Standpunkt Schöne Worte reichen nicht… 6Schulblatt AG/SO · <strong>13</strong>/<strong>20<strong>13</strong></strong> Standpunkt. Die aargauer Ständerätin christine Egerszegi fordert in ihrem Standpunkt, dass die musikalische ausbildung in der Schweiz endlich ernst genommen wird. «Bund und Kantone fördern die musikalische Bildung, insbesondere von Kindern und Jugendlichen.» Das ist der erste Abschnitt des neuen Verfassungsartikels, für den sich alle Kantone am 23. September 2012 mit gewaltigem Mehr ausgesprochen haben. Damit soll das Singen und Musizieren für unsere Kinder und Jugendlichen selbstverständlicher teil der ganzen Grundschule sein. Sie sollen auch die Möglichkeit haben, spezifisch in Musikschulen gefördert zu werden und besondere talente müssen gezielt unterstützt werden. Damit verknüpft sind aber nicht nur schöne hoffnungen, sondern damit verbunden ist auch die klare Forderung, dass die musikalische Ausbildung in unserem Land endlich ernst genommen wird. Eindrückliche 72,7 Prozent aller Stimmenden sagten «Ja» zur grösseren Bedeutung der musikalischen Bildung. Die Vox-Analyse zeigte klar, dass die Zustimmung bei der Basis jeder Partei zwischen 60 und 100 Prozent lag. Am grössten war sie bei den unter 39-Jährigen und über 70-Jährigen. Das erstaunt nicht: Die Jüngeren spüren den unmittelbaren Wert, aber auch die finanzielle Belastung <strong>beim</strong> Musikunterricht ihrer Kinder und für die Älteren gehörte das Singen und Musizieren in Schule und Elternhaus einfach dazu. Musik ist gesellschaftlich relevant Das Musizieren, das Erlernen eines Instruments, erweitert den Erlebnisbereich. Damit werden nicht nur besondere Fähigkeiten geweckt und gefördert, das Musizieren berührt den ganzen Menschen: sein Denken, handeln und Fühlen. Selber gestalten, die töne nicht nur erklingen, sondern einordnen in eine Reihe allein oder in harmonischem Zusammenspiel mit andern, das sind Fertigkeiten von grösster Bedeutung in Alltag und Beruf. Gerade in unserer Gesellschaft, mit den Kleinfamilien, und der tatsache, dass in der Freizeit viele allein vor dem Fernseher oder computer sitzen, ist dies besonders wichtig, weil wir uns nicht zu einer Gesellschaft von Einzelgängern Der Musikunterricht darf nicht bei jeder Sparmassnahme wieder unter die Räder kommen. entwickeln dürfen. Weshalb gestehen wir aber der musikalischen Bildung nicht den Wert zu, den sie haben sollte? hier brauchte es ein umdenken. Genau da setzt der neue Verfassungsartikel «Musikalische Bildung» an. Bundesrat Alain Berset hat am tag nach der Abstimmung eine Arbeitsgruppe eingesetzt für die zügige umsetzung der Forderungen an den Bund. Aber auch die Kantone sind aufgerufen, die Lehrplan-21-Beschlüsse entsprechend anzureichern. Eine blosse harmonisierung reicht nicht. Es braucht entsprechend ausgebildete Lehrpersonen, es erfordert die dazu notwendigen Lehrmittel und der Musikunterricht darf nicht bei jeder Sparmassnahme wieder unter die Räder kommen. Eigentlich finden ja alle, das Singen und Musizieren sei aus unserem Alltag nicht wegzudenken! Doch der Ruf, zu handeln, ist noch nicht in allen Bildungsdirektionen angekommen. Man hört immer wieder: das verursache Kosten. Ja, das habe ich im Abstimmungskampf immer wieder gesagt: Wenn mehr Kinder mehr musizieren und die Eltern weniger Kosten selber tragen müssen, ist das nicht gratis. trotzdem haben alle Kantone «Ja» gesagt. Im Abstimmungskampf hat mir ein Zürcher Nationalrat vorgeworfen, dass viele Kinder mit teurem Geld ein Instrument erlernen, und es nach ein paar Jahren in eine Ecke stellen – das seien zum Fenster hinausgeworfene Millionen. Ich habe ihm geantwortet, dass ich in der Bezirksschule auch Algebra gelernt habe und diese Buchstabenformeln nie gebraucht habe – und dennoch: das war Bildung! Auch in Zeiten, in denen die finanziellen Mittel knapper sind, dürfen wir nicht vergessen, dass die musikalische Bildung und Ausbildung für die Gesellschaft enorm wichtig sind: Gemeinsam gestalten, üben auf ein Ziel hin, auf den anderen hören, miteinander beginnen und enden, akzeptieren, dass man streng geleitet wird, da sonst das Stück auseinanderfällt. Das ist Jugendarbeit, Erziehung und Schulung erster Güte – und dies erst noch in einer guten Atmosphäre! christine Egerszegi-Obrist, Ständerätin
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