29.10.2012 Aufrufe

Modellprojekt Gesundheitskarte - Barmherzige Brüder Trier e. V.

Modellprojekt Gesundheitskarte - Barmherzige Brüder Trier e. V.

Modellprojekt Gesundheitskarte - Barmherzige Brüder Trier e. V.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

„Ich habe gelernt, dass die in meiner Arbeitswelt selbst gemachten Probleme nicht die<br />

wichtigsten sind“, lautet das Fazit von Carlo Chiara.<br />

versity & Inclusiveness). „Da mach ich mit!“<br />

war mein spontaner Entschluss. Eine andere<br />

Welt, andere Wertvorstellungen, andere Menschen<br />

kennen lernen ausserhalb dieser bestens<br />

bekannten Shell-Welt.<br />

Nachträglich zweifelte ich wieder an meiner<br />

Entscheidung: Kann ich das denn? Schaff<br />

ich das? Was soll ich denn dort tun?<br />

Kurz davor<br />

Es kam der Punkt, wo es kein Zurück mehr<br />

gab. Es galt, von den möglichen Institutionen<br />

eine auszuwählen und mich anzumelden. Ich<br />

entschied mich für den Steinhof, ein Pflegheim<br />

der <strong>Barmherzige</strong>n <strong>Brüder</strong> von Maria-<br />

Hilf, und nach einigen Abwägungen war der<br />

Termin fixiert: 29.11. bis 3.12.2004.<br />

Je näher die Woche kam, umso mehr beschäftigte<br />

mich das Thema wieder. In einer<br />

unruhigen Nacht vor dem ersten Steinhof-Tag<br />

träumte ich wieder einmal: Ich war aufgeregt.<br />

Wochenstart<br />

Am Morgen begebe ich mich frühzeitig auf den<br />

Weg. Den Steinhof finde ich bald. Ich bin beeindruckt<br />

von der prächtigen Anlage, dem Schloss<br />

und der Umgebung. Überall strömt Licht aus<br />

den Häusern in den frühen Morgen. Ich finde<br />

den Eingang, am hölzernen „Sitzenden“ vorbei,<br />

und schon werde ich freundlichst begrüßt.<br />

„Sie müssen Herr Chiara sein!“ Herr Otte hat<br />

mir wohl angesehen, dass ich der Seitenwechsler<br />

bin. Nach aufmunternden Worten kommt<br />

10 2/06<br />

auch schon meine Betreuungsperson für diese<br />

Woche, Frau Pascale Ruckstuhl, hinzu. Von der<br />

Leiterin Hauswirtschaft werde ich eingewiesen<br />

und erhalte mein „Kutteli“. Nachdem ich mich<br />

umgezogen habe, bin ich auch schon mittendrin.<br />

Ich erfahre in diesen ersten Minuten<br />

eine warme, herzliche und offene Atmosphäre.<br />

Pascale führt mich durch die verschiedenen<br />

Häuser, und dabei begegne ich den ersten Bewohnern<br />

des Steinhofs. Ich höre ihre Namen<br />

und die dazugehörigen Geschichten. Sie hinterlassen<br />

die ersten Eindrücke: lebendige, fröhliche,<br />

verwirrte, lustige, nachdenkliche, in sich<br />

gekehrte und Kontakt suchende Menschen.<br />

Eine Äusserung von Richard, einem<br />

der Bewohner, bleibt bei mir hängen:<br />

„A Wiehnachte gang i hei.“ Ja, schön,<br />

aber es ist ja noch nicht Weihnacht, denke ich<br />

leicht irritiert. Ich erfahre, dass Richard diese<br />

Aussage immer wieder macht, fast während<br />

des ganzen Jahres. Ich will nicht analysieren,<br />

weshalb Richard immer wieder diese Aussage<br />

macht; für mich hat sie einen eigenen Wert<br />

erhalten. Sie holt mich heute oft aus meinen<br />

Gedanken zurück. Diese Aussage kommt einfach<br />

so, passt nicht in einen Zusammenhang,<br />

ist nicht gefragt, steht einfach im Raum, beinhaltet<br />

eine Sehnsucht, widerspiegelt ein<br />

Ritual, eine Tradition, bricht den gewohnten<br />

Rhythmus ... Später habe ich mir diese Aussage<br />

schon einmal heimlich während einer<br />

Arbeitssitzung durch den Kopf gehen lassen.<br />

Sie wirkt, reisst mich aus einem schwierigen<br />

Problem heraus und hinterlässt ein verstecktes<br />

Schmunzeln. Ist doch toll!<br />

Der erste Tag hat noch viel Neues zu bieten.<br />

Pascale und ich gehen nach Nottwil, um<br />

eine mögliche neue Bewohnerin zu besuchen<br />

und um gegenseitig herauszufinden ob man<br />

zueinander passt – sei es aus persönlichen<br />

oder aus gesundheitlichen Gründen. Abends<br />

gehe ich zufrieden und mit vielfältigen Eindrücken<br />

nach Hause. Ich träume wieder.<br />

Dienstag<br />

Heute ist Kennenlernen der Aktivierungstherapie<br />

angesagt. Ich helfe Sabine, die Singstunde<br />

in der offenen Gruppe vorzubereiten. Sabine<br />

hat eine wunderschöne Stimme und begleitet<br />

die Lieder auf der Gitarre. Ich unterstütze sie,<br />

so gut ich kann. Wir machen uns auf zum Chor<br />

der Bewohner. Alte und Junge, eben alle, die gerne<br />

singen und nicht beim heutigen Grittibänzenbacken<br />

sind, werden eingeladen oder dazu<br />

geholt. Das Singen verbindet die Gruppe. Die<br />

Musik lockt weitere Bewohner an. Einige sind<br />

einfach mit den Augen und den Ohren dabei,<br />

andere mit freudiger Stimme. Erinnerungen an<br />

meine Jungwachtzeit werden wach.<br />

Anschliessend halten Sabine und ich<br />

Rückschau auf die Stunde: Wie waren unsere<br />

Eindrücke und Empfindungen. Was war gut?<br />

Was könnte noch besser ablaufen? Da habe<br />

ich bereits wieder etwas für meinen zukünftigen<br />

Alltag gelernt.<br />

Nachmittags lerne ich von Edith, was eigentlich<br />

Aktivierung ist und was sie bezwecken<br />

soll. Ich erhalte einen eindrücklichen Einblick<br />

in ihren Werdegang und den Werdegang der<br />

Aktivierungstherapie im Steinhof. Anschliessend<br />

begleite ich Sabine zur zweiten Singstunde,<br />

diesmal Singen auf der Abteilung 1. War<br />

die Gruppe am Morgen kleiner als erwartet,<br />

so ist diese nun grösser. Es braucht einige Anstrengungen,<br />

um die Bewohner mit und ohne<br />

Rollstuhl um die zusammen geschobenen<br />

Tische zu platzieren. Auch das Programm fordert<br />

von Sabine Flexibilität und Energie.<br />

Zum Abschluss des heutigen Tages werde<br />

ich von Edith eingeladen, die noch vorhandenen<br />

Kunstwerke der Bewohner zu bewundern.<br />

Ich sehe, wie die Bewohner mit Hilfe der<br />

Aktivierungstherapeuten entsprechend ihrer<br />

verbleibenden Möglichkeiten die besten Methoden<br />

herausfanden, um ihre Stimmungen<br />

und Erlebnisse in Kunstwerke zu verwandeln.<br />

Die Comics von Herrn Obertüfer beeindrucken<br />

mich; hinter jedem gibt es eine Geschichte

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!