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BERLIN www.taz.de<br />

b@taz.de SONNABEND/SONNTAG,14./15.DEZEMBER2013 apple TAZ.AMWOCHENENDE 51<br />

b<br />

Feiern im<br />

Untergrund<br />

KULTURFastdasganzeJahrwardieU6<br />

unterbrochen,derU-BahnhofFranzösische<br />

StraßeEndstation.InsechsJahrenwirder<br />

ganzgeschlossen.EinStudentwilldort<br />

danneinVeranstaltungszentrumeröffnen<br />

–unddenBahnhofsofürdieÖffentlichkeit<br />

erhalten<br />

VON<br />

KLAAS-WILHELM BRANDENBURG<br />

DavidDrekersiehtnichtauswie<br />

der klassische Geschäftsmann.<br />

Der fast zwei Meter große,<br />

schlankeMannstehtimU-BahnhofFranzösischeStraße,erträgt<br />

eine übergroße Vintage-Jacke,<br />

eng anliegende Jeans und unter<br />

dem offenen Hemd ein T-Shirt<br />

mittiefem Ausschnitt. Seine lockigenHaare,mühsamzumSeitenscheitelgekämmt,fallenihm<br />

ins bärtige Gesicht, sobald eine<br />

U-Bahn einfährt. Der frische<br />

Fahrtwind, das kühleNeonlicht,<br />

die lauten Züge –esist kein besonderseinladenderOrt,andem<br />

Dreker steht. Aber er magihn,<br />

und wahrscheinlich isterdeshalbsofestvonseinerIdeeüberzeugt:Erwillhier,imU-Bahnhof<br />

Französische Straße, ein Veranstaltungszentrum<br />

eröffnen –<br />

wenndieStationinsechsJahren<br />

überflüssigwirdwegendesBaus<br />

des neuen Kreuzungsbahnhofs<br />

Unter den Linden nur wenige<br />

Meterentfernt.<br />

Künstler,Firmen,Initiativen–<br />

sieallesollendannindemknapp<br />

700QuadratmetergroßenBahnhofinMitteihreHeimatfinden.<br />

Gelingen soll das, indem Unternehmen<br />

oder größere Gruppen<br />

den U-Bahnhof für ihre Zwecke<br />

mietenkönnen:fürPressekonferenzen,<br />

Firmenessen oder Geburtstagsfeiern.<br />

Die Einnahmen<br />

will Dreker nutzen, um Künstler<br />

kostenlos ihre Werkeausstellen<br />

zulassenundanTagen,andenen<br />

sich niemand eingemietet hat,<br />

den U-Bahnhof für die Öffentlichkeitzuöffnen.„Ichwillnicht,<br />

dass hier einfach abgeschlossen<br />

wird,unddannkommtdakeiner<br />

mehr rein –essein denn, er ist<br />

prominent oder hat Geld“, so<br />

Dreker.„DerU-Bahnhofistheute<br />

einöffentlicherOrt,undersollte<br />

dasauchnach2019bleiben.“<br />

Das erinnertein bisschen an<br />

Robin Hood: den Reichen nehmen,<br />

den Armen geben. Aber es<br />

klingt nichtnach der Idee eines<br />

erfolgsorientierten Geschäftsmanns.Drekeristwederdaseine<br />

noch das andere: Der 23-Jährige<br />

studiertzwarimBachelorVolkswirtschaftslehre<br />

an der Freien<br />

UniversitätBerlin.Einewirkliche<br />

Leidenschaft konnte er dafür jedochnieentwickeln.Eristschon<br />

jetztimsiebtenBachelor-Semester,erstimSommerwirderwohl<br />

fertigwerden.<br />

Vielleichtkönnte mansagen,<br />

er istkein Theoretiker,sondern<br />

ein Praktiker.Denn ausgerechnetfürseinStudiumistdieIdee<br />

für das Veranstaltungszentrum<br />

entstanden.ImOktober2012fiel<br />

ihmeinFlyerindieHand,beworbenwurdeeinSeminarzurExistenzgründung<br />

an der FU. „Da<br />

dachteichmirzumerstenMalin<br />

meinem Studium: Das klingt<br />

spannend“, erzähltDreker.Also<br />

machteermit.<br />

Aufder Suche nach einer Geschäftsidee<br />

erinnerte er sich an<br />

die Zeit zurück, als er gerade<br />

frisch in seine WG gezogen war,<br />

ganz nahe am U-Bahnhof Platz<br />

derLuftbrücke,dendieU6ebenso<br />

anfährtwie die Französische<br />

Straße. „Als ich damals gelesen<br />

hab,dassdieU6füreinJahrunterbrochen<br />

wird, habich mich<br />

tierisch drüber aufgeregt“,erinnertersich.<br />

Zumauerngehtnicht<br />

Als er nach dem Grund der Unterbrechung<br />

suchte, las er,dass<br />

zwischen Friedrichstraße und<br />

Französischer Straße ein neuer<br />

Bahnhofentsteht:UnterdenLinden,<br />

an dem ab 2019 die dann<br />

verlängerte U5 und die U6 halten.WeildieserBahnhofabernur<br />

80 Meter vonder Französischen<br />

Straße entferntist,bedeutet die<br />

Öffnung des neuen Bahnhofs<br />

gleichzeitig das Ende des alten.<br />

Aber keineswegs das vollständige<br />

Ende: Der Bahnhof Französische<br />

Straße, in den 1920ern gebaut,ist<br />

denkmalgeschützt: Einfach<br />

zugemauertwerden darfer<br />

alsonicht.„DakammirdieIdee,<br />

daraus ein Veranstaltungszentrumzumachen“,<br />

sagtder23-Jährige.<br />

Neben Kunstausstellungen<br />

kannsichDrekerdortauchregelmäßige<br />

Partys vorstellen. „Aber<br />

ichwillnichtnochsoetwas Versnobtes.<br />

Davongibt es in Mitte<br />

schon genug“, schränkt er ein.<br />

Dort, wo heute der Kiosk ist,<br />

könnte dann die Bar durstiges<br />

Feiervolkmit Getränken versorgen.<br />

Und dort, wo heute Plakate<br />

hängen, könnten Künstler ihre<br />

Bilderaufhängen,dieauchwährend<br />

der Partys oder Firmenveranstaltungen<br />

zu sehen bleiben.<br />

Dreker will möglichstviel vom<br />

heutigenZustanderhalten:„Man<br />

soll erkennen, dass das malein<br />

U-Bahnhof war.“ Alte U-Bahn-<br />

Sitze würden als Bänkedienen,<br />

und auch die U6 würde weiter<br />

fahren –allerdings durch dicke<br />

Plexiglasscheiben getrenntvom<br />

Bahnsteig. „Das Schimmern der<br />

Lichter ausdem Zug, das wäre<br />

schoneineinmaligerEffekt“,findetDreker.<br />

All diese Ideen haterfür das<br />

Existenzgründungsseminar in<br />

einen27SeitenlangenBusinessplan<br />

gegossen –nachdem er ein<br />

Semester lang dafür Vorlesungen<br />

und Seminare von Unternehmens-Coaches<br />

und Anwälten<br />

besuchthatte. BrittPerlick<br />

vonProfund,derGründungsförderung<br />

der FU,leitete den Kurs.<br />

„Ich wusste garnicht, dass die<br />

FranzösischeStraßegeschlossen<br />

Endlich Spaß an der Uni: David Dreker, Student mit Visionen Foto: Lia Darjes<br />

wird“,erzähltdie34-Jährige.Umso<br />

mehr habe sie die Kreativität<br />

Drekers überzeugt: „Das KonzepthataufjedenFallPotenzial.“<br />

Auch andere scheinen das zu<br />

denken: Beim Businessplan-<br />

WettbewerbBerlin-Brandenburg<br />

schaffte es Drekers Entwurfauf<br />

Platz 7von mehr als 150 Studierenden,<br />

an der FU landete er sogarindenTop3.<br />

Die Idee scheintalso vielversprechend.AberDavidDrekerist<br />

nichtderEinzige,dersichschon<br />

jetzt Gedanken um die künftige<br />

NutzungdesU-Bahnhofsmacht.<br />

„Wir haben bereits mehrere Anfragen“,<br />

sagtBVG-SprecherKlaus<br />

Wazlak.DieBVGhatoffiziellvom<br />

Senatden Auftrag,ein Nachnutzungskonzept<br />

zu entwickeln,<br />

hält sich bislang aber bedeckt.<br />

„Nochsindwirineinemsehrfrühen<br />

Anfangsstadium“, begründet<br />

das Wazlak. „Darum können<br />

wirnochnichtsagen,wasspäter<br />

aus dem Bahnhof wird.“ Man<br />

nehme aber alleVorschläge offenauf.<br />

Ein kritischer Punkt in Drekers<br />

Idee ist die Finanzierung.<br />

Denn für den Umbau des U-<br />

Bahnhofs werden nach seiner<br />

Rechnung mehr als 5Millionen<br />

Eurobenötigt–Geld,daserselbst<br />

nichthat.Das Land müsste über<br />

die BVGden Großteil finanzie-<br />

Einkritischer<br />

PunktinDrekers<br />

Ideeistdie<br />

Finanzierung.<br />

Dennfürden<br />

Umbaudes<br />

U-Bahnhofswerdennachseiner<br />

Rechnungmehr<br />

als5Millionen<br />

Eurobenötigt<br />

ren,wäredannaberauchMitge-<br />

sellschafterin des Veranstaltungszentrums.Aberwennalles<br />

soläuft,wiesichDrekerdasvorstellt,solldasVeranstaltungszentrum<br />

bereits nach zweieinhalb<br />

Jahren schwarze Zahlen schreiben.<br />

Ein Anreiz, der die chronisch<br />

in den Miesen steckende<br />

BVGvielleichtüberzeugenkönnte–oderandereInvestoren.„Mit<br />

dem richtigen Partner kann er<br />

das mit Sicherheit umsetzen“,<br />

glaubtauchBrittPerlick,dieLeiterin<br />

vonDrekers Businessplan-<br />

Seminar.<br />

WürdensichdieBVGoderandereInteressiertetatsächlichfür<br />

David Drekers Idee entscheiden,<br />

wäredasfürihndieErfüllungeines<br />

ganz besonderen Traums:<br />

Denn mitdem Bahnhof verbindet<br />

ihn mehr als nurein Business-Plan.„Esgabvorkurzemeine<br />

Zeit, da bin ich immer zur<br />

Französischen Straße gefahren,<br />

wenn es mir schlechtging“,erzählter.„Wennmandortausdem<br />

U-Bahnhof kommt, fühlt man<br />

sichsostädtisch.Esherrschtimmer<br />

Trubel, man ist umgeben<br />

vonschönen Häusern. Das habe<br />

ihnwiederaufgemuntert.<br />

VielleichtkannerinsechsJahren<br />

diese Schönheit jeden Tag<br />

genießen.DannaufdemWegzu<br />

seinerArbeit.<br />

.......................................................................<br />

.....................................................<br />

Die Baustelle<br />

■ Mehr als ein Jahr lang glich die<br />

Friedrichstraße morgens einem<br />

Pilgerweg. Wegen einer U-Bahn-<br />

Baustelle mussten Tausende Berufspendler<br />

laufen –rund 500 Meter<br />

weit. Zwischen den Stationen<br />

Friedrichstraße und Französische<br />

Straße warder Zugverkehr eingestellt.Seit17.Novemberfahrendie<br />

Züge der U-Bahn-Linie 6nach 16<br />

Monaten Bauzeit wieder ohne Unterbrechung<br />

durch.<br />

■ Grund fürdie Unterbrechung<br />

warenBauarbeiten fürden künftigen<br />

Umsteigebahnhof Unter den<br />

Linden.HiersollsichdieLinie6mit<br />

der U-Bahn-Linie 5kreuzen, die<br />

gegenwärtig vomAlexanderplatz<br />

zumBrandenburger Torverlängertwird.<br />

Täglich werden bis zu<br />

155.000 Fahrgäste erwartet. Die<br />

U5 dockt dann an die sogenannte<br />

Kanzlerlinie an, die bis zumHauptbahnhof<br />

führt. 2019 soll alles fertig<br />

sein. Bisher seien die Arbeiten<br />

im Zeitplan, sagte ein BVG-Sprecher.<br />

■ Die Baustelle hatte aber nicht<br />

nur Nachteile: Einzelhändler in<br />

der Friedrichstraße hätten gefragt,obdie<br />

Baustelle nichtüber<br />

dieWeihnachtszeitnochbestehen<br />

bleiben könne,sodie BVG.<br />

Schließlich führte die Baustelle<br />

täglich viele potenzielle Kunden<br />

an den Läden vorbei. Einzelne Geschäfte<br />

hätten ihreÖffnungszeiten<br />

in den Morgenstunden deswegen<br />

sogar ausgeweitet.<br />

■ Den neuen Tunnel und den künftigen<br />

U-Bahnhof Unter den Linden<br />

werden die Fahrgäste durch das<br />

U-Bahn-Fenster im Übrigen kaum<br />

zu sehen bekommen. Zwar gebe<br />

es schon Bahnsteige im Rohbau,<br />

die seien allerdings nur dann erkennbar,wenn<br />

das Tunnellicht<br />

brenne.„Man fährtnichtdurch<br />

einen Geisterbahnhof“, sagte der<br />

Sprecher. (dpa)

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