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anleitung“) oder RL (Real Life, „das wirkliche<br />

Leben“) um sich. Daneben haben sich in<br />

manchen Kreisen Ausdrücke wie zum Beispiel<br />

Snail Mail (Schneckenpost) für die gelbe<br />

Post oder Spaghetti-Code für unstrukturierte<br />

Computerprogramme eingebürgert. Sollte<br />

Ihnen das Verständnis fehlen, können Sie in<br />

privaten Online-Lexika wie Chat-Slang (www.<br />

chatslang.de/index.htm) oder dem englischsprachigen<br />

Urban Dictionary (www.urbandic<br />

tionary.com/) nachsehen.<br />

Ein weiteres Vorbild für die Netzsprache sind<br />

Comics mit ihren lautmalerischen Ausdrücken<br />

wie Polter, Rumms oder Ka-Plonk. Diese Ausdrücke,<br />

Inflektive (ungebeugte Verbformen<br />

ohne Infinitiv-Endung) genannt, tauchen in der<br />

Foren- und Chat-Sprache dann zum Beispiel<br />

als *grins* oder *freu* auf und werden häufig<br />

zwischen zwei Asterisken geschrieben. Natürlich<br />

kann man die Ausdrücke auch abkürzen<br />

und dann statt *grins* einfach *g* schreiben.<br />

Statt Inflektive abzukürzen, kann man sie aber<br />

auch aufblähen und halbe Sätze wie *dichliebevollknuddel*<br />

hineinpacken<br />

Mündlich wird schriftlich<br />

Ein Chat und sogar mancher E-Mail-Dialog hat<br />

Ähnlichkeiten mit einem richtigen mündlichen<br />

Gespräch am Stammtisch. Die Äußerungen<br />

sind zum Beispiel an bestimmte Gesprächspartner<br />

gerichtet, außerdem läuft die Diskussion<br />

in Echtzeit. Allerdings gibt es auch Unterschiede<br />

zum Schwätzchen auf der Straße oder<br />

in der Kneipe. Beim Chat gilt: Wer schneller tippen<br />

kann, kommt öfter zu Wort und kann mehr<br />

sagen. Daher benutzen Chatter gerne Abkürzungen,<br />

schreiben alles klein und achten auch<br />

sonst nicht so sehr auf die Rechtschreibung.<br />

Der wichtigste Unterschied zur gesprochenen<br />

Sprache ist, dass die Kommunikation zwischen<br />

den Zeilen fehlt. Ich kann nicht am Gesicht des<br />

Gegenüber ablesen, wie meine Rede bei ihm<br />

ankommt. Umgekehrt gibt es keine Mimik, Gestik<br />

oder Tonfall, um etwa Ironie zu signalisieren.<br />

Die Chatter behelfen sich mit den erwähnten<br />

Emoticons, Inflektiven wie Ha, ha, ha!, Großschreibung<br />

für Schreien und ganzen Kaskaden<br />

von Ausrufezeichen und Fragezeichen.<br />

Da man halb mündlich, halb schriftlich kommuniziert,<br />

ändert sich auch das Verhalten der Gesprächsteilnehmer.<br />

Der Sprachwissenschaftler<br />

Martin Luginbühl hat in einem Aufsatz in Linguistik<br />

online, 3/03 („Streiten im Chat“) Streitgespräche<br />

in Schweizer Chat-Räumen untersucht<br />

und dabei Unterschiede zu verbalen Streitigkeiten<br />

von Angesicht zu Angesicht aufgelistet.<br />

Im Chat geben die Anwender etwa sinnlose<br />

Buchstabenfolgen ein, um andere zu ärgern.<br />

Dazu gibt es kein Gegenstück in mündlichen<br />

Gesprächen. Mündliche Streitigkeiten neigten<br />

Die Hackersprache<br />

Leetspeak, bei der<br />

man Buchstaben mit<br />

Ziffern vertauscht,<br />

wird gerne parodiert.<br />

Google in Leetspeak<br />

sehen Sie unter<br />

www.google.com/<br />

webhp?hl=xx-hacker.<br />

öfter dazu, zu eskalieren, während der Zank<br />

laut Luginbühl im Chat einfach abrupt beendet<br />

wird, etwa durch den Moderator. Die Sprachwissenschaftler<br />

sind sich jedenfalls einig, dass<br />

Chatten eine Mischform aus Gespräch- und<br />

Schriftform mit eigenen Regeln ist. Diskussionen<br />

gibt es nur darüber, wie diese Regeln genau<br />

funktionieren.<br />

Auch für den Micro-Blogging-Dienst Twitter<br />

gibt es mittlerweile einen eigenen Jargon.<br />

Der Multi-Protokoll-<br />

Messenger Trillian ist<br />

eines von vielen Programmen,<br />

mit denen<br />

man sich schnell im<br />

Web auf ein Schwätzchen<br />

treffen kann<br />

– halb mündlich, halb<br />

schriftlich.<br />

E-Mail: Brief oder Gespräch<br />

Ähnlich wie beim Chat gibt es auch bei der E-Mail<br />

Besonderheiten, welche die elektronischen von<br />

den papierenen Briefen unterscheiden, stellt<br />

Christa Dürscheid, Professorin für Germanistische<br />

Sprachwissenschaft an der Universität<br />

Zürich fest („E-Mail – verändert sie das Schreiben?“<br />

in Linguistik, Impulse und Tendenzen:<br />

Websprache.Net, Torsten Siever, Peter Schlobinski,<br />

Jens Runkehl (Hrsg.), Walter de Gruyter<br />

2005, S. 85ff). In E-Mails gibt es beispielsweise<br />

Web-Links und Dateianhänge, die aufwändiges<br />

Zitieren und Beschreiben unnötig machen.<br />

In einem Schriftwechsel werden die Mails des<br />

anderen oder Auszüge davon gleich an die eigene<br />

angehängt, was ebenfalls ein Zitat erspart.<br />

In der Anrede findet man häufig Formeln wie<br />

Hallo oder Guten Tag, die aus der gesprochenen<br />

Sprache kommen und in einem Papierbrief<br />

unangebracht wären. Die Toleranz gegenüber<br />

Rechtschreibfehlern ist in E-Mails größer als bei<br />

einem Papierbrief, da solche Fehler am Bildschirm<br />

schlechter erkennbar sind und die Mails<br />

häufig sehr schnell hin und her gehen. Professor<br />

Dieter Stein von der Heinrich Heine Universität<br />

Düsseldorf sieht in Abweichungen von der<br />

Standardsprache – Smileys, Kleinschreibung<br />

etc. – sogar ein Angebot von persönlicher Nähe,<br />

ähnlich der Aufforderung zum Duzen (Dieter<br />

Stein, „Sprache im Internet – Internet in Universität<br />

und Wirtschaft“, Jahrbuch der Heinrich Heine<br />

Universität Düsseldorf 2002, 305ff). Wie der<br />

Chat ist also auch die E-Mail eine Kommunikationsform<br />

mit eigenen Regeln. Laut Stein wäre es<br />

sogar verkehrt, die Maßstäbe eines Papierbriefs<br />

auf E-Mails anzuwenden, da sie in diesem Medium<br />

nicht funktionierten.<br />

Einfluss auf die Standardsprache<br />

Das Web beeinflusst schon jetzt die Standardsprache.<br />

Das Oxford English Dictionary (OED),<br />

das maßgebliche Wörterbuch der englischen<br />

Sprache, hat 2011 die Abkürzungen LOL und<br />

OMG (Oh, my god) in den Wortschatz aufge-<br />

www.pc-magazin.de <strong>PC</strong> <strong>Magazin</strong> 10/2011

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