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Fallstudie Libanon (Nr. 51) - Geschwister-Scholl-Institut für ...

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14<br />

Nachkriegsordnung in den Augen ihrer Anhängerschaft oder der gesellschaftlichen Gruppe,<br />

die sie repräsentiert, zu legitimieren. 31<br />

Im Lichte dieser Herausforderung muss auch die zum Standardprogramm der Friedenskonsolidierung<br />

gewordene Abhaltung von demokratischen Wahlen betrachtet werden, welche<br />

einen wesentlichen Beitrag zur Legitimierung der Nachkriegsordnung leisten kann, gleichzeitig<br />

aber, im Falle einer Durchführung zu einem „falschen“Zeitpunkt, oder unter konfliktverschärfenden<br />

Wahlmodalitäten, der Befriedung des Konfliktes und der Versöhnung der Konfliktparteien<br />

zuwider laufen kann. Zu berücksichtigen ist, dass z.B. mehrheitsdemokratische<br />

Wahlverfahren, welche deutliche Sieger und Verlierer produzieren, die Stabilität der Nachkriegsordnung<br />

möglicherweise gefährden.<br />

Um die zur Legitimierung der Nachkriegsordnung notwendige Inklusion möglichst aller relevanten<br />

Konfliktparteien zu gewährleisten, kann nun auf sog. power-sharing-Arrangements<br />

zurückgegriffen werden, die es ermöglichen, allen wesentlichen Konfliktparteien, unabhängig<br />

vom Wahlausgang, einen Anteil an der politischen Macht zu garantieren. 32 Abzuwägen ist<br />

aber auch hier zwischen den Stärken und Schwächen konkordanzdemokratischer Regelungen:<br />

Einerseits ermöglichen sie die Integration verschiedener Segmente der Gesellschaft<br />

und ihrer Interessen, fördern kooperatives Verhalten und können somit verfeindete Gruppen<br />

zur friedlichen Koexistenz bringen. Andererseits bergen sie auch die Gefahr, bestimmte<br />

Trennlinien in der Gesellschaft zu zementieren. Berücksichtigt werden müssen auch die<br />

Schwierigkeiten bei der Konsensbildung, die Möglichkeit von Blockaden und die damit einhergehende<br />

Verzögerung von Entscheidungsfindungsprozessen und die Verminderung der<br />

Problemlösungsfähigkeit des Staates.<br />

Ein weiterer wesentlicher Bestandteil der politischen Erneuerung in der Nachkriegzeit stellt<br />

die Schaffung rechtsstaatlicher Strukturen dar. Im Vordergrund steht hierbei insbesondere<br />

die Errichtung einer effektiven Kontrolle staatlicher Macht, in Form einer Bindung der staatlichen<br />

<strong>Institut</strong>ionen an Recht und Gesetz. Dies impliziert u.a. eine unabhängige Justiz, die<br />

Gleichheit vor dem Gesetz, wirksame und <strong>für</strong> alle zugängliche Formen des Rechtsbehelfs,<br />

einen die Menschenwürde wahrenden Strafvollzug. In diesem Kontext stellt sich auch das<br />

überaus heikle Problem des Umgangs mit Kriegsverbrechen, sei es in Form von Tribunalen,<br />

Wahrheitskommissionen oder Amnestien. Berührt werden hierbei Fragen von Recht und Ge-<br />

31 Vgl. Perthes, Volker, 2000a: Wege zum zivilen Frieden. Nachbürgerkriegssituationen im Vergleich, in: Blätter<br />

<strong>für</strong> deutsche und internationale Politik, Heft 4, S. 447 f.<br />

32 Die sich im Falle tief zerklüfteter Gesellschaften anbietende Konkordanz („consociationalism“) bezeichnet ein<br />

politisches System, in dem nicht die Mehrheiten entscheiden, sondern die Repräsentanten aller wichtiger Segmente<br />

der Gesellschaft an der Macht beteiligt werden. Alle Angelegenheiten allgemeiner Bedeutung werden nach<br />

Möglichkeit durch Kompromiss und Einvernehmen zwischen den verschiedenen Gruppen geregelt. Jede Gruppe<br />

verfügt in allen anderen Belangen über ein bestimmtes Maß an Autonomie. Ferner zeichnet sich die Konkordanzdemokratie<br />

durch die Proportionalität der Repräsentation der verschiedenen Gruppen in den staatlichen Einrichtungen,<br />

sowie durch gesicherte Vetorechte <strong>für</strong> die Mitglieder der Konsoziation in allen Belangen von vitalem Interesse<br />

aus. Vgl. Schmidt, Manfred G., 2000: Demokratietheorien, 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Opladen,<br />

S. 327 ff.; Schneckener, Ulrich, 2002: Making Power-Sharing Work: Lessons from Successes and Failures in<br />

Ethnic Conflict Regulation, in: Journal of Peace Research, 39. Jg., <strong>Nr</strong>. 2, S. 203 ff.

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