01.03.2014 Aufrufe

HRRS Ausgabe 3/2013 - hrr-strafrecht.de

HRRS Ausgabe 3/2013 - hrr-strafrecht.de

HRRS Ausgabe 3/2013 - hrr-strafrecht.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Rechtsprechung<br />

Hervorzuheben<strong>de</strong> Entscheidungen <strong>de</strong>s BGH: IV. Strafverfahrensrecht mit GVG<br />

Rechtsprechung<br />

IV. Strafverfahrensrecht mit GVG<br />

230. BGH 3 StR 117/12 – Urteil vom 20. Dezember<br />

2012 (LG Osnabrück)<br />

BGHSt; molekulargenetische Reihenuntersuchung<br />

(Verwertbarkeit <strong>de</strong>r Erkenntnis einer wahrscheinlichen<br />

Verwandtschaft <strong>de</strong>s Täters mit einem Untersuchungsteilnehmer;<br />

„Beinahetreffer“).<br />

§ 81h StPO; § 261 StPO; Art. 2 Abs. 1 GG; Art. 20 Abs.<br />

3 GG; Art. 6 GG; Art. 6 EMRK<br />

1. Zur Verwertbarkeit <strong>de</strong>r im Zusammenhang mit einer<br />

molekulargenetischen Reihen-untersuchung gewonnenen<br />

Erkenntnis, dass <strong>de</strong>r Verursacher <strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r Tat gelegten<br />

DNA-Spur wahrscheinlich mit einem <strong>de</strong>r Teilnehmer <strong>de</strong>r<br />

Untersuchung verwandt ist (sog. Beinahetreffer).<br />

(BGHSt)<br />

2. Wird infolge <strong>de</strong>s Abgleichs <strong>de</strong>r DNA-<br />

I<strong>de</strong>ntifizierungsmuster nicht nur festgestellt und <strong>de</strong>n<br />

Ermittlungsbehör<strong>de</strong>n mitgeteilt, dass keiner <strong>de</strong>r Proban<strong>de</strong>n<br />

als Verursacher <strong>de</strong>r Tatspur in Betracht kam, son<strong>de</strong>rn<br />

auch, dass die teilweise Übereinstimmung <strong>de</strong>r DNA-<br />

I<strong>de</strong>ntifizierungsmuster einzelner Proban<strong>de</strong>n es als möglich<br />

erscheinen lässt, dass es sich bei diesen um Verwandte<br />

<strong>de</strong>s mutmaßlichen Täters han<strong>de</strong>lt, ist dieses<br />

Vorgehen von § 81h Abs. 1 StPO nicht ge<strong>de</strong>ckt. Aus <strong>de</strong>m<br />

Wortlaut <strong>de</strong>s § 81h Abs. 1 StPO folgt insoweit ein Verbot<br />

überschießen<strong>de</strong>r Feststellungen. (Bearbeiter)<br />

3. Die Verwertung eines „Beinahetreffers“ als Verdachtsmoment<br />

stellt eine Verwendung personenbezogener<br />

Daten zu einem Zweck dar, zu <strong>de</strong>m sie nicht erhoben<br />

wor<strong>de</strong>n waren. Hierin liegt ein Eingriff in die Grundrechte<br />

<strong>de</strong>r Betroffenen Teilnehmer <strong>de</strong>r DNA-<br />

Reihenuntersuchung aus Art. 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 GG,<br />

<strong>de</strong>r nach ständiger verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung<br />

einer – gegenwärtig nicht existieren<strong>de</strong>n – geson<strong>de</strong>rten<br />

gesetzlichen Grundlage bedarf. (Bearbeiter)<br />

4. Wird <strong>de</strong>r (an <strong>de</strong>r DNA-Reihenuntersuchung nicht<br />

mitwirken<strong>de</strong>) Täter aufgrund einer durch § 81h Abs. 1<br />

StPO nicht ge<strong>de</strong>ckten Verwendung personenbezogener<br />

Daten ermittelt, wer<strong>de</strong>n seine Interessen grundsätzlich<br />

vom Schutzzweck <strong>de</strong>r §§ 81h Abs. 1, Abs. 3 Satz 1, 81g<br />

Abs. 2 Satz 2 StPO erfasst und er kann sich auf die Verletzung<br />

dieser Vorschriften berufen. Insoweit gilt nichts<br />

an<strong>de</strong>res als bei Verstößen gegen § 52 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3<br />

Satz 1 StPO o<strong>de</strong>r § 81c Abs. 3 Satz 1 und 2 Hs. 2 StPO.<br />

(Bearbeiter)<br />

5. Nach ständiger – vom Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht gebilligter<br />

– Rechtsprechung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sgerichtshofes führt<br />

nicht je<strong>de</strong>r Rechtsverstoß bei <strong>de</strong>r strafprozessualen Beweisgewinnung<br />

zu einem Verwertungsverbot hinsichtlich<br />

<strong>de</strong>r erlangten Erkenntnisse. Vielmehr ist je nach <strong>de</strong>n<br />

Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Einzelfalles unter Abwägung aller maßgeblichen<br />

Gesichtspunkte und <strong>de</strong>r wi<strong>de</strong>rstreiten<strong>de</strong>n Interessen<br />

zu entschei<strong>de</strong>n (sog. Abwägungslehre). Be<strong>de</strong>utsam<br />

sind dabei insbeson<strong>de</strong>re die Art und <strong>de</strong>r Schutzzweck<br />

<strong>de</strong>s etwaigen Beweiserhebungsverbots sowie das<br />

Gewicht <strong>de</strong>s in Re<strong>de</strong> stehen<strong>de</strong>n Verfahrensverstoßes, das<br />

seinerseits wesentlich von <strong>de</strong>r Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r im Einzelfall<br />

betroffenen Rechtsgüter bestimmt wird. Dabei ist in<br />

<strong>de</strong>n Blick zu nehmen, dass die Annahme eines Verwertungsverbots<br />

ein wesentliches Prinzip <strong>de</strong>s Strafverfahrensrechts<br />

– <strong>de</strong>n Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit<br />

zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von<br />

Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu<br />

erstrecken hat, die von Be<strong>de</strong>utung sind – einschränkt.<br />

Aus diesem Grund stellt ein Beweisverwertungsverbot<br />

eine Ausnahme dar, die nur bei ausdrücklicher gesetzlicher<br />

Anordnung o<strong>de</strong>r aus übergeordneten wichtigen<br />

Grün<strong>de</strong>n im Einzelfall anzuerkennen ist. (Bearbeiter)<br />

6. Der Annahme eines Verwertungsverbotes kann es<br />

insbeson<strong>de</strong>re entgegenstehen, wenn die Rechtslage hinsichtlich<br />

<strong>de</strong>r Verwertbarkeit bestimmter Erkenntnisse –<br />

wie im Fall <strong>de</strong>r sog. „Beinahetreffer“ – unklar ist. Ist in<br />

einem solchen Fall die Annahme <strong>de</strong>r Ermittlungsbeamten<br />

nicht völlig unvertretbar, dass die Erkenntnisse –<br />

hier: <strong>de</strong>r möglichen Verwandtschaft zwischen <strong>de</strong>m mutmaßlichen<br />

Täter und einzelnen Teilnehmern <strong>de</strong>r DNA-<br />

Reihenuntersuchung – als Ermittlungsansatz verwertet<br />

wer<strong>de</strong>n können, schei<strong>de</strong>t ein Verwertungsverbot aus.<br />

Insoweit stellt diese Annahme nicht ohne weiteres eine<br />

bewusste o<strong>de</strong>r gar willkürliche Umgehung <strong>de</strong>s Gesetzes<br />

o<strong>de</strong>r grundrechtlich geschützter Positionen dar. (Bearbeiter)<br />

7. Aus <strong>de</strong>n §§ 81h Abs. 3 S. 1, 81g Abs. 2 Satz 1 Hs. 1<br />

StPO ergibt sich nicht die Verpflichtung, je<strong>de</strong>s einzelne –<br />

nicht übereinstimmen<strong>de</strong> – I<strong>de</strong>ntifizierungsmuster unmittelbar<br />

nach seinem Abgleich mit <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Tatspur und<br />

noch vor <strong>de</strong>m Abschluss <strong>de</strong>s Reihentests sofort zu löschen.<br />

Die aus <strong>de</strong>r Untersuchung gewonnenen Aufzeichnungen<br />

über die DNA-I<strong>de</strong>ntifizierungsmuster sind überdies<br />

nach § 81h Abs. 3 Satz 2 StPO erst dann unverzüglich<br />

zu löschen, wenn sie zur Aufklärung <strong>de</strong>s Verbrechens<br />

nicht mehr erfor<strong>de</strong>rlich sind. (Bearbeiter)<br />

8. Der Gesetzgeber hat das Verfahren, mit <strong>de</strong>m die im<br />

Rahmen <strong>de</strong>r DNA-Reihenuntersuchung festgestellten<br />

DNA-I<strong>de</strong>ntifizierungsmuster nach § 81h Abs. 1 Nr. 3<br />

StPO mit <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Tatspur „automatisiert abgeglichen“<br />

wer<strong>de</strong>n, nicht <strong>de</strong>finiert, insbeson<strong>de</strong>re nicht vorgeschrieben,<br />

dass das Ergebnis <strong>de</strong>s Abgleichs nur mit <strong>de</strong>m Ergebnis<br />

„Treffer“ o<strong>de</strong>r „Nichttreffer“ angezeigt wer<strong>de</strong>n<br />

dürfe. Die Gesetzesbegründung spricht vielmehr dafür,<br />

dass lediglich eine Arbeitserleichterung für die beauftrag-<br />

<strong>HRRS</strong> März <strong>2013</strong> (3/<strong>2013</strong>)<br />

76

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!