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KOLUMNE<br />
Nicht ohne meinen Stau!<br />
Alljährlich füllen sich Journale jedwe<strong>de</strong>r Couleur in einer Art diebischer Vorfreu<strong>de</strong><br />
auf das zu erwarten<strong>de</strong> Verkehrschaos in <strong>de</strong>r angeblich „schönsten Zeit <strong>de</strong>s Jahres“<br />
mit allerlei Rat geben<strong>de</strong>n Artikeln zum Thema „Sommerferienstau“. Es scheint, <strong>als</strong><br />
ob man <strong>de</strong>n durch seine umfangreichen Vorbereitungen („Welche Vignette für welches<br />
Land?“, „Wie hoch ist dieses Jahr <strong>de</strong>r Spritpreis?“) sowieso schon ausreichend<br />
stressgeplagten Erholungssuchen<strong>de</strong>n durch Schreckensszenarien übelster Sorte aller<br />
Hoffnungsschimmer auf staulose Stun<strong>de</strong>n im Auto berauben wollte. Damit ist zumin<strong>de</strong>st<br />
in kluger Voraussicht eine spannen<strong>de</strong> Berichterstattung während <strong>de</strong>r sonst<br />
im Sommerloch sang- und klanglos verschwin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Meldungen gewährleistet.<br />
So reichte in diesem Jahr eine unscheinbare dpa-<br />
Meldung, um eine wahre Flut von wortgleichen<br />
Abdrucken mit unterschiedlichen Überschriften<br />
im bun<strong>de</strong>sweiten Blätterwald nach sich zu ziehen<br />
(„Was läuft, wenn nichts mehr geht: Verhalten im<br />
Stau“, „So überstehen Sie <strong>de</strong>n Stau auf <strong>de</strong>r Fahrt<br />
in <strong>de</strong>n Urlaub“ o<strong>de</strong>r eher prophylaktisch: „Wie<br />
Autofahrer Staus verhin<strong>de</strong>rn können“). Das sind<br />
dann quasi Selbstläufer, obwohl ja (noch) gar<br />
nichts passiert ist. Das Thema hat es sogar früher<br />
einmal (erfolgreich?) bis auf die Kinoleinwand<br />
geschafft: Im Jahre 1991 wur<strong>de</strong>n die gera<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>r<br />
vereinigten Deutschen mit <strong>de</strong>m spektakulären<br />
Filmwerk „Superstau“ (von Martin Stelzer, mit<br />
Ottfried Fischer) konfrontiert. Dort geht im Ferienstau<br />
auch nichts mehr. Nur einer hat sich in seinem<br />
Wohnwagen mit unermesslichen Trink- und<br />
Essvorräten auf diese Situation professionell vorbereitet.<br />
Doch <strong>als</strong> die Meute <strong>de</strong>r Übrigen, bestehend<br />
aus überzeichnet dargestellten Bewohnern<br />
unterschiedlicher (Sprach-)Regionen Deutschlands,<br />
das spitz kriegt, rasten sie alle aus. Den<br />
Rest sollte man sich selbst anschauen.<br />
Damit nicht genug. Allerorten wer<strong>de</strong>n penibel<br />
erstellte, tagesgenaue „Staukarten“ nicht nur<br />
Deutschlands, son<strong>de</strong>rn auch <strong>de</strong>r umliegen<strong>de</strong>n<br />
Län<strong>de</strong>r (wie vom ADAC beispielhaft zelebriert)<br />
medienwirksam verbreitet. Bei <strong>de</strong>r Menge <strong>de</strong>r<br />
auf ihn nie<strong>de</strong>rprasseln<strong>de</strong>n und letztendlich gut<br />
gemeinten Handlungsratschläge muss sich <strong>de</strong>r<br />
zwangsläufig rat- und rastlose Ferienfahrer alleine<br />
seinen Reim drauf machen. Auf diese Art<br />
entstehen viele individuelle Theorien und daraus<br />
resultieren<strong>de</strong> Strategien, allem Ungemach durch<br />
Staus ein Schnippchen zu schlagen. Heutzutage<br />
wird dazu auch noch mächtig mit allerlei technischem<br />
Hilfswerkzeug, allem voran Navigationsgeräten<br />
und Apps für welche bildgeben<strong>de</strong>n elektronischen<br />
Begleiter auch immer, aufgerüstet und an<br />
<strong>de</strong>n unvermeidlichen Start gegangen. Wer schaut<br />
da noch in diese veralteten Kartenwerke aus Papier,<br />
die in vielen Fällen dann doch <strong>de</strong>r letzte Ausweg<br />
beim Absturz aller E-Helfer wären?<br />
Doch bei genauerem Hinsehen ist das Problem<br />
noch tiefer gehend. Das liegt vor allen Dingen an<br />
<strong>de</strong>r Mutation <strong>de</strong>r „Pendler“ zu „Familien-Ferien-<br />
Fahrern“. Diese bei<strong>de</strong>n Kategorien weisen charakteristische<br />
Unterschie<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Performance<br />
auf <strong>de</strong>r Straße auf. Zum einen ist die Fahrt in <strong>de</strong>n<br />
Urlaub normalerweise nicht an so strenge Zeitvorgaben<br />
wie beim Weg zur Arbeit gebun<strong>de</strong>n, es<br />
sei <strong>de</strong>nn, es muss beispielsweise eine Fährverbindung<br />
erreicht wer<strong>de</strong>n. Man kann <strong>als</strong>o wesentlich<br />
entspannter ans Werk gehen und eine Stun<strong>de</strong> im<br />
Stau kann das Gesamtvorhaben nicht wirklich in<br />
Gefahr bringen, allenfalls die Stimmung an Bord.<br />
Da allerdings Quartierswechsel immer noch, ob<br />
einer optimalen Ausnutzung <strong>de</strong>r Objekte, vorwiegend<br />
am Wochenen<strong>de</strong> stattfin<strong>de</strong>n, knubbelt sich<br />
die „Urlauberwelle“ dann trotz Lkw-Fahrverboten<br />
wie von selbst auf <strong>de</strong>n Fernverkehrsstrecken.<br />
Des Weiteren sind die zurückzulegen<strong>de</strong>n Strecken<br />
<strong>de</strong>utlich länger <strong>als</strong> die tägliche Fahrt ins Büro.<br />
Dabei ist die Fitness <strong>de</strong>s Fahrers von entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r<br />
Be<strong>de</strong>utung. Bis vor einiger Zeit habe ich<br />
aufgrund <strong>de</strong>r immer noch niedrigeren Verkehrsbelastung<br />
Nachtfahrten bevorzugt, während <strong>de</strong>rer<br />
Kin<strong>de</strong>r und Hund schlafen konnten, auch die<br />
Temperaturen sind dann normalerweise ohne Klimaanlage<br />
zu ertragen. Aber hier ist aufgrund <strong>de</strong>r<br />
Dunkelheit noch mehr Fitness gefor<strong>de</strong>rt, die mit<br />
zunehmen<strong>de</strong>m Alter, na sagen wir mal vorsichtig,<br />
nicht unbedingt besser wird. Ich fahre dann lieber<br />
tagsüber und schaue mir <strong>de</strong>n einen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />
Stau ganz aus <strong>de</strong>r Nähe an (die Kin<strong>de</strong>r fahren ja<br />
irgendwann eh nicht mehr mit …).<br />
Schließlich ist die häufig fehlen<strong>de</strong> Ortskenntnis<br />
zu erwähnen. Trotz jährlichen Urlaubs mit <strong>de</strong>m<br />
gleichen Zielort än<strong>de</strong>rn sich die Verhältnisse<br />
so schnell und drastisch, dass man sich immer<br />
von Neuem darauf einstellen muss. Baustellen,<br />
obwohl in Ferienzeiten angeblich seltener anzutreffen<br />
<strong>als</strong> sonst, sind sowieso nur schwer mit<br />
einzuplanen, von Vollsperrungen, warum auch<br />
immer, ganz zu schweigen. Große Hitze setzt<br />
<strong>de</strong>m Asphalt, wie jüngst gesehen, heftig zu, und<br />
<strong>de</strong>r Zustand <strong>de</strong>r Fernstraßen und <strong>de</strong>ren Brückenbauwerke<br />
(siehe <strong>Flotte</strong>nmanagement 2/2013) ist<br />
zunehmend be<strong>de</strong>nklich: 20 Prozent <strong>de</strong>r Autobahnen<br />
und über 40 Prozent <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sstraßen sind<br />
dringendst sanierungsbedürftig. Bei <strong>de</strong>n Brücken<br />
wird ja noch eifrig geprüft, das Ergebnis kann am<br />
En<strong>de</strong> aber nicht gut ausfallen.<br />
Was die Wertigkeit <strong>de</strong>r geplanten Reisezeit, zumal<br />
bei strikter Vorgabe <strong>de</strong>r spätesten Ankunftszeit,<br />
beispielsweise aufgrund <strong>de</strong>r schon erwähnten<br />
Fähre, angeht, so zitiere ich immer gerne ein einfaches<br />
Rechenbeispiel, auch wenn es vielleicht<br />
etwas überzeichnet klingt. Ein Fahrer rechnet<br />
mit einer geplanten Schnittgeschwindigkeit und<br />
überlegt sich anhand <strong>de</strong>rer und <strong>de</strong>r zurückzulegen<strong>de</strong>n<br />
Strecke die voraussichtliche Fahrzeit. Dies<br />
übernimmt heutzutage auch klaglos je<strong>de</strong> Navigationssoftware,<br />
von welcher Qualität auch immer.<br />
Rechnet man so beispielsweise mit einer Schnittgeschwindigkeit<br />
von 120 km/h (was sehr ambitioniert<br />
ist, zumal mit Pausen, die unbedingt<br />
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<strong>Flotte</strong>nmanagement 4/2013