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Erinnerungen 1848-1914 ..

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Wirtschaftlicher Aufschwung 37<br />

war der Bär, dick in Erbsenstroh gewickelt, so daß er sich auf dem Boden<br />

herumtrudeln konnte, während die beiden anderen seltsame Sprünge machten,<br />

der Storchschnabel die Anwesenden piekte und der Geißbock, vom Bären<br />

gepackt, kläglich meckerte. Was sich die Leute dabei dachten, weiß ich leider<br />

nicht. Der Ziegenbock befremdet, denn Ziegen wurden nicht gehalten. Heute<br />

freilich weiß ich und durchschaut der Leser,<br />

daß dieser Volksbrauch über<br />

die christlichen Zeiten zurückweist. Englische Forscher haben Vergleichbares<br />

im Balkan und auf den vorliegenden Inseln, z. B. auf Skyros beobachtet und<br />

an thrakische Dionysien gedacht. Es ist mir nicht zweifelhaft, daß es gemeinsame<br />

slawische Frühlingsfeiern sind,<br />

von der Kirche an den Vorabend der<br />

großen Fasten verwiesen, wo auf altrömischem Boden der Karneval ähnlich<br />

entstanden ist.<br />

Wer das Land und das Volk jetzt betrachtet,<br />

wird sich kaum vorstellen,<br />

daß es noch vor 50 Jahren so ganz anders war. Jetzt mag kaum noch ein<br />

Unterschied zwischen einem polnischen und einem deutschen Bauernhofe<br />

sein, auch der landwirtschaftliche Betrieb übereinstimmen. Natürlich hat<br />

sich dadurch das polnische Element überall gekräftigt, ist auch in den Städten<br />

ein Mittelstand aufgekommen. Noch in der Mitte der 70 er Jahre ritt ich mit<br />

meinem Bruder durch ein nahes Dorf, in dem sich Bauern der beiden<br />

Nationen mischten.<br />

Damals schien die Zeit nahe, wo die Polen ihre Höfe<br />

durch Mißwirtschaft und Trunksucht verlieren würden. 25 Jahre später<br />

kamen wir desselben Weges, ich fragte nach und erhielt die Antwort: „Es<br />

ist ganz anders gekommen, die Polen wirtschaften so gut wie die Deutschen."<br />

Wie man sich zu einer solchen Tatsache stellte,<br />

darin lag der Unterschied.<br />

Ein Chauvinist würde über die Zurückdrängung der Deutschen geklagt<br />

haben. Wir freuten uns, daß es auch diesen Preußen gut ging, die doch<br />

unsere Landsleute waren und deutsche Kultur angenommen hatten. Sie<br />

waren nicht mehr dieselben wie drüben in Rußland oder in Galizien, dem<br />

Lande, das sich ja in Wahrheit selbst regierte, das heißt so regierte, wie es<br />

die Schlachta immer getrieben hatte.<br />

Die Hakatisten mußten eigentlich bedauern,<br />

daß man das Volk nicht in der Vertiertheit erhalten hatte, so wie sie<br />

zu Preußen gekommen waren. Aber dagegen hatten sie nichts, daß die Polen in<br />

das Heer eintraten, also der Ehre gewürdigt wurden, für König und Vaterland<br />

zu streiten und zu sterben. Sie haben sich in allen Kriegen wahrlich tapfer<br />

gehalten, und es war eine Freude zu sehen, wie gern sie schon nach 1866 ihre<br />

Kriegsmedaillen trugen. Für die richtige Behandlung war auch Dankbarkeit<br />

vorhanden. Noch im letzten Kriege haben alle Frauen ohne Ausnahme für ihre<br />

abwesenden Männer eine Glückwunschadresse an die Herrschaft von Marko-

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