Fallstudie Libanon (Nr. 51) - Geschwister-Scholl-Institut für ...
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menstößen in Sidon und Tyros die Stellungen der PLO-Einheiten außerhalb der palästinensischen<br />
Lager, begann deren Zugänge zu kontrollieren und zwang die Gruppen, insbesondere<br />
die Fatah, die größte Fraktion der PLO, zumindest einen Teil ihrer schweren Waffen abzugeben.<br />
Zur Übernahme der Flüchtlingslager durch die Armee kam es jedoch nicht. Außerhalb<br />
der Lager blieben außerdem einzelne, von Syrien unterstützte palästinensische, vom<br />
Mainstream der PLO abgesplitterte Guerillagruppen von der Entwaffnung unberührt und führten<br />
den Widerstandskampf gegen Israel im Süden des Landes fort. 104<br />
Zu berücksichtigen ist, dass eine endgültigen Entwaffnung der palästinensischen Milizen in<br />
engem Zusammenhang mit der Flüchtlingsfrage stand: Gegenüber den nach Angaben der<br />
„United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East“(UNR-<br />
WA) heute ca. 400.000 im <strong>Libanon</strong> befindlichen palästinensischen Flüchtlingen 105 , hatte die<br />
libanesische Regierung eine abweisende Haltung angenommen. Im Rahmen des Abkommens<br />
von Ta´if war der Ausschluss der Palästinenser von der libanesischen Politik einmütig<br />
bestätigt worden. Dieser Ausschluss beruhte auf dem Konsens aller wesentlichen libanesischen<br />
Kräfte, die Verantwortung <strong>für</strong> den Bürgerkrieg letztlich allein den Palästinensern anzulasten.<br />
Die in Ta´if ausdrücklich beschlossene Ablehnung einer dauerhaften Ansiedlung der<br />
Palästinenser im <strong>Libanon</strong> wurde dann auch in der Verfassung verankert. 106 Begründet wurde<br />
sie mit einem ökonomischen und einem konfessionellen Argument. Zum einen wurde auf die<br />
begrenzten nationalen ökonomischen Absorptionskapazitäten verwiesen. Zum anderen darauf,<br />
dass die Ansiedlung das empfindliche, mit Ta´if neu austarierte, konfessionelle Gleichgewicht<br />
stören würde. In diesem Sinne übt der libanesische Staat seit Bürgerkriegsende einen<br />
impliziten Migrationsdruck auf die Palästinenser aus, der sich insbesondere in einer<br />
Verwährung grundlegender politischer, wirtschaftlicher und sozialer Grundrechte ausdrückt.<br />
Um nur einige Beispiele zu nennen: Die Frage der politischen Repräsentation ist bis heute<br />
ungeklärt. Das Arbeitsrecht der Palästinenser ist eingeschränkt. Zusätzlich sind die Palästinenser<br />
vom Zugang zu den Dienstleistungen des öffentlichen Erziehungs- und Gesundheitswesens<br />
ausgeschlossen. Diese restriktive Haltung gegenüber den Flüchtlingen hat dabei<br />
zur Folge, dass sich die soziale und humanitäre Situation in den Lagern kontinuierlich<br />
verschlechtert. 107<br />
Zu betonen ist, dass das Problem der palästinensischen Präsenz im <strong>Libanon</strong>, einer der wesentlichen<br />
Auslöser des libanesischen Bürgerkrieges, bis heute nicht in befriedigender Form<br />
geregelt wurde. Nach wie vor befinden sich bewaffnete palästinensische Gruppierungen im<br />
104 Vgl. Zahar, 2002, S. 578 f.<br />
105 Vgl. United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA), Public Information<br />
Office, 2007: “UNRWA in Figures”, Figures as of 30 June, 2007 (inoffizielles Dokument), Gaza City,<br />
http://www.un.org/unrwa/publications/pdf/uif-june07.pdf [Zugriff: 28.09.2007].<br />
106 Vgl. The Ta´if Agreement, Teil I, Abschnitt 1, Punkt h; The Constitution of Lebanon, after the amendments of<br />
August 21, 1990 (kommentierte Fassung in: The Beirut Review, 1991, Vol. 1, No. 1, S. 119-172), Präambel,<br />
Punkt i.<br />
107 Vgl. El-Natour, 2003, S. 112 ff.; Sayigh, 1997, S. 23 ff.