Fallstudie Libanon (Nr. 51) - Geschwister-Scholl-Institut für ...
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ment zur Überwachung der libanesischen Politik fand. Damaskus förderte hierbei die Aufteilung<br />
der geheimdienstlichen Aktivität auf verschiedene Behörden, die sich jeweils unter der<br />
Führung einer Konfessionsgemeinschaft befanden. Zu berücksichtigen ist aber, dass die<br />
gewachsene Bedeutung des Geheimdienstes und ihre verstärkte Intrusion in die libanesische<br />
Politik nicht alleine auf die externe Einflussnahme zurückzuführen ist. Wie bereits im<br />
Rahmen der Ausführungen zur libanesischen Armee deutlich wurde, muss immer auch die<br />
Bereitwilligkeit libanesischer Akteure zur Instrumentalisierung der Geheimdienste als machtpolitische<br />
Ressource berücksichtigt werden.<br />
Ein Großteil der geheimdienstlichen Aktivitäten wurde insbesondere durch den in den 1990er<br />
über ca. 35.000 Mitarbeiter verfügenden und unter maronitischer Führung stehenden, militärischen<br />
Geheimdienst, dem Deuxième Bureau, wahrgenommen. Seine Hauptaufgabe lag,<br />
wie bereits deutlich geworden ist, in der Überwachung der politischen Szene des <strong>Libanon</strong>s,<br />
insbesondere der Opposition. Er gehörte zu den effizientesten Geheimdiensten, stand aber<br />
in Konkurrenz zu noch sechs weiteren Behörden. Darunter die Direction Générale de la<br />
Sûreté de l´Etat, die, traditionell von einem Christen geführt, nun unter schiitische Führung<br />
platziert wurde, und als Instrument zur Medien- und Parteienzensur diente. Die letzte wichtige<br />
Einrichtung stellte das sunnitische Bureau d´Information dar, welches aus der libanesischen<br />
Polizei hervorging. Die Direction Générale de la Sécurité de l´Etat war Anfang der<br />
1990er Jahre aus politischen Gründen gegründet worden. Schiitenführer Nabih Berri hatte<br />
vor seiner Ernennung zum Parlamentspräsidenten einen eigenen „schiitischen“ Geheimdienst<br />
reklamiert. Aufgrund ihres Entstehungskontextes sollte der Sécurité de l´Etat jedoch<br />
nur eine marginale Rolle zukommen, u.a. beim Schutz von Politikern und hohen Beamten.<br />
Schließlich existierten parallel noch drei weitere Geheimdienste, nämlich: die Präsidentengarde,<br />
die Regierungsgarde, sowie der Flughafensicherheitsdienst. 120<br />
Die Einmischung der libanesischen Geheimdienste in die libanesische Politik und auch die<br />
Beteiligung an politischen Morden traten nicht zuletzt im Rahmen der unter der Ägide der<br />
Vereinten Nationen geführten Ermittlungen im Fall Hariri deutlich zu Tage. Infolge des Berichtes<br />
der durch den Sicherheitsrat eingesetzten Mehlis-Untersuchungskommission, wurden<br />
u.a. die als „Säulen des Lahoud-Regimes“ geltenden, abgesetzten Sicherheitschefs<br />
Moustapha Hamdane, Leiter der Präsidentengarde, Jamil Al-Sayed, Leiter der Sûreté de<br />
l´Etat, Ali Al-Haj, Direktor der Forces de Sécurité Intérieure, und Raymond Azar, Leiter des<br />
Deuxième Bureau, durch libanesische Behörden festgenommen und unter Anklage gestellt.<br />
121<br />
Seit dem Abzug Syriens kommt der Reform des Geheimdienstapparates nun höchste Priorität<br />
zu. Zu den zentralen Herausforderungen zählt es zum einen, den Einfluss Syriens zu-<br />
120 Vgl. Belloncle, 2006, S. 9 ff.<br />
121 Vgl. Hildebrandt, Thomas, 2005: Die Ermordung des ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafiq al-<br />
Hariri im Februar 2005. Die Folgen <strong>für</strong> libanesische Innenpolitik und die syrisch-libanesischen Beziehungen. DOI-<br />
Focus, <strong>Nr</strong>. 22, Deutsches Orient-<strong>Institut</strong> Hamburg, S. 23.