Fallstudie Libanon (Nr. 51) - Geschwister-Scholl-Institut für ...
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hatte Amal zu einer „mächtigen klientelistischen Maschinerie mit direktem Zugriff auf den<br />
Staat“gemacht. 94<br />
Weitaus weniger erfolgreich verliefen die Versuche, die christlichen Forces Libanaises zu<br />
demobilisieren und in staatliche Einrichtungen zu integrieren. Dies hatte zum einen praktische<br />
Gründe: es erwies sich als schwierig, eine so hochgerüstete und über stark verfestigte<br />
Strukturen verfügende Miliz aufzulösen. Die unvollständige Demobilisierung und Reintegration<br />
der christlichen Milizkämpfer muss zum anderen aber auch im Lichte der Unzufriedenheit<br />
der Forces Libanaises mit den Nachkriegsentwicklungen gesehen werden. Zwar hatten sie<br />
das Ta´if-Abkommen im Prinzip mitgetragen, lehnten aber die Implementierung des Ta´if-<br />
Abkommens unter syrischer „Aufsicht“ab, und verbauten sich damit die Integration in das<br />
neue politische System. Trotz einer ursprünglich sehr starken Nachfrage nach Übernahme in<br />
die Sicherheitskräfte – ca. 8.600 Kombattanten sowie 650 Offiziere sollten übernommen werden<br />
–, traten letzten Endes nur einige hundert Kämpfer der Forces Libanaises der Armee<br />
bei. Den Forderungen der Miliz, Teile ihrer Truppen nicht aufzulösen, sondern als eigenständige<br />
Einheiten in die libanesischen Streitkräfte zu integrieren und die regionalistische und<br />
konfessionelle Organisation der Armee beizubehalten, waren abgelehnt worden. Deutlich<br />
wurde hierbei das Misstrauen, das die Christen dem neuen Staat, insbesondere der unter<br />
syrischer Kontrolle neu organisierten Armee entgegenbrachten. Von den mehreren Tausend<br />
Milizionären, die unfreiwillig – oftmals aber auch freiwillig – nicht in staatliche <strong>Institut</strong>ionen<br />
integriert wurden, entschloss sich nun ein Teil zu emigrieren, ein Großteil verblieb jedoch im<br />
<strong>Libanon</strong> im Einflussbereich der Forces Libanaises und stand weiterhin auf der Lohnliste der<br />
Organisation oder konnte unter Zuhilfenahme der traditionellen, konfessionellen, lokalen<br />
Netzwerke eine zivile Tätigkeit finden. Die schwierige und teilweise unvollständige Demobilisierung<br />
und Reintegration der Forces Libanaises und ihre Anfang der 1990er Jahre unternommenen<br />
Störversuche, u.a. in Form von Attentaten, trugen nun gewiss nicht zur Stabilisierung<br />
der Nachkriegsordnung bei, konnten die Autorität des durch Syrien unterstützten neuen<br />
Staates jedoch nicht ernsthaft in Frage stellen. 95<br />
Um die vereinbarte Selbstauflösung der Milizen zu unterstützen, war im August 1991 zudem<br />
ein Amnestiegesetz verabschiedet worden, demzufolge alle Kriegsverbrechen, die vor März<br />
1991 begangen worden waren, mit Ausnahme des Mordes an Politikern, Diplomaten und<br />
Klerikern, straffrei bleiben sollten. 96 Allerdings wurde die Umsetzung des Gesetzes äußerst<br />
selektiv gehandhabt. Sehr bald wurde deutlich, dass die Amnestie <strong>für</strong> Bürgerkriegsverbrecher<br />
nämlich faktisch nur <strong>für</strong> die diejenigen galt, die bereit waren die Nachkriegsordnung zu<br />
94 Vgl. Picard, 1999, S. 14 ff.<br />
95 Vgl. Maila, 1991a, S. 52; Perthes, 1994, S. 27 f.; Picard, 1999, S. 20 ff.<br />
96 Vgl. General Amnesty Law, 1991 [Law no. 84 “granting General Amnesty to all crimes perpetrated before<br />
March 28, 1991 according to specified conditions”], signed by the president of the Lebanese Republic, the<br />
Speaker of the House, and the Prime Minister, Beirut (abgedruckt in: The Beirut Review, 1991, Vol. 1, No. 2,<br />
S. 127-130).