Zentralbanker als Zauberlehrlinge? - Avenir Suisse
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8 _Fazit<br />
Mit ihren beispiellosen Interventionen während der heissen Phase der<br />
Finanzkrise bewahrten die Zentralbanken der Industriestaaten die Weltwirtschaft<br />
wohl vor dem Absturz in eine Depression. In der Folge hielten<br />
sie an der faktischen Nullzinspolitik und dem Einsatz unkonventioneller<br />
Instrumente fest, um das Wirtschaftswachstum zu befördern, die Finanzierungskosten<br />
für Unternehmen und Staaten zu dämpfen und die Kredittätigkeit<br />
der Geschäftsbanken anzukurbeln. Sie weckten damit schwer<br />
erfüllbare Erwartungen. Die Wirtschaftsgeschichte zeigt nämlich, dass<br />
die Bewältigung der negativen Folgen einer Finanzkrise lange dauert,<br />
weil sie untrennbar mit einem wachstumsbremsenden Schuldenabbau<br />
verbunden ist. Wenn dieser Abbau hinausgezögert wird, werden die Anpassungsprobleme<br />
in die Zukunft verlagert. Die Strukturbereinigung im<br />
Finanzbereich wird auf die lange Bank geschoben, die Staaten verschulden<br />
sich wegen des billigen Geldes weiter, und auf den Anlagemärkten<br />
wird die Basis für neue Blasen gelegt. Mittelfristig steigt zudem das Inflationsrisiko.<br />
Schliesslich geraten die Zentralbanken in die Fänge der<br />
Fiskalpolitik, was ihre Unabhängigkeit gefährdet.<br />
Deshalb rückt der Zeitpunkt für einen möglichst reibungslosen Ausstieg<br />
aus der ultraexpansiven Geldpolitik näher. Relevante Indikatoren<br />
zeigen, dass die Gefahr eines Zusammenbruchs der Interbankenmärkte<br />
und einer wirtschaftlichen Depression gebannt ist. Die Märkte hatten<br />
während der Finanzkrise versagt, und das erforderte staatliches Eingreifen.<br />
Jetzt sollte sich der Staat wieder aus wesensfremden Tätigkeiten zurückziehen.<br />
Dazu gehören die Preisfindung auf den Kapitalmärkten und<br />
die Beurteilung und Übernahme von Kreditrisiken.<br />
Der Ausstieg ist technisch machbar, aber nicht einfach. Politisch wird<br />
er umso schwieriger, je länger an der ultraexpansiven Politik festgehalten<br />
wird. Die Reaktion der Märkte auf eine mit der Redimensionierung der<br />
Zentralbankbilanzen verbundene Liquiditätsverknappung und auf Leitzinserhöhungen<br />
ist unvorhersehbar und kann zu Turbulenzen führen.<br />
Deshalb ist dem zeitlichen Ablauf der Ausstiegsmassnahmen grosse Beachtung<br />
zu schenken. Die Zentralbanken sollten sich an einem Ausstiegsplan<br />
orientieren, dabei aber flexibel auf die Marktreaktionen reagieren.<br />
Sie werden sich überlegen, ob sie mit der Anhebung der Leitzinsen gleichzeitig<br />
mit, vor oder nach der Abschöpfung von Überschussliquidität und<br />
dem Verkauf der erworbenen Wertpapiere beginnen sollen. Die Reaktion<br />
der Märkte dürfte umso gelassener ausfallen, je besser es den Noteninstituten<br />
gelingt, ihre Absichten klar zu kommunizieren.<br />
Die Welt wird nach dem Ausstieg anders aussehen <strong>als</strong> die Welt vorher.<br />
Die Zentralbanken werden aus den während der Jahrzehnte der «Grossen<br />
Mässigung» gemachten Erfahrungen lernen. Diese Periode war nur in<br />
Bezug auf die Stabilität der Konsumentenpreise, nicht aber in Bezug auf<br />
Der Zeitpunkt für<br />
einen möglichst reibungslosen<br />
Ausstieg<br />
aus der ultraexpansiven<br />
Geldpolitik rückt<br />
näher.<br />
Zum Ausstieg aus der ultraexpansiven Geldpolitik 51