Zentralbanker als Zauberlehrlinge? - Avenir Suisse
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Ob damit bereits das Ende der Ära der Inflationssteuerung gekommen<br />
ist, lässt sich wohl noch nicht sagen. Denn die positiven Wirkungen der<br />
Inflationssteuerung sind nicht so einfach zu ignorieren. Sie sollten deshalb<br />
nicht leichtfertig preisgegeben werden. Eine dauerhaft höhere Inflation<br />
würde unweigerlich auch dauerhaft höhere volkswirtschaftliche Kosten<br />
in Form von Preisverzerrungen und Fehlallokation von Ressourcen<br />
nach sich ziehen. Hinzu kommt die Gefahr, dass die Inflationserwartungen<br />
der Wirtschaftsakteure (Investoren, Haushalte) rasch aus dem Ruder<br />
laufen können. Deshalb wurde der Vorschlag von Blanchard von den<br />
Präsidenten der Deutschen Bundesbank und der snb harsch <strong>als</strong> «äusserst<br />
unglücklich, wenn nicht sogar fahrlässig und schädlich» kritisiert (Weber<br />
und Hildebrand 2010). Die Rufe nach einer höheren Inflationstoleranz laufen<br />
letztlich auf die Einschleusung fiskalischer Ziele in die Geldpolitik hinaus,<br />
geht doch damit faktisch eine reale Schuldenentlastung einher. Das<br />
alles spricht dafür, Vorschlägen, die in diese Richtung weisen, kritisch<br />
und zurückhaltend zu begegnen.<br />
Anpassungen sind jedoch möglich. Diese sollten allerdings eher in<br />
Richtung eines längeren Zeithorizonts für die Einhaltung eines Inflationsziels<br />
<strong>als</strong> in Richtung einer Aufweichung gehen. Gemäss dem Geldtheoretiker<br />
Michael Woodford von der Columbia University sollte die<br />
Inflation im Durchschnitt von 10 Jahren nicht höher <strong>als</strong> 2% sein, was den<br />
Die Rufe nach einer<br />
höheren Inflationstoleranz<br />
laufen letztlich<br />
auf die Einschleusung<br />
fiskalischer<br />
Ziele in die<br />
Geldpolitik hinaus,<br />
geht doch damit faktisch<br />
eine reale Schuldenentlastung<br />
einher.<br />
Notenbanken mehr Freiheit zur Bekämpfung von Blasen gäbe (Woodford<br />
2011). Dies entspricht im Grunde genommen dem geldpolitischen Konzept<br />
der snb im Sinne der Preisstabilität <strong>als</strong> längerfristige Verpflichtung, im<br />
Gegensatz etwa zu kurzfristigen Inflationszielen, wie sie zum Beispiel der<br />
Bank of England vorgegeben werden. Keine Lösung ist die Ausrichtung<br />
der Geldpolitik an der sogenannten «Kernteuerung», das heisst der Inflationsrate<br />
unter Ausklammerung volatiler Preise wie Energie, Nahrungsmittel<br />
und Rohstoffe. Nicht nur ist das Konzept willkürlich, es lässt sich<br />
auch gegenüber der Öffentlichkeit nicht gut kommunizieren. Im Prinzip<br />
ist die Kerninflation eine Verniedlichung der tatsächlichen Inflationsrate<br />
(Stark 2012).<br />
Eine weitere Anpassung drängt sich auf, um die heutige asymmetrische<br />
Geldpolitik zu korrigieren. Bis heute huldigen die Notenbanken<br />
dem Grundsatz, «that monetary policy should not lean against a bubble<br />
that is building up, but to intervene after a bubble has burst» (Weidmann 2011).<br />
Es wäre aber im Rahmen einer breiteren, indikatorengestützten Geldpolitik<br />
sinnvoll, relevanten Finanzmarktdaten, die auf das Entstehen von<br />
Blasen hindeuten, bei der geldpolitischen Entscheidungsfindung mehr<br />
Gewicht zu geben. Auf diese Weise wäre es möglich, die Geldpolitik über<br />
den finanziellen Zyklus hinweg symmetrischer umzusetzen. Zwar dürfte<br />
es kaum je gelingen, Blasen und Finanzmarktkrisen völlig zu verhindern,<br />
aber bereits die Erweiterung des geldpolitischen Horizonts könnte<br />
hilfreich sein. Allerdings bräuchten dann die Notenbanken vermutlich<br />
auch zusätzliche makroprudenzielle Instrumente wie Beleihungsober-<br />
Zum Ausstieg aus der ultraexpansiven Geldpolitik 37