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Zentralbanker als Zauberlehrlinge? - Avenir Suisse

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Die «Globalisierungsdividende», die einen Beitrag zum jahrzehntelangen<br />

Rückgang der Inflationsraten leistete, ist zwar nicht aufgezehrt, fällt aber<br />

wegen des stärkeren Kosten- und Preisdrucks in den aufstrebenden Volkswirtschaften<br />

weniger üppig aus.<br />

Die Meinung, «etwas» höhere Inflationsraten seien tolerierbar und<br />

könnten auf einem «etwas» höheren Niveau gedeckelt werden, ist heute<br />

weit verbreitet und wird auch von Experten geteilt. Sie ist dennoch gefährlich<br />

und lässt sich mit früheren Erfahrungen nicht begründen. Wenn<br />

der Stabilitätsanker Risse bekommt, entgleitet der Inflationsprozess<br />

schneller <strong>als</strong> erwartet der Kontrolle. Feinsteuerung hat sich oft <strong>als</strong> zu ehrgeizig<br />

und wenig wirksam erwiesen. Wenn die Inflationserwartungen<br />

anziehen, werden die langfristigen Renditen steigen. Die Investoren wollen<br />

nämlich für inflationsbedingte Verluste auf ihren Anlagen entschädigt<br />

werden. Wenn die Zentralbanken diesen Zinsanstieg verhindern<br />

wollen, müssen sie die Renditen über Anleihekäufe tief halten. Dann<br />

schreiben sie die ultraexpansive Geldpolitik fort und verlagern die Redimensionierung<br />

ihrer Bilanzen in die ferne Zukunft. Am Ende untergräbt<br />

ein Teuerungsauftrieb sogar das Vertrauen in die Papiergeldordnung.<br />

Die Gefahr womöglich stark steigender Inflationsraten ist <strong>als</strong>o real,<br />

wenn auch nicht imminent. Dazu gesellen sich drei weitere Risiken für<br />

die Gesamtwirtschaft:<br />

– Erstens drohen <strong>als</strong> Folge extrem tiefer Finanzierungskosten, negativer<br />

Realzinsen und tief gehaltener Langfristrenditen Strukturverzerrungen<br />

und die Fehlleitung volkswirtschaftlicher Ressourcen. Wenn die<br />

Zinsen ihre Signalfunktion verlieren, werden Investitionen getätigt,<br />

von denen man bei marktgerechter Diskontierung absehen würde.<br />

Solche Fehlinvestitionen führen später zu Überkapazitäten und verstärken<br />

die Konjunkturschwankungen. Dagegen werden Reformen<br />

zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit auf die lange Bank geschoben,<br />

weil deren Dringlichkeit unter dem Zauberstab des billigen Geldes<br />

nachzulassen scheint. Das untergräbt mittelfristig das Wachstumspotenzial<br />

einer Volkswirtschaft. Strukturverzerrend wirken auch<br />

selektive Eingriffe der Zentralbanken in Teilmärkte, etwa den Immobilienmarkt.<br />

– Zweitens wird die Sanierung der öffentlichen Finanzen zögerlich angepackt,<br />

und es werden zusätzliche Verschuldungsanreize geschaffen.<br />

Ultratiefe Zinsen verschleiern den staatlichen Mittelbedarf, der künftig<br />

bei steigenden Kapitalkosten aufgewendet werden muss. Politiker<br />

können sich um einschneidende Massnahmen drücken und immer<br />

wieder versuchen, Zeit zu schinden. Das Beispiel Japans stimmt nachdenklich.<br />

Hier stieg die Staatsverschuldung bei Zinsen, die während<br />

fast zwei Jahrzehnten nahe bei Null lagen, auf 240% des Bruttoinlandprodukts.<br />

Die Hypothek, die kommenden Generationen aufgebürdet<br />

wird, ist gewaltig.<br />

Wenn der Stabilitätsanker<br />

Risse bekommt,<br />

entgleitet der Inflationsprozess<br />

schneller<br />

<strong>als</strong> erwartet der<br />

Kontrolle.<br />

16 <strong>Zentralbanker</strong> <strong>als</strong> <strong>Zauberlehrlinge</strong>?

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