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14 SONNABEND/SONNTAG,28./29.DEZEMBER2013 apple TAZ.AMWOCHENENDE LEIBESÜBUNGEN | taz<br />
bei diesem Pädozeugs, da waren wir<br />
schonaufdemWegzumChef,aberzum<br />
Glück waren voruns schon andere da,<br />
damussmanauchmaleinLobaussprechen,<br />
aber das wäre beinahe schiefgegangen,<br />
das warknapp. Und wenn ihr<br />
euch jetzt wieder irgendwelche schönen<br />
Sachen ausdenkt für die Zukunft,<br />
dann haben wir gar nichts dagegen,<br />
aber dann solltet ihr auch maldaran<br />
denken, wasdaalles passieren kann.<br />
Was, wenn maleiner nicht aufpasst?“<br />
Also sprach der Sprachexperte und<br />
lässtunsratlosaufdemRasenmitRilke.<br />
Nichtmal verraten, wasdas Wort oder<br />
das Unwort des kommenden Jahres<br />
werdenwürde,willer.DieserRilkewird<br />
uns suspekt, und wir werfen ihn über<br />
den Zaun. Wirdenken über Standards,<br />
Formateund Redaktionssysteme nach<br />
undwiediewohlimnächstenJahraussehen<br />
werden.<br />
10<br />
Dabei nicken wir ein.<br />
Und als wir wieder aufwachen, kommt<br />
dieZentralevorbeiundverkündet,dass<br />
ab jetzt alles, aber auch wirklich alles<br />
überihrenSchreibtischzulaufenhabe.<br />
DasfindenwireineprimaIdeeundwollenuns<br />
schon aufmachen, das hohe<br />
RossderDachterrassezuverlassen,um<br />
über den Schreibtisch der Zentralezu<br />
laufen.DochdakommtnocheinExperte<br />
aufs Dach gerannt, der Experte für<br />
Aufregung. Ohne Luft zu holen, sprudeltesaus<br />
ihm heraus: „Empörteuch!<br />
Sängerin Miley Cyrus kommtmit einemschwarzenMannaneinerHundeleineaufdieBühneundhältihreArschbackenanThiloSarrazinsGesicht.Aufschrei!Boykott!Skandal!AliceSchwarzerfordertdieradikaleAbschaffungder<br />
Der Hundling<br />
VON ANDREAS RÜTTENAUER<br />
Was das wieder kos-<br />
tet“,sagtderMüller-<br />
Albert zu seiner<br />
Frau und drehtsich<br />
einmal vordem Spiegel. „Aber<br />
sie schaut doch gut aus“, sagt<br />
Gudrun, seineFrau. „Außerdem<br />
brauchstdueine.“JedesJahrzwischendenJahrengehensiezum<br />
Hirmer in die Innenstadt und<br />
kaufen ein Sakkound eine Hose<br />
fürdasneueJahr.„Diesollenruhig<br />
sehen, dass dir waswertist,<br />
wasduanhast.Daszahltsicham<br />
Ende schon aus.“ Auch wenn er<br />
sich durchaus vorstellen kann,<br />
dass seine Frau recht haben<br />
könnte,gernegehternichtindas<br />
Modehaus. „Schau,der Hoeneß<br />
machtdasauchnichtanders“,hat<br />
seine Frau vorein paar Wochen<br />
gesagt, als sie in der Abendzeitung<br />
über die Wiedereröffnung<br />
vomHirmer in der Kaufingerstraße<br />
gelesen hat. „Schau, da<br />
steht’s“,hat sie zu ihrem Mann<br />
gesagtundihmdasBildgezeigt,<br />
unter dem stand, dass sich der<br />
Hoeneß seine Hosen schon immer<br />
vonseiner Frau beim Hirmer<br />
hat aussuchen lassen.<br />
Glücklich hatHoeneß aufdem<br />
Foto ausgesehen. „Wäre ja noch<br />
schöner“,hat sich der Müller-Albert<br />
seinerzeit gedacht, „wenn<br />
die ihn wegen der paar Steuermillionenfertigmachenwürden,<br />
denHoeneß,denHundling.“<br />
*<br />
„In den Iden des März“,sagtder<br />
Meier-Wolfgang,„dawirdsichalles<br />
entscheiden.“ Er hat schon<br />
immer gerne den Lateiner herausgekehrt.<br />
Der Giesinger Bub<br />
hat esnicht leicht gehabt auf<br />
dem humanistischen Gymnasium<br />
damals nach dem Krieg. Wo<br />
ergewohnthat,habendieKinder<br />
nach der Schuleauf der Straße<br />
gespielt.WoseineMitschülergewohnthaben,<br />
sind nachmittags<br />
die Privatlehrer gekommen.<br />
Heute wohnt der Meier-Wolfgang<br />
selbstinBogenhausen, als<br />
angesehener Notar –nichtweit<br />
entferntvon dem Prominentenanwalt,mitdemersichsogerne<br />
über RichardWagner unterhält.<br />
ErgiltalseingefleischterWagnerianer,der<br />
jedes Jahr nach Bayreuthfährt.Undauchwenneres<br />
zu einem beachtlichen Wohlstandgebrachthat,weißer,dass<br />
er für die wahren Herren Münchens<br />
immer ein Parvenübleibenwird.„Erwieder“,sagtderTabak-Heinz,<br />
dessen Familie sich<br />
mitdemVertriebedlerRaucherwaren<br />
schon vorgut 150 Jahren<br />
in den Patrizierstand hochgehandelt<br />
hatte, „der Lateiner.“<br />
Zwischen den Jahren waresimmer<br />
besonders lustig an ihrem<br />
Stammtisch. Der Tabak-Heinz<br />
hatte gefragt, wann eigentlich<br />
der Prozess gegen den Hoeneß<br />
imnächstenJahrsteigt.„Undwas<br />
willstdudamitsagen? Dass sie<br />
ihnerdolchenwollen?“DerMeier-Wolfgangschautganzernstin<br />
die Runde: „Zuzutrauen wäre es<br />
ihnen,sowiesieihnbisjetztbehandelthaben.“<br />
„Auf den Uli!“,<br />
sagt der Kapuzen-Anderl, der<br />
ehemalige Mönch, der jetzt als<br />
Unternehmensberater so sehr<br />
gefragtist,dass er schon nicht<br />
mehrwegzudenkenistausihrer<br />
MORALImMärz<br />
musssichUli<br />
HoeneßvorGericht<br />
verantworten.<br />
Nichtnurder<br />
PräsidentdesFC<br />
Bayernsiehtindem<br />
Steuerprozesseine<br />
Riesensauerei.Eine<br />
Neujahrsgeschichte<br />
ausderMünchener<br />
Innenstadt<br />
Herrenrunde. „Der Hoeneß, der<br />
Hundling!“,denktsichderTabak-<br />
Heinz, während er sich sein hellesLieblingsbier<br />
in den Magen<br />
laufenlässt.<br />
*<br />
„WobleibteigentlichderUliheute?“,fragtderneueWirtdieNeubichler-Marianne.„Weißtesdoch<br />
sowieso“, sagtdie.„Derwarnicht<br />
mehrsooftda,seitdieSacheaufgekommenist.“Nichteinmalzu<br />
dem schönsten Termin der<br />
Stammtischsaison isteralso gekommen.<br />
Die Neubichler-Marianne,dieschonindemHausbedienthat,alsderVorgängervom<br />
neuen Wirt sich in die Pleite gezockthat,weilersportwagenmäßig<br />
unbedingt mit seinen<br />
Stammgästen mithalten wollte,<br />
vermisstden Uli schon ein bisschen.<br />
Keiner gibt so viel Trinkgeld<br />
wie der Bayern-Präsident.<br />
Außerdem warernichtganz so<br />
fies wie die anderen. Wenn das<br />
Bier und die edlen Obstler vom<br />
BodenseeihreWirkunggetanhaben,dannlandetnichtseltendie<br />
HandeinesderfeinenHerrenan<br />
ihrerBrust.UndweilderRausch<br />
eines Patriziers auch nichtanders<br />
daherkommtals der eines<br />
Plebejers, weiß die Neubichler-<br />
Marianne so manches, wassie<br />
liebernichtwissenmöchte.Dass<br />
der nobleHerr Notar sich auch<br />
schon selbstangezeigt hatzum<br />
Beispiel, um wenigstens einen<br />
TeildesGeldes,dasereinstnach<br />
Luxemburg gebrachthat,zuret-<br />
In den Iden des März wird über ihn entschieden: Uli Hoeneß ist schon gespannt Foto: dpa<br />
ten, würde sicher andere Menschen<br />
mehr interessieren als sie<br />
selbst.ImmerhingibtderMeier-<br />
Wolfgang fast so viel Trinkgeld<br />
wie der Uli, seit eranjenem<br />
Abend seine Hand unter das<br />
Dirndl seiner Lieblingsbedienung<br />
geschoben hat. Dem Uli<br />
wäresoetwasnierausgerutscht,<br />
da istsie sicher.Esmusste zwar<br />
jeder immer wissen, wem er<br />
wann welche Summe gespendet<br />
hat. Und wenn er sich mitdem<br />
Ministerpräsidenten oder der<br />
Kanzlerin getroffen hat, dann<br />
wussten das auch immer alle.<br />
AberüberGeldhaterniegesprochen.<br />
Und dass er an der Börse<br />
spekulierthat,hat auch keiner<br />
mitbekommen.DieNeubichler-<br />
MariannehatschonRespektvor<br />
ihm.„DerUli,derHundling!“<br />
*<br />
„Und,kommtnochwer?“,willder<br />
Geschäftsführer des Gourmettempels<br />
hinter der FußgängerzonevonseinemChefwissen.<br />
Der Hoeneß-Uli sitzt alleine in<br />
seinem Lieblingsseparee. Das<br />
warschon öfter so,seitbekannt<br />
geworden ist, dass er in der<br />
SchweizeinKontohatte,dasihm<br />
der frühere Adidas-Boss aufgefüllthatte,<br />
damiterGeld zum<br />
Spekulierenhat.Schonklar,dass<br />
einer wie der Ministerpräsident<br />
essichindiesenTagennichtleisten<br />
kann, miteinem gesehen zu<br />
werden, der vonden Medien als<br />
Steuersündervorgeführtworden<br />
ist. Er hatden Hoeneß und den<br />
Parteichef oft bedientinjenen<br />
Tagen, als die beiden noch so etwaswieeinGespannwaren.Nach<br />
dem Triple des FC Bayern München<br />
hatder Ministerpräsident<br />
die kickenden Helden empfangen,<br />
sich selbstein Bayern-LeibchenübergestreiftunddenHoeneß-Uli<br />
endlich einmal wieder<br />
herzendürfen.AberzumZwiegesprächimSepareewarerniewiedermitdemUliverabredet.Sein<br />
Chef, der einmal beinahe alles,<br />
wasersicherarbeitethatte,verlorenhätte,nurweiletwasmitseinen<br />
Steuererklärungen nichtin<br />
Ordnungwar,isteinmahnendes<br />
Beispiel. Auch der ausFunk und<br />
Fernsehen bekannte Sternekoch<br />
hatte wichtige Freunde, die er in<br />
seinen Häusern gern, und ohne<br />
etwasdafürzu verlangen,bewirtenhatlassen.Unddochhatman<br />
ihn wegen Steuerhinterziehung<br />
zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.<br />
„Da fragst du dich schon,<br />
warumdudichfürsoSachenwie<br />
das Bundeskanzlerfestaufarbeitest,<br />
denen das beste Essen servierst,<br />
wenn dir in der Notdann<br />
dochkeinerhelfenwill“, hatsein<br />
Chef gesagt, als klar war, dass es<br />
einenProzessgegendenHoeneß<br />
gebenwird.ErhatauseigenerErfahrung<br />
gesprochen. Aus der<br />
weiß er auch, dass es am Ende<br />
scheißegal ist, ob du Geld an der<br />
Steuervorbeimanövrierthast.So<br />
viel Fernsehpräsenz wie in den<br />
Tagen vor dem Jahreswechsel<br />
hatteseinCheflangenichtmehr.<br />
Er verkauft sich gutals bayerischer<br />
Schlawiner,und niemand<br />
hatihnjeaufseineSündenangesprochen.<br />
„Der Uli trifft sich mit<br />
seinem neuen Anwalt“, sagt der<br />
Chef.Dashatteergelesen.Dieser<br />
Mann hatnoch jeden Promi vor<br />
demKnastgerettet,sogardiesen<br />
früheren Postchef. „Der Uli<br />
schafftdasschon“, denktsichder<br />
Geschäftsführer. „Der Uli, der<br />
Hundling!“<br />
*<br />
Die neue Hose wardann doch<br />
nichtsoteuer,wie er befürchtet<br />
hatte. Zwischen den Jahren gibt<br />
esauchineinemTraditionshaus<br />
wiedemHirmerRabatt.Jetztwill<br />
er noch ein Helles in der neuen<br />
Bar des Modehauses trinken.<br />
3,10Eurokostet ein kleines Glas<br />
im edlen Ambiente. So wirdes<br />
wahrscheinlich bald in dem<br />
TeamquartierdesDFBausschauen,<br />
dass die Hirmers gerade in<br />
Brasilienbauenlassen.Waswohl<br />
der Hoeneß hier essen würde,<br />
fragtsich der Müller-Albert. Das<br />
wäredemdochvielzu vornehm<br />
hier,ist er sich sicher.„Lass uns<br />
doch noch ein Packerl Würschtl<br />
beimAldikaufen“, schlägterseiner<br />
Gudrun vor. 2,19Eurokostet<br />
einePackung.„Dasistderwahre<br />
Uli“, denktsichderMüller-Albert<br />
und erinnertsich daran, wie er<br />
aufder Mitgliederversammlung<br />
des FC Bayern mitseinem Präsidenten<br />
zusammen geweinthat:<br />
„Einfach einer von uns, der<br />
Hundling.“