Wirtschaftswoche Pendler-Manie (Vorschau)
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FOTOS: ANDREAS CHUDOWSKI FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE, PR<br />
des Luftfahrtkonzerns EADS geleitet und<br />
ersetzte 2002 Jean-Marie Messier als Vivendi-Chef.<br />
Messier hatte Ende 2000 vom<br />
kanadischen Mischkonzern Seagram das<br />
unter dem Namen Universal gebündelte<br />
Mediengeschäft gekauft und Vivendi zwölf<br />
Milliarden Euro Schulden aufgebürdet.<br />
Der kühle Macher Lévy, heute Chef des<br />
Rüstungskonzerns Thales, startete ein<br />
Sparprogramm, das die Gehälter führender<br />
Manager von angeblich bis zu zehn<br />
Millionen Dollar kappte und dem Musikgeschäft<br />
einen Crashkurs in Sachen Effizienz<br />
verpasste, nach den Standards der<br />
Vivendi-Sparten Telekom und Videospiele.<br />
Zugleich holte er Kreative an die Spitze<br />
wie Ex-Künstlerbetreuer Lucien Grainge,<br />
der 2011 Universal-Chef wurde, und Starproduzent<br />
Jimmy Iovine. „Darum herrscht<br />
da nicht nur klassische Controller-Denke“,<br />
lobt Ex-Universal-Mann Renner. „Wer nur<br />
vorhandene Musikrechte auswerten will,<br />
statt in Neues zu investieren, stößt bei Jimmy<br />
und Lucian auf taube Ohren.“<br />
Dominante Konzerne<br />
Anteileanden verkauften Top-100-CDs (Januar bis September 2013, in Prozent)<br />
Alben<br />
Singles<br />
1,9<br />
2,3<br />
Unternehmen<br />
2,8<br />
3,1<br />
Unternehmen<br />
6,6<br />
Universal<br />
Universal<br />
8,1<br />
Sony<br />
19,2<br />
Sony<br />
13,1<br />
44,6 Warner<br />
49,6 Warner<br />
GoodtoGo<br />
GoodtoGo<br />
25,3<br />
Kontor/Edel<br />
23,4<br />
Kontor/Edel<br />
Andere<br />
Andere<br />
Quelle:Musikmarkt<br />
SCHNULZEN UND RAMMSTEIN<br />
Wer wissen will, wie Universal den Spagat<br />
zwischen Kunst und Kosten hinbekommt,<br />
muss Tom Bohne besuchen. Der oberste<br />
Talentscout für Deutschland bleckt die<br />
weißen Zähne gern zum „Ich bring dich<br />
groß raus“-Lächeln und verbaut sich den<br />
Blick auf die Spree scheinbar achtlos mit<br />
CD-Stapeln und Verkaufsauszeichnungen.<br />
Doch er arbeitet, als stünde er in Diensten<br />
eines Konsumgüterriesen. Ein Song ist<br />
ein Produkt, und Bohne erweitert kühl die<br />
Palette. Als Erster erkannte Universal nach<br />
der Jahrtausendwende, dass Musikfans zunehmend<br />
Stars aus den eigenen Gefilden<br />
bevorzugen, und stellte lokales Geschäft<br />
auf eine Stufe mit dem Import-Business. So<br />
setzte Bohne auf deutsche Bands wie Tokio<br />
Hotel. Und er erweitert die Bandbreite: Seine<br />
Wände zieren Fotos und Auszeichnungen<br />
für Hunderttausende verkaufte Platten<br />
von Stars wie Schnulzen-Spezialist Semino<br />
Rossi bis zu den Brachial-Provokateuren<br />
Rammstein. „Wir nehmen jedwede Art von<br />
Künstler unter Vertrag, wenn er uns Erfolg<br />
versprechend erscheint, und wollen alle<br />
Felder des Marktes besetzen“, sagt Bohne,<br />
„ab und zu fehlt noch was im Portfolio –<br />
wie aktuell ein junger Schlagerstar.“<br />
Dazu haben Betriebswirt Bohne und<br />
sein Team die bislang vorherrschenden<br />
Faktoren Bauchgefühl und Liebe zur Musik<br />
durch ein solides Produktmanagement ergänzt.<br />
„Unsere Aufgabe ist es, Künstler zu<br />
begleiten und zu beraten“, sagt Bohne. Dazu<br />
gehören Marktforschung bei Zielgruppen,<br />
Produktgestaltung mit der passenden<br />
Verpackung sowie ein flexibler Werbeplan.<br />
Bekamen Künstler früher je nach Umsatzerwartung<br />
automatisch teure Fernsehwerbung<br />
oder billigere Anzeigen in Musikmagazinen,<br />
lotet Universal nach dem Vorbild<br />
der Independents vor allem bei Facebook,<br />
auf Blogs und bei Twitter aus, wie<br />
Fans reagieren. „Wir achten sehr genau auf<br />
die Trends und Stimmungen und stoßen<br />
aktiv Wellen an“, sagt Bohne. „Wir können<br />
Zielgruppen sehr genau anvisieren“, ergänzt<br />
Briegmann, „wir haben jetzt erstmals<br />
adressierbare Kunden.“<br />
Damit setzt Universal in der Branche den<br />
Maßstab. Auch unabhängige Künstler wissen<br />
um die Macht der Majors. „Die sind gut<br />
darin, Trends früh zu sehen und durch eine<br />
große und gewiefte Marketingmaschine<br />
gezielt zu verstärken“, sagt Piet Blank vom<br />
Kölner Produzententeam Blank & Jones.<br />
Die zweite Hilfe für Universal aus der Pariser<br />
Zentrale war eine volle Kriegskasse.<br />
Rolling Stones<br />
Die Box vereint die 14 Platten der<br />
Rocker seit 1971. Im schweren<br />
180-Gramm-Vinyl klingen die neu gemischten<br />
Songs voller als die Originale.<br />
Nur den Hüllen fehlen Gimmicks wie<br />
der Reißverschluss auf „Sticky Fingers“.<br />
469,99 Euro<br />
Der Kauf der EMI Ende 2012 mit Künstlern<br />
wie den Beatles war nur der Abschluss einer<br />
globalen Einkaufstour von Unternehmen<br />
wie Arsenal in Brasilien bis zum chinesischen<br />
Joint Venture Sum Entertainment.<br />
In der Summe, so Branchenkenner,<br />
habe Universal seit Ende 2000 wohl an die<br />
20 Milliarden Euro ausgegeben.<br />
Dadurch profitiert Universal heute vom<br />
globalen Wachstum, da der Musikmarkt<br />
laut PwC in Ländern wie Indien, China<br />
oder Indonesien im Gegensatz zur Alten<br />
Welt bis 2018 um im Schnitt bis zu 18 Prozent<br />
wächst. Es beschert dem Konzern zugleich<br />
Überraschungshits wie „Ai Se Eu Te<br />
Pego“ vom Brasilianer Michel Teló, die<br />
Universal nach den ersten Erfolgen sofort<br />
weltweit vermarktet. „Man braucht schon<br />
eine gewisse Größe, um auch Fehler machen<br />
zu können, die einem nicht gleich das<br />
Genick brechen“, sagt Briegmann.<br />
Zur Betriebswirtschaft à la Universal zählt<br />
zudem, mehr aus dem vorhandenen Kapital<br />
– also der Musik – herauszuholen. Wie das<br />
geht, zeigt Christopher Gersten, ein Musikfan<br />
im Kostüm eines Controllers in Prada-<br />
Schuhen, der sich auf den Job als Vermarkter<br />
der Archivschätze durch Betriebswirtschaftsstudien<br />
in Oxford und Singapur vorbereitet<br />
hat. In seinem Büro wirkt das Schälchen<br />
mit Schokoriegeln ein wenig fremd,<br />
denn der Platz gehört den großformatigen<br />
CD-Boxen wie der bei Amazon 649,99 Euro<br />
teuren „Über Deluxe Edition“ des Albums<br />
„Achtung Baby“ der irischen Rocklegende<br />
U2 und anderen Musikschätzen.<br />
Die üppigen Plattenpakete sind der wohl<br />
lukrativste Teil des Geschäfts mit CDs, mit<br />
denen die Musikkonzerne dem Digital-<br />
Hype zum Trotz hierzulande noch mehr als<br />
70 Prozent ihres Umsatzes bestreiten. An<br />
der Spitze stehen dabei Gerstens Edelboxen:<br />
„Richtig gemacht, sind solche Boxen<br />
keine schlichten CDs mehr, sondern<br />
»<br />
WirtschaftsWoche 14.10.2013 Nr. 42 49<br />
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