Fallstudie Libanon (Nr. 51) - Geschwister-Scholl-Institut für ...
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eine Art Besatzungsmacht die libanesische Souveränität ein, gleichzeitig spielte es in bestimmtem<br />
Maße eine stabilisierende und damit auch konstruktive Rolle. Syrien war zum Garanten<br />
<strong>für</strong> die Stabilität der Nachkriegsordnung und zugleich zum Hindernis <strong>für</strong> die Errichtung<br />
eines ausschließlich libanesischen staatlichen Gewaltmonopols geworden, es war Teil der<br />
Lösung und blieb Teil des Problems. 129<br />
Dass Syrien de facto in die Rolle des „externen Implementeurs“des Ta´if-Abkommens geschlüpft<br />
war und zur Stabilisierung des <strong>Libanon</strong>s beitrug, entsprang nun keinem altruistischen<br />
Friedenswillen. Das Engagement im <strong>Libanon</strong> diente Syrien insbesondere bei der Verwirklichung<br />
seiner macht- und sicherheitspolitischen Interessen in der nahöstlichen Region.<br />
Seine zentrale strategische Bedeutung erlangte der <strong>Libanon</strong>, wie anfangs bereits ausgeführt,<br />
u.a. im Rahmen der Konfrontation Syriens mit Israel bezüglich der Golan-Höhen. Über eine<br />
sicherheitspolitische Dominanz hinausgehende Ambitionen, nämlich die Wirtschafts- oder<br />
Sozialpolitik aktiv zu gestalten oder gar den <strong>Libanon</strong>, wie häufig unterstellt, zu annektieren<br />
und sich die innerlibanesischen Probleme aufzubürden, verfolgte Syrien keineswegs. Angestrebt<br />
wurde eine Integrierung des <strong>Libanon</strong>s in die eigene Einflusssphäre und eine Unterordnung<br />
vor allem der Sicherheits- und Außenpolitik des <strong>Libanon</strong>s unter die Politik Syriens. Aus<br />
dem <strong>Libanon</strong> sollte keine Bedrohung <strong>für</strong> Syrien entstehen und keine andere Macht sollte dort<br />
entscheidenden Einfluss gewinnen. Dies erforderte unweigerlich ein bestimmtes Maß an<br />
Kontrolle über die libanesische Politik, u.a. ein Vetorecht bei der Besetzung von Spitzenämtern<br />
in der Politik – z.B. bei der des Präsidentenamtes –, der Armee, und den Geheimdiensten.<br />
Zu betonen ist aber, dass es Syrien nie darum ging, die libanesische Politik aktiv zu gestalten,<br />
sondern nur darum die syrischen Sicherheitsinteressen widersprechenden Entwicklungen<br />
in der libanesischen Szene kontrollieren zu können. 130<br />
Wichtig ist es außerdem, sich die Ambivalenz der syrischen Interessen im <strong>Libanon</strong> vor Augen<br />
zu führen. Einerseits hatte Damaskus ein Interesse daran, den <strong>Libanon</strong> gegenüber israelischen<br />
Störversuchen zu stabilisieren und somit zu einem verlässlichen Partner im eigenen<br />
Einflussbereich zu machen. In Analogie zu seiner Strategie während des Bürgerkrieges,<br />
versuchte Syrien auch in der Nachkriegszeit als Vermittler auf die widerstreitenden Parteien<br />
im <strong>Libanon</strong> einzuwirken. Die Machtübernahme radikaler Kräfte, wie z.B. der Amal oder der<br />
Hizbollah, suchte Syrien zu verhindern, hätten sie doch die gesamte Region destabilisieren<br />
und Syrien in einen Krieg mit Israel hineinziehen können. Auch eine Teilung des <strong>Libanon</strong>s<br />
galt es zu vermeiden. Ein maronitischer Klein-<strong>Libanon</strong> hätte zum Verbündeten Israels werden<br />
können und separatistische Bewegungen hätten schließlich auch auf Syrien überschwappen<br />
können. Nichtsdestotrotz strebte Syrien keine vollständige Befriedung des <strong>Libanon</strong>s<br />
an. Es hatte ein Interesse daran, im Südlibanon ein bestimmtes Maß an Spannung beizubehalten.<br />
Die Guerillaaktivität der Hizbollah konnte Syrien im Konflikt mit Israel als Druck-<br />
129 Vgl. Endres, 2000, S. 230; Perthes, 1994, S. 102.<br />
130 Vgl. Schiegl, 2007, S. 90 ff.; Perthes, 1994, S. 34 und S. 100 ff.