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Modellprojekt Gesundheitskarte - Barmherzige Brüder Trier e. V.

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Berufskrankheiten<br />

eine orientierungshilfe im Paragraphen-dschungel<br />

Die industrielle Revolution im 19.<br />

Jahrhundert führte zu veränderten<br />

Gefahren in der Arbeitswelt. Den<br />

Schwerpunkt bildeten die durch die industrielle<br />

Produktion verstärkt auftretenden Arbeitsunfälle,<br />

gegen deren Folgen die Arbeitnehmer<br />

erst 1884 durch das Unfallversicherungsgesetz<br />

abgesichert wurden. Zum Wesen eines Unfalls<br />

gehört die „Plötzlichkeit“ und „zeitliche Begrenztheit“<br />

des Ereignisses. Anders sieht es bei<br />

Erkrankungen aus, die als Ergebnis einer längere<br />

Zeit andauernden Tätigkeit in bestimmten<br />

Gewerben auftreten – die sogenannten<br />

„Berufskrankheiten“.<br />

Als Berufskrankheiten bezeichnete Erkrankungen<br />

wurden erstmals in § 547 Reichsversicherungsordnung<br />

von 1911 geregelt. Dieser<br />

Paragraph sah jedoch nur vor, Vorschriften<br />

über Berufskrankheiten zu treffen, definierte<br />

aber noch keine anerkennungsfähige<br />

Berufskrankheit.<br />

Die erste wirkliche Normierung<br />

von Berufskrankheiten erfolgte<br />

im Jahre 1925 durch die Anerkennung<br />

von elf näher beschriebenen<br />

Krankheiten als<br />

Berufskrankheiten.<br />

Die heutige<br />

Rechtslage<br />

Die Regelungssystematik (eine<br />

gesetzliche Grundlagenvorschrift,<br />

die eine konkrete Definition<br />

der Berufskrankheit zu<br />

einer entsprechenden Verordnung vornimmt)<br />

gilt bis heute und wurde allerdings durch eine<br />

Öffnungsklausel modifiziert. Aus der Systematik<br />

folgt ein wesentliches Prinzip des Berufskrankheitenrechts:<br />

Nur Erkrankungen, die in<br />

die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen<br />

wurden, können unter den dort beschriebenen<br />

Voraussetzungen als Berufskrankheit<br />

anerkannt werden. Was darunter genau zu<br />

verstehen ist, regelt §9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII:<br />

„Die Bundesregierung wird ermächtigt, in<br />

der Rechtsverordnung solche Krankheiten als<br />

Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach<br />

den Erkenntnissen der heutigen Wissenschaft<br />

durch besondere Einwirkungen verursacht<br />

sind, denen bestimmte Personengruppen<br />

durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich<br />

höherem Grade als die übrige Bevölkerung<br />

ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen,<br />

dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten<br />

sind, wenn sie durch Tätigkeiten in<br />

besonderen Gefährdungsbereichen verursacht<br />

worden sind oder wenn sie zur Unterlassung<br />

aller Tätigkeiten geführt haben, die für die<br />

Entstehung, die Verschlimmerung oder das<br />

Wiederaufleben der Krankheit ursächlich<br />

waren oder sein können.“ Entscheidend für<br />

die Bezeichnung einer Krankheit als Berufskrankheit<br />

sind also<br />

• die versicherte Tätigkeit<br />

• die besonderen Einwirkungen<br />

• denen bestimmte Personengruppen in erheblich<br />

höherem Grade ausgesetzt sind<br />

• das Vorliegen einer Krankheit, die zur Unterlassung<br />

der Tätigkeit führt<br />

Ausführliche Merkblätter und eine Aufstellung<br />

der anerkannten Berufskrankheiten<br />

finden Sie auf der Website der Bundesanstalt<br />

für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin<br />

www.baua.de.<br />

Anerkennen von<br />

Berufskrankheiten<br />

Die Anerkennung einer Berufskrankheit hängt<br />

natürlich von dem jeweils zu prüfenden Einzelfall<br />

ab. Je genauer die schädigenden Einwirkungen<br />

nach Art, Menge und Dauer bestimmt<br />

werden, um so günstiger für den Arbeitnehmer.<br />

Das wesentliche Problem bei der Anerkennung<br />

von Berufskrankheiten ist der medizinisch<br />

Gemeinschaftskrankenhaus Bonn<br />

festzustellende Ursachenzusammenhang. Auf<br />

Grund der häufig lange zurückliegenden und<br />

nicht mehr genau bestimmbaren Einwirkungen<br />

sowie möglichen anderen Ursachen aus<br />

dem Privatbereich kann die Anerkennung<br />

scheitern. Die so genannte „objektive Beweislast<br />

zur Anerkennung“ tragen in der Regel<br />

die Arbeitnehmer. Häufig entsteht eine schwer<br />

zu trennende Gemengelage aus rechtlichen,<br />

technischen und medizinischen Fragen, die<br />

zu den kompliziertesten Materien im Sozialrecht<br />

gehört. Von etwa 70.000 Anzeigen auf<br />

Verdacht einer Berufskrankheit werden nur<br />

rund 15.000 anerkannt.<br />

Flexibilität durch<br />

die Öffnungsklausel<br />

Die Öffnungsklausel dient dazu, Härten zu<br />

vermeiden, da die Liste der anerkannten Berufskrankheiten<br />

nicht ständig<br />

verändert werden kann.<br />

Für die Anerkennung einer<br />

Krankheit als Berufskrankheit<br />

über die Öffnungsklausel<br />

als „Quasi-Berufskrankheit“<br />

müssen die Voraussetzungen<br />

für die Bezeichnung einer<br />

Krankheit als Berufskrankheit<br />

als auch für deren Anerkennung<br />

im Einzelfall vorliegen.<br />

Dies nachzuweisen ist extrem<br />

schwierig. Sollte hingegen eine<br />

Krankheit aufgetreten sein, die<br />

in der Liste der Berufskrankheiten<br />

aufgeführt ist, stehen die Chancen für<br />

eine Anerkennung gut.<br />

Hans-Bernd Köster<br />

Der Beitrag gründet auf einem Referat von Dr.<br />

Peter Becker, Richter am Bundessozialgericht<br />

in Kassel.<br />

Redaktion Bonn: Hans-Bernd<br />

Köster (verantwortlich), Claudia Fredrich<br />

Kontakt: Gemeinschaftskrankenhaus Bonn,<br />

Haus St. Petrus, Bonner Talweg 4-6, 53113 Bonn,<br />

Haus St. Elisabeth, Prinz-Albert-Str. 40, 53113 Bonn,<br />

www.gk-bonn.de, Telefon: 0228/508-1821,<br />

Fax: 0228/508-1898, e-Mail: info@gk-bonn.de<br />

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