Fallstudie Libanon (Nr. 51) - Geschwister-Scholl-Institut für ...
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tont worden, dass „alle notwendigen Maßnahmen“– eine breiten Interpretationsspielraum<br />
zulassende Formulierung –, zu ergreifen seien, um das libanesische Territorium von israelischer<br />
Besatzung zu befreien. 101 Und die Legitimität des südlibanesischen „Widerstandes“<br />
wurde auch bis heute von der libanesischen Regierung nicht bestritten.<br />
Die Gründe da<strong>für</strong>, dass die Hizbollah, trotz ihrer seit Ende des Bürgerkrieges sich vollziehenden<br />
Transformation hin zu einem politisch-zivilen Akteur und ihrer Integration als solcher<br />
in die politische Nachkriegsordnung, bis zur Gegenwart an ihrer Gewaltstrategie und der<br />
Beibehaltung ihres militärischen Arms festhält, lassen sich nun sowohl auf regionaler, nationaler,<br />
aber auch auf der Ebene der Organisation selbst, verorten:<br />
Die ausgebliebene Entwaffnung der Hizbollah muss zum einen im Lichte regionaler Entwicklungen<br />
betrachtet werden. Zu berücksichtigen ist der seit dem Ende des Bürgerkrieges gewachsene<br />
Einfluss Syriens im <strong>Libanon</strong> und das im Rahmen der nahöstlichen Konfliktdynamik<br />
sich ergebende syrische Interesse an einer Fortführung des Widerstandes der Hizbollah, als<br />
einem indirekten Druckmittel gegenüber Israel. In Anbetracht der israelischen Besatzung und<br />
der Unfähigkeit der im Rekonstruktionsprozess befindlichen libanesischen Armee und des<br />
Unwillens Syriens in direkte Konfrontation mit Israel zu treten, verblieb die Hizbollah außerdem<br />
als einziger weiterhin bewaffneter Akteur um Widerstand gegen die israelischen Truppen<br />
zu leisten und die nationale Integrität wiederherzustellen. Anzumerken ist hier, dass die<br />
israelischen Militäroffensiven im <strong>Libanon</strong>, entgegen ihrer Intention, die Legitimität des schiitischen<br />
Widerstandes in der libanesischen Gesellschaft noch erhöht haben. Nach dem israelischen<br />
Rückzug und der damit einhergehenden Wiederherstellung der territorialen Integrität<br />
des <strong>Libanon</strong>s, stellte sich zwar erneut die Frage der Demobilisierung. Die Hizbollah rechtfertigte<br />
die Fortsetzung ihrer militärischen Widerstandstätigkeit jedoch damit, dass es sich bei<br />
dem israelischen Rückzug nur um einen partiellen handle, besetze Israel doch nach wie vor<br />
die sog. Shebaa-Farmen 102 – ein Standpunkt, der in Teilen der libanesischen Bevölkerung<br />
zwar umstritten ist, so aber auch durch die libanesische und die syrische Regierung bekräftigt<br />
wurde. Außerdem setzte die Hizbollah ihre militärische Aktivität nach dem israelischen<br />
Rückzug und dem Beginn der al-Aqsa-Intifada im September 2000 nun auch verstärkt in direkte<br />
Verbindung mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt und unterstützte, gemäß den<br />
nach ihrem „Sieg“über Israel genährten Erwartungen auf der nationalen Bühne wie in der<br />
arabischen Welt, die palästinensische Intifada u.a. rhetorisch und materiell. Die Beibehaltung<br />
des militärischen Arms wird schließlich durch die Hizbollah als nationale Pflicht gerechtfertigt,<br />
101 Vgl. The Ta´if Agreement, Teil III.<br />
102 Bei den Shebaa-Farmen handelt sich um ein ca. 25 qm großes Gebiet am Hang des Hermon-Gebirges, im nie<br />
demarkierten syrisch-libanesischen Grenzgebiet. 1967 hatte Israel die syrischen Golan-Höhen und den Hermon,<br />
einschließlich der Shebaa-Farmen besetzt. Während der <strong>Libanon</strong> nun argumentierte, dass die Farmen libanesisches<br />
Territorium seien und von Israel im Sinne eines vollständigen Rückzuges geräumt werden müssten, und<br />
Syrien dies bestätigte, erklärte Israel, die Shebaa-Farmen seien Teil des syrischen Golans und könnten allenfalls<br />
im Rahmen eines israelisch-syrischen Friedensvertrages geräumt werden.