern und Fingerübungen eröffneten das<br />

Reich der Töne nicht. So ist dabei nichts als lange Quälerei herausgekommen,<br />

und das bleibende bittere Gefühl eines Mangels in der ganzen Bildung, der<br />

sich nicht ersetzen ließ. Die oft überwältigende Wirkung, die später manche<br />

Musik ausübte, bewies, daß die Auffassungsfähigkeit nicht fehlte; als ich<br />

die Partieen des Egmont zu Beethovens Musik zu<br />

sprechen hatte, ging es<br />

ohne weiteres, so daß keine zweite Probe nötig war, und ich fühlte, daß die<br />

Musik meine Rezitation beherrschte und die<br />

rechten Herzenstöne eingab.<br />

Aber es ist doch quälend, zeitlebens Metrik zu treiben, den Rhythmus der<br />

Sprache, auch der gesungenen Lieder zu verfolgen, auch die antiken Musikschriftsteller<br />

zu lesen, und in der Musik ein Barbar zu sein. Der Aristoxenos,<br />

am Klavier klargemacht, würde anderen Erfolg gehabt haben als die Fingerübungen.<br />

Französisch sollte gelernt werden, ohne Rücksicht, ob es für das Gymnasium<br />

nötig war. Die Vorstellung war, daß man es sprechen müßte, aber<br />

es erhielt auch eine Stelle im Lehrplan,<br />

als dieser geordnet ward. Das Parlieren<br />

fand sich , als eine alte ausgediente Französin eine Weile im Hause<br />

Aufnahme fand, und einige Geläufigkeit ward erzielt, um auf der Schule<br />

wieder verlorenzugehen.<br />

Englisch lag noch ganz allgemein außerhalb des<br />

Horizontes; es gab wohl selbst unter den Gästen, die in Kobelnik erschienen,<br />

niemanden, der es auch nur von ferne kannte. Wir bekamen einmal einen<br />

Hund Lovely, und niemand zweifelte, daß das einen kleinen Löwen bezeichnete<br />

; der ihm den Namen gegeben hatte , war ersichtlich derselben Ansicht<br />

gewesen.<br />

Ernst ward es mit den Schulfächern erst 1858, als der Kandidat der Theologie<br />

ins Haus kam, der die Vorbereitung auf die Tertia durchgeführt hat<br />

und angestrengte regelmäßige Arbeit forderte. Latein konnte er gut und<br />

paukte die Grammatik, wie sich gehört. 25 Vokabeln mußten täglich gelernt<br />

werden und dann festsitzen. Die moderne Schlappheit wird das<br />

entsetzlich<br />

finden, und es kamen doch die französischen Vokabeln dazu. Da war das<br />

Vokabularium töricht geordnet, z.<br />

B. alle Namen der Fische hintereinander,<br />

dann die Bäume usw. Das verwirrte und nur wenig davon haftete. Das Latei-

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