Fallstudie Libanon (Nr. 51) - Geschwister-Scholl-Institut für ...
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Wie eingangs dargestellt, müssen der Ausbruch und der Verlauf des libanesischen Bürgerkrieges<br />
nun auch im Lichte äußerer Entwicklungen, insbesondere vor dem Hintergrund des<br />
arabisch-israelischen Konflikts gesehen werden. Nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 und<br />
dem Schwarzen September 1970 flüchteten Zehntausende von Palästinensern nach Beirut –<br />
zusätzlich zu den bereits nach dem Palästinakrieg 1948 in den <strong>Libanon</strong> Geflüchteten. Nach<br />
der Vertreibung der palästinensischen Widerstandsgruppen aus Jordanien, wurde der <strong>Libanon</strong><br />
zu ihrem wichtigsten Operationsgebiet im bewaffneten Kampf gegen Israel. Die palästinensischen<br />
Flüchtlingslager und Militärbasen bildeten allmählich einen „Staat im Staate“ 53 ,<br />
gegen den die schwachen libanesischen Autoritäten nichts mehr auszurichten vermochten.<br />
Im Jahre 1969 hatte die libanesische Regierung im Rahmen des „Cairo Agreements“der<br />
PLO weit reichende Rechte auf libanesischem Territorium eingeräumt: die Errichtung und<br />
Unterhaltung von 16 Flüchtlingslagern, darin das Recht auf bewaffnete Einheiten, die Einrichtung<br />
von Beobachtungsstellen im Grenzgebiet zu Israel, sowie die Kriegsführung gegen<br />
Israel auf libanesischem Territorium. Mit dieser Abmachung trat die libanesische Regierung<br />
de facto ihre staatlichen Hoheitsrechte über die palästinensischen Flüchtlingslager und die<br />
Basen an die PLO ab. 54 Sowohl 1969 als auch 1973 war die libanesische Armee in ihren<br />
Bemühungen gescheitert, die Kontrolle über die palästinensischen Lager und Basen wieder<br />
zu erringen. Einer der Gründe hier<strong>für</strong> war, dass sich ein Teil der libanesischen Kräfte, vor<br />
allem die Muslime dem widersetzte. Die palästinensische Präsenz wurde jedoch, angesichts<br />
der Ohnmacht des libanesischen Staates ihr entgegenzutreten, insbesondere von den Christen<br />
des Landes als existenzielle Bedrohung wahrgenommen. Die wichtigsten christlichen<br />
Parteien begannen mit der Aufstellung eigener Milizen, was wiederum dazu führte, dass Teile<br />
der muslimischen Gemeinschaften sowie die libanesische Linke, mit Unterstützung der<br />
Palästinenser, Gegenmilizen bildeten. Festzuhalten ist, dass die palästinensische Präsenz<br />
den bereits mit inneren Konflikten beladenen <strong>Libanon</strong> somit weiter polarisierte und destabilisierte,<br />
und eine Voraussetzung <strong>für</strong> die Militarisierung der innenpolitischen Konflikte schuf. 55<br />
Die Präsenz der Palästinenser hatte außerdem zur Konsequenz, dass sie den <strong>Libanon</strong> in<br />
den Schnittpunkt gegensätzlicher Interessen regionaler und internationaler Mächte brachte:<br />
Zum einen betrachtete sich Israel als unmittelbar vom Ausbau der palästinensischen Machtposition<br />
im <strong>Libanon</strong> betroffen und zielte darauf ab, den libanesischen Staat zum Vorgehen<br />
gegen die Palästinenser zu bewegen, bzw. zu späterem Zeitpunkt selbst die Palästinenser<br />
im <strong>Libanon</strong> zu bekämpfen. Neben eigenen militärischen Schlägen auf libanesisches Territo-<br />
53 Rotter, Gernot, 1986: Die Milizionalisierung des <strong>Libanon</strong>, in: Saeculum, Band 37, S. 195.<br />
54 Vgl. Endres, Jürgen, 2000: Vom „Monopoly“privatisierter Gewalt zum Gewaltmonopol? Formen der Gewaltordnung<br />
im <strong>Libanon</strong> nach 1975, in: Leviathan, Band 28, Heft 2, S. 223.<br />
55 Zur Rolle der Palästinenser als Auslöser des libanesischen Bürgerkrieges vgl. u.a. Schlicht, Alfred, 1986: <strong>Libanon</strong>.<br />
Zwischen Bürgerkrieg und internationalem Konflikt, Arbeitspapiere zur Internationalen Politik, Band 40, Forschungsinstitut<br />
der Deutschen Gesellschaft <strong>für</strong> Auswärtige Politik, Bonn, S. 9 ff.; El-Khazen, 2000, S. 361 ff.