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Wirtschaftswoche Pendler-Manie (Vorschau)

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Politik&Weltwirtschaft<br />

BERLIN INTERN | Die Abgeordneten der FDP-Fraktion<br />

verabschieden sich so aus dem Bundestag, wie sie die<br />

letzten vier Jahre gegeneinander gearbeitet haben:<br />

mit Missgunst und Getuschel. Von Henning Krumrey<br />

Has(s)tiger Abschied<br />

FOTOS: WERNER SCHUERING FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE, VISUM/STEFAN BONESS<br />

Ein Rückzug in Würde, so hatten<br />

sich die Abgeordneten die letzte<br />

Sitzung der FDP-Bundestagsfraktion<br />

vorgestellt. Einmal noch im<br />

Reichstagsgebäude tagen, einmal noch<br />

mit den Kollegen plaudern, mit denen man<br />

vier Jahre zusammen oder auch gegeneinander<br />

gearbeitet hat. Und dann: Ende<br />

des parlamentarischen Daseins der FDP.<br />

Am Dienstag vergangener Woche bestimmte<br />

die Fraktion drei aus ihrer Mitte<br />

als Liquidatoren, die den Laden abwickeln<br />

Ohne Worte FDP-Fraktion i.L. heißt nicht:<br />

„ist liberal“, sondern „in Liquidation“<br />

wie jeden anderen mittelständischen Betrieb<br />

– dann löste sie sich mit einem förmlichen<br />

Beschluss auf.<br />

Doch so würdevoll wie erhofft tagten die<br />

93 Abgeordneten nicht. Der Schleswig-Holsteiner<br />

Jürgen Koppelin, einst als pfiffiger<br />

Haushälter ein Quälgeist von Regierungen<br />

jedweder Couleur, gab den verbitterten alten<br />

Mann. Ob denn die drei Liquidatoren etwa<br />

noch extra Geld für ihre Arbeit kassieren<br />

dürften, fragte der 68-Jährige giftig (Antwort:<br />

nein). Früher reüssierte er im Parlamentskabarett<br />

„Die Wasserwerker“ als bissiger<br />

Kommentator, jetzt trat er auf als<br />

verbissener Inquisitor. Ob auch sichergestellt<br />

sei, dass der Leiter der Fraktionsverwaltung<br />

sich bei den Auflösungsentscheidungen<br />

nicht bereichern könnte?<br />

So „zum Kotzen“ fanden manche Kollegen<br />

Koppelins Auftritt, dass sie keine Lust<br />

mehr hatten, noch auf ein finales Feierabendbier<br />

zu „Ossi“ zu gehen, in die Kneipe<br />

der Parlamentarischen Gesellschaft. „Ich<br />

will den nicht mehr sehen“, schimpfte einer<br />

der stellvertretenden Vorsitzenden. In der<br />

Kellerbar waren die Liberalen meist höherprozentig<br />

vertreten als im Plenarsaal, und<br />

Koppelin schmetterte dort gern zu vorgerückter<br />

Stunde mit Freunden „Das Lied der<br />

Partei“ und andere SED-Kampfgesänge:<br />

„Die Partei, die Partei, die hat immer recht“,<br />

heißt es da, und „Sie hat uns alles gegeben,<br />

was wir sind, sind wir durch sie“. Alles vorbei.<br />

Ins Bodenlose fallen die Abgänger nicht.<br />

Bis Mitte Oktober müssen die Zimmer geräumt<br />

sein, dann übernimmt ausgerechnet<br />

die Linke den Bürotrakt. Der Agrarpolitiker<br />

Michael Goldmann klagt: „Ich habe sechs<br />

Kartons, ich weiß nicht, wo ich damit hin<br />

soll.“ „Dazu bist du Bundestagsabgeordneter,<br />

dass du das selbst entscheiden<br />

kannst“, ruft die Architektin Petra Müller<br />

entnervt in den Saal. Sie hatte sich mit dem<br />

Problem schon vertraut machen können,<br />

da sie für die jüngste Wahl keinen Listenplatz<br />

ergattert hatte. Die frühere Fraktionschefin<br />

Birgit Homburger mailte Kollegen<br />

von Union und SPD, sie habe Topfpflanzen<br />

und Ventilatoren „günstig abzugeben“.<br />

Um den Rückzug aus der politischen<br />

Frontstadt zu organisieren, bleiben den Ex-<br />

MdBs ein paar Privilegien noch etwas erhalten.<br />

Offiziell endet ihr Abgeordnetendasein<br />

mit dem Zusammentritt des neuen Bundestages<br />

am 22. Oktober. Aber seit je gilt eine<br />

interfraktionelle Vereinbarung, dass noch<br />

weitere 14 Tage auf Staatskosten geflogen<br />

und Bahn gefahren werden darf. Und es<br />

gibt Übergangsgeld, für jedes Jahr im Parlament<br />

eine Monatsdiät, maximal 18. Wer<br />

einen neuen Job findet, muss sich die Einkünfte<br />

anrechnen lassen.<br />

Und natürlich tuscheln alle, wer jetzt wo<br />

was werden könnte. Die Niedersachsen-<br />

Combo, die Mitarbeiter von Philipp Rösler,<br />

hätten es schwer, meinte einer aus der<br />

Truppe von Rainer Brüderle: „Für die gilt:<br />

Wir können nix außer Hochdeutsch.“ Die<br />

Juristen dürfen sich zur Not Anwaltsschilder<br />

an die Tür schrauben. Daniel Bahr habe<br />

nach Banklehre und dem Studium der Gesundheitsökonomie<br />

so viel Bundesministererfahrung,<br />

dass er bald beim Medizintechnikhersteller<br />

B. Braun als Vorstand anfangen<br />

werde. Bahr lässt das dementieren.<br />

WirtschaftsWoche 14.10.2013 Nr. 42 39<br />

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