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28 SONNABEND/SONNTAG,28./29.DEZEMBER2013 apple www.taz.de | sonntaz@taz.de GELD | sonntaz<br />
WÄHRUNGDerEuroistumstritten.WiedieAlternativenaussehenkönnten,zeigteinSchweizerDesignbüro<br />
NeueScheinebrauchtdasLand<br />
VON HEINRICH DUBEL<br />
Ein jeder kratzt und scharrt<br />
und sammelt, und unsre<br />
Kassen bleiben leer.“ Goethekanntesichaus.Neben<br />
demSchreiben,seinennaturwissenschaftlichenArbeitenundetlichen<br />
anderen Tätigkeiten war<br />
erimLaufeseinerKarriereauch<br />
Finanzminister im damaligen<br />
Weimarer Pleitestaat, dem er eine<br />
strikte Sparpolitik verordnete.DabeiwarGoethe,geborenin<br />
der späteren Bankenmetropole<br />
und europäischen Geldhauptstadt<br />
Frankfurt amMain, ein<br />
schwerreicher Mann. Sein Vermögen<br />
lagbei umgerechnet siebenbis17MillionenEuro,wiedie<br />
Literaturwissenschaftlerin SigridLöfflerineinemVortragüber<br />
„Goethe und das Geld“spekulierte.<br />
Das warkein Papiergeld, sondernechtesBares,140.000Taler,<br />
Gold-undSilbermünzen,kistenweise.<br />
Geld warfür Goethe göttlich<br />
und teuflisch zugleich. Das<br />
zeigt sich auch in seinem wohl<br />
bekanntesten Werk. Im „Faust“<br />
erfindet Mephisto das Papiergeld.<br />
Als Vorbild diente Goethe<br />
der schottische Bankier und Finanzjongleur<br />
John Law, der 1720<br />
den französischen Staatmit ungedecktemPapiergeldineineFinanzkrise<br />
stürzte. Trotz der<br />
schlechten Erfahrungen versuchtemanesinFrankreichweiter<br />
mit bedruckten Scheinen<br />
stattgoldenenMünzen:DieAssignaten,dasPapiergeld,daswährendderFranzösischenRevolution<br />
benutzt wurde, waren letztlichkaumetwaswert.Obwohlsie<br />
eigentlich durch den Grundbesitz<br />
des entmachteten Adels gedeckt<br />
sein sollten. Das führte zu<br />
neuen Problemen. Am Ende des<br />
18. Jahrhunderts warFrankreich<br />
insolvent.<br />
EinereligiöseDimension<br />
Wer Geld herstellen kann,<br />
braucht nicht zukratzen, zu<br />
scharren und zu sammeln. Der<br />
moderne Alchimistmachtnicht<br />
mehr Blei zu Gold, sondern Papier<br />
zu Geld. Und mitdiesem<br />
Geldmachen kann man auch<br />
nochGeldverdienen.DasistMagie.<br />
Zumindestaber sei PapiergeldeineIllusion,diemagisches<br />
Denken voraussetze, sagt Sigrid<br />
Löffler.Eine Banknote sei letztlich<br />
eine Creatioexnihilo, eine<br />
Schöpfung ausnichts, weil das<br />
Papiergeld seinen Wert auseinem<br />
offenen Zahlungsversprechen<br />
beziehe. Während Goldmünzen<br />
dem Materialwert entsprachen,<br />
istein Geldschein im<br />
Zweifel nichtmal mehr das Papierwert,aufdasergedrucktist.<br />
Dakommtzweifelloseinereligiöse<br />
Dimension zumVorschein:<br />
Wenn wir nichtdaran glauben,<br />
dass unser Geld einen Wert darstellt,<br />
dann haben wir ein Problem.<br />
An Geld muss manglauben,<br />
wie mananGott glauben muss,<br />
damiterexistentist.Esgibtjene<br />
PolitikerundWirtschaftswissenschaftler,<br />
die auf die Stabilität<br />
desEurounddenalternativlosen<br />
Fortbestand der Eurozone setzen.<br />
Deren Reden gleichen Beschwörungen.<br />
Für ein Ende der<br />
Währungsunion werden –wie<br />
bei einer Naturkatastrophe –<br />
„verheerende Folgen“vorhergesagt,<br />
neben den erwartbaren<br />
auch noch zahlreiche nichtzu<br />
kalkulierende. „Das Risikoeines<br />
solchen Experiments ist gar<br />
nicht abzuschätzen“, sagt etwa<br />
Jens Boysen-HogrefevomKieler<br />
Institutfür Weltwirtschaft. Auf<br />
Nach dem Euro-<br />
Albtraum besinnt<br />
sich Griechenland<br />
auf eine<br />
seiner Stärken:<br />
die Schifffahrt<br />
In Belgien wird<br />
es kulinarisch.<br />
Besonders gut:<br />
Miesmuscheln<br />
(10) mit Pommes<br />
frites (20)<br />
Frankreich steht<br />
für Stil, auch<br />
beim Geld: Models<br />
mit großen<br />
Schritten und<br />
kleinem Appetit<br />
Deutschland,<br />
deine Hunde –<br />
melancholische<br />
Köter in Herrchens<br />
Portemonnaie<br />
Die Fantasiewährung<br />
der Italiener<br />
huldigt den großen<br />
Designern:<br />
Sottsass, Colombo,<br />
Castiglioni<br />
derGegenseitestehendieSkeptiker,diedenGlaubenandasGute<br />
im Euroverloren haben, die aus<br />
dem Währungsverbund raus<br />
und die „gute alte D-Mark“ wiederhaben<br />
wollen. Und sie werdenimmermehr.<br />
In diesemGlaubensstreitverwischendiepolitischenFronten.<br />
BefürworterundGegnerdesEuros,<br />
der Eurozone und der Währungsunionfindensichinsämtlichen<br />
Lagern von rechts bis<br />
links. Man magsich das Chaos,<br />
das entstehen wird, wenn die<br />
Währungsunion aufgelöstwird,<br />
garnichtvorstellen. Kann so etwasüberhauptklappen?Esistja<br />
nichtso,alswollemaneinenverhedderten<br />
Fadenknäuel entwirren,sonderneher,alswolleman,<br />
nachdem manein Glas Tinte in<br />
einen Eimer mitWasser gekippt<br />
hat,diebeidenFlüssigkeitenwiedertrennen.Wosollmandabloß<br />
anfangen?<br />
In dem Augenblick, da verkündetwird,manwolledenEuro<br />
abschaffen, verliert dieser augenblicklichanWert.Wastrittan<br />
seine Stelle? Neue Gelder müssten<br />
direkt verfügbar sein. Das<br />
heißtauch,dassneueGeldnoten<br />
bereits entworfen und produziertwordenseinmüssen,bevor<br />
überhaupt die Abschaffung der<br />
gemeinsamen Währung kommuniziertwird.<br />
SchweizerGeldistKunst<br />
Ein Vorschlag, wie die neuen<br />
Scheine aussehen könnten,<br />
kommt aus der Schweiz. Aus<br />
eben jenem Land, das schon immer<br />
ein besonderes Verhältnis<br />
zumeigenen Geld wie zu dem<br />
anderer Länder hatte. Schweizer<br />
Banknoten –zumindestdie der<br />
aktuellenSerie–gehenalsKunstwerkedurch.<br />
Nichtverwunderlichalso,dassnuneinSchweizer<br />
Designbüroein „Lösungsmodell<br />
für den Ernstfall“der AbschaffungdesEurosvorgelegthat.Die<br />
AgenturWeicher Umbruch hat<br />
dasBuch„NeuesGeld“herausgebracht,<br />
das die neuen Währungender(fiktivehemaligen)17Euroländer<br />
als heraustrennbare<br />
Banknoten enthält: die Neue<br />
Maltesische Liraebenso wie die<br />
Neue Griechische Drachme, der<br />
NeueFranzösischeundderNeue<br />
BelgischeFranc.Einebensocharmantes<br />
wie ironisches Buch.<br />
Aber vielleicht hätten die<br />
Schweizernochwartensollen.<br />
Denn die Europäische Währungsunion<br />
wächst immer<br />
weiter.Am1.Januar 2014 wird<br />
Lettland(nachBelgien,Deutschland,<br />
Estland, Finnland, Frankreich,<br />
Griechenland, Irland,<br />
Italien, Luxemburg, Malta, den<br />
Niederlanden,Österreich,Portugal,<br />
der Slowakei, Slowenien,<br />
SpanienundZypern)als18.Land<br />
der Eurozone beitreten. Weitere<br />
drei Länder, die nicht der<br />
EuropäischenUnionangehören,<br />
sind mit eigenen Euromünzen<br />
und -banknoten der Eurozone<br />
assoziiert: Monaco,San Marino,<br />
der Vatikanstaat. Dazu kommt<br />
Andorra,das–obwohleszurEurozonegehörtundderEurooffi-<br />
zielles Zahlungsmittel ist–kein<br />
eigenes Geld ausgibt. In Kosovo<br />
und Montenegro ist der Euro<br />
zwar nicht die offizielle Währung,<br />
de factowirderaber als<br />
Hauptzahlungsmittelgenutzt.<br />
Waffeln,Fritten,Schoko<br />
TrotzbreitaufgestellterEurogegnerschaft<br />
schreitet das Projekt<br />
einer gemeinsamen Währungszonealsoweitervoran.DerGlaube<br />
an den Nutzen einer solchen<br />
gemeinsamenWährungiststark.<br />
Und–abgesehenvomsogenanntenwirtschaftlichenNutzen–ist<br />
das gemeinsame europäische<br />
Geld nurein weiterer Ausdruck<br />
derVereinheitlichung,derinanderen<br />
Bereichen längst vollzogenist:ÜberallinEuropafahren<br />
die Menschen dieselben Autos,<br />
tragen dieselben Klamotten, die<br />
ihnen von derselben Werbung<br />
angepriesen werden. Sie benutzen<br />
dieselben Telefone, um sich<br />
dieselben Kurznachrichten zu<br />
schicken, trinken dabei denselben<br />
Latte Macchiato,essen dieselben<br />
Fastfoodmenüs. Warum<br />
sollen sie dafür nichtmit demselbenGeldbezahlen?<br />
Das Buch „Neues Geld“versuchtsich<br />
an einer Antwort: Nationale<br />
Identitäten sind spannend,mituntersogarlustig.Zentral<br />
istdie Identitätsfrage: Wer<br />
sind wir? Wersind die anderen?<br />
WasbetrachtenItaliener,Spanier<br />
oder Slowaken als identitätsstiftend?DieSchweizerDesignerhaben<br />
diese Fragen stellvertretend<br />
zu beantworten versucht. Herausgekommen<br />
istein Spiel mit<br />
Klischees.Das„NeueGeld“zeigt<br />
Eigenheiten, Traditionen und<br />
Wahrzeichen der einzelnen Länder.Nichtallesistganzernstgemeint.<br />
Aufden belgischen Geldscheinen<br />
sind Waffeln, Fritten<br />
und Schokolade abgebildet. Die<br />
Neue D-Mark zeigt Kühlergrills<br />
deutscher Autobauer. Auf den<br />
Rückseiten der Neuen Deutschen<br />
Mark sind die in Deutschland<br />
beliebtesten Hunderassen<br />
zusehen.<br />
Das Design zeigt die jeweiligen<br />
Nationalfarben. Das Layout,<br />
obwohlnach Land verschieden,<br />
istsoangelegt,dassderEindruck<br />
einer europäischen Restzusammengehörigkeit<br />
erweckt wird.<br />
Versammeltsindkluge,teilweise<br />
aber auch ironische Texte zu<br />
dem, wasGeld (uns) bedeutet.<br />
BesondersschönsinddieErinnerungen<br />
der einzigen Autorinim<br />
Buch: Sie schreibt über ihre<br />
Sammlung ausländischen Geldes,diesiealsKindangelegthatteundwiesiealsTeenagerdiegeheimnisvollen<br />
Scheine und<br />
Münzen umtauschte, um „ZigarettenoderDrogen“zukaufen.<br />
DasBuch„NeuesGeld“istübrigenseinesolideKapitalanlage.<br />
Es kostet nur37Euro. Der Wert<br />
der enthaltenen Geldscheine<br />
entsprichtdagegen–Standheute–20.145Euro.<br />
■ Markus Läubli und Andrea<br />
Münch, „Neues Geld –die<br />
Währungen nach dem Euro“,<br />
Weicher Umbruch, 37 Euro<br />
Wenn wir nichtdaran<br />
glauben, dass unser Geld<br />
einen Wert hat, dann<br />
haben wir ein Problem