2013-13 - beim LSO
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Ph FhNW<br />
Mit Geschichten den blick für das Andere schärfen<br />
Publikation. Wer kann sich vorstellen,<br />
dass Menschen mit einer geistigen<br />
behinderung Goethes Faust auf die<br />
bühne bringen? Franz hohler hat eine<br />
Vorstellung des theaters hORa besucht<br />
und dazu eine Geschichte geschrieben.<br />
Die Erzählung ist zusammen mit über<br />
zwanzig weiteren «Geschichten mit<br />
behinderung» kürzlich in der anthologie<br />
«alles wie immer?» erschienen.<br />
Mit dem Begriff Behinderung verbinden<br />
die meisten Menschen Erfahrungen und<br />
Vorstellungen von Einschränkung, Beeinträchtigung<br />
und Belastung. Nur wenige<br />
wissen aus eigener Erfahrung, was es<br />
bedeutet, behindert zu sein oder zu werden:<br />
Die Mehrzahl der Einschränkungen,<br />
welche Betroffene erleben, sind auf Barrieren<br />
und hindernisse zurückzuführen,<br />
und auch Beeinträchtigungen und Belastungen<br />
haben oft mehr mit dem fehlenden<br />
Verständnis des sozialen umfeldes<br />
und ungenügenden Vorkehrungen im<br />
öffentlichen Bereich zu tun, als mit den<br />
individuellen Leistungsgrenzen. So bleiben<br />
Menschen mit einer geistigen Behinderung<br />
nicht selten von kulturellen Angeboten<br />
ausgeschlossen. Eine Aufführung<br />
von Goethes Faust zu besuchen, ist für sie<br />
ebenso ausserhalb des Vorstellbaren wie<br />
das Mitspielen auf der Bühne eines theaters.<br />
Wenn nun aber im theater hORA<br />
Menschen mit geistiger Behinderung<br />
eine Ausbildung als Schauspielerin oder<br />
Schauspieler geboten und in deren Verlauf<br />
Goethes Faust inszeniert wird, so<br />
ist dies zunächst überraschend und darüber<br />
hinaus wegweisend.<br />
darüber hinaus seine Projekte und Produktionen<br />
öffentlich zugänglich macht –<br />
ohne viel Aufhebens um das ungewöhnliche<br />
einer Faust-Inszenierung unter Einbezug<br />
aller Beteiligten, für die «alles<br />
wie immer» zu laufen scheint. Andrea<br />
Pfalzgraf vom Schweizer Fernsehen SRF<br />
hat die Geschichte der Inszenierung im<br />
DOK-Film «Goethe, Faust und Julia –<br />
Schauspielerin mit Downsyndrom» einer<br />
breiteren Öffentlichkeit erzählt. Franz<br />
hohler berichtet über seinen Besuch einer<br />
Aufführung von Faust 1 und 2 in der<br />
Erzählung «theater hORA!», welche im<br />
Lesebuch «Alles wie immer? – Geschichten<br />
mit Behinderung» abgedruckt ist.<br />
Die Anthologie versammelt 24 Geschichten<br />
von Schweizer Autorinnen und Autoren.<br />
Gemeinsam ist den texten, dass in<br />
ihnen Behinderung zur Sprache kommt:<br />
Sie zeigen beispielhaft, mit welchen hindernissen<br />
Betroffene wie Angehörige nach<br />
wie vor zu rechnen haben, in welchem<br />
horizont sich das Zusammenleben von<br />
Menschen mit und ohne Behinderung<br />
hierzulande abspielt und was es mit<br />
Inklusion und Partizipation in unserer<br />
Zeit auf sich hat. Die provokative Frage:<br />
«Alles wie immer?» erhält dabei in der<br />
Erzählung von Franz hohler ebenso<br />
wie in den anderen Geschichten der<br />
textsammlung eine lapidare Antwort:<br />
Alles wie immer!<br />
Johannes Gruntz-Stoll, Institut Spezielle<br />
Pädagogik und Psychologie<br />
Gruntz-Stoll, Johannes<br />
& Mürner, christian<br />
(hrsg.) (<strong>20<strong>13</strong></strong>) Alles<br />
wie immer? Geschichten<br />
mit behinderung.<br />
Zürich (chronos).<br />
Das ungewöhnliche ist auch normal<br />
Die Überraschung ist vor allem den erwähnten<br />
Erfahrungen und Vorstellungen<br />
von Behinderung zuzuschreiben,<br />
welche infrage gestellt werden: Offenbar<br />
belegen die erfolgreichen Projekte des<br />
theaters hORA, dass gerade nicht «alles<br />
wie immer» zu laufen braucht, dass es<br />
vielmehr Möglichkeiten gibt, die ausserhalb<br />
jener einschränkenden Realitäten<br />
liegen. Wegweisend ist denn auch ein<br />
Angebot, welches Jugendlichen und<br />
Erwachsenen mit einer Behinderung<br />
einen Weg auf die Bühne erschliesst und<br />
Das theater hORa inszeniert Faust I und II und regt den gesellschaftlichen Diskurs über behinderung<br />
erfolgreich an. Foto: Giancarlo Marinucci.<br />
Schulblatt AG/SO · <strong>13</strong>/<strong>20<strong>13</strong></strong><br />
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