Fallstudie Libanon (Nr. 51) - Geschwister-Scholl-Institut für ...
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Nachkriegsordnung in den Augen ihrer Anhängerschaft oder der gesellschaftlichen Gruppe,<br />
die sie repräsentiert, zu legitimieren. 31<br />
Im Lichte dieser Herausforderung muss auch die zum Standardprogramm der Friedenskonsolidierung<br />
gewordene Abhaltung von demokratischen Wahlen betrachtet werden, welche<br />
einen wesentlichen Beitrag zur Legitimierung der Nachkriegsordnung leisten kann, gleichzeitig<br />
aber, im Falle einer Durchführung zu einem „falschen“Zeitpunkt, oder unter konfliktverschärfenden<br />
Wahlmodalitäten, der Befriedung des Konfliktes und der Versöhnung der Konfliktparteien<br />
zuwider laufen kann. Zu berücksichtigen ist, dass z.B. mehrheitsdemokratische<br />
Wahlverfahren, welche deutliche Sieger und Verlierer produzieren, die Stabilität der Nachkriegsordnung<br />
möglicherweise gefährden.<br />
Um die zur Legitimierung der Nachkriegsordnung notwendige Inklusion möglichst aller relevanten<br />
Konfliktparteien zu gewährleisten, kann nun auf sog. power-sharing-Arrangements<br />
zurückgegriffen werden, die es ermöglichen, allen wesentlichen Konfliktparteien, unabhängig<br />
vom Wahlausgang, einen Anteil an der politischen Macht zu garantieren. 32 Abzuwägen ist<br />
aber auch hier zwischen den Stärken und Schwächen konkordanzdemokratischer Regelungen:<br />
Einerseits ermöglichen sie die Integration verschiedener Segmente der Gesellschaft<br />
und ihrer Interessen, fördern kooperatives Verhalten und können somit verfeindete Gruppen<br />
zur friedlichen Koexistenz bringen. Andererseits bergen sie auch die Gefahr, bestimmte<br />
Trennlinien in der Gesellschaft zu zementieren. Berücksichtigt werden müssen auch die<br />
Schwierigkeiten bei der Konsensbildung, die Möglichkeit von Blockaden und die damit einhergehende<br />
Verzögerung von Entscheidungsfindungsprozessen und die Verminderung der<br />
Problemlösungsfähigkeit des Staates.<br />
Ein weiterer wesentlicher Bestandteil der politischen Erneuerung in der Nachkriegzeit stellt<br />
die Schaffung rechtsstaatlicher Strukturen dar. Im Vordergrund steht hierbei insbesondere<br />
die Errichtung einer effektiven Kontrolle staatlicher Macht, in Form einer Bindung der staatlichen<br />
<strong>Institut</strong>ionen an Recht und Gesetz. Dies impliziert u.a. eine unabhängige Justiz, die<br />
Gleichheit vor dem Gesetz, wirksame und <strong>für</strong> alle zugängliche Formen des Rechtsbehelfs,<br />
einen die Menschenwürde wahrenden Strafvollzug. In diesem Kontext stellt sich auch das<br />
überaus heikle Problem des Umgangs mit Kriegsverbrechen, sei es in Form von Tribunalen,<br />
Wahrheitskommissionen oder Amnestien. Berührt werden hierbei Fragen von Recht und Ge-<br />
31 Vgl. Perthes, Volker, 2000a: Wege zum zivilen Frieden. Nachbürgerkriegssituationen im Vergleich, in: Blätter<br />
<strong>für</strong> deutsche und internationale Politik, Heft 4, S. 447 f.<br />
32 Die sich im Falle tief zerklüfteter Gesellschaften anbietende Konkordanz („consociationalism“) bezeichnet ein<br />
politisches System, in dem nicht die Mehrheiten entscheiden, sondern die Repräsentanten aller wichtiger Segmente<br />
der Gesellschaft an der Macht beteiligt werden. Alle Angelegenheiten allgemeiner Bedeutung werden nach<br />
Möglichkeit durch Kompromiss und Einvernehmen zwischen den verschiedenen Gruppen geregelt. Jede Gruppe<br />
verfügt in allen anderen Belangen über ein bestimmtes Maß an Autonomie. Ferner zeichnet sich die Konkordanzdemokratie<br />
durch die Proportionalität der Repräsentation der verschiedenen Gruppen in den staatlichen Einrichtungen,<br />
sowie durch gesicherte Vetorechte <strong>für</strong> die Mitglieder der Konsoziation in allen Belangen von vitalem Interesse<br />
aus. Vgl. Schmidt, Manfred G., 2000: Demokratietheorien, 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Opladen,<br />
S. 327 ff.; Schneckener, Ulrich, 2002: Making Power-Sharing Work: Lessons from Successes and Failures in<br />
Ethnic Conflict Regulation, in: Journal of Peace Research, 39. Jg., <strong>Nr</strong>. 2, S. 203 ff.