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Holger Backh<strong>aus</strong>-Maul / Thomas Groß<br />

Treuhandverträge in der Freien<br />

Wohlfahrtspflege des Landes Berlin<br />

MARTIN-LUTHER-UNIVERSITÄT<br />

HALLE-WITTENBERG<br />

P H I L O S O P H I S C H E F A K U L T Ä T III


Holger Backh<strong>aus</strong>-Maul / Thomas Groß<br />

Treuhandverträge in der Freien<br />

Wohlfahrtspflege des Landes Berlin<br />

MARTIN-LUTHER-UNIVERSITÄT<br />

HALLE-WITTENBERG<br />

P H I L O S O P H I S C H E F A K U L T Ä T III


AUFTRA GGE BER:<br />

Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband/Landesver band Berlin<br />

AUFTRA GNEHME R:<br />

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />

Philosophische Fakultät III<br />

Erziehungswissenschaften<br />

Fachgebiet „Recht, Verwaltung und Organisation“<br />

Halle, im Februar 2008


INHALTSVERZEICHNIS<br />

Kurzfassung ................................................................................................................................................ 5<br />

Einleitung .................................................................................................................................................... 9<br />

I. Wohlfahrtsstaatliches Kontraktmanagement .................................................................. 11<br />

II. Berliner Treuhandverträge ..................................................................................................... 21<br />

III. Forschungsdesign ....................................................................................................................... 24<br />

IV. Ergebnisse der <strong>Untersuchung</strong> ................................................................................................ 26<br />

a. Rollenverständnis der Akteure ................................................................................ 28<br />

b. Steuerung über Kontraktmanagement ................................................................. 31<br />

c. Politische Einflussnahme ........................................................................................... 45<br />

d. Autonomie der Träger ................................................................................................. 48<br />

e. Finanzielle Ressourcen ............................................................................................... 50<br />

f. Transparenz in der Aufgabenwahrnehmung ...................................................... 59<br />

g. Qualität der Leistungserbringung .......................................................................... 63<br />

h. Intermediäre Verhandlungsposition der Verbände ......................................... 65<br />

V. Zusammenfassung und Fazit .................................................................................................. 70<br />

Literaturverzeichnis ................................................................................................................................. 75<br />

Anlagenverzeichnis .................................................................................................................................. 81<br />

B E R L I N E R T R E U H A N D V E R T R Ä G E S E I T E | 3


B E R L I N E R T R E U H A N D V E R T R Ä G E S E I T E | 4


KURZFASSUNG<br />

Das Bundesland Berlin schließt seit Mitte der 1990er Jahre im Bereich der über Zuwendungen<br />

finanzierten gesundheitlichen und sozialen Leistungen Treuhandverträge mit den<br />

Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege ab. <strong>Die</strong> Verbände werden <strong>als</strong> intermediäre<br />

Beliehene zwischen Verwaltung und Zuwendungsempfänger eingeführt, die einerseits ein<br />

vertragliches Treuhandverhältnis mit der zuwendungsgebenden Verwaltung und andererseits<br />

ein Förderverhältnis mit den Leistungsanbietern eingehen. <strong>Die</strong> Beleihung muss durch<br />

einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, den sogenannten Treuhandvertrag, erfolgen.<br />

Nach über zehnjähriger Erfahrung mit den Treuhandverträgen lag es im Interesse des Paritätischen<br />

Wohlfahrtsverbandes, eine Zwischenbilanz zu ziehen, und festzustellen, welche<br />

Erfahrungen und Einschätzungen die an den Treuhandverträgen beteiligten Akteure haben.<br />

Anfang 2006 wurde die Philosophische Fakultät III/Erziehungswissenschaften/Fachgebiet<br />

„Recht, Verwaltung und Organisation“ an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />

mit der Durchführung dieser <strong>Untersuchung</strong> beauftragt. Mit Hilfe von Experteninterviews<br />

sollte geklärt werden, ob und wenn ja, wie sich die Einführung von Treuhandverträgen <strong>aus</strong><br />

Sicht der beteiligten Akteure auf die Leistungserbringung <strong>aus</strong>gewirkt hat. Als Experten für<br />

Treuhandverträge wurden solche Interviewpartner/innen 1 <strong>aus</strong>gewählt, die auf den verschiedenen<br />

Hierarchieebenen in Politik, Verwaltung und Verbänden in den Entscheidungsprozess<br />

über die Ein- und Fortführung von Treuhandverträgen involviert waren und sind. Insgesamt<br />

wurden zwischen April und November 2006 vierzehn Interviews mit siebzehn Experten geführt.<br />

<strong>Die</strong> Befunde machen deutlich, dass die Praxis der Treuhandverträge unterschiedlich gedeutet<br />

und bewertet wird:<br />

Rollenverständnis der Akteure: Sachverhalte, wie Aufgabenkritik der Senatsverwaltung, Verantwortungsübernahme<br />

der Verbände und der damit zusammenhängende Rollenkonflikt<br />

infolge des „doppelten Mandats“ der Verbände sowie die kooperative Zusammenarbeit zwischen<br />

den Vertragsparteien, die schließlich mit den Erfordernissen staatlicher Fachaufsicht<br />

kollidiert, geben Grund zu der Annahme, dass es auf beiden Seiten, sowohl bei den Verbänden<br />

<strong>als</strong> auch bei der Senatsverwaltung im Zuge der Einführung von Treuhandverträgen zu<br />

einer veränderten Wahrnehmung und relativen Unklarheit ihrer bisherigen Rollen und Funktionen<br />

gekommen ist.<br />

Steuerung über Kontraktmanagement: <strong>Die</strong> Verträge würden sowohl der Senatsverwaltung<br />

<strong>als</strong> auch den Verbänden relativ große Gestaltungsspielräume ermöglichen. <strong>Die</strong> Verbände<br />

heben besonders hervor, dass sie durch die Verträge aktive Steuerungsmöglichkeiten unter<br />

Beteiligung ihrer <strong>Die</strong>nste und Einrichtungen gewonnen hätten. <strong>Die</strong> Steuerungsmöglichkeiten<br />

jedoch, die die Verbände durch die Verträge bekommen haben, „gehören ihnen eigentlich<br />

1 Im Folgenden wird <strong>aus</strong> Gründen der besseren Lesbarkeit nur die männliche Kurzform verwand; selbstverständlich<br />

sind aber immer – wenn nicht <strong>aus</strong>drücklich anders vermerkt – beide Geschlechter gemeint.<br />

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nicht“ – so Verbandsvertreter – da Steuerung Staatsaufgabe sein solle. Kritisiert werden von<br />

den Verbänden fehlende Steuerungsleistungen der Senatsverwaltung. Es wird sogar davon<br />

gesprochen, dass die Senatsverwaltung sich selbst nicht mehr in der Lage sähe, Umverteilungsprozesse<br />

und Kürzungen allein zu steuern. Hinzu kommt, dass auch aufseiten der<br />

Verbände die Gestaltungsspielräume infolge ständiger Mittelkürzungen immer kleiner würden.<br />

Politische Einflussnahme: <strong>Die</strong> wechselseitige politische Einflussnahme zwischen Einrichtungen<br />

und <strong>Die</strong>nsten einerseits sowie Politik andererseits hat sich nach Einschätzung der<br />

interviewten Experten durch die Treuhandverträge stark reduziert. Als Gründe werden die<br />

mehrjährigen Laufzeiten der Verträge, die in der Folge ein jährliches Eingreifen im Rahmen<br />

der H<strong>aus</strong>haltsplanung verhindern sowie die Übertragung von (Mit-) Entscheidungsrechten an<br />

Wohlfahrtsverbände und der Bedeutungsverlust des klassischen Projekt-Lobbyismus gegenüber<br />

Abgeordneten angegeben.<br />

Autonomie der Träger: <strong>Die</strong> <strong>Die</strong>nste und Einrichtungen haben durch die Planungssicherheit<br />

der Treuhandverträge an fachlicher Autonomie gewonnen. <strong>Sie</strong> könnten ihre Ressourcen für<br />

die fachliche Arbeit anstatt für lobbyistische Zwecke einsetzen. Gleichzeitig erzeugten die<br />

Treuhandverträge aber eine stärkere Abhängigkeit der <strong>Die</strong>nste und Einrichtungen von ihren<br />

jeweiligen Verbänden.<br />

Finanzielle Ressourcen: <strong>Die</strong> Treuhandverträge haben zu einer Stabilisierung der Mittel geführt.<br />

Ohne die Verträge hätte das Land in seiner momentanen H<strong>aus</strong>haltslage vor<strong>aus</strong>sichtlich<br />

höhere Mittelkürzungen vollzogen. Allerdings seien Mitteleinsparungen auch im Bereich der<br />

Treuhandverträge notwendig, sodass man eine Kürzung des Gesamtangebotes allerdings in<br />

Kauf nehmen würde. Jedoch steigt mit zunehmenden Mittelkürzungen auch der Widerstand<br />

der Verbände, weiterhin die Treuhänderrolle für die Senatsverwaltung zu übernehmen. Belegt<br />

sind jedoch die hohen Einsparungen, die die Verbände in den letzten Jahren innerhalb<br />

der Verträge umsetzen konnten.<br />

Transparenz in der Aufgabenwahrnehmung: Mit den Treuhandverträgen sei erstm<strong>als</strong> eine<br />

Vergleichbarkeit von Leistungsangeboten ermöglicht worden. Sowohl bei den Leistungsbeschreibungen<br />

<strong>als</strong> auch bei der Dokumentation der erbrachten Leistungen habe man – nach<br />

Selbsteinschätzung – beachtliche Erfolge erzielt. Seitens der Politik werden jedoch fehlende<br />

Einblicke in die Entscheidungsgrundlagen der LIGA beklagt. Darüber hin<strong>aus</strong> würden die Auswertungen<br />

und Erfolgskontrollen nur ansatzweise Realität widerspiegeln. „Das heißt, es geht<br />

nicht mehr darum, was wirklich ist, sondern wie es sich in Statistiken und sonst wo darstellen<br />

lässt.“<br />

Qualität der Leistungserbringung: Qualitätsverbesserungen seien nicht allein durch die Übertragung<br />

der Aufgaben auf Wohlfahrtsverbände zu erwarten. Man müsse mit allen Beteiligten<br />

kooperieren, um bei Problemen „partnerschaftliche“ Lösungen zu erarbeiten. Allerdings<br />

kann sich die Planungssicherheit langfristiger Verträge, wie sie durch die Treuhandverträge<br />

bewirkt wird, durch<strong>aus</strong> nicht ganz unproblematisch auf die Qualität der Arbeit <strong>aus</strong>wirken,<br />

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soweit eine weitere Finanzierung der <strong>Die</strong>nste und Einrichtungen nicht vorrangig von der<br />

Qualität ihrer erbrachten Leistungen abhängen sollte; auch sei nicht zu erwarten, dass sich<br />

qualitativ bessere Arbeit nicht automatisch und allein durch höhere Zuwendungen erreichen<br />

ließe.<br />

Intermediäre Verhandlungsposition der Verbände: <strong>Die</strong> Aufgabe der Verbände bestünde vor<br />

allem darin, einen Interessen<strong>aus</strong>gleich zwischen <strong>dem</strong> Staat auf der einen und den Leistungsträgern<br />

auf der anderen Seite zu schaffen. <strong>Die</strong> Verbände seien näher an den<br />

Leistungserbringern „dran“ <strong>als</strong> die Senatsverwaltung und daher <strong>als</strong> Vermittler besser geeignet.<br />

Ein relevantes Problem sei momentan, nicht zu wissen, wer alles in die<br />

Planungsprozesse mit einzubeziehen ist. „Es scheint sich momentan eher in die Richtung zu<br />

entwickeln, dass wir immense Abstimmungs- und Abspracheprobleme kriegen.“ Auch die<br />

Verbindung zur Politik müsse wieder stärker gesucht werden, da sie durch die Treuhandverträge<br />

etwas abhanden gekommen sei.<br />

<strong>Die</strong> Studie zeigt, dass mit Hilfe der Verträge positive Entwicklungen eingeleitet, aber auch<br />

Unzulänglichkeiten zu Tage getreten sind. Das „Experiment Treuhandverträge“ des Landes<br />

Berlin wird am Ende der Einführungsphase von den beteiligten Akteuren in Abwägung der<br />

Vor- und Nachteile <strong>als</strong> grundsätzlich sinnvoll und zweckmäßig eingestuft.<br />

Offen geblieben ist, was – unter Kontraktbedingungen – eine erfolgreiche politische Steuerung<br />

<strong>aus</strong>macht und welche beobachtbaren und gegebenenfalls messbaren Effekte sie erzielt.<br />

Auf Seiten der Freien Wohlfahrtspflege stellt sich angesichts der mit dieser Studie vorgelegten<br />

Befunde die Grundsatzfrage, wie sich das verbandliche Selbstverständnis im<br />

Spannungsfeld zwischen Beauftragung und Beleihung entwickelt, beziehungsweise welchen<br />

Sinn und Zweck die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege mit der neu gewonnenen<br />

Autonomie und ihrer wachsenden Bedeutung im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis verbinden.<br />

Und nicht zuletzt wäre zukünftig zu untersuchen, welche Verbesserungen und ggf.<br />

Verschlechterungen die Einführung von Treuhandverträgen auf Seiten der Klienten – um die<br />

es eigentlich geht – zur Folge haben.<br />

B E R L I N E R T R E U H A N D V E R T R Ä G E S E I T E | 7


B E R L I N E R T R E U H A N D V E R T R Ä G E S E I T E | 8


EINLEITUNG<br />

Seit einigen Jahren hat Berlin etwas zu bieten, was in dieser Form in Deutschland bisher<br />

einmalig ist: <strong>Die</strong> Initiative des Staates zur Beteiligung von Nonprofit-Organisationen, d.h. <strong>hier</strong><br />

der Freien Wohlfahrtspflege, an der Aufgabenerbringung im zuwendungsfinanzierten Sozialund<br />

Gesundheitsbereich. Das Bundesland Berlin verzichtet dabei nicht nur zugunsten der<br />

Freien Wohlfahrtspflege auf die direkte Leistungserbringung, sondern gibt sogar seine bisher<br />

ureigene Aufgabe, die Vergabe der Fördermittel, an die Wohlfahrtsverbände ab, die seit<strong>dem</strong><br />

im Auftrag des Staates mittels sogenannter Treuhandverträge <strong>als</strong> Zuwendungsgeber gegenüber<br />

den betroffenen Einrichtungen und Projekten fungieren. <strong>Die</strong>se spezielle Form<br />

sozi<strong>als</strong>taatlichen Kontraktmanagements verdient besondere sozialwissenschaftliche Aufmerksamkeit.<br />

Der vorliegende Bericht „Treuhandverträge in der Freien Wohlfahrtspflege des Landes Berlin“<br />

stellt die Befunde des gleichnamigen Forschungsprojektes dar, dass an der Martin-<br />

Luther-Universität Halle-Wittenberg/Philosophische Fakultät III/Erziehungswissenschaften/<br />

Fachgebiet „Recht, Verwaltung und Organisation“ im Auftrag des Deutschen Paritätischen<br />

Wohlfahrtsverbandes/Landesverband Berlin in den Jahren 2006-2007 durchgeführt wurde.<br />

Im Rahmen dieses empirischen Forschungsprojektes wurde untersucht, welche Erfahrungen<br />

Expertinnen und Experten in Politik, Verwaltung und Wohlfahrtspflege mit Treuhandverträgen<br />

gemacht haben und wie sie diesen Gegenstandsbereich einschätzen. Zu diesem Zweck<br />

wurden leitfadengestützte Expertengespräche mit Vertretern der an den Verträgen beteiligten<br />

Senatsverwaltungen, parlamentarischen Ausschüsse, Spitzenverbände der Freien<br />

Wohlfahrtspflege sowie Fachverbände und <strong>Die</strong>nstleister geführt.<br />

Der vorliegende Bericht skizziert eingangs die aktuelle Debatte zum wohlfahrtstaatlichen<br />

Kontraktmanagement und den aktuellen Stand der sozial- und verwaltungswissenschaftlichen<br />

Forschung zu diesem Thema (Kapitel I). Anschließend werden der konkrete<br />

<strong>Untersuchung</strong>sgegenstand, d.h. die in die <strong>Untersuchung</strong> einbezogenen Treuhandverträge<br />

(Kapitel II), sowie das Forschungsdesign dargestellt (Kapitel III). Im Hauptteil des Berichts<br />

werden die Befunde der <strong>Untersuchung</strong> präsentiert. <strong>Die</strong> Darstellung folgt dabei den thematischen<br />

Schwerpunkten der Experteninterviews, d.h.:<br />

<strong>dem</strong> Rollenverständnis der Akteure,<br />

der Steuerung mittels Kontraktmanagement,<br />

der politischen Einflussnahme,<br />

der Autonomie der Träger,<br />

den finanziellen Ressourcen,<br />

der Transparenz in der Aufgabenwahrnehmung,<br />

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der Qualität der Leistungserbringung und<br />

der intermediären Verhandlungsposition der Verbände (Kapitel IV).<br />

Der Bericht schließt mit einer zusammenfassenden Darstellung und Analyse der Kernbefunde<br />

(Kapitel V).<br />

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I. WOHLFAHRTSSTAATLICHES KONTRAKTMANAGEMENT<br />

New Public Management<br />

Von den USA, Großbritannien, Australien und Neuseeland <strong>aus</strong>gehend erfährt das Modell des<br />

New Public Management (NPM) seit den 1970er Jahren zunehmende Aufmerksamkeit. In<br />

der deutschen Debatte ist dieses Modell zur Reform der öffentlichen Verwaltung zeitverzögert<br />

in den 1990er Jahren vor allem unter <strong>dem</strong> Namen Neues Steuerungsmodell bekannt<br />

geworden. Mit <strong>dem</strong> Neuen Steuerungsmodell wird das Ziel verbunden, die Kosten der öffentlichen<br />

Verwaltung durch Steigerung von administrativer Effizienz und Effektivität zu<br />

senken; darüber hin<strong>aus</strong> soll mehr Wettbewerb unter den Anbietern öffentlicher Leistungen<br />

hergestellt, den Bürgern Wahlmöglichkeiten bei der Inanspruchnahme des öffentlichen<br />

<strong>Die</strong>nstleistungsangebotes eröffnet sowie die Transparenz, Innovation und Qualität der Leistungserbringung<br />

gefördert werden (vgl. Dahme/Kühnlein/Wohlfahrt/Burmester 2005: 50;<br />

Maelicke 2005: 151; Ruflin 2006: 59; Schröter/Wollmann 2005: 63).<br />

Aufgabenkritik<br />

Im Zentrum von NPM steht die Frage, welche Leistungen der Staat in Zukunft selbst erbringen<br />

sollte, und welche Leistungen dagegen von Privaten erbracht werden <strong>können</strong>. Im Kern<br />

geht es <strong>hier</strong>bei <strong>als</strong>o um eine neue Arbeitsteilung zwischen Staat, Wirtschaft, Zivilgesellschaft<br />

und Bürgern. Der Staat hat dabei in einem ersten Schritt zu entscheiden, für welche Aufgaben<br />

er grundsätzlich Verantwortung übernehmen will (Zweckkritik), um anschließend zu<br />

überlegen, wie er diese Aufgaben wahrnehmen möchte (Verfahrenskritik). Dabei legt er fest,<br />

in welcher Organisationsform diese Aufgaben in politischer, qualitativer und ökonomischer<br />

Hinsicht sinnvoll und zweckmäßig zu erfüllen sind (vgl. Naschold/Budäus/Jann/Mezger/<br />

Oppen/Picot/Reichard/Schanze/Simon 1996: 13). Der Staat übernimmt bei diesen Aufgaben<br />

die Verantwortung, dass diese Aufgaben auch tatsächlich erbracht werden (Gewährleistungsverantwortung).<br />

Wie er diese Verantwortung versteht und definiert, kann<br />

nation<strong>als</strong>taatlich unterschiedlich sein. Eine umfassende Verantwortung übernimmt er, wenn<br />

er selbst die Leistung erbringt (Vollzugsverantwortung). Er kann sich allerdings auch darauf<br />

beschränken, <strong>aus</strong>schließlich die finanziellen Mittel zur Wahrnehmung der Aufgabe zur Verfügung<br />

zu stellen (Finanzierungsverantwortung) oder aber lediglich eine Garantie dafür<br />

übernehmen, dass eine Aufgabe auch dann noch angeboten wird, wenn Private diese nicht<br />

mehr selbst anbieten <strong>können</strong> oder wollen (Auffangverantwortung) (vgl. Röber 2005: 89).<br />

Durch diese Differenzierung kann der Staat sicherstellen, dass er trotz Privatisierung staatlicher<br />

Aufgaben nicht per se auch seine Verantwortung verliert oder aufgibt. Überall dort, wo<br />

zu erwarten ist, dass Private eine Leistung qualitativ besser bzw. eventuell sogar wirtschaftlicher<br />

erbringen <strong>können</strong>, müsste sich der Staat unter der ordnungspolitischen Prämisse des<br />

Subsidiaritätsprinzips <strong>aus</strong> seiner Vollzugsverantwortung her<strong>aus</strong>lösen und Privaten die Aufgabenerbringung<br />

überlassen. Allerdings ist es im wohlverstandenen Eigeninteresse des<br />

Staates eine derartige Privatisierung steuernd umzusetzen, in <strong>dem</strong> die Rahmen vorgegeben<br />

werden, innerhalb derer die Aufgabe durch Private erbracht werden soll.<br />

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Kontraktmanagement<br />

Ein wichtiges Instrument des NPM ist das Kontraktmanagement, d.h. die Steuerung über<br />

Zielvereinbarungen. Kontrakte basieren auf Zielen, die unter den Kontraktpartnern für einen<br />

bestimmten Zeitraum vereinbart worden sind (vgl. Kommunale Gemeinschaftsstelle für<br />

Verwaltungsvereinfachung 1998: 12 f.). Nach den Vorschlägen der Kommunalen Gemeinschaftsstelle<br />

für Verwaltungsvereinfachung sollten Kontrakte insbesondere Vereinbarungen<br />

enthalten über die Quantität und Qualität der zu erstellenden Leistungen, über das dafür<br />

benötigte Budget sowie Inhalt und Art der Berichterstattung über die Umsetzung der Ziele.<br />

Das Kontraktmanagement richtet folglich die Aufmerksamkeit auf das Leistungsergebnis und<br />

stellt damit einen paradigmatischen Wechsel von der klassisch administrativen Input-<br />

Steuerung zur neuen wirtschaftlichen Output-Steuerung dar (vgl. Jann 2005: 77; Nullmeier<br />

2005: 431).<br />

Es soll dazu beitragen, die Verantwortung von dezentralen Einheiten der Staatsverwaltung<br />

zu stärken, dabei jedoch die Steuerungsmöglichkeiten durch die übergeordnete Instanz sicherstellen<br />

(vgl. Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung 1998: 10 f.).<br />

Kontraktmanagement vollzieht sich von daher in vier Phasen (siehe Grafik): (1) Zielfindung,<br />

(2) Zielvereinbarung, (3) Zielvollzug und (4) Rechenschaft, die jeweils durch ein kontinuierliches<br />

Controlling unterstützt werden, das die Kontraktpartner mit entscheidungsrelevanten<br />

Informationen versorgt und die Leistungen und Planungen der einzelnen Bereiche aufeinander<br />

abstimmt (vgl. Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung 1998:<br />

28).<br />

Managementzyklus Kontraktmanagement<br />

• Controlling<br />

• Controlling<br />

Zielfindung<br />

Zielvereinbarung<br />

(Kontrakt)<br />

Rechenschaft<br />

(Ziel-) Vollzug<br />

• Controlling<br />

• Controlling<br />

Quelle: In Anlehnung an KGSt 1998: 22.<br />

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Dasselbe gilt auch im Außenverhältnis zwischen Staat und privaten Leistungsanbietern. Der<br />

Staat entscheidet über spezifische öffentliche Aufgaben und bestellt die entsprechenden<br />

Leistungen bei Privaten, die <strong>als</strong> <strong>Die</strong>nstleister diese Leistungen erbringen. Bei wohlfahrtsstaatlichen<br />

Leistungen spricht man auch vom wohlfahrtsstaatlichen Kontraktmanagement.<br />

Einzelheiten dieser Aust<strong>aus</strong>chbeziehung zwischen Staat und privaten Leistungserbringern<br />

werden in Kontrakten vereinbart. <strong>Die</strong>se <strong>können</strong> sowohl in Form von Zielvereinbarungen oder<br />

in Form von rechtlich verbindlichen Leistungsverträgen bestehen. <strong>Sie</strong> sollen sicherstellen,<br />

dass die Aufgaben in der Art und Weise erbracht werden, wie es der Staat <strong>als</strong> Auftraggeber<br />

vorsieht. In Einzelfällen kann es zu einem reinen <strong>Die</strong>nstleistungseinkauf kommen, was den<br />

freien Trägern kaum noch eigenständige Gestaltungsspielräume bzw. Autonomie gewährt<br />

(vgl. Goetz 1999: 21).<br />

Theoretische Bezüge<br />

<strong>Die</strong> theoretischen Bezüge des NPM sind über<strong>aus</strong> vielfältig; eine einheitliche theoretische<br />

Grundlegung ist nicht gegeben. Ein Grund <strong>hier</strong>für dürfte darin zu sehen sein, dass sich im<br />

Rahmen der Verwaltungsmodernisierung vor allem Experten engagiert haben, die an praktischen<br />

Lösungen für anstehende Probleme interessiert sind. Je nach fachlicher Ausrichtung<br />

der beteiligten Experten werden unterschiedliche theoretische Ansätze favorisiert. Im Folgenden<br />

werden <strong>aus</strong>gewählte praxisrelevante Ansätze <strong>aus</strong> den Bereichen Mikroökonomie,<br />

Wohlfahrtsstaatspolitik und Sozialarbeit skizziert, die zu<strong>dem</strong> für das Verständnis und die<br />

Analyse der Treuhandverträge von besonderer Bedeutung sind.<br />

Mikroökonomische Ansätze<br />

Mikroökonomische Ansätze sind von allgemeiner und grundlegender Bedeutung für das<br />

NPM. Leitende Fragestellung dieser Ansätze ist die Bedeutung von institutionellen Regelungen<br />

für das Marktverhalten bzw. wie sich das Handeln der Marktteilnehmer auf Institutionen<br />

<strong>aus</strong>wirkt. Im Mittelpunkt des Erkenntnisinteresses steht dabei das Verhältnis zwischen Staat,<br />

Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Bürgern. Als besonders wichtige mikroökonomische Ansätze<br />

sind in diesem Zusammenhang der Transaktionskostenansatz, die Property-Rights-Theorie<br />

sowie die Principle-Agent-Theorie zu nennen.<br />

Transaktionskostenansatz<br />

Der Transaktionskostenansatz beleuchtet den Aspekt, dass bei der Übertragung von (wohlfahrtsstaatlichen)<br />

Aufgaben transaktionsbedingte Zusatzkosten entstehen und<br />

Transaktionen daher nicht kostenneutral erfolgen. Das <strong>Untersuchung</strong>sinteresse richtet sich<br />

auf die Betriebskosten des Wirtschaftens, um festzustellen welche Einrichtung und welcher<br />

<strong>Die</strong>nst eine Leistung vergleichsweise effektiv und effizient erbringt (vgl. Ruflin 2006: 63; Williamson<br />

1985).<br />

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Property-Rights-Theorie<br />

<strong>Die</strong> Property-Rights-Theorie 2 thematisiert die Eigentums- und Verfügungsrechte, die den<br />

handelnden Akteuren einen institutionellen Rahmen vorgeben, innerhalb dessen sie agieren<br />

und auch Transaktionskosten erzeugen. Angenommen wird, dass Akteure <strong>als</strong> Eigentümer<br />

grundsätzlich gewinnorientiert handeln und bestrebt sind, effizient zu wirtschaften und die<br />

Transaktionskosten niedrig zu halten. <strong>Die</strong> offene Frage ist allerdings, durch welche Anreize<br />

und Sanktionen man sicherstellen kann, dass Individuen auch in den Fällen bestrebt sind,<br />

effizient zu wirtschaften, in denen sie nicht die Eigentümer sind (vgl. Grüning 2000: 205 ff.;<br />

Proeller 2002: 68; Ruflin 2006: 64).<br />

Principle-Agent-Theorie<br />

Bei der Principle-Agent-Theorie steht das Verhältnis zwischen Auftraggeber (Principle) und<br />

Auftragnehmer (Agent) im Fokus der Aufmerksamkeit. Der Auftraggeber <strong>als</strong> Nicht-Fachmann<br />

hat gegenüber <strong>dem</strong> Auftragnehmer häufig ein Informationsdefizit und muss daher darauf<br />

vertrauen, dass der Auftragnehmer in seinem Sinne handelt. Problematisch an diesem Verhältnis<br />

ist allerdings, dass sowohl Auftraggeber <strong>als</strong> auch Auftragnehmer jeweils eigene<br />

Interessen haben, die nicht unbedingt deckungsgleich sind. Um Schaden an seinem Eigentum<br />

zu vermeiden, muss der Auftraggeber Überwachungs- und Kontrollmechanismen sowie<br />

Anreizsysteme entwickeln und die entsprechenden Kosten einkalkulieren. <strong>Die</strong> Beziehung<br />

zwischen Principle und Agent sowie die gegenseitigen Erwartungen und Verpflichtungen<br />

werden üblicherweise in einem Kontrakt kodifiziert (vgl. Proeller 2002: 68 f.; Ruflin 2006:<br />

64 f.).<br />

Leistungstiefenpolitik<br />

Im deutschsprachigen Diskurs wird versucht, die genannten Ansätze im Konzept der Leistungstiefenpolitik<br />

zu integrieren. Im Kern geht es <strong>hier</strong> um die Frage „was macht ein Staat<br />

mittels seiner Verwaltung selber und was kauft er bei Privatpersonen oder Privatorganisationen<br />

zu welchen Bedingungen, warum und zu welchem Zeitpunkt und für welche Dauer<br />

ein“ (Ruflin 2006: 66). Der Staat versteht sich in diesem Sinne zunehmend <strong>als</strong> Gewährleistungsstaat<br />

und stellt lediglich die rechtlichen Rahmenbedingungen für die unterschiedlichen<br />

Leistungserbringer zur Verfügung (vgl. Dahme/Kühnlein/Wohlfahrt/Burmester 2005: 53).<br />

In einer kritischen Betrachtung der genannten mikroökonomischen Ansätze wird hervorgehoben,<br />

dass das zugrunde liegende Menschen- und Weltbild vor allem an Vorstellungen von<br />

Gewinnmaximierung orientiert ist und dass tradierte gesellschaftliche Werte wie Gerechtigkeit,<br />

Chancengleichheit, Toleranz und Integration vernachlässigt werden (vgl. Taylor-Gooby<br />

1999). Der flexible Mensch, der sich ständig neu an veränderte Rahmenbedingungen anpassen<br />

muss, verhält sich zwar ökonomisch sinnvoll, ist aber – so der Kulturphilosoph Richard<br />

Sennett – <strong>dem</strong> Risiko der seelischen und sozialen „Verarmung“ <strong>aus</strong>gesetzt (vgl. Sennett<br />

2000; Ruflin 2006: 67).<br />

2 Auch: Theorie der Verfügungsrechte.<br />

B E R L I N E R T R E U H A N D V E R T R Ä G E S E I T E | 14


Wohlfahrtsstaatliche Ansätze<br />

Einen anderen Zugang zum Thema Kontraktmanagement eröffnen wohlfahrtsstaatliche Ansätze,<br />

deren Ausgangspunkt die jeweiligen nationalen Varianten von Sozialpolitik darstellen.<br />

Der Staat wird <strong>hier</strong> <strong>als</strong> eine Institution betrachtet, die ihren Bürgern eine Reihe von Leistungen<br />

zur Verfügung stellt, auf die sie individuelle Rechtsansprüche haben. <strong>Die</strong>se Leistungen<br />

werden allerdings nicht nur vom Staat selbst, sondern auch von Dritten bereitgestellt, derer<br />

sich der Staat bedient. Somit entstehen zwischen Staat und Gesellschaft Interdependenzen,<br />

die durch Abhängigkeiten und Ungleichgewichte gekennzeichnet sind (vgl. Smith/Lipsky<br />

1998: 4 f.). Dem Kontraktmanagement und der Rolle der Nonprofit-Organisationen <strong>als</strong> Leistungserbringer<br />

sowie den zugrunde liegenden politischen Prozessen, ökonomischen<br />

Alternativen und gesellschaftspolitischen Präferenzen kommt <strong>hier</strong>bei besondere Aufmerksamkeit<br />

zu.<br />

Dritte-Sektor-Forschung<br />

<strong>Die</strong> Dritte-Sektor-Forschung bietet theoretisch-konzeptionelle Anknüpfungspunkte für die<br />

Bearbeitung dieser forschungsleitenden Fragestellungen. <strong>Sie</strong> definiert Nonprofit-<br />

Organisationen und Zivilgesellschaft <strong>als</strong> Dritten Sektor zwischen Markt und Staat (vgl. Anheier/Seibel<br />

1990; Birkhölzer 2005). Dabei wird Nonprofit-Organisationen eine hohe<br />

volkswirtschaftliche Signifikanz sowie hohe Bedeutung <strong>als</strong> gesellschaftspolitischer Akteur<br />

bescheinigt (vgl. Meyer 1999; Salamon/Anheier 1997; Zimmer/Hallmann 2002: 23). <strong>Die</strong> Dritte-Sektor-Forschung<br />

ist aber nicht nur makrosoziologisch <strong>aus</strong>gerichtet, sondern untersucht<br />

auch die Meso- bzw. Organisationsebene dieses Sektors, etwa organisationspolitische Konflikte<br />

und Effizienzmängel (vgl. Salamon 1997). So wird etwa her<strong>aus</strong>gearbeitet, dass die<br />

Forderung öffentlicher Mittelgeber nach Transparenz und Systematik der Handlungsprozesse<br />

zu Konflikten mit den Ansprüchen der ehrenamtlich Tätigen an ihre Arbeit führe, die <strong>als</strong><br />

Nichtprofessionelle und Freiwillige den gestellten Handlungsanforderungen nur zum Teil<br />

gerecht werden <strong>können</strong> und wollen. 3 Auf deren Unterstützung sind die Nonprofit-<br />

Organisationen jedoch in starkem Maße abhängig. Für die Nonprofit-Organisationen erfordert<br />

die Steuerung dieser ungleichen Anforderungen besondere organisatorische und<br />

gesellschaftliche Her<strong>aus</strong>forderungen (vgl. Backh<strong>aus</strong>-Maul 2003; <strong>Sie</strong>bart/Reichard 2004:<br />

271 ff.; Zimmer/Hallmann 2002: 23). <strong>Die</strong> Organisationen sind aufgrund der gesellschaftlichen<br />

Veränderungen 4 verstärkt in eine Identitätskrise zwischen Wertorientierungen und marktwirtschaftlichen<br />

Anforderungen geraten. „Das Selbstverständnis der Freien Wohlfahrtspflege,<br />

in einer pluralistischen Gesellschaft mit unterschiedlichen wertgebundenen Angeboten<br />

und <strong>Die</strong>nstleistungen zu konkurrieren, weicht einer Marktlogik, in der es nur noch um finanzielle<br />

Ressourcen und um Sicherung von Marktanteilen geht.“ (Olk 1996: 114 f.) <strong>Die</strong>se auf<br />

Effizienzsteigerung <strong>aus</strong>gerichtete Strategie kommt dabei zwangsweise auch mit den Imperativen<br />

der Mitgliedschaftslogik der Organisationen in Konflikt, die vor allem durch<br />

3 Zunehmend kritisiert werden u.a. mangelnde Transparenz und Überschaubarkeit bis hin zu dilettantischen<br />

Verhaltensweisen ehrenamtlichen Führungsperson<strong>als</strong> (vgl. Olk/R<strong>aus</strong>chenbach/Sachße 1996: 29).<br />

4 Darunter fallen insbesondere <strong>dem</strong>ographische, ökonomische sowie kulturelle Entwicklungen, die für die<br />

Nonprofit-Organisationen von besonderer Prägnanz sind (vgl. Öhlschläger 1995).<br />

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konsensorientierte Handlungsformen bestimmt wird. Denn die Mitglieder dieser Organisationen,<br />

die ihr Engagement, ihre spezifischen Werte und Interessen dort einbringen,<br />

erwarten im Gegenzug nicht nur Unterstützung, persönliche Beteiligungsmöglichkeiten und<br />

Akzeptanz, sondern eben auch Identifikationsmöglichkeiten, die wenig gemeinsam haben<br />

mit der auf organisatorische Effizienzsteigerung setzenden Einflusslogik. <strong>Die</strong> Bereitschaft,<br />

sich ehrenamtlich in „modernisierten <strong>Die</strong>nstleistungsunternehmen“ zu engagieren, wird dadurch<br />

ebenso wie ihr Image <strong>als</strong> gemeinnützige Organisationen zunehmend untergraben. (vgl.<br />

Olk 1996: 114 f.; Olk/R<strong>aus</strong>chenbach/Sachße 1996: 18; Olk/Otto/Backh<strong>aus</strong>-Maul 2003). Infolge<br />

dieser Entwicklungen wurden bei den Nonprofit-Organisationen Modernisierungsprozesse<br />

in Gang gesetzt, die sie einem kontinuierlichen Wandel <strong>aus</strong>setzen. Organisatorische<br />

Restrukturierungen, Professionalisierungs- und Qualifizierungsprozesse und eine <strong>aus</strong>gedehnte<br />

Leitbilddebatte kennzeichnen beispielhaft die Wandlungsprozesse in den Nonprofit-<br />

Organisationen (vgl. Frohn 2004).<br />

Street-level-Bureaucracy-Ansatz<br />

Der Begriff der Street-level-Bureaucracy stellt einen für die Forschungsfragestellung relevanten<br />

Ansatz der Sozialpolitikforschung dar, der der Frage nachgeht, wie Sozialpolitik im Alltag<br />

von Leistungsempfängern und Leistungserbringern administriert und umgesetzt wird (vgl.<br />

Brodkin 1986). Der Street-level-Bureaucracy-Ansatz geht davon <strong>aus</strong>, dass das, was an Anforderungen<br />

in Kontrakten vorgegeben wird, sich nicht mit <strong>dem</strong> deckt, was tatsächlich geleistet<br />

wird. Denn die Sozialexperten, die die Leistung unmittelbar am Klienten erbringen, tun dieses<br />

auf der Grundlage eigener Vorstellungen, organisatorischer Rahmenbedingungen sowie<br />

professioneller Kompetenzen und Möglichkeiten (vgl. Sandfort 2000: 751); sie entscheiden<br />

damit maßgeblich über die erbrachten Leistungen und prägen die alltäglichen Vollzüge der<br />

Sozialpolitik. Der Ermessensspielraum der leistungserbringenden Sozialexperten ist umso<br />

größer, je ungenauer die Aufgabenstellung ist, und umso diffuser und widersprüchlicher die<br />

dahinter stehenden politischen Ziele formuliert sind. Das bei der Aushandlung der Kontrakte<br />

beteiligte Führungspersonal der Organisationen und der staatlichen Verwaltung hat <strong>dem</strong>gegenüber<br />

einen deutlich geringeren Einfluss (vgl. Brodkin 1986).<br />

Ökonomisierung des Sozialen<br />

Unter der schillernden Begrifflichkeit der „Ökonomisierung des Sozialen“ (Speck 1999: 80)<br />

lassen sich unterschiedliche Diskussionsbeiträge zusammenfassen, die den Sachverhalt beschreiben,<br />

dass betriebswirtschaftliche Instrumente und Verfahren sowie<br />

marktwirtschaftliche Vorstellungen auf den Sozi<strong>als</strong>ektor übertragen werden (vgl. Lemke/Krasmann/Bröckling<br />

2000; Speck 1999; Wohlfahrt 1999). In diesem Zusammenhang wird<br />

vermutet, dass die die Zivilgesellschaft prägenden solidarischen Handlungsnormen zunehmend<br />

durch wirtschaftliche Effizienzkriterien ersetzt werden. Als Indikator für eine derart<br />

fortschreitende Ökonomisierung des Sozialen wird die zunehmende Bedeutung von Managementwissen<br />

und -instrumenten in der sozialen Arbeit angesehen (vgl. Ruflin 2006: 73). Ziel<br />

dieses Managerialismus ist es, durch Effizienz- und Produktivitätssteigerungen institutionelle<br />

Reformen einzuleiten und zu beschleunigen (vgl. Clarke/Newman 1993: 427 ff.). Erreicht<br />

B E R L I N E R T R E U H A N D V E R T R Ä G E S E I T E | 16


werden soll dieses durch eine verstärkte Autonomie des Sozi<strong>als</strong>ektors von (partei-) politischen<br />

Vorgaben, was Freiräume verspricht, um besser agieren und zielgerichteter handeln<br />

zu <strong>können</strong>. In der Debatte um die Ökonomisierung des Sozialen wird kritisch angemerkt,<br />

dass <strong>als</strong> Folge dieses Managerialismus der Sozi<strong>als</strong>taat zu einem „Nachtwächterstaat“ werden<br />

würde (vgl. Ruflin 2006: 74; Speck 1999). Besondere Indizien für eine derartige Entwicklung<br />

werden darin gesehen, dass heute Sozialleistungen weniger <strong>als</strong> öffentliche Kollektivgüter,<br />

sondern vielmehr <strong>als</strong> Individualgüter, auf die Einzelbürger individuelle Anrechte haben, betrachtet<br />

werden (vgl. Kessl/Otto 2002: 129). Zu<strong>dem</strong> wird darauf verwiesen, dass angesichts<br />

der ungleichen gesellschaftlichen Machtverteilung immer noch bestimmte gesellschaftliche<br />

Gruppen nicht nur einen geringeren Einfluss auf sozialpolitische Verteilungsentscheidungen<br />

haben, sondern auch keinen wesentlichen Einfluss auf die Grundsatzentscheidung haben,<br />

was überhaupt <strong>als</strong> öffentliche Sozialleistung definiert wird und wer zur Inanspruchnahme<br />

berechtigt ist (vgl. Ruflin 2006: 74 f.; Schröter/Wollmann 2005: 66).<br />

Sozialarbeiterische Ansätze<br />

Aus Sicht der in der Sozialarbeit tätigen Personen, d.h. von Ehrenamtlichen, geringqualifizierten<br />

Mitarbeitern <strong>als</strong> auch von Fachkräften stellt sich die Frage, welchen Beitrag das<br />

Kontraktmanagement zur Professionalisierung und De-Professionalisierung der Sozialen Arbeit<br />

leistet.<br />

Professionalisierung sozialer Arbeit<br />

Unter Professionalisierung der Sozialen Arbeit wird dabei gemeinhin in einem weiten Verständnis<br />

die Entwicklung ehrenamtlich erbrachter und karitativ orientierter<br />

Arbeitsleistungen hin zu einer erlernten, wissenschaftlich fundierten und methodisch reflektierten<br />

beruflichen Tätigkeit verstanden (vgl. Merten 2000: 177 ff.). Für die Soziale Arbeit<br />

war es bisher kennzeichnend, dass sich Mitarbeiter gegen sozioökonomische Veränderungen<br />

unter Verweis auf ihr Expertenwissen und die Eigenlogik personenbezogener <strong>Die</strong>nstleistungen<br />

zur Wehr setzten (vgl. Culpitt 1992: 141). Mittlerweile wird in der fachlichen Diskussion<br />

über die Zukunft der Sozialen Arbeit und ihrer Profession, darüber diskutiert, inwieweit sie<br />

sich für die Vielfalt und Vielzahl komplexer sozialer Probleme <strong>als</strong> problemlösungskompetent<br />

erweist. Für die Profession besteht in diesem Zusammenhang eine beachtliche Möglichkeit,<br />

sich pro-aktiv an den gesellschaftlichen und sozioökonomischen Veränderungsprozessen zu<br />

beteiligen (vgl. Sommerfeld 2003: 13). Jedoch sollte unterschieden werden zwischen den<br />

Aufgaben des Führungsperson<strong>als</strong> und derjenigen der Mitarbeiter. Während Führungskräfte<br />

in der Sozialen Arbeit auf Managementwissen und Managementinstrumente angewiesen<br />

sind, sind die Mitarbeiter in <strong>Die</strong>nsten und Einrichtungen primär auf eine nach Einsatzgebieten<br />

differenzierte Fachlichkeit angewiesen (vgl. Staub-Bernasconi 2001).<br />

<strong>Die</strong> <strong>hier</strong> vorgestellten mikroökonomischen, wohlfahrtsstaatspolitischen sowie sozialarbeiterischen<br />

Ansätze widerspiegeln zentrale Themen der aktuellen Diskussion zum New Public<br />

Management und zum Kontraktmanagement. Im Folgenden soll anhand <strong>aus</strong>gewählter empi-<br />

B E R L I N E R T R E U H A N D V E R T R Ä G E S E I T E | 17


ischer Befunde der derzeitige Stand der Forschung zum sozi<strong>als</strong>taatlichen<br />

ment aufgezeigt werden.<br />

Stand der Forschung zum Kontraktmanagement<br />

Empirische Studien zum sozi<strong>als</strong>taatlichen Kontraktmanagement sind kaum vorhanden. Das<br />

gilt für den angelsächsischen, aber ganz besonders für den deutschsprachigen Raum (vgl.<br />

Beinecke/Goodman/Lockhart 1997: 41; Gibelman/Demone 1998: XII; Kettner/Martin 1996:<br />

108; Peat/Costley 2000: 22). Trotz unterschiedlicher Schwerpunktsetzungen in den wenigen<br />

Studien lassen sich dennoch ziemlich regelmäßig Aussagen zu bestimmten Themenbereichen<br />

wie Kundenorientierung, Aufbau- und Ablauforganisation der Nonprofit-Organisationen,<br />

Zusammenarbeit zwischen Staat und Leistungserbringern, Professionalisierung der Arbeit<br />

sowie Finanzierung bei Staat und Leistungserbringern finden (vgl. Ruflin 2006: 80).<br />

Kundenorientierung<br />

<strong>Die</strong> vorliegenden Forschungsergebnisse zeigen, dass entgegen der Forderung der Vertreter<br />

des NPM eine höhere Beteiligung der Klienten und damit eine höhere Kundenorientierung<br />

durch das Kontraktmanagement nicht zu verzeichnen ist (vgl. Powell 1999: 871). Kontraktmanagement<br />

bezieht sich auf die Beziehung zwischen Leistungsbesteller und<br />

Leistungserbringer und berücksichtigt nicht die Einbindung des Klienten (vgl. Mackinthosh<br />

2000: 17). Darüber hin<strong>aus</strong> wird nachgewiesen , dass das Kontraktmanagement dazu beiträgt,<br />

dass sich Leistungserbringer auf Klientengruppen konzentrieren, die <strong>als</strong> relativ unproblematisch<br />

gelten, um den von der öffentlichen Hand geforderten Leistungskriterien, insbesondere<br />

sinkenden Kosten, auch gerecht werden zu <strong>können</strong>, mit der Folge, dass das Kontaktmanagement<br />

neue Ungleichheiten konstituiert (vgl. Barnett/Newberry 2002: 202 ff.;<br />

Beinecke/Goodman/Lockhart 1997: 50 f.; Brodkin/Fuqua/Thoren 2002: 22).<br />

Aufbau- und Ablauforganisation<br />

<strong>Die</strong> Studien zeigen auch, dass für viele Nonprofit-Organisationen im Zuge des Kontraktmanagements<br />

eine grundlegende Reorganisation notwendig wurde, um den Anforderungen des<br />

öffentlichen Leistungsbestellers nachzukommen (vgl. Beinecke/Goodman/Lockhart 1997:<br />

51). So wurden Mitarbeiter für ihre neuen Aufgaben weitergebildet und Abläufe sowie Zuständigkeiten<br />

stärker formalisiert (vgl. Strünck 1995). <strong>Die</strong>ses führte allerdings auch dazu,<br />

dass bisher spezifizierte Angebote und Arbeitsweisen in erheblichem Umfang vereinheitlich<br />

wurden (vgl. Hinte 1999: 297). Dagegen fielen die organisatorischen Anpassungsleistungen<br />

des öffentlichen Leistungsbestellers eher gering <strong>aus</strong> (vgl. Ruflin 2006: 82). Das Rollen- und<br />

Aufgabenverständnis wurde weitgehend unverändert beibehalten (vgl. Kirkpatrick/Kitchener/Owen/Whipp<br />

1999: 723), und auf Weiterqualifizierungen der<br />

Verwaltungsmitarbeiter wurde in der Regel verzichtet (vgl. Knapp/Hardy/Forder 2001: 293).<br />

Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass das Kontraktmanagement auf beiden Seiten erhöhte<br />

Managementanforderungen an das Führungspersonal gestellt hat (vgl. Kirkpatrick/<br />

Kitchener/Owen/Whipp 1999: 720 ff.).<br />

B E R L I N E R T R E U H A N D V E R T R Ä G E S E I T E | 18


Kooperation<br />

Bezüglich des Verhältnisses zwischen Staat und Nonprofit-Organisationen lassen die vorliegenden<br />

Forschungsergebnisse darauf schließen, dass diese Beziehungen grundsätzlich<br />

kooperativ <strong>aus</strong>gerichtet sind (vgl. Ruflin 2006: 85). <strong>Die</strong> Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung<br />

greifen vor allem auf solche Organisationen zurück, zu denen bereits langjährige bzw.<br />

bewährte Kooperationen bestehen (vgl. Beinecke/Goodman/Lockhart 1997: 51; Johnson/Jenkinson/Kendall/Bradshaw/Blackmore<br />

1998: 326). Vertrauen und Stabilität<br />

bestimmen somit stärker das Zustandekommen von Kontrakten <strong>als</strong> wirtschaftliche Kriterien<br />

wie Preis, Quantität und Qualität. Gleichberechtigte Beziehungen bestehen allerdings nur<br />

dann, wenn die Nonprofit-Organisationen über <strong>aus</strong>reichende Ressourcen und ein hohes<br />

Fachwissen verfügen; gerade dort, wo deren Mitarbeiter ehrenamtlich arbeiten, kommt es<br />

stattdessen immer wieder zu Machtgefällen (vgl. Powell 1999). Dabei lassen die vorliegenden<br />

<strong>Untersuchung</strong>en offen, ob das Kontraktmanagement dazu beiträgt, die<br />

korporatistischen Beziehungen zwischen Staat und Wohlfahrtsverbänden zu entflechten<br />

oder ob die privilegierte Stellung der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege sogar<br />

weiter verstärkt wird (vgl. Strünck 1995: 349 ff.).<br />

Profession<br />

<strong>Die</strong> in der Schweiz von Peter Sommerfeld und <strong>Die</strong>ter Haller durchgeführte <strong>Untersuchung</strong><br />

(vgl. Sommerfeld/Haller 2003) der in der Sozialen Arbeit Beschäftigten lässt folgende Typisierung<br />

zu: (1) den an althergebrachten Werten der überkommenen Organisations- und<br />

Professionskultur festhaltenden Traditionalisten, (2) den professionellen Modernisierer, der<br />

in der Orientierung an ökonomischen Prinzipien eine Chance zur Professionalisierung sieht,<br />

und (3) den „neo-liberalen“ Modernisierer, dessen Handeln auf ökonomischen Werten und<br />

Handlungsmethoden basiert. Studien in Australien (vgl. Healy 2002) und Großbritannien (vgl.<br />

Postle 2002) konnten belegen, dass Führungspositionen in Nonprofit-Organisationen mehr<br />

und mehr an Betriebswirtschaftler und immer weniger an Sozialarbeiter vergeben werden,<br />

wodurch das spezifische Fachwissen dieser Profession sowie deren Werte wie soziale Gerechtigkeit<br />

oder Solidarität mehr und mehr an Bedeutung verlieren würden. So wird die<br />

Befürchtung geäußert, dass mit Einführung des Kontraktmanagements verstärkt fachlich<br />

inadäquate Produkte und Leistungen angeboten werden würden, was durch das unzureichende<br />

Fachwissen der öffentlichen Leistungsbesteller noch verstärkt würde (vgl.<br />

Forder/Knapp/Wistow 1996: 201 ff.).<br />

Finanzierung<br />

In Hinblick auf die mit <strong>dem</strong> Kontraktmanagement einhergehenden Transaktionskosten zeigt<br />

die bisherige Forschung, dass die Kosten dann am geringsten sind, wenn zwischen Staat und<br />

Nonprofit-Organisationen eine auf Vertrauen und Stabilität basierende, kooperative Zusammenarbeit<br />

vorherrschend ist (vgl. Milward/Provan 2000: 368 ff.; Romzek/Johnston 2002:<br />

447 ff.). Dennoch sind die Transaktionskosten für den Staat auch unter günstigen Bedingungen<br />

hoch, insofern er eine sorgfältige Überprüfung der Kontrakte vornimmt und dabei<br />

B E R L I N E R T R E U H A N D V E R T R Ä G E S E I T E | 19


insbesondere die Klienten mit einbezieht (vgl. Smith/Smyth 1996: 295). Gerade dort, wo zwischen<br />

Leistungsbesteller und Leistungserbringer eine größere Dissonanz bezüglich der Werte<br />

und Normen bei der Leistungserbringung besteht, wäre ein höherer Einsatz von Kontrollund<br />

Steuerungsinstrumenten angebracht. Ein verstärkter Einsatz von besagten Kontroll- und<br />

Steuerungsinstrumenten wird allerdings gerade dort vernachlässigt, wo die kontraktuelle<br />

Beziehung auf Vertrauen beruht (vgl. Brown/Potoski 2003: 293 f.). Demzufolge birgt eine auf<br />

Vertrauen basierende kooperative Zusammenarbeit (mit <strong>dem</strong>entsprechend niedrigen Transaktionskosten)<br />

für den Leistungsbesteller grundsätzlich die Gefahr, dass die Leistungen nicht<br />

umfassend in seinem Sinne erbracht werden. Ob durch das Kontraktmanagement Einsparungen<br />

bzw. auch Qualitätssteigerungen zu erzielen sind, lässt sich anhand der bisher<br />

vorliegenden empirischen Ergebnisse nicht eindeutig sagen (vgl. Kettner/Martin 1996: 118;<br />

Ruflin 2006: 89).<br />

Innovationen<br />

<strong>Die</strong> in den Kontrakten veranschlagten Gelder für die Leistungserbringung sind zumeist knapp<br />

bemessen. <strong>Die</strong>ses führt dazu, dass Nonprofit-Organisationen weitgehend ihre zur Verfügung<br />

stehenden Ressourcen und Potenziale so einsetzen, dass das Angebot zumindest aufrechterhalten<br />

werden kann, ohne dass aber Innovationen möglich werden (vgl. Ruflin 2006: 89).<br />

Verstärkt wird dieses Problem noch durch die öffentlichen Leistungsbesteller, die auf bewährte<br />

Angebote und Anbieter setzen und erst mit erheblicher Zeitverzögerung oder gar<br />

nicht auf veränderte Bedarfe der Klienten Bezug nehmen (vgl. Smith/Smyth 1996: 281). Innovationshemmend<br />

wirkt sich zu<strong>dem</strong> <strong>aus</strong>, wenn der öffentliche Leistungsbesteller keine<br />

eindeutigen und konkreten Zielvorgaben gegenüber den Leistungserbringern macht (vgl.<br />

Barnett/Newberry 2002: 205; Knapp/Hardy/Forder 2001: 301 f.). Einige <strong>Untersuchung</strong>en<br />

sehen allerdings weniger in der knappen Finanzierung einen innovationshemmenden Faktor<br />

<strong>als</strong> vielmehr in den eng definierten Leistungsvorgaben der Kontrakte (vgl. Zauner/Meyer/Praschak/Mayrhofer/Heimerl-Wagner<br />

2003).<br />

Zusammenfassend lässt sich an dieser Stelle festhalten, dass einige der mit <strong>dem</strong> Kontraktmanagement<br />

beabsichtigten Effekte durch<strong>aus</strong> erzielt werden konnten, andere Effekte<br />

wiederum nicht eingetreten sind bzw. bestimmte Erwartungen relativiert werden müssen.<br />

<strong>Die</strong> nachfolgend präsentierte <strong>Untersuchung</strong> zu den Berliner Treuhandverträgen wird zeigen,<br />

welche Erwartungen <strong>aus</strong> Sicht der beteiligten Akteure mit der Einführung der Treuhandverträge<br />

im Land Berlin im Bereich der über Zuwendungen finanzierten gesundheitlichen und<br />

sozialen Projekte erfüllt werden konnten und welche nicht.<br />

B E R L I N E R T R E U H A N D V E R T R Ä G E S E I T E | 20


II. BERLINER TREUHANDVERTRÄGE<br />

Das Bundesland Berlin schließt seit Mitte der 1990er Jahre im Bereich der über Zuwendungen<br />

finanzierten gesundheitlichen und sozialen Leistungen Treuhandverträge mit den<br />

Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege ab. <strong>Die</strong> H<strong>aus</strong>haltsordnung des Landes Berlin<br />

ermöglicht eine Beleihung von Verbänden, die <strong>als</strong> Treuhänder in den Handlungsformen des<br />

öffentlichen Rechts Zuwendungen gewähren dürfen. 5<br />

Verbände werden <strong>als</strong> intermediäre Beliehene zwischen Verwaltung und Zuwendungsempfänger<br />

eingeführt, die einerseits ein vertragliches Treuhandverhältnis mit der<br />

zuwendungsgebenden Verwaltung und andererseits ein Förderverhältnis mit den Leistungsanbietern<br />

eingehen (vgl. Menninger 2005, 164). Beleihung bedeutet die Übertragung<br />

bestimmter Hoheitsrechte auf Privatpersonen, in diesem Fall auf die Wohlfahrtsverbände <strong>als</strong><br />

juristische Personen. Es handelt sich <strong>hier</strong>bei um eine Form der mittelbaren Staatsverwaltung.<br />

Dass Private selbständig und mit eigenen Entscheidungskompetenzen <strong>aus</strong>gestattet staatliche<br />

Aufgaben wahrnehmen, stellt eine Ausnahme vom Grundsatz dar, dass nur Mitarbeiter der<br />

öffentlichen Verwaltung hoheitliche Befugnisse <strong>aus</strong>üben <strong>können</strong>. Es bedarf daher einer<br />

rechtlichen Grundlage, die durch die Regelungen in § 44 Abs. 2 und 3 der H<strong>aus</strong>haltsordnung<br />

des Landes Berlin geschaffen wurde. An eine Beleihung werden strenge Vor<strong>aus</strong>setzungen<br />

geknüpft, insbesondere wird vom beleihenden Hoheitsträger erwartet, dass diesem eine<br />

ständige Kontrolle des Beliehenen möglich ist.<br />

<strong>Die</strong> Beleihung muss durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, den sogenannten Treuhandvertrag,<br />

erfolgen. Für die Wohlfahrtsverbände eröffnete diese vertragliche Grundlage die<br />

Möglichkeit, aktiv an den entsprechenden Förderentscheidungen mitzuwirken. Besondere<br />

Gestaltungsspielräume eröffnen sich dar<strong>aus</strong> für den Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin<br />

<strong>als</strong> – gemessen an der Zahl der Einrichtungen und <strong>Die</strong>nste – größten Wohlfahrtsverband in<br />

Berlin.<br />

Nach über zehnjähriger Erfahrung mit den Treuhandverträgen lag es im Interesse des Paritätischen<br />

Wohlfahrtsverbandes Berlin, eine Zwischenbilanz zu ziehen, und festzustellen,<br />

welche Erfahrungen und Einschätzungen die an den Treuhandverträgen beteiligten Akteure<br />

haben. Dazu sollten <strong>aus</strong>sagekräftige Befunde wissenschaftlich erhoben, <strong>aus</strong>gewertet und<br />

dargestellt werden. Anfang 2006 wurde die Philosophische Fakultät III/Erziehungswissenschaften/Fachgebiet<br />

„Recht, Verwaltung und Organisation“ an der Martin-Luther-<br />

Universität Halle-Wittenberg mit der Durchführung dieser <strong>Untersuchung</strong> beauftragt. Mit<br />

Hilfe von Experteninterviews sollte geklärt werden, ob und wenn ja, wie sich die Einführung<br />

von Treuhandverträgen <strong>aus</strong> Sicht der beteiligten Akteure auf die Leistungserbringung <strong>aus</strong>gewirkt<br />

haben.<br />

5 Vgl. § 44 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 und § 23 Landesh<strong>aus</strong>haltsordnung Berlin sowie Nr. 19 der Ausführungsvorschriften<br />

zu § 44 Landesh<strong>aus</strong>haltsordnung.<br />

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In die <strong>Untersuchung</strong> wurden – nach Absprache mit <strong>dem</strong> Auftraggeber – folgende Treuhandverträge<br />

und deren Vorläufer einbezogen:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

LIGA-Vertrag „Gesundheit und Soziales“<br />

Vertrag „Ambulante Drogenhilfe“,<br />

Vertrag „Stadtteilzentren“ und<br />

Vertrag „Stadtteilzentren Hellersdorf-Marzahn“.<br />

Der LIGA-Vertrag „Gesundheit und Soziales“ wurde im Jahre 2001 für eine fünfjährige Laufzeit<br />

zwischen der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz<br />

(SenGSV) und der LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege in Berlin (LIGA FW<br />

Berlin) abgeschlossen. Vergleichbare Vorgängerverträge, die sich aber noch getrennt auf<br />

soziale und gesundheitliche Aufgaben bezogen, gab es bereits ab 1994. 6 Das Budget für den<br />

LIGA-Vertrag „Gesundheit und Soziales“ betrug im Jahre 2005 18,1 Mio. € und bildet die Finanzierungsgrundlage<br />

für insgesamt 211 Projekte der überbezirklichen Sozial- und<br />

Gesundheitsversorgung.<br />

Beim Vertrag „Ambulante Drogenhilfe“ waren neben der Senatsverwaltung für Gesundheit,<br />

Soziales und Verbraucherschutz, die Landesverbände des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes,<br />

der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und der Caritas beteiligt. Der Vertrag trat ebenfalls im Jahr<br />

2001 mit einer Laufzeit von fünf Jahren in Kraft. Im Rahmen dieses Vertrages wurden mit<br />

einem Budget von 3,91 Mio. € (2005) 19 Projekte der ambulanten Drogenhilfe finanziert, die<br />

sich in Trägerschaft von neun unterschiedlichen Organisationen befanden. 7<br />

Der Vertrag „Stadtteilzentren“, ein Folgevertrag des Vertrages „Nachbarschafts- und Selbsthilfezentren“<br />

8 , wurde 2005 für eine Laufzeit von drei Jahren zwischen <strong>dem</strong> Paritätischen<br />

Wohlfahrtsverband Berlin der SenGSV und der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und<br />

Sport (SenBJS) geschlossen. Mit einem Budget von 3,44 Mio. € (2006) wurden sowohl 25<br />

Nachbarschaftszentren <strong>als</strong> auch zwölf Selbsthilfekontaktstellen bei 33 verschiedenen Trägern<br />

unterstützt. Für die Stadtteilzentren im Bezirk Marzahn-Hellersdorf wurden in den<br />

Jahren 2002 bis 2005 gesonderte Verträge zwischen <strong>dem</strong> Bezirk Marzahn-Hellersdorf, <strong>dem</strong><br />

Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin und <strong>dem</strong> dortigen Kreisverband der Arbeiterwohlfahrt<br />

(AWO) abgeschlossen. 9 Der Vertrag „Stadtteilzentren Hellersdorf-Marzahn“ sah mit<br />

einem Budget von 435.000 Euro in 2005 eine finanzielle Unterstützung von acht Stadtteil-<br />

6 Aktuell existieren seit 2006 wieder zwei getrennte Verträge mit jeweils einer Laufzeit von fünf Jahren, der<br />

„Integrierte Gesundheitsvertrag“ zwischen SenGSV und Paritätischem Wohlfahrtsverband Berlin für gesundheitliche<br />

Projekte inklusive der AIDS- und der Drogenprojekte, und der „LIGA-Sozialvertrag" zwischen SenGSV<br />

und LIGA FW Berlin für soziale Projekte in Berlin.<br />

7 Der Vertrag „Ambulante Drogenhilfe“ ist seit 2006 Bestandteil des „Integrierten Gesundheitsvertrages“.<br />

8 Der erste Vertrag wurde 2001 für zwei Jahre zwischen <strong>dem</strong> Verband für Sozial-Kulturelle Arbeit, SELKO und<br />

der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport (SenBJS) geschlossen und im Jahr 2003 um weitere zwei<br />

Jahre verlängert.<br />

9 Ein erster Vertrag lief zwei Jahre, ein Folgevertrag weitere eineinhalb Jahre; zum Zeitpunkt der <strong>Untersuchung</strong><br />

wurde über einen neuen Vertrag verhandelt.<br />

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zentren vor (vgl. Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband/Landesverband Berlin 2006:<br />

18 f.).<br />

Darüber hin<strong>aus</strong> gab es zum <strong>Untersuchung</strong>szeitpunkt noch weitere Treuhandverträge, die<br />

allerdings auftragsgemäß nicht in die <strong>Untersuchung</strong> mit einbezogen wurden:<br />

<br />

<br />

Vertrag „Straffälligen- und Opferhilfe“<br />

Vertrag „AIDS-Hilfeprojekte“<br />

Sowohl der Vertrag „Ambulante Drogenhilfe“ <strong>als</strong> auch der Vertrag „AIDS-Hilfeprojekte“ sind<br />

seit 2006 Bestandteile des Integrierten Gesundheitsvertrages. <strong>Die</strong> sozialen Projekte werden<br />

seit 2006 durch den LIGA-Sozialvertrag wieder gesondert gefördert.<br />

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III. FORSCHUNGSDESIGN<br />

Zielsetzung der vorliegenden <strong>Untersuchung</strong> war es, her<strong>aus</strong>zufinden, wie die oben genannten<br />

Treuhandverträge von den beteiligten Akteuren gedeutet und eingeschätzt werden. 10<br />

Zu diesem Zweck wurden leitfadengestützte Experteninterviews (vgl. Bogner 2005; Gläser<br />

2006) durchgeführt. <strong>Die</strong>se Form der Befragung bietet aufgrund des offenen und zugleich<br />

strukturierten Fragenkatalogs die Möglichkeit, bezogen auf den konkreten <strong>Untersuchung</strong>sgegenstand<br />

umfangreiches Expertenwissen <strong>aus</strong> unterschiedlichen Perspektiven zu<br />

analysieren (vgl. Krüger 2002: 209 f.), wobei die relativ offen gestellten Fragen den interviewten<br />

Expertinnen und Experten hinreichend Interpretations- und Deutungsspielraum zur<br />

Darstellung ihrer Sichtweise und Position eröffnen (vgl. <strong>Die</strong>kmann 2004: 443 f.).<br />

Als Experten für Treuhandverträge wurden – in Absprache mit der Geschäftsführung des<br />

Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin – solche Interviewpartner <strong>aus</strong>gewählt, die auf den<br />

verschiedenen Hierarchieebenen in Politik, Verwaltung und Verbänden in den Entscheidungsprozess<br />

über die Ein- und Fortführung von Treuhandverträgen involviert waren und<br />

sind. 11 Dazu zählen (ehemalige) Mitarbeiter der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales<br />

und Verbraucherschutz sowie des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin und der Arbeiterwohlfahrt<br />

Berlin, und auch des Verbandes für Sozial-Kulturelle Arbeit und der Gesellschaft<br />

für Beratung, Bildung und Innovation <strong>als</strong> beteiligtem <strong>Die</strong>nstleister; auf politischer Ebene<br />

wurden Vertreter des Ausschusses für Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz des Abgeordnetenh<strong>aus</strong>es<br />

von Berlin, des Bezirkes Marzahn-Hellersdorf sowie mit den<br />

Treuhandverträgen betraute (ehemalige) Staatssekretäre interviewt.<br />

Darüber hin<strong>aus</strong> war vorgesehen, einen Vertreter des Landesrechnungshofs zu dessen Erfahrungen<br />

und Einschätzungen bezüglich der Treuhandverträge zu befragen. Ein<br />

entsprechendes Experteninterview wäre eine sinnvolle Ergänzung zu den Ansichten der direkt<br />

betroffenen Institutionen gewesen, vor allem da es sich bei <strong>dem</strong> Rechnungshof Berlin<br />

diesbezüglich um eine unabhängige Institution handelt, die in den vergangenen Jahren<br />

mehrm<strong>als</strong> die Praxis der treuhänderischen Zuwendungsvergabe geprüft und in ihren Jahresberichten<br />

<strong>aus</strong>führlich kritisiert hat. Aufgrund der restriktiven Handhabung seiner<br />

Erkenntnisse lehnte der Rechnungshof seine Teilnahme an <strong>dem</strong> Forschungsprojekt bedauerlicherweise<br />

hingegen ab. 12<br />

10 Im Zusammenhang mit dieser untersuchungsleitenden Fragestellung wurden Hypothesen aufgestellt, die<br />

mithilfe der gewonnenen Daten untersetzt werden sollen. <strong>Die</strong> Hypothesen orientieren sich an den im ersten<br />

Kapitel beschriebenen von den verschiedenen Theorieansätzen aufgezeigten Problematiken und an den aktuellen<br />

Diskussionen, die im Zuge der Einführung des Kontraktmanagements aufgekommen sind. Ausführlich wird<br />

im Kapitel IV auf den Inhalt der Hypothesen eingegangen.<br />

11 Im Rahmen der Befragung wurde folglich darauf verzichtet, die über die Treuhandverträge finanzierten Einrichtungen<br />

und Projekte einzubeziehen, da sie nicht direkt in die vertraglichen Entscheidungsprozesse<br />

einbezogen worden sind.<br />

12 Der Rechnungshof verweist darauf, dass es sich bei seinen Prüfungsverfahren um einen verwaltungsinternen<br />

Vorgang handelt, sodass die dabei gewonnenen Erkenntnisse nicht-öffentlich bleiben müssten, soweit sie nicht<br />

B E R L I N E R T R E U H A N D V E R T R Ä G E S E I T E | 24


Insgesamt wurden zwischen April und November 2006 14 Interviews mit 17 Expertinnen und<br />

Experten geführt. In der Regel wurden die Interviews mit einem Experten geführt; während<br />

bei zwei Interviews 2 bzw. 3 Experten beteiligt waren. Ein Interview, das mit zwei Vertretern<br />

der SenGSV geführt wurde, konnte nicht <strong>aus</strong>gewertet werden, da die Aufzeichnung erhebliche<br />

technische Mängel aufwies.<br />

Bei der Konzeption der Interviews wurde eine durchschnittliche Dauer von einer Stunde veranschlagt;<br />

tatsächlich aber variiert die Dauer zwischen 30 und 100 Minuten. <strong>Die</strong>se zeitlichen<br />

Unterschiede erklären sich <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Grad der Einbindung in den Entscheidungsprozess über<br />

die Treuhandverträge und auch <strong>aus</strong> den unterschiedlichen Erzählstilen.<br />

Jeweils zu Beginn eines Interviews wurde den Experten mit einer sehr weit gefassten offenen<br />

Eingangsfrage Gelegenheit geboten, ihre Deutung und Einschätzung der<br />

Treuhandverträge darzulegen. Anschließend wurden, vor <strong>dem</strong> Hintergrund des Gesagten,<br />

vertiefende Nachfragen zu relevanten Einzelaspekten des Genannten gestellt. <strong>Die</strong> im Leitfaden<br />

13 vorformulierten Fragen wurden dabei so flexibel wie möglich auf das von den Experten<br />

Gesagte bezogen, um den originären Gehalt der Ausführungen der Interviewpartner weitgehend<br />

zu erhalten. Dabei ist hervorzuheben, dass in allen Interviews grundsätzlich eine sehr<br />

offene Gesprächsatmosphäre vorherrschte.<br />

Am Ende der Datenerhebung konnte auf insgesamt 800 Minuten mitgeschnittenes Interviewmaterial<br />

zurückgegriffen werden. Das technisch verwertbare Material wurde<br />

anschließend transkribiert und in einem zweiten Auswertungsschritt paraphrasiert. <strong>Die</strong> Aussagen<br />

der befragten Experten wurden daraufhin den untersuchungsleitenden Hypothesen 14<br />

zugeordnet und mithilfe des MindManagers der Firma Mindjet strukturiert. Auf dieser<br />

Grundlage konnten die gewonnenen Daten bestmöglich analysiert und <strong>aus</strong>gewertet werden.<br />

wegen ihrer Bedeutung in den Jahresbericht aufgenommen würden – wobei es sicherlich auch eine Frage der<br />

Interpretation ist, welchen Angaben welche Bedeutung beigemessen wird.<br />

13 <strong>Sie</strong>he Anlage 1.<br />

14 <strong>Sie</strong>he dazu Kapitel IV; eine Übersicht über alle aufgestellten Hypothesen liegt <strong>als</strong> Anlage 2 <strong>dem</strong> Bericht bei.<br />

B E R L I N E R T R E U H A N D V E R T R Ä G E S E I T E | 25


IV. ERGEBNISSE DER UNTERSUCHUNG<br />

<strong>Die</strong> Interview<strong>aus</strong>sagen der Expertinnen und Experten wurden anhand von Hypothesen zu<br />

den Auswirkungen der Treuhandverträge auf die wohlfahrtsstaatliche Leistungserbringung<br />

systematisiert (vgl. Anlage 2); bei der Hypothesenbildung wurde der Stand der Fachdiskussion<br />

zum NPM weitgehend aufgenommen.<br />

<strong>Die</strong> Befragung des relativ weitgefächerten Gesamtspektrums der an den Entscheidungen<br />

über die Treuhandverträge beteiligten Akteure ermöglicht es, unterschiedliche Sichtweisen<br />

und Deutungen her<strong>aus</strong>zuarbeiten. <strong>Die</strong> folgenden Befunde machen deutlich, dass die Praxis<br />

der im Rahmen von Treuhandverträgen finanzierten öffentlichen Aufgaben unterschiedlich<br />

bewertet wird. Allerdings gibt es auch von den Interviewten gemeinsam geteilte Auffassungen<br />

über Wirkungen und Resultate der Treuhandverträge. Im Folgenden werden die<br />

Befunde in einem ersten Schritt anhand des authentischen Materi<strong>als</strong> präsentiert und anschließend<br />

sozialwissenschaftlich analysiert.<br />

IV. a. „Ausverkauf der Wohlfahrtsverbände, Untergang des Aben d-<br />

landes mindestens“ – Zum Rollenverständnis der Akteure<br />

<strong>Die</strong> Einführung des Kontraktmanagements bzw. von Treuhandverträgen hat sowohl beim<br />

Staat <strong>als</strong> auch bei den (Wohlfahrts-) Verbänden zu einer veränderten Rollenwahrnehmung<br />

geführt.<br />

Aufgabenkritik<br />

Der Staat hat im sozialen und gesundheitlichen Bereich über die Treuhandverträge das Zuwendungsverfahren<br />

weitgehend den Wohlfahrtsverbänden <strong>als</strong> Beliehene übertragen und<br />

sich damit selbst mit der Grundsatzfrage konfrontiert, was ist eine öffentliche Aufgabe. Vertreter<br />

der Senatsverwaltung verweisen in diesem Zusammenhang auf das<br />

Subsidiaritätsprinzip, wonach sich der Staat bei seinem Tätigwerden immer fragen muss,<br />

welche Leistungen er direkt in eigener Trägerschaft vorhalten muss und was stattdessen<br />

auch von freien Trägern geleistet werden kann. Aus Sicht der Verwaltung <strong>können</strong> die Wohlfahrtsverbände<br />

aufgrund ihrer fachlichen und personellen Nähe zur jeweiligen Aufgabe bei<br />

der Zuwendungsvergabe wesentlich besser <strong>als</strong> die Senatsverwaltung entscheiden. Es bestand<br />

somit keine Notwendigkeit mehr, das gesamte Zuwendungsverfahren <strong>als</strong> staatliche<br />

Aufgabe fortzuführen.<br />

Allerdings scheint die Übergabe dieser Aufgaben an die Wohlfahrtsverbände nicht konfliktfrei<br />

verlaufen zu sein. Ein Vertreter der Wohlfahrtsverbände spricht in diesem<br />

Zusammenhang sogar davon, dass Mitarbeiter der Verwaltung regelrecht traumatisiert waren,<br />

denn sie hatten auf einmal keine Aufgabe mehr. Mit Einführung der Treuhandverträge<br />

hatte der Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin die Verantwortung für die Abwicklung der<br />

Zuwendungen übertragen bekommen und geriet damit gleichzeitig in die Rolle des Geldgebers.<br />

B E R L I N E R T R E U H A N D V E R T R Ä G E S E I T E | 26


Dennoch hebt die Verwaltung positiv hervor, dass die Übertragung bestimmter Aufgaben im<br />

Zusammenhang mit der Zuwendungsabwicklung es ihr ermöglicht, sich stärker auf Planungsund<br />

Steuerungsprozesse sowie ihre fachaufsichtlichen Aufgaben zu konzentrieren. Von Seiten<br />

der Wohlfahrtsverbände wird diese Entwicklung unterstützt. Demnach solle sich der<br />

Staat mit Hilfe von Treuhandverträgen überall dort der Gesellschaft und ihrer Verbände bedienen,<br />

wo er selbst nicht über die notwendigen Kompetenzen verfügt. Allerdings wird <strong>dem</strong><br />

Staat auch ganz klar bescheinigt, dass er in einem <strong>dem</strong>okratischen Staatswesen die Letztverantwortung<br />

für Verteilungsentscheidungen nicht <strong>aus</strong> der Hand geben darf. Politische<br />

Steuerung wird <strong>als</strong> staatliche Kernaufgabe angesehen. Das bedeutet aber keineswegs, dass<br />

der Staat auch für den Betrieb von sozialen <strong>Die</strong>nsten und Einrichtungen zuständig wäre. <strong>Die</strong>ses<br />

– so die einhellige Meinung der interviewten Verbandsexperten – <strong>können</strong> sie selbst<br />

bedeutend besser. Für ein Funktionieren der Bürgergesellschaft ist es nach Auffassung der<br />

Verbände notwendig, dass sich der Staat auf die politische Steuerung sozialpolitischer Prozesse<br />

konzentriert: „Eine wirklich lebendige Bürgergesellschaft hat nur dann überhaupt eine<br />

Chance (…), wenn es einen anderen Staat gibt, einen anderen Staatsapparat – der nur noch<br />

steuert mit Fachexperten." 15<br />

Hier stößt der Staat allerdings auch an Grenzen. So kritisiert ein vom Paritätischen Wohlfahrtsverband<br />

Berlin mit bestimmten Aufgaben des Fachcontrollings beauftragter<br />

<strong>Die</strong>nstleister beispielsweise, dass auf politischer Ebene kaum Ansprechpartner mehr vorhanden<br />

sind, die noch ein Verständnis von Sozialpolitik haben, in den zuständigen<br />

Senatsverwaltungen auf Landesebene sähe es sogar noch schlechter <strong>aus</strong>. Bestätigt werden<br />

diese Aussagen auch durch Vertreter der befragten Senatsverwaltung selbst, die infolge des<br />

fortschreitenden Personalabb<strong>aus</strong> in den eigenen Reihen merklich Kompetenzlücken sehen.<br />

Kooperation<br />

Ein von allen Befragten bestätigter Effekt der Treuhandverträge besteht in der Anforderung,<br />

einvernehmlich mit den Beteiligten nach Lösungen für anstehende Probleme suchen zu müssen.<br />

Das betrifft sowohl die Beziehung zwischen Wohlfahrtsverbänden und<br />

Senatsverwaltung <strong>als</strong> auch das Verhältnis der Verbände untereinander. <strong>Die</strong> Wohlfahrtsverbände<br />

sehen in den Treuhandverträgen die Chance, „auf Augenhöhe, partnerschaftlich mit<br />

<strong>dem</strong> Staat zusammenarbeiten“ 16 zu <strong>können</strong>. Mit der Unterzeichnung der Treuhandverträge<br />

haben die Wohlfahrtsverbände gemeinsam mit <strong>dem</strong> Staat Verantwortung für eine leistungsfähige<br />

öffentliche Aufgabenerbringung übertragen bekommen. <strong>Die</strong> Verbände mussten<br />

dadurch ihren bisherigen „Besitzstandslobbyismus“ aufgeben und anerkennen, dass öffentliche<br />

Mittel begrenzt sind und verantwortungsvoll eingesetzt werden müssen: Der Verband<br />

musste erkennen, dass, „wenn wir selbst mit in der Verantwortung sind, wir auch unsere<br />

Lobbyarbeit anders wahrnehmen müssen. Wir <strong>können</strong> nicht mehr nur blind Besitzstandslobbyismus<br />

betreiben, sondern wir werden durch den Zwang dieser Verträge auch in die<br />

15 Interview Nr. 6 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 149-152.<br />

16 Interview Nr. 2 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 30-32.<br />

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Verantwortung für leistungsfähige Versorgungsstrukturen eingebunden.“ 17 Gerade im Hinblick<br />

auf die fortwährenden staatlichen Mittelkürzungen sieht der Paritätische Wohlfahrtsverband<br />

Berlin einen großen Vorteil darin, selbst an den Entscheidungen über staatliche<br />

Mittelkürzungen beteiligt zu sein, um aktiv und anhand fachlicher Kriterien mitgestalten zu<br />

<strong>können</strong>, anstatt wie bisher überwiegend politischen Entscheidungen <strong>aus</strong>gesetzt zu sein.<br />

Auch die Senatsverwaltung vertritt mittlerweile den Standpunkt, dass sozialpolitische Aufgaben<br />

heute nur in einem „partnerschaftlichen Miteinander“ 18 mit den Verbänden bewältigt<br />

werden <strong>können</strong>. So habe die Einbindung der Wohlfahrtsverbände in wichtige Entscheidungsprozesse<br />

zum „Wegfall bestimmter Kontrapositionen“ 19 geführt. <strong>Die</strong>s bestätigt auch<br />

der bereits genannte <strong>Die</strong>nstleister und führt an, dass es <strong>dem</strong> Staat bei der Konstruktion der<br />

Treuhandverträge nicht darauf angekommen sei, die Verbände <strong>als</strong> reine <strong>Die</strong>nstleister zu betrachten<br />

– in diesem Fall wären Leistungsverträge die richtige Wahl gewesen – sondern mit<br />

ihnen gemeinsam Rahmenbedingungen zu erarbeiten, um so die politische Akzeptanz auf<br />

Seiten der Verbände zu erhöhen. Früher – so die Wahrnehmung der Senatsverwaltung –<br />

haben sich die Verbände noch <strong>als</strong> „Gegenpart des Staates“ 20 verstanden, was Abstimmprozesse<br />

sehr mühselig sein ließ. <strong>Die</strong> Verbände wehrten sich erfolgreich gegen eine staatliche<br />

Steuerung, was funktionierte, da der Staat genug Geld zu verteilen hatte und Interventionen<br />

dadurch eher restriktiv gehandhabt wurden. <strong>Die</strong> neue Generation in den Verbänden sei da<br />

eher kooperativ, die Beseitigung des klassischen Lobbyismus damit ein weiteres Ergebnis der<br />

Treuhandverträge: „Wir waren die ersten, die es <strong>aus</strong> diesem Mief, nämlich Lobbyismus,<br />

schafften.“ 21 Der klassische Verbändelobbyismus sah vor, sich für geplante Vorhaben, parlamentarische<br />

Unterstützung bei den Abgeordneten zu holen: „Also früher war das einfach.<br />

Da konnten die Verbände sagen 'Wir brauchen Geld für Gesundheitsförderung, für Migranten.<br />

Liebes Land Berlin besorge mal Geld'. So. Dann suchte man sich Abgeordnete, die das<br />

auch so gesehen haben. Jetzt war es anders geworden.“ 22<br />

Darüber hin<strong>aus</strong> legen die Verträge eine kontinuierliche Zusammenarbeit der Verbände untereinander<br />

fest: „<strong>Die</strong> mussten endlich miteinander. Und sie mussten sich in einem Dachverband<br />

um die Schar der Betroffenen kümmern und weniger um sich selbst.“ 23 <strong>Die</strong><br />

Wohlfahrtsverbände stünden sich nunmehr <strong>als</strong> Partner anstatt <strong>als</strong> einzelne Interessenvertreter<br />

gegenüber. 24 <strong>Die</strong>ses – so ein Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin –<br />

war allerdings ein längerer Prozess, der anfangs noch von starken Verteilungskämpfen zwischen<br />

den Verbänden um die Fördermittel gekennzeichnet war. Ein Teil der Verbände wollte<br />

die alten Strukturen und lineare Kürzungen beibehalten, sie wehrten sich gegen stärker leis-<br />

17 Interview Nr. 6 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 280-285.<br />

18 Interview Nr. 3 mit einem Vertreter der SenGSV, Zeile 82.<br />

19 Interview Nr. 8 mit Vertretern der SenGSV, Zeilen 418-421.<br />

20 Interview Nr. 8 mit Vertretern der SenGSV, Zeile 699.<br />

21 Interview Nr. 9 mit einem Vertreter der SenGSV, Zeilen 562-563.<br />

22 Interview Nr. 14 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 93-96.<br />

23 Interview Nr. 9 mit einem Vertreter der SenGSV, Zeilen 486-489.<br />

24 Vertreter der SenGSV bestätigen auch den Leistungsträgern untereinander ein seit Einführung der Treuhandverträge<br />

stärker <strong>aus</strong>geprägtes partnerschaftliches und auf Fachlichkeit statt auf Konkurrenz beruhendes<br />

Miteinander; Konzepte würden gemeinsam erstellt.<br />

B E R L I N E R T R E U H A N D V E R T R Ä G E S E I T E | 28


tungsorientierte und fachliche Debatten nach <strong>dem</strong> Motto „Jeder hat sein Kontingent, und<br />

wenn gekürzt wird, schön gleichmäßig, (…) sodass wir uns nicht ins Gehege kommen.“ 25<br />

Auch ein ehemaliger Staatssekretär der SenGSV bestätigt: „Da gab es eine gewisse Phase, da<br />

war das nicht so einfach, dass man über die Eigeninteressen hinweg schaut und wirklich mal<br />

versucht, fachlich zu schauen.“ 26 <strong>Die</strong> Verträge waren daher <strong>aus</strong> Sicht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes<br />

Berlin „absolut umstritten“ 27 , denn sie bedeuteten einen tiefgreifenden<br />

Rollenwechsel für die Verbände. <strong>Die</strong>se konnten sich nun nicht mehr wie in alter lobbyistischer<br />

Tradition Abgeordnete für ihre Belange suchen, die sie anschließend politisch<br />

durchsetzten, sondern mussten diese fachlich begründen. „Und das hat natürlich bei den<br />

beteiligten Organisationen, Menschen, Personen tiefgreifende Fragen, Diskussionen <strong>aus</strong>gelöst.<br />

Also nach <strong>dem</strong> Motto 'Ausverkauf der Wohlfahrtsverbände, Untergang des<br />

Abendlandes mindestens'.“ 28<br />

Doppeltes Mandat<br />

Angesprochen wird von allen befragten Experten der latente Rollenkonflikt, in den die Verbände<br />

durch die Treuhandverträge gebracht wurden. So sind sie <strong>als</strong> Dachverband ihrer<br />

Einrichtungen und Projekte auf der einen Seite deren Interessenvertreter, der sich für ihre<br />

Anliegen auf staatlicher Seite einsetzen soll, und auf der anderen Seite übernehmen sie in<br />

ihrer Funktion <strong>als</strong> Beliehene und Geldgeber staatliche Aufgaben gegenüber ihren Mitgliedsorganisationen.<br />

Ein Vertreter eines Fachverbandes beschreibt diesen Konflikt<br />

folgendermaßen: „Das ist für die Verbände eine ganz fatale Sache. Und es ist eigentlich auch<br />

für den Staat eine fatale Sache. (…) Entweder macht man die Demokratie in diesen Verbänden<br />

kaputt – das passiert übrigens wahrscheinlich auch. Also die werden verstaatlicht.“ 29<br />

Ähnliche Gefahren sprechen auch Vertreter der Wohlfahrtsverbände an. So gab es anfangs<br />

intensive verbandsinterne Diskussionen, ob ein Verband in seiner Funktion <strong>als</strong> Dachverband<br />

Aufgaben übernehmen könne, die er möglicherweise gegen den Willen seiner Mitgliedsorganisationen<br />

umsetzen müsse. Verbandskollegen <strong>aus</strong> anderen Bundesländern sähen zu<strong>dem</strong><br />

ihre Aufgabe vor allem darin, sich gegen Vorgaben des Staates zu wehren anstatt selbst<br />

„staatliche“ Entscheidungen zu treffen. „<strong>Die</strong> sind eher auf das Spiel alle eingestellt, die Landesregierung<br />

oder die Kommune macht eine Vorgabe, und wir müssen uns dagegen wehren.<br />

<strong>Die</strong> finden das ganz kritisch, dass ich jetzt komme und sag 'Ich bestimme'.“ 30 So wurde <strong>dem</strong><br />

Diakonischen Werk Berlin-Brandenburg von seinen Mitgliedsorganisationen anfangs sogar<br />

die Zustimmung zum Unterzeichnen des Treuhandvertrages verweigert.<br />

Mit ähnlichen Diskussionen hatte ebenfalls der Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin zu<br />

kämpfen. Aus seiner Sicht gelang es ihm allerdings recht gut, diese Doppelfunktion wahrzunehmen;<br />

er konnte seine Mitgliedsorganisationen von den Verträgen überzeugen und bei<br />

25 Interview Nr. 6 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 358-359.<br />

26 Interview Nr. 7 mit einem Vertreter der SenGSV, Zeilen 337-340.<br />

27 Interview Nr. 14 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeile 89.<br />

28 Interview Nr. 14 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 100-103.<br />

29 Interview Nr. 11 mit einem Vertreter eines Fachverbandes, Zeilen 311-315.<br />

30 Interview Nr. 1 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 385-388.<br />

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ihnen durch eine erfolgreiche Steuerung Sympathien gewinnen. Eine weitere Möglichkeit,<br />

um mit diesem „doppelten Mandat“ 31 umzugehen, sieht ein anfänglich ebenfalls beliehener<br />

Fachverband darin, die Zuwendungen an seine Mitglieder nicht im Namen des Landes zu<br />

verteilen, weshalb dessen Mitglieder bei Problemen ihm gegenüber nicht offen sein könnten,<br />

sondern sich selbst wie dessen Mitgliedseinrichtungen <strong>als</strong> Empfänger der<br />

Gesamtzuwendung zu sehen, sich damit <strong>dem</strong> Senat gegenüber zu stellen und dann im eigenen<br />

Namen über die Verteilung der Mittel zu entscheiden. <strong>Die</strong>se Rollenkonstruktion sei<br />

allerdings von den Mitgliedern nie so wahrgenommen worden. „Also insofern bin ich einerseits<br />

ein Freund davon, zu sagen 'Kann man nicht diese Treuhandlösung durch etwas<br />

anderes ersetzen, um diese doppelte Legitimationsfalle sozusagen zu umgehen?' Und andererseits<br />

sehe ich in der Realität, dass es faktisch besser funktioniert in dieser<br />

Treuhandrolle.“ 32 Als günstig wird dabei bewertet, dass der Paritätische Wohlfahrtsverband<br />

Berlin <strong>als</strong> Zuwendungsgeber nicht so nah an seinen Mitgliedern dran sei wie ein Fachverband,<br />

was den Konflikt des doppelten Mandates abmildere und dazu führe, dass er seine<br />

Rolle <strong>als</strong> Treuhänder leichter wahrnehmen könne – so der Vertreter dieses Fachverbandes.<br />

Staatliche Kontrolle<br />

Seitens der Senatsverwaltung wird auf einen weiteren grundlegenden Konflikt hingewiesen,<br />

der <strong>als</strong> Folge der Vertragskonstruktion wahrgenommen wird. Aufgrund der Beleihung unterliegen<br />

die Wohlfahrtsverbände in ihrer Funktion <strong>als</strong> Treuhänder ebenso wie die Verwaltung<br />

den Vorschriften des H<strong>aus</strong>haltsrechts und damit auch der staatlichen Kontrolle, während im<br />

privatrechtlichen Geschäftsverkehr die freie Ausgestaltung von Verträgen von grundlegender<br />

Bedeutung sei. Allerdings handele es sich bei den Zuwendungsmitteln, die über die Verträge<br />

vergeben werden um öffentliche Mittel, deren Verwendung vom Staat beaufsichtigt werden<br />

müsse: „Über die Verwendung von Steuergeldern muss es eine Aufsicht geben. Und die Aufsicht<br />

kann nur von <strong>hier</strong> <strong>aus</strong> geführt werden.“ 33 Sowohl die Fachaufsicht <strong>als</strong> auch die Aufsicht<br />

des Parlaments bezüglich der Treuhandverträge sollen nach <strong>dem</strong> Willen des Rechnungshofs<br />

<strong>aus</strong>gebaut werden. Eine starke Kontrolle kollidiere jedoch mit der Vertragskonstruktion zwischen<br />

Senat und Verbänden, da sie statt eines Vertragsverhältnisses zwischen<br />

gleichberechtigten Partnern ein Über-Unterordnungsverhältnis vor<strong>aus</strong>setze. <strong>Die</strong>ses Thema<br />

sei sehr konfliktreich, da die LIGA nicht besonders zugänglich für eine starke Kontrolle wäre.<br />

34<br />

Nach Ansicht der interviewten Verwaltungsexperten kann die Fachaufsicht daher nur in<br />

Form von gegenseitiger Verständigung erfolgen. Auch solle stärker getrennt werden zwischen<br />

Vertragsbestandteilen, welche die Beleihung zum Inhalt haben und bei denen eine<br />

Fachaufsicht überhaupt nur in Frage käme, und anderen Vertragsteilen. Kernpunkt der Ver-<br />

31 Im Zusammenhang mit der Legitimierung der Verbände durch ihre Mitgliedsorganisationen <strong>als</strong> Interessenvertreter<br />

auf der einen und durch die Senatsverwaltung <strong>als</strong> Beliehener auf der anderen Seite spricht ein<br />

Vertreter eines Fachverbandes auch vom „doppelten Mandat“ der Verbände.<br />

32 Interview Nr. 11 mit einem Vertreter eines Fachverbandes, Zeilen 961-966.<br />

33 Interview Nr. 8 mit Vertretern der SenGSV, Zeilen 871-872.<br />

34 Interview Nr. 8 mit Vertretern der SenGSV, Zeilen 864-868.<br />

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träge ist jedoch die Beleihung und der damit verbundene Einsatz der Zuwendungsmittel,<br />

weswegen unklar sei, wo die Grenze zu ziehen ist. Durch „präventives Vorgehen“ würde folglich<br />

versucht, Fehler zu vermeiden, damit der Rechnungshof bei seinen Kontrollen keine<br />

Anhaltspunkte für Kritik findet. 35 Äußerungen der Verbände lassen darauf schließen, dass<br />

diese Strategie allerdings auch kritisch betrachtet wird. Demnach führe die ständige Kritik<br />

des Rechnungshofes bei der Senatsverwaltung zu einem Angstgefühl, ihrer Aufsichtspflicht<br />

nicht gerecht zu werden, was sie zu einer „bürokratischen Prinzipienreiterei“ 36 veranlasst. Da<br />

Verwaltung durch die Treuhandverträge nicht mehr selbst für Steuerung und Aushandlung<br />

konflikthafter Prozesse verantwortlich ist, konzentriere sie sich stärker auf die Einhaltung<br />

formalen Zuwendungsrechts. „Das hat sich mittlerweile zu einem fatalen Kreislauf entwickelt,<br />

immer mehr bürokratisieren zu wollen.“ 37<br />

Rollenverständnis der Akteure<br />

<strong>Die</strong> <strong>hier</strong> beschriebenen Sachverhalte wie Aufgabenkritik der Senatsverwaltung, Verantwortungsübernahme<br />

der Verbände und der damit zusammenhängende Rollenkonflikt infolge<br />

des „doppelten Mandats“ der Verbände sowie die kooperative Zusammenarbeit zwischen<br />

den Vertragsparteien, die schließlich mit den Erfordernissen staatlicher Fachaufsicht kollidiert,<br />

geben Grund zu der Annahme, dass es auf beiden Seiten, sowohl bei den Verbänden<br />

<strong>als</strong> auch bei der Senatsverwaltung im Zuge der Einführung von Treuhandverträgen zu einer<br />

veränderten Wahrnehmung und relativen Unklarheit ihrer bisherigen Rollen und Funktionen<br />

gekommen ist.<br />

Ein Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin sieht die aktuelle Situation folgendermaßen:<br />

„Man müsste wieder zurück gehen zu den alten Rollen. (…) Das ist heute<br />

völlig verloren gegangen. Also, eigentlich müsste die Rollen<strong>hier</strong>archie so sein: Der Staat<br />

macht gesamtstädtische für die Bundeshauptstadt verbindliche Planung. <strong>Die</strong> Wohlfahrtsverbände<br />

setzen dann mit <strong>dem</strong> Senat die Planung um. Und die Projekte führen sie <strong>aus</strong>. So, das<br />

müsste eigentlich die Logik sein. Und das sehe ich nicht mehr, das sehe ich nicht. Ich sehe<br />

Senatsmitarbeiter, die zu Projekten laufen und mit denen reden über Einzelbelange. (…) Das<br />

kleinste ist ganz wichtig, und mit <strong>dem</strong> größten will sich keiner beschäftigen. Also ich sehe so<br />

ein bisschen die Probleme der klaren Rollendefinitionen.“ 38<br />

IV. b. Warum muss der Staat eigentlich immer steuern? – Steuerung<br />

über Kontraktmanagement<br />

Durch die Treuhandverträge haben sich der sozial- und fachpolitische Einfluss der Wohlfahrtsverbände<br />

und die Möglichkeit, in einzelnen Förderbereichen zu steuern, verändert. <strong>Die</strong><br />

in diesem Zusammenhang erfolgte Übertragung bestimmter Aufgaben auf die Verbände,<br />

35 Interview Nr. 8 mit Vertretern der SenGSV, Zeilen 880-885.<br />

36 Interview Nr. 6 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeile 651.<br />

37 Interview Nr. 6 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 665-667.<br />

38 Interview Nr. 14 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 609-630.<br />

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führte wiederum bei der Senatsverwaltung zu einem veränderten Steuerungsverständnis<br />

und entsprechenden Leistungsänderungen.<br />

Staatliche versus verbandliche Steuerung<br />

Seit der Einführung der Treuhandverträge teilt sich der Staat bestimmte Steuerungsaufgaben<br />

mit Wohlfahrtsverbänden <strong>als</strong> – nach Auffassung der Senatsverwaltung – kompetenten Partnern.<br />

<strong>Die</strong> Verträge würden daher – so ein Mitglied des Parlaments – sowohl der<br />

Senatsverwaltung <strong>als</strong> auch den Verbänden relativ große Gestaltungsspielräume ermöglichen.<br />

Auch die Verbände heben besonders hervor, dass sie durch die Verträge aktive Steuerungsmöglichkeiten<br />

unter Beteiligung ihrer Leistungsträger gewonnen hätten, die sie vorher nicht<br />

kannten. Bis dahin habe die Senatsverwaltung „angeordnet“, wogegen die Verbände in ihrer<br />

Funktion <strong>als</strong> Interessenvertreter ihrer Mitglieder anschließend „Widerstand leisteten“. Ein<br />

Staatssekretär a.D. der SenGSV äußert sich dazu wie folgt: „Also ich sage, Staat muss nicht<br />

alles machen. Ich muss <strong>als</strong> Staat dafür sorgen, dass eine Aufgabe erledigt wird. Aber ich muss<br />

sie nicht selbst erledigen. (…) Es gibt ein paar Pflichtaufgaben. Feuerwehr, Polizei, Lebensmittelkontrolle<br />

muss ich möglicherweise machen. Aber ich muss nicht alles andere<br />

machen.“ 39 Demzufolge hat der Staat vor allem zu gewährleisten, dass öffentliche Aufgaben<br />

auch tatsächlich erbracht werden. Steuerung beziehe sich <strong>als</strong>o darauf, festzulegen, welche<br />

Aufgaben erfüllt werden sollen, nicht aber darauf, diese Aufgaben auch selbst zu erledigen.<br />

Ein Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin sieht es ähnlich: „Weil ich so<br />

nahe an <strong>dem</strong> Staat dran war und mitbekommen habe wie er reagiert, wie seine Bürokratien<br />

funktionieren, war mir immer klar, dass eine hochdynamische Gesellschaft mit so einem<br />

Staatsapparat dauerhaft nicht zu steuern ist, oder nicht die Leistungen, die der Staat eigentlich<br />

erbringen müsste, erstellt werden <strong>können</strong>.“ 40<br />

Aus Sicht der Fachverbände werden die Mitwirkungsmöglichkeiten, die die Verbände durch<br />

die Verträge erhalten, durch<strong>aus</strong> begrüßt, jedoch wird der sinkende Einfluss des Staates auch<br />

ambivalent beurteilt. <strong>Die</strong> Steuerungsmöglichkeiten, die die Verbände durch die Verträge<br />

bekommen haben, „gehören ihnen eigentlich nicht“ 41 – so ein Vertreter eines Fachverbandes<br />

– da Steuerung Staatsaufgabe sein solle. <strong>Die</strong> Verbände hätten sich stattdessen um ihre<br />

Mitglieder zu kümmern. „<strong>Die</strong> öffentliche Hand, die das Geld hat, kapituliert vor der Zivilgesellschaft<br />

und sagt ihr 'Wir kriegen das nicht mehr geregelt. Macht Ihr das mal'. (…) Und<br />

dann plötzlich haben diejenigen, die die Akteure im Feld sind, durch<strong>aus</strong> die Möglichkeit, ihre<br />

Vorstellungen viel viel schneller umzusetzen, <strong>als</strong> wenn sie drei Jahre brauchen bis irgendein<br />

Politiker ein Wahlprogramm geschrieben hat. Jetzt haben sie ja schon gleich die Ressourcen<br />

und <strong>können</strong> die dann so verteilen.“ 42<br />

Das Parlament hat die abnehmenden staatlichen Einflussmöglichkeiten bereits <strong>als</strong> Problem<br />

wahrgenommen: „Ich denke, dass der Senat ein Stück weit auch seine Verantwortung mit<br />

39 Interview Nr. 9 mit einem Vertreter der SenGSV, Zeilen 505-511.<br />

40 Interview Nr. 6 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 135-140.<br />

41 Interview Nr. 11 mit einem Vertreter eines Fachverbandes, Zeile 303.<br />

42 Interview Nr. 11 mit einem Vertreter eines Fachverbandes, Zeilen 498-505.<br />

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dieser Art von Vertragskonstruktion <strong>aus</strong> der Hand gegeben hat. Er benennt nur noch politische<br />

Aufgabenfelder (…), aber die tatsächliche Einflussnahme auf die Umgestaltung in <strong>dem</strong><br />

jeweiligen sozialpolitischen oder gesundheitspolitischen Feld hat er schon nicht mehr. Es<br />

geht <strong>als</strong>o auch in der Gestaltung der Vertragsbeziehungen zwischen Senat und der LIGA<br />

hauptsächlich, denke ich, um die Formalien, <strong>als</strong>o einer konkreten Abrechnung und einer<br />

konkreten finanziellen Umsetzung dieser Vertragskonstruktion, weniger <strong>als</strong>o um den fachpolitischen<br />

Aust<strong>aus</strong>ch und den fachpolitischen Streit, was dort eigentlich passieren soll.“ 43 <strong>Die</strong><br />

Senatsverwaltung hätte es verpasst, Instrumente für einen permanenten fachlichen Aust<strong>aus</strong>ch<br />

über Vertragsziele und deren Umsetzung in den Treuhandverträgen einzubauen. „Ich<br />

bin nicht gegen die Übernahme von Aufgaben durch Dritte, die das besser machen <strong>können</strong>.<br />

Das find ich eher gut. Aber ich finde, der Staat sollte auch in den Personen der Senatsverwaltung<br />

diese Prozesse <strong>als</strong> politisch Verantwortlicher mit begleiten. (…) Und das tun sie nicht in<br />

<strong>dem</strong> Maße und wie sie das machen müssten. (…) Nach <strong>dem</strong> Subsidiaritätsprinzip sollte der<br />

Staat abgeben. Das hat er mit diesen Treuhandverträgen auch getan. Aber der sollte, wenn<br />

er das abgibt, die fachpolitische Diskussion um die Umsetzung der Verträge nicht mit abgeben<br />

und die fachlichen Diskussionen nur noch dort stattfinden lassen. Ich find, da hat er eine<br />

Motorfunktion. Da muss er die Diskussion voranbringen und muss diese fachliche Diskussion<br />

auch auf einem hohen Niveau führen wollen.“ 44<br />

Parlamentarische Kontrolle<br />

Um eine stärkere parlamentarische Kontrolle zu ermöglichen, ist <strong>dem</strong> Parlament jährlich<br />

über die Umsetzung der Verträge zu berichten. <strong>Die</strong>s sei notwendig, da der zuständige Fach<strong>aus</strong>schuss<br />

des Parlaments in den Verträgen nicht direkter Partner ist. Auch auf Seiten des<br />

Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin werden solche parlamentarischen Kontrollen <strong>als</strong><br />

notwendig erachtet, auch wenn sie mit Abhängigkeiten einhergehen: „<strong>Die</strong> sind aber für mich<br />

auch normal in einem <strong>dem</strong>okratischen Staatswesen, dass der Souverän, <strong>als</strong>o das Volk ein<br />

Parlament wählt, und die dann verantwortlich die Staatsaufgaben beeinflussen. (…) Insofern,<br />

diese Abhängigkeit, die kann man nicht aufheben. <strong>Die</strong> will ich auch nicht aufheben. Das gehört<br />

zu meinem Staatsverständnis.“ 45<br />

Vertragsgestaltung<br />

Beklagt wird von den Verbänden allerdings, dass in den Treuhandverträgen die verbandlichen<br />

Positionen nur unzureichend berücksichtigt werden würden: „Der aktuelle Vertrag von<br />

2006 ist zu 99 Prozent Senatsverwaltung, oder vielleicht sogar zu 99,9 Prozent. Also die Position<br />

der Verbände finde ich da kaum wieder.“ 46 <strong>Die</strong> Senatsverwaltung ist sich dieser<br />

Situation durch<strong>aus</strong> bewusst und begründet ihre starke Rolle bei der Vertragsgestaltung damit,<br />

dass die Verträge ein Instrument seien, um öffentliche Gelder zu verteilen. „Also was da<br />

drin stehen muss, <strong>können</strong> ja sowieso nur wir sagen. Da kann die LIGA <strong>aus</strong> meiner Sicht dann<br />

43 Interview Nr. 12 mit einem Vertreter des Parlaments, Zeilen 128-140.<br />

44 Interview Nr. 12 mit einem Vertreter des Parlaments, Zeilen 326-355.<br />

45 Interview Nr. 6 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 767-774.<br />

46 Interview Nr. 14 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 654-656.<br />

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auch nur sagen, damit ist sie einverstanden. (…) Aber wir würden uns ja nicht einem Vertrag<br />

beugen, da jetzt nur Sachen reinschreiben [Wort bricht ab]. Das geht ja gar nicht.“ 47 Einen<br />

ersten Vorschlag zur Vertragsgestaltung habe – so ein Senatsvertreter – eine Arbeitsgruppe<br />

der Senatsverwaltung erarbeitet, den sie mit ihrem H<strong>aus</strong>haltsreferat und <strong>dem</strong> Justiziariat<br />

abgestimmt habe, von den Verbänden sei jedoch kein substanzieller eigener Beitrag gekommen.<br />

<strong>Die</strong> Senatsverwaltung sei in der Vertragsgestaltung Spezialist, um <strong>hier</strong> in Vorlage<br />

gehen zu <strong>können</strong>, im Gegensatz zu den Verbänden, denen kompetentes Personal diesbezüglich<br />

fehlen würde. 48<br />

Der Druck der Verbände auf die Vertragsgestaltung sei schon da, jedoch sei es ordinäres Geschäft<br />

der Verwaltung, parlamentsfeste und für den Rechnungshof gefällige Verträge zu<br />

machen. Vertragstexte würden daher über die Jahre immer wieder modifiziert, um Fehler<br />

<strong>aus</strong>zugleichen: „Ich würd mal sagen, das Schicksal der Verträge ist, dass sie immer detaillierter<br />

werden, ohne dass man jedes Problem regeln kann. Je knapper ein Vertrag ist, desto<br />

besser ist es eigentlich. Das ist alles Vertrags<strong>aus</strong>legung und lässt einem viel mehr Spielräume.<br />

Aber die Zeit ist vorbei. Da gucken zu viele Leute mit.“ 49 Kritisiert wird diese Entwicklung<br />

auch vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin. So habe der ursprüngliche Treuhandvertrag<br />

von 1994 lediglich zehn Seiten gehabt, jeder neue Vertrag wäre jedoch umfangreicher<br />

und detaillierter geworden. Unklar ist <strong>dem</strong> Verband, warum immer mehr vertraglich geregelt<br />

werden müsse, da früher auch keine unhaltbaren Zustände geherrscht hätten. Je kleinteiliger<br />

dagegen alles von der Senatsverwaltung geregelt würde, umso weniger würden die<br />

Wohlfahrtsverbände benötigt. Mit <strong>dem</strong> neuen Treuhandvertrag „Stadtteilzentren“ habe der<br />

Senat allerdings – so die Auffassung des Vertreters eines Fachverbandes – wieder mehr Entscheidungsspielräume<br />

an die Verbände abgegeben.<br />

Vertreter der Senatsverwaltung verweisen bezüglich der Forderungen der LIGA, Regelungen<br />

der Landesh<strong>aus</strong>haltsordnung teilweise für die Verträge außer Kraft setzen zu lassen, auf deren<br />

fehlende Kompetenzen; es wären davon schließlich auch bundesrechtliche Grundsätze<br />

betroffen, über die weder die Fachverwaltung, noch die Senatsverwaltung für Finanzen,<br />

noch der Landesgesetzgeber allein entscheiden könnten. <strong>Sie</strong> verweisen damit auf ein Erfordernis,<br />

beim Abschluss der Treuhandverträge alle Angelegenheiten, die mit <strong>dem</strong><br />

Landesh<strong>aus</strong>halt im Zusammenhang stehen, mit der Senatsverwaltung für Finanzen abstimmen<br />

zu müssen. Allerdings sei diese Abstimmung nur bei Abschluss, jedoch nicht bei der<br />

Umsetzung der Verträge notwendig. <strong>Die</strong> letztendliche Entscheidungsgewalt habe bei Neuverhandlungen<br />

der Verträge dagegen das Parlament. <strong>Die</strong> Schwierigkeiten der<br />

Senatsverwaltung, alle betroffenen Akteure angemessen in die Vertragsverhandlungen einzubeziehen,<br />

zeigt sich u.a. in der Kritik der Bezirksbürgermeister beim Abschluss des ersten<br />

Vertrages über die ambulante Drogenhilfe, die allerdings vom damaligen regierenden Bürgermeister<br />

Eberhard <strong>Die</strong>pgen in etwa mit folgenden Worten abgetan wurde: „Na, wir wollen<br />

47 Interview Nr. 8 mit Vertretern der SenGSV, Zeilen 1095-1099.<br />

48 Interview Nr. 8 mit Vertretern der SenGSV, Zeilen 1055-1072.<br />

49 Interview Nr. 8 mit Vertretern der SenGSV, Zeilen 1126-1132.<br />

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doch jetzt <strong>hier</strong> mal nicht kritisieren, dass eine Verwaltung <strong>aus</strong>nahmsweise mal so schnell<br />

gehandelt hat.“ 50<br />

Kooperationsgremium<br />

<strong>Die</strong> Steuerungsaufgaben innerhalb der vereinbarten Treuhandverträge werden vorranging in<br />

einem Kooperationsgremium bewältigt. Sowohl die Senatsverwaltung <strong>als</strong> auch die Verbände<br />

sind darin mit gleicher Sitzanzahl vertreten. Beschlussvorlagen werden in ebenfalls paritätisch<br />

besetzten Arbeitsgruppen erarbeitet. Über das Kooperationsgremium bewahre sich –<br />

nach Ansicht einer Bezirksvertreterin – die Senatsverwaltung ihre Möglichkeiten zur inhaltlichen<br />

Einflussnahme und Kontrolle. Allerdings bestände auch die Gefahr, dass mit<br />

zunehmender Laufzeit der Verträge, die beteiligten Akteure ihre Aufgaben im Kooperationsgremium<br />

nicht mehr so häufig wahrnehmen und Entscheidungen daher auch ohne deren<br />

Mitwirkung getroffen werden könnten. Anzumerken ist <strong>hier</strong>bei jedoch, dass Abstimmungen<br />

nach <strong>dem</strong> Konsensprinzip erfolgen, wobei das Land ein Vetorecht besitzt und damit nach<br />

Auffassung der Verwaltung nie seine Steuerungsmöglichkeit <strong>aus</strong> der Hand gegeben habe.<br />

„Das Land konnte gar nicht überstimmt werden, egal ob wir nun zwei oder drei Stimmen<br />

haben, das war egal.“ 51<br />

Abstimmprozesse<br />

Vertreter der Senatsverwaltung sehen aber auch, dass es durch die Einbeziehung der Verbände<br />

wesentlich einfacher wurde, neue Entwicklungen, die auch immer Einsparungen<br />

bedeuteten, umzusetzen, denn die Kürzungsraten hätten die Verbände selbst mit abgeschlossen<br />

und stünden dadurch jetzt mit in der Verantwortung. <strong>Die</strong> Verbände verstehen ihre<br />

neue Verantwortung <strong>als</strong> Möglichkeit, direkten Einfluss auf die Weiterentwicklung der fachlichen<br />

Arbeit in den Projekten nehmen zu <strong>können</strong>. <strong>Die</strong> fachlichen Vorgaben, die die Verbände<br />

bei den Projekten machen, würden mit der Senatsverwaltung abgestimmt. Das wäre aber<br />

auch schon alles. Seitens der Senatsverwaltung wird bestätigt, dass diese eher allgemeine<br />

Vorgaben machen, bzw. Entscheidungen treffen würde, welche Projekte gefördert werden<br />

sollen; für Einzelfragen, beispielsweise die Anerkennung bestimmter förderfähiger Ausgaben,<br />

wären die Verbände alleinzuständig. Schwerpunktänderungen seien jedoch nur mit<br />

Zustimmung der Senatsverwaltung möglich: „Das muss man gemeinsam entscheiden. Wir<br />

müssen ja gemeinsam sagen, wenn es zu Schwerpunktänderungen kommt. (…) Und dann<br />

geht das eben auch nur mit unserer Zustimmung. Also insofern <strong>können</strong> wir schon Einfluss<br />

<strong>aus</strong>üben. Wenn wir die nicht geben an der Stelle, dann kommt keine Einigung zustande.<br />

Aber wir müssen uns auf der anderen Seite aber auch mit der anderen Seite einigen und<br />

versuchen, eine Lösung hinzukriegen.“ 52 Auch <strong>aus</strong> Sicht der Fachverbände müssten die<br />

Wohlfahrtsverbände <strong>als</strong> Verwalter öffentlicher Mittel von den politischen Vertretern ernst<br />

genommen werden, da sie <strong>als</strong> Treuhänder quasi zum selben „Laden“ dazugehören würden,<br />

und sie erhielten folglich die Chance, Prozesse aktiv mit steuern zu <strong>können</strong>. Dadurch seien<br />

50 Interview Nr. 3 mit einem Vertreter der SenGSV, Zeilen 159-161.<br />

51 Interview Nr. 3 mit einem Vertreter der SenGSV, Zeilen 159-161.<br />

52 Interview Nr. 8 mit Vertretern der SenGSV, Zeilen 1008-1015.<br />

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die Treuhandverträge allerdings auch ein angenehmes Steuerungsinstrument für die Verwaltung,<br />

da sie die mit den Umsteuerungsprozessen verbundenen Konflikte an die Verbände<br />

verlagere: „Das heißt, 'Wir geben denen den Job, das zu tun, was wir eigentlich machen<br />

müssten, und die kriegen den Ärger dafür'.“ 53<br />

Ein Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin spricht aber auch davon, dass<br />

der Übergabe bestimmter Steuerungsaufgaben an die Verbände nicht immer so bereitwillig<br />

zugestimmt wurde. Außerordentlich schwierig sei die Zusammenarbeit mit der Landesdrogenbeauftragten<br />

gewesen, weil „von dort immer behauptet wurde, seit<strong>dem</strong> der Paritätische<br />

diesen Vertrag macht, passiert gar nichts mehr. Keine Entwicklung, nur noch Stillstand. Und<br />

das war das, was nach außen immer getragen wurde, während wir nach innen hin komplett<br />

alles umstrukturiert haben.“ 54 Auch habe – wie der Verbandsvertreter weiter <strong>aus</strong>führt – die<br />

stärkere Einbindung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin <strong>als</strong> alleiniger Vertragspartner<br />

im neuen Integrierten Gesundheitsvertrag bei den anderen Verbänden, die vorher<br />

selbst noch am Vertrag beteiligt waren, zu stärkeren Anfeindungen in den Arbeitszusammenhängen<br />

geführt. <strong>Die</strong> Abstimmungsverfahren im Rahmen des neuen Integrierten<br />

Gesundheitsvertrages scheinen generell schwierig: „Ich hab jetzt viel mehr Strukturen und<br />

Menschen und <strong>Die</strong>nstleister, mit denen ich mich abstimmen muss. Und das macht es nicht<br />

unbedingt einfacher. Für meinen Geschmack viel zu viele Häuptlinge.“ 55<br />

Zielsetzungen<br />

Das Hauptziel des neuen Integrierten Gesundheitsvertrages sieht der Paritätische Wohlfahrtsverband<br />

Berlin im Aufbau eines Gesundheitsnetzwerks für Berlin, um verschiedene<br />

Bestandteile eines gesundheitlichen Versorgungssystems in seinen Grenzen durchlässiger zu<br />

machen. Dazu zählen die Handlungsfelder Drogen und Sucht, AIDS sowie sonstige gesundheitliche<br />

Projekte. Bisher seien die einzelnen Hilfesysteme stark voneinander getrennt.<br />

Durch neue tragfähige Strukturen erhofft man sich auch zusätzliche Einsparmöglichkeiten.<br />

Auch die Senatsverwaltung sieht ein solches <strong>Netz</strong>werk <strong>als</strong> Entwicklungsziel, verweist aber<br />

darauf, dass diese Aufgabe noch in den Anfängen steckt und bisher lediglich <strong>als</strong> Perspektive<br />

betrachtet wird: „Also wichtiger *Wort bricht ab+. Im Moment gucke ich schon nur auf mein<br />

Handlungsfeld Drogen und Sucht, wofür ich jetzt im Kooperationsgremium stehe. Auch da ist<br />

es jetzt natürlich leicht besser steuerbar. Man, wir haben jetzt alle Projekte drauf. (…) Also<br />

alles was Sucht ist, ist jetzt auf diesem einen Handlungsfeld. Schon da ergeben sich dann<br />

auch konzeptionelle neue Ausgangslagen, wie man da besser steuern und damit umgehen<br />

kann. Und dann auch noch mal die Berührung, zu sagen, jetzt haben wir da auch noch die<br />

AIDS-Hilfe, das verbuche ich im Moment erst mal nur unter 'wird ja spannend'. Soweit denke<br />

ich jetzt noch nicht.“ 56<br />

53 Interview Nr. 11 mit einem Vertreter eines Fachverbandes, Zeilen 453-455.<br />

54 Interview Nr. 1 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 613-617.<br />

55 Interview Nr. 1 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 361-363.<br />

56 Interview Nr. 3 mit einem Vertreter der SenGSV, Zeilen 759-776.<br />

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<strong>Die</strong> Vorstellungen von einem Gesundheitsnetzwerk sind bisher noch Zukunftserwartung.<br />

Dessen ungeachtet bestätigen Vertreter <strong>aus</strong> Verwaltung und Verbänden, dass es durch die<br />

Treuhandverträge zu Umsteuerungsprozessen gekommen ist, die ohne diese Verträge nicht<br />

passiert wären. Zum Vertrag „Ambulante Drogenhilfe“ äußert sich diesbezüglich ein Vertreter<br />

des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin wie folgt: „Wir haben diesen Vertrag Ende<br />

letzten Jahres abgeschlossen und haben alles, was an Entwicklungsaufgaben dort vereinbart<br />

war, umgesetzt. Wir haben die ambulante Drogenhilfe komplett umstrukturiert.“ 57 Fachkräfte<br />

seien im gesamten Land Berlin neu verteilt worden, und zwar ohne größere Widerstände<br />

seitens der Leistungsträger, was dadurch begünstigt wurde, dass die Umstrukturierung auf<br />

Grundlage einer wissenschaftlichen Bedarfsanalyse durchgeführt worden ist und getroffene<br />

Entscheidungen sich somit fachlich begründen ließen. Darüber hin<strong>aus</strong> habe man es sogar<br />

geschafft, integrierte Suchthilfedienste für illegale Drogen und Alkohol einzurichten. 58 Ein<br />

anderer Verbandsvertreter ist mit diesem Feld weniger zufrieden. Er problematisiert die Aufteilung<br />

der Zuständigkeiten für Zuwendungsförderungen im niedrigschwelligen Bereich bei<br />

legalen Suchtmitteln auf die Bezirke und bei illegalen Drogen auf das Land. <strong>Die</strong> Bezirke würden<br />

sich gegen eine Übergabe ihrer Zuständigkeit an das Land zugunsten einer<br />

gesamtstädtischen Zuständigkeit massiv wehren, um die wenigen Mittel, die sie für diesen<br />

Bereich zur Verfügung haben, nicht abgeben zu müssen. „Deswegen kriegen wir <strong>hier</strong> einfach<br />

auch keine integrierte Suchthilfe hin im niedrigschwelligen Bereich, im Beratungsbereich.“ 59<br />

Der Verband habe schon früh bei den Strukturen der Drogenhilfe einen großen Veränderungsbedarf<br />

gesehen, die Senatsverwaltung sei dagegen diesbezüglich immer sehr träge<br />

gewesen. Berlin habe – so die Ansicht eines Parlamentariers – viele Projekte, die bereits seit<br />

Jahrzehnten gefördert werden, deren sozial- und gesundheitspolitische Notwendigkeit jedoch<br />

fraglich wäre. <strong>Die</strong> langfristig <strong>aus</strong>gerichteten Treuhandverträge würden es allerdings<br />

ermöglichen, Umsteuerungsprozesse einzuleiten, die auch effektivere und effizientere Organisationsstrukturen<br />

schaffen <strong>können</strong>. <strong>Die</strong> frühere Jährlichkeit der Zuwendungsvergabe habe<br />

dagegen – so ein Vertreter der Fachverbände – zu starker Hektik, Ängsten und wenig Bereitschaft<br />

bei den Leistungsträgern geführt, sich auf solche Prozesse einzulassen. Nach Angaben<br />

des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin habe man mit den Treuhandverträgen in den<br />

letzten zehn Jahren ca. ein Drittel der Zuwendungsmittel umgeschichtet, was teilweise neuen<br />

Trägern und teilweise auch neuen Projekten von bereits geförderten Trägern zugute kam.<br />

Umstrukturierungen der Mittel seien aber – so der Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin –<br />

auch in Zukunft noch notwendig, um neuen sozialen Problemlagen besser gerecht werden zu<br />

<strong>können</strong>. Ziel sei es, Erfolgskriterien für die Leistungserbringung zu entwickeln, um damit wirkungsorientiert<br />

steuern zu <strong>können</strong>. „<strong>Die</strong> Grundlagen für Steuerungsprozesse sind heute<br />

Lichtjahre besser <strong>als</strong> 1996. Das Steuerungsinstrument im Zuwendungsrecht ist der Zuwendungszweck.<br />

Der Zuwendungszweck steht im Zuwendungsbescheid. Und da steht dann eben<br />

'Beratungsstelle für'. (…) Und damit ist im Grunde jede Vergleichbarkeit, jede Steuerung erst<br />

57 Interview Nr. 1 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 114-116.<br />

58 <strong>Die</strong>s wird ebenfalls von einem Vertreter der SenGSV bestätigt.<br />

59 Interview Nr. 6 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 1107-1109.<br />

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einmal weg. Weil da steht nur 'Beratungsstelle für haftet'. Was das jetzt ist und wie das ist,<br />

ist im Grunde eine projektspezifische Umsetzung. (…) Dann kannte man sich, oder wusste,<br />

die machen gute Arbeit. Aber das war alles so vorwissenschaftliches Denken. (…) Und ich<br />

denke mal, dass wir da in den letzten Jahren sehr weit gekommen sind – in Bezug auf Leistungsbeschreibungen,<br />

in Bezug auf Dokumentationssysteme, Leistungserfassung. <strong>Die</strong> ganzen<br />

Probleme, die damit zusammenhängen, der Steuerung, mit denen sich ja auch kein Mensch<br />

beschäftigt hat vorher. (…) Das alte Steuerungssystem ist, dass <strong>Sie</strong> ein Zuwendungsprojekt<br />

steuern, in<strong>dem</strong> Ihnen das Projekt am Ende des Jahres einen Sachbericht gibt, und einen<br />

Ordner gibt mit Quittungen und Belegen über die Verwendung der öffentlichen Gelder. So.<br />

Und der Sachbericht, den das Projekt hat, der ist quasi ohne Form, wie das Projekt das so<br />

will. Das heißt, es ist im Grund nicht richtig vergleichbar. (…) Das alte System ist ja retrospektive<br />

Kontrolle und Steuerung über den Input, und eine Steuerung über die Leistung ist<br />

schwierig. Und ich sage immer, das ist so, das sind 200 Bäume. Und das sind aber vielleicht<br />

vier Wälder oder fünf. Der eine Wald heißt Beratungsstellen, der andere Wald heißt Mobilitätshilfedienste<br />

oder was weiß ich. Und wir müssen versuchen, in diesen Wäldern<br />

Gemeinsamkeiten zu haben, damit wir sagen <strong>können</strong> 'Beratungsstelle A', 'Beratungsstelle B',<br />

damit wir so was machen <strong>können</strong> wie Vergleiche. Und überhaupt erst einmal die Grundlagen<br />

finden für ein Dokumentations- und Berichtswesen. Und dann <strong>können</strong> wir eventuell<br />

steuern.“ 60 Seitens der Senatsverwaltung setze man ebenfalls auf eine Orientierung am Leistungsoutput:<br />

„Ich denke (…) Output-Orientierung, <strong>als</strong>o das ist ja unser Interesse <strong>als</strong> Land<br />

natürlich immer, dass wir auch wollen, dass diese Steuermittel, dass die nicht nur irgendwelche<br />

Projekte finanzieren, sondern dass die beim Klienten ankommen, und zwar auch so, dass<br />

es denen auch wirklich was nutzt.“ 61 Steuerung bedeute <strong>dem</strong>entsprechend, Bedarfe zu erkennen,<br />

sich flexibel darauf einzustellen und sich auf das Wesentliche zu beschränken, was<br />

durch Verträge möglich ist, in<strong>dem</strong> nicht versucht wird mit einzelnen Leistungsträgern zu<br />

steuern, sondern in größeren Zusammenhängen. Nach Ansicht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes<br />

Berlin ist der Verband für solche Aufgaben besonders geeignet, da er sich<br />

im Gegensatz zu den Leistungsträgern, die eher ihre Eigeninteressen schützen würden, stärker<br />

am Bedarf und an den Gesamtstrukturen orientieren könne.<br />

Seit Einführung der Treuhandverträge sind immer wieder auch Projekte <strong>aus</strong> der Vertragsförderung<br />

<strong>aus</strong>geschieden und in die Entgeltfinanzierung übergegangen, wo direkt mit den<br />

Kostenträgern nach bestimmten Betreuungszahlen abgerechnet werden kann. Dass auch<br />

solche Leistungen über Treuhandverträge abgewickelt werden könnten, ist – so ein Vertreter<br />

des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin – möglich, jedoch sei es noch ein langer Weg<br />

bis dorthin. <strong>Die</strong> Finanzlage Berlins ließe – nach Auffassung eines parlamentarischen Vertreters<br />

– eine Erweiterung der Verträge sinnvoll erscheinen, wobei beachtet werden müsste,<br />

dass konkrete politische Ziele mit solchen Verträgen verbunden würden, um nicht die gesamte<br />

Verantwortung „<strong>aus</strong> der Hand“ zu geben. Auch die Verwaltung ist bestrebt, trotz<br />

weiterer Sparzwänge, einen neuen Treuhandvertrag abschließen zu <strong>können</strong>: „Wenn wir das<br />

60 Interview Nr. 14 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 420-467.<br />

61 Interview Nr. 3 mit einem Vertreter der SenGSV, Zeilen 535-539.<br />

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schaffen, denn ist das nur wunderbar. Das ist sozusagen der Weg der Zukunft. Denn anders<br />

geht es gar nicht. (…) Das andere wird sozusagen für alle noch schrecklicher. Also von daher<br />

kann ich für die Zukunft nur sagen, das muss uns gelingen, da weiter zu machen. Denn wir<br />

<strong>können</strong> auch nicht mehr zurück. Was heißt denn, es <strong>aus</strong> eigener Kraft zu machen? (…) Wir<br />

haben gar nicht mehr die Möglichkeit, es <strong>aus</strong> eigener Kraft zu machen. Das ist vorbei. (…) <strong>Die</strong><br />

Personen sind weg. Also wir sind da schon auch auf eine Erfolgsgeschichte jetzt <strong>aus</strong>.“ 62<br />

Rahmenbedingungen<br />

Offensichtlich sollen auch in Zukunft Treuhandverträge <strong>als</strong> Steuerungsinstrument eingesetzt<br />

werden. Ein Vertreter der Fachverbände warnt allerdings davor, dass in den Verträgen auch<br />

das Risiko steckt, zu scheitern, sofern man nicht „sensibel genug“ mit diesem Werkzeug umginge.<br />

Für eine optimale Steuerung müssen <strong>dem</strong>nach bestimmte Rahmenbedingungen<br />

erfüllt sein. Angesprochen werden diesbezüglich die Bündelung der einzelnen Projekte, die<br />

Planungssicherheit durch längere Vertragslaufzeiten, die fachliche Legitimation von Entscheidungen<br />

sowie konkrete Rahmenvorgaben des Landes.<br />

Nach den Worten eines ehemaligen Staatssekretärs der SenGSV haben vor den Treuhandverträgen<br />

einzelne Projekte Briefe an Parlamentarier geschrieben, um beabsichtigte<br />

Kürzungen zu vermeiden: „Es war unerfreulich, aber auch eben völlig uneffektiv, weil man<br />

nie strukturelle Entscheidungen fällen konnte.“ 63 Ein Parlamentarier bekräftigt daher auch,<br />

der Zielsetzung der Verträge und weniger Individualinteressen beteiligter Akteure den Vorrang<br />

zu geben: „Als Parlamentarierin hab ich da immer versucht, auch den Anspruch, den die<br />

Verträge haben, in den Vordergrund zu stellen, und nicht die Individualinteressen einzelner<br />

Akteure dort auf diesem Feld. Das ist für eine Parlamentarierin auch einfach tödlich, wenn<br />

sie das tun sollte.“ 64 Ein Mitarbeiter der SenGSV beschreibt die Situation vor Einführung der<br />

Treuhandverträge folgendermaßen: Früher stand die Senatsverwaltung einer Riesenvielfalt<br />

an Projekten in Einzelverhandlungen gegenüber, wo sie, allerdings vergeblich, versuchte, ein<br />

bestimmtes Anforderungsprofil durchzusetzen. „So kann man doch nicht im Dialog zwischen<br />

Land und einem Projekt. Also es war klar, dass wir eine Bündelung brauchen, dass wir eine<br />

Vereinheitlichung brauchen.“ 65 Im Suchtbereich sei durch die starke Bündelung aller Drogenprojekte<br />

die Steuerung wesentlich leichter geworden. Gibt es beispielsweise ein<br />

regionales Drogenproblem, sei – so der Vertreter der SenGSV – dadurch genau klar, welche<br />

Einrichtung und welcher <strong>Die</strong>nst zuständig ist. Bei der Drogenproblematik müsse die Senatsverwaltung<br />

jedoch auch mit der Innen- und Jugendverwaltung sowie den Schulen<br />

zusammenarbeiten, hat sie <strong>hier</strong> doch keine ordinäre Zuständigkeit.<br />

Planungssicherheit bei den Verbänden durch längere Vertragslaufzeiten sei – so ein <strong>Die</strong>nstleister<br />

des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin – eine weitere Folge der<br />

Treuhandverträge. <strong>Die</strong> finanzielle Notlage Berlins könnte andernfalls dazu führen, dass frei-<br />

62 Interview Nr. 8 mit Vertretern der SenGSV, Zeilen 1247-1258.<br />

63 Interview Nr. 7 mit einem Vertreter der SenGSV, Zeilen 81-83.<br />

64 Interview Nr. 12 mit einem Vertreter des Parlaments, Zeilen 248-251.<br />

65 Interview Nr. 3 mit einem Vertreter der SenGSV, Zeilen 55-57.<br />

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willige Leistungen des Landes einfach gestrichen und schließlich nur noch gesetzliche Pflichtleistungen<br />

finanziert würden. Ein Mitglied des Parlaments führt diesbezüglich an, dass<br />

Vertragslaufzeiten von fünf Jahren sinnvollere Planungen beim Einsatz der Finanzmittel ermöglichen<br />

würden. <strong>Die</strong>ses stärke den fachlichen Diskurs über die besten Ideen und Projekte,<br />

anstatt permanent um Mittel kämpfen zu müssen. Ähnliches äußert auch ein bezirklicher<br />

Vertreter: Inhaltliche Konzepte ließen sich durch lange Laufzeiten besser umsetzen, <strong>als</strong> wäre<br />

man den jährlichen H<strong>aus</strong>haltszyklen unterworfen. Dabei wird aber auch zu bedenken gegeben,<br />

dass die Thematik eben aufgrund der langen Laufzeiten stärker der politischen<br />

Diskussion entzogen würde, da das Interesse an den vertraglichen Entwicklungen in den<br />

Zeiträumen zwischen den einzelnen Vertragsabschlüssen kaum vorhanden wäre. Außer<strong>dem</strong><br />

sei es durch längere Vertragslaufzeiten schwieriger, bei neuartigen Entwicklungen zügig umsteuern<br />

zu <strong>können</strong>.<br />

Entscheidungen müssen nach Ansicht der Verbände fachlich begründet werden, damit sie<br />

von Seiten der Projekte akzeptiert werden. Im Gegensatz zu den Verbänden aber könne das<br />

Land wegen unterschiedlicher politischer Interessen seine – insbesondere mehrjährigen –<br />

Entscheidungen nicht rein sachlich begründen. Bei den Umstrukturierungen innerhalb der<br />

Drogenprojekte habe hingegen – so ein Vertreter der Senatsverwaltung – eine wissenschaftliche<br />

Bedarfsanalyse die Entscheidungsgrundlagen für den Senat geliefert und hätte wegen<br />

ihrer fachlichen Begründung zur Legitimierung der Entscheidungen bei den Leistungsträgern<br />

und Bezirksverwaltungen beigetragen. Nach Auffassung eines Fachverbandes werden gegenüber<br />

Mitgliedseinrichtung grundsätzlich fachliche Begründungen angeführt; sollten diese<br />

aber dennoch ihre Folgebereitschaft verweigern, so würde der Verband im Namen des Senats<br />

Folgebereitschaft einfordern. Dabei verweist er allerdings auch auf die Gefahr, das<br />

Vertrauensverhältnis zu Mitgliedseinrichtungen zu zerstören. Aber „es gibt eine Chance. (…)<br />

<strong>Die</strong> Chance liegt bei all diesen Konstruktionen immer in <strong>dem</strong> Rollenbewusstsein der Beteiligten.<br />

Also der Einrichtungen, der Zwischenhändler, der Senatsleute, der Verwaltung und so<br />

weiter. Wenn alle genau wissen, wo eigentlich die kritischen Punkte sind, <strong>können</strong> sie diese<br />

verschiedenen Rollen auch optimieren.“ 66 Der Senat müsse dann, wenn der Fachverband<br />

Probleme mit seinen Mitgliedseinrichtungen hat, selbst bestimmen. <strong>Die</strong>s sei aber <strong>aus</strong> Sicht<br />

des Fachverbandes tatsächlich nicht vorkommen, stattdessen habe keiner seine Verantwortung<br />

übernehmen wollen.<br />

Seitens der Verbände werden Rahmenvorgaben des Staates befürwortet, die es vor den<br />

Treuhandverträgen nicht gegeben habe. So weist ein Fachverbandsvertreter darauf hin, dass<br />

die Senatsverwaltung <strong>als</strong> Zuwendungsgeber vor den Verträgen überhaupt keine Vorgaben<br />

gemacht habe, weshalb die Einrichtungen theoretisch machen konnten, was sie wollten und<br />

Fehlentwicklungen aufgrund dessen nicht gestoppt werden konnten. Auch ein Vertreter eines<br />

<strong>Die</strong>nstleisters ist der Meinung, dass in der Zeit vor den Treuhandverträgen Projekte so<br />

etwas wie ein Gewohnheitsrecht auf Förderung besessen haben, insofern sie nur gute Arbeit<br />

leisteten; seit den 1990er Jahren sei das aber lediglich noch Vor<strong>aus</strong>setzung für eine Förde-<br />

66 Interview Nr. 11 mit einem Vertreter eines Fachverbandes, Zeilen 565-570.<br />

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ung aber keine Garantie mehr dafür. Ein Staatssekretär a.D. der SenGSV beschreibt die Situation<br />

vor <strong>dem</strong> ersten Vertragsabschluss folgendermaßen: Der Paritätische Wohlfahrts-<br />

Wohlfahrtsverband kam für einen Treuhandvertrag in Frage, da bei ihm viele Projekte<br />

nisiert waren. Der Verband sollte einen Festbetrag erhalten, über den er selbst hätte<br />

entscheiden <strong>können</strong>. „So, und dann haben wir uns natürlich gesagt, das kann man nicht so<br />

blind machen, sondern muss noch ein Pflichtenheft schreiben. Welche Belange sind abzudecken?<br />

Welche Ziele sind abzudecken?“ 67 Bezüglich des Vertrages „Ambulante Drogenhilfe“<br />

bestätigt ein Senatsmitarbeiter, dass die Vorgaben des Landes wie Anforderungsprofil, Leistungsprofil<br />

und Entwicklungsziele 68 in den Vertrag integriert werden konnten, was so in<br />

Einzelverhandlungen mit den Leistungsträgern nicht möglich gewesen wäre, sondern nur in<br />

einer Gesamtstruktur mit Unterstützung der Verbände. Steuerungsrelevante Informationen<br />

wiederum bekomme der Senat über ein Dokumentationssystem zu Einzelheiten der Leistungserbringung.<br />

<strong>Die</strong> Verbände hätten lediglich die Vorgaben der Verwaltung umzusetzen.<br />

Das Land aber – so ein Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin – würde seinen<br />

Aufgaben jedoch nicht nachkommen: „Was uns aber überall fehlt, sind konkrete<br />

Rahmenvorgaben des Landes. Und das ist ein schwieriges Problem. Also das wird schwer zu<br />

lösen sein. Denn ich glaube, dass das Land, <strong>als</strong>o die Menschen, die da in der Verwaltung tätig<br />

sind, auch nicht wissen, was sie da überhaupt wollen und in welche Richtung diese Entwicklung<br />

geht. Weil ich glaube, sie haben sich nie mit Entwicklungsaufgaben beschäftigt.“ 69<br />

Wegen fehlender Rahmenvorgaben im Drogenbereich habe der Paritätische Wohlfahrtsverband<br />

Berlin selbst Leistungsbeschreibungen erarbeitet, die er aber nicht mit <strong>dem</strong> Land<br />

abstimmen konnte: „Und dass man das mit uns nicht abgestimmt hat, finde ich auch nicht so<br />

toll. Das sind Vor<strong>aus</strong>setzungen, um weiter zu machen.“ 70<br />

Steuerungskompetenz<br />

Kritisiert werden von den Verbänden folglich fehlende Steuerungsleistungen der Senatsverwaltung.<br />

Ein Verbandsvertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin spricht sogar<br />

davon, dass die Senatsverwaltung sich selbst nicht mehr in der Lage sähe, Umverteilungsprozesse<br />

und Kürzungen allein zu steuern. <strong>Die</strong> Ineffizienz und Trägheit der Berliner<br />

Verwaltung sei – so ein Verbandskollege – nach wie vor unverändert. Es habe zwar quantitative<br />

Veränderungen durch Stellenabbau gegeben, qualitative Verbesserungen in den<br />

verbleibenden Kernbereichen seien jedoch nicht erkennbar. Aus seiner Sicht haben bis auf<br />

wenige Ausnahmen die Mitarbeiter beim Staat nie in der Außenwelt Erfahrungen sammeln<br />

<strong>können</strong>: „Das Berufsbeamtentum ist für einen modernen Staat, der mit schlanken Strukturen<br />

steuern will, vollkommen ungeeignet. <strong>Sie</strong> müssen Seitenwechsler haben, damit nachvollziehbar<br />

ist, wenn ich auf der anderen Seite einen Prozess steuern soll, was das für<br />

Konsequenzen haben kann.“ 71 Deshalb sollten Mitarbeiter <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> öffentlichen <strong>Die</strong>nst auch<br />

67 Interview Nr. 9 mit einem Vertreter der SenGSV, Zeilen 293-295.<br />

68 Angesprochen sind <strong>hier</strong> insbesondere die regionalen Suchthilfedienste.<br />

69 Interview Nr. 1 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 233-239.<br />

70 Interview Nr. 1 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 625-627.<br />

71 Interview Nr. 6 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 703-707.<br />

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mal in Unternehmen und bei freien Trägern gearbeitet haben, um deren Binnenstrukturen<br />

und Systemlogiken zu kennen.<br />

Ein Fachverband kritisiert die Situation wie folgt: „In einem <strong>dem</strong>okratischen Rechtsstaat gehört<br />

es sich, dass diejenigen, die öffentliche Seite, über die öffentlichen Mittel eine<br />

kompetente und politisch verantwortete Entscheidung trifft, und nicht diejenigen, die das<br />

Geld haben.“ 72 „Wie ich mir das eigentlich vorstellen würde, dass es eigentlich richtig ist, das<br />

findet schon seit 20 Jahren nicht mehr statt. <strong>Die</strong> öffentliche Verwaltung verwaltet die öffentlichen<br />

Gelder, sollte das eigentlich kompetent tun. Tut sie aber nicht mehr. Sämtliche<br />

Fachkompetenz haben sie abgebaut – unter anderem <strong>als</strong> Sparzwang. Weil sie um sich herum<br />

eine Korona von neuer Bürokratie geschaffen haben. <strong>Sie</strong> sind <strong>als</strong>o selber gar nicht mehr in<br />

der Lage, das Geschehen, was sie mit ihrem Geld eigentlich beeinflussen wollen, wirklich zu<br />

steuern. (…) <strong>Die</strong> Fachkompetenz, die es mal gab, ist inzwischen nur noch im Vorfeld 73 vorhanden.“<br />

74 Dennoch wird die Treuhandkonstruktion befürwortet: „Fachlich ist es aber die<br />

beste aller schlechten Lösungen inzwischen geworden. Weil die Verwaltung das, was man<br />

wirklich ihr eigentlich <strong>als</strong> Aufgabe zuschreiben würde, nicht leisten kann. Weil sie gar keine<br />

Leute mehr dafür haben.“ 75<br />

<strong>Die</strong> Senatsverwaltung betont diesbezüglich allerdings, dass in den einzelnen Fachbereichen<br />

trotz Abgabe der Zuwendungssachbearbeitung sehr wohl noch Mitarbeiter vorhanden wären,<br />

die die Fachbereiche überblicken würden. Einfluss auf die Steuerungsprozesse könne sie<br />

daher durch<strong>aus</strong> nehmen. Rechtliche Veränderungen würden <strong>aus</strong> eigener Kompetenz oder<br />

mithilfe der Servicebereiche 76 an die Verbände weitergeleitet. Jedoch werden keine weiteren<br />

Aussagen zu fachpolitischen Zielsetzungen gemacht, die darauf schließen lassen<br />

könnten, dass es neben einer rein an Formalien orientierten Steuerung auch um sozial- und<br />

gesundheitspolitische Interessen ginge.<br />

Vom Fachverband wird eine weitere Problematik angesprochen: <strong>Die</strong> Übergabe der Kontrolle<br />

an die Verbände führe zu Grauzonen, weil Entscheidungsvorgänge nicht mehr nachvollziehbar<br />

seien: „Also jeder wäscht seine Hände in Unschuld. (…) Der Senator muss notfalls dafür<br />

die Hand ins Feuer halten, dass seine Mitarbeiter irgendeine Entscheidung getroffen haben.<br />

(…) Heute wird man das nicht mehr haben, weil die politisch verantwortliche Stelle sagt 'Na,<br />

da <strong>können</strong> sie gar nichts dafür. Das waren die Anderen', und die werden sagen 'Ja das waren<br />

sie doch nicht. Das haben sie gerade <strong>als</strong> Vorgabe bekommen'.“ 77 Im Konfliktfall gäbe es<br />

<strong>dem</strong>nach keinen administrativen Instanzenweg mehr, sondern nur noch organisierte Unzuständigkeit<br />

und Intransparenz.<br />

72 Interview Nr. 11 mit einem Vertreter eines Fachverbandes, Zeilen 268-271.<br />

73 Gemeint sind <strong>hier</strong>mit Verbände in ihrer Funktion <strong>als</strong> Treuhänder.<br />

74 Interview Nr. 11 mit einem Vertreter eines Fachverbandes, Zeilen 250-261.<br />

75 Interview Nr. 11 mit einem Vertreter eines Fachverbandes, Zeilen 274-277.<br />

76 Angesprochen sind Servicebereiche bezüglich Zuwendungsvergabe und H<strong>aus</strong>haltsrecht.<br />

77 Interview Nr. 11 mit einem Vertreter eines Fachverbandes, Zeilen 283-296.<br />

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Darüber hin<strong>aus</strong> wird nach Ansicht eines Fachverbandes die Realitätswahrnehmung der Politik<br />

durch die Treuhandverträge noch stärker gefiltert, <strong>als</strong> wenn sie die Aufgaben selbst<br />

wahrnehmen und in einen unmittelbaren Dialog mit den Leistungsträgern stehen würde. Ein<br />

Treuhänder müsse der Politik politische Legitimation liefern: „Also das heißt, die Erfolgsstorys,<br />

die der Wirklichkeit nicht entsprechen, die werden vom Zwischenhändler abgefordert,<br />

weil die Politik das braucht. (…) Und dann hat der Senat sie benutzt. Und eigentlich war es<br />

nicht die Aufgabe der Steuerinstanz. <strong>Die</strong> muss viel kritischer herangehen an das wirkliche<br />

Leben. <strong>Die</strong> müssten eigentlich frei sein einigermaßen. <strong>Die</strong> müssten sagen 'Das und das muss<br />

geändert werden, weil es ein Missstand ist' und nicht in die Rolle kommen, dass der Missstand<br />

mit Vanillesoße übertüncht wird, damit es keiner merkt.“ 78<br />

Organische Strukturen<br />

<strong>Die</strong> fehlenden Steuerungsleistungen der Senatsverwaltung haben nach Einschätzung des<br />

Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin dazu geführt, dass die Projektelandschaft einfach<br />

gewachsen ist und es nun schwer fällt, Standards zu setzen. Jeder, der in der Vergangenheit<br />

ein Konzept gehabt hatte, wurde gefördert. „Es hat einmal die Vertreterin eines Trägers gesagt,<br />

dam<strong>als</strong> sei die Geldverteilung nach einem Schoßsitzsystem erfolgt. Also, wer lange auf<br />

<strong>dem</strong> Schoß der Landesdrogenbeauftragten saß, der hat das Geld bekommen.“ 79 <strong>Die</strong> Projektstrukturen<br />

seien von daher noch ganz unsystematisch. Der AIDS-Bereich sei beispielsweise<br />

trotz der wenigen Projekte dennoch unglaublich zersplittert und kleinteilig; es fehle <strong>dem</strong>zufolge<br />

noch an einem klaren Überblick, welche Strukturen zu schaffen seien. Und seitens der<br />

Bezirksverwaltung wird die fehlende Abstimmung beim neuen Integrierten Gesundheitsvertrag<br />

mit den Bezirken kritisiert. <strong>Die</strong>ses habe dazu geführt, dass bestehende Angebote und<br />

Projekte einfach in den Vertrag übernommen wurden und Disparitäten innerhalb der Stadt<br />

fortbestünden, die nichts mit den gesundheitspolitischen und sozialräumlichen Schwerpunkten<br />

zu tun hätten.<br />

<strong>Die</strong> Abgabe bestimmter Steuerungsaufgaben an die Verbände habe <strong>aus</strong> Sicht eines Fachverbandsvertreters<br />

bei der Senatsverwaltung den Eindruck entstehen lassen, dass deren<br />

bürokratische Entscheidungen geringe Schwierigkeiten bei der Umsetzung bereiten würden,<br />

da sie sich selbst nicht mehr direkt mit den Auswirkungen ihrer Entscheidungen <strong>aus</strong>einandersetzen<br />

müssen. <strong>Die</strong> Menschen aber, die von diesen Entscheidungen betroffen sind,<br />

erfüllen nach seiner Auffassung die Aufgaben nicht nur deshalb, weil sie dafür bezahlt werden,<br />

sondern vor allem auch, weil sie sich freiwillig dafür entschieden haben: „Der Senat hat<br />

immer nur eine indirekte Möglichkeit, das zu beeinflussen <strong>als</strong> Geldgeber. (…) Freiwillige kann<br />

man zwar beeinflussen, aber nicht unmittelbar steuern. (…) Das ist denjenigen in der Verwaltung,<br />

die die Zuwendung gemacht haben, früher relativ klar gewesen. (…) Das ist über die<br />

Treuhandverträge teilweise anders geworden, weil die Verwaltung gar nicht mehr den<br />

Durchblick hat. <strong>Die</strong> kennen die Einrichtungen gar nicht mehr. Da ist jetzt ein Filter dazwischen.<br />

Und dann denken sie manchmal, sie <strong>können</strong> jetzt wieder durchstellen. <strong>Sie</strong> mussten<br />

78 Interview Nr. 11 mit einem Vertreter eines Fachverbandes, Zeilen 513-525.<br />

79 Interview Nr. 1 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 100-103.<br />

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sich vorher an den Widerständen selber abarbeiten. Das tun sie nicht mehr. Und dann bringen<br />

sie denjenigen, der Zwischenhändler ist, in eine sehr komplizierte Lage. (…) <strong>Die</strong><br />

Verwaltung hat Omnipotenzfantasien teilweise bekommen über diese neue Konstruktion,<br />

die allerdings dann immer abgefedert werden von <strong>dem</strong>jenigen, der dazwischen agiert, der<br />

mit <strong>dem</strong> doppelten Gesicht.“ 80 <strong>Die</strong> bürokratischen Tendenzen der Senatsverwaltung aber<br />

auch des Rechnungshofes – so ein Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin –<br />

würden sogar vom Parlament kritisiert. <strong>Die</strong> Systemlogiken beider Einrichtungen verhinderten<br />

aber – so seine Einschätzung – dass sie sich von der Kritik tatsächlich beeinflussen lassen.<br />

Auf der anderen Seite wird aber auch von anderen Verbandsvertretern erklärt, dass sich der<br />

administrative Aufwand durch die Treuhandverträge wesentlich verringert habe. Administrative<br />

Aufgaben seien auf einen <strong>Die</strong>nstleister verlagert worden, der diese Aufgaben mit<br />

erheblich weniger personellen und finanziellen Ressourcen wahrnähme <strong>als</strong> die bisher zuständige<br />

Senatsverwaltung.<br />

Abhängigkeiten<br />

Problematisch dagegen wird die verdeckte Abhängigkeit der großen Dachverbände von ihren<br />

zahlenden Mitgliedseinrichtungen empfunden. Nach Auffassung eines Fachverbandsvertreters<br />

seien diese von den Mitgliedsbeiträgen ihrer Mitglieder abhängig, weshalb größere<br />

Einrichtungen und <strong>Die</strong>nste mit entsprechend höheren Beiträgen möglicherweise einen größeren<br />

Einfluss <strong>aus</strong>üben <strong>können</strong> <strong>als</strong> kleinere Mitgliedsorganisationen. Auf dieses Argument<br />

entgegnet ein Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin allerdings, dass der<br />

Verband aufgrund seiner paritätischen Kultur jeden gleichbehandeln müsse und eine Bevorzugung<br />

beispielsweise wegen höheren Mitgliedsbeiträgen nicht zulässig wäre.<br />

Seitens des Fachverbandes wird auf eine weitere Abhängigkeit des Treuhänders hingewiesen,<br />

die darin bestünde, dass dieser nicht sein eigenes Geld verteilen würde und daher<br />

immer auch von seinem Geldgeber abhängig sei. Insofern müssten Behauptungen des Treuhänders,<br />

selbst zu steuern, <strong>als</strong> „Bluff“ angesehen werden.<br />

Mittelkürzungen<br />

Einen starken Einfluss auf die Steuerungsmöglichkeiten der Akteure scheinen ebenso die<br />

fortwährenden Mittelkürzungen innerhalb der Verträge zu haben. Vertreter der Senatsverwaltung<br />

führen an, dass Gestaltungsspielräume durch ständige Mittelkürzungen immer<br />

kleiner würden. Denn jedes Projekt sei sozialpolitisch sinnvoll und Kürzungen oder Streichungen<br />

von Projekten zugunsten anderer von daher kaum vertretbar. <strong>Die</strong>ses sei im ersten<br />

LIGA-Vertrag noch eher möglich gewesen; dam<strong>als</strong> ließen sich noch größere Umstrukturierungen<br />

durchführen. Jetzt seien allenfalls noch kleinere Einsparungen durch das<br />

Zusammenlegen einzelner Projekte zu erzielen.<br />

80 Interview Nr. 11 mit einem Vertreter eines Fachverbandes, Zeilen 179-203.<br />

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Nach Ansicht eines ehemaligen Staatssekretärs der SenGSV haben die Treuhandverträge<br />

eine Sicherstellungsfunktion, der zufolge bestimmte Aufgaben auch erbracht werden: „Mit<br />

den Treuhandverträgen hat sie meines Erachtens funktioniert. Jedenfalls in meiner Zeit. Ich<br />

glaube nicht nach 2000, weil ich kriege nur einfach mit, dass bestimmte Bereiche, dass da die<br />

Sparwut zugeschlagen hat, und das ist traurig zu sehen.“ 81 <strong>Die</strong> Wohlfahrtsverbände sprechen<br />

das gleiche Problem an. Ein Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin erklärt,<br />

neue Projekte könnten nur noch aufgenommen werden, wenn sie nachweisen <strong>können</strong>, dass<br />

sie besser sind <strong>als</strong> die bestehenden. Bei den allgemeinen Einsparungen müsste sonst noch<br />

mehr bei den einzelnen Projekten gespart werden, um neue zusätzliche Projekte zu finanzieren.<br />

Von der Arbeiterwohlfahrt wird auf die 1990er Jahre Bezug genommen. Dort seien<br />

Projekte, die nicht mehr zeitgemäß beziehungsweise „problemorientiert“ waren, geschlossen<br />

worden, um in andere zu investieren. Durch die Sparmaßnahmen des Senats gäbe es<br />

heute allerdings eine andere Situation: „Wenn es heute darum geht, gesellschaftliche Problemlagen<br />

mit zu berücksichtigen, und gleichzeitig Kürzungen zu vollziehen, dann ist das<br />

natürlich ein Spagat ohne Ende. Das kann man im Prinzip gar nicht leisten, selbst wenn man<br />

im Rahmen von Evaluierung das ein oder andere zusammenfasst.“ 82 Nach Einschätzung des<br />

Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin sind die Sparvorgaben für die Steuerung dramatisch,<br />

da fast 30 Prozent der Ressourcen wegfallen würden. „Steuerung heißt im Grunde, das<br />

so zu machen, dass des nicht zu einem völligen Wegbrechen der Strukturen führt. Ja <strong>als</strong>o<br />

man kann ja jetzt nicht groß positiv etwas Neues machen, sondern man wird einfach, wie soll<br />

ich sagen, wir haben jetzt noch so viel und im Jahr 2010 dann noch 70 Prozent davon oder<br />

so. Es ist eigentlich nur eine dauernde Frage von vorrangig, nachrangig oder prioritär. Das ist<br />

eigentlich so der Rahmen, in <strong>dem</strong> man steuert. Ist ja anders, wenn <strong>Sie</strong> ein stabiles System<br />

haben.“ 83<br />

IV. c. „Das Menscheln überwinden“ – Politische Einflussnahme<br />

Durch die vertraglich vereinbarten Leistungen ändern sich die Möglichkeiten kurzfristiger<br />

politischer Einflussnahmen gegenüber Senatsverwaltung und Leistungsträgern.<br />

Budgetrecht des Parlaments<br />

Aus Sicht der Senatsverwaltung ging es bei den Treuhandverträgen in erster Linie auch darum,<br />

<strong>aus</strong> der Jährlichkeit des H<strong>aus</strong>haltsrechts bei der Zuwendungsförderung<br />

her<strong>aus</strong>zukommen. <strong>Die</strong> Auseinandersetzungen mit <strong>dem</strong> politischen Bereich fänden durch die<br />

Verträge auch tatsächlich im Gegensatz zu den bisher jährlichen Verhandlungen nur noch<br />

einmalig für einen größeren Zeitraum statt. Problematisch sei dieses aber, weil damit das<br />

Budgetrecht des Parlaments eingeschränkt wird. Von daher müsse sich die Verwaltung auch<br />

mit der ständigen Kritik des Rechnungshofes <strong>aus</strong>einandersetzen, der ihnen vorwirft, das<br />

Budgetrecht des Parlaments nicht zu beachten, denn man könne es nicht Dritten überlassen,<br />

über die Verwendung der Zuwendungsmittel zu entscheiden. <strong>Die</strong> Erkenntnis über die hohe<br />

81 Interview Nr. 9 mit einem Vertreter der SenGSV, Zeilen 514-517.<br />

82 Interview Nr. 13 mit einem Vertreter des Landesverbandes der Arbeiterwohlfahrt Berlin, Zeilen 73-77.<br />

83 Interview Nr. 14 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 598-605.<br />

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Planungssicherheit, die durch die Mehrjährigkeit der Verträge bewirkt würde, sei allerdings<br />

heute in der politischen Szene fest verankert; ein gewisses Spannungsfeld gegenüber <strong>dem</strong><br />

Parlament würde aber dennoch bestehen.<br />

Ein Vertreter der Bezirke sieht in den längeren Vertragslaufzeiten vor allem den Vorteil, dass<br />

die fachliche Arbeit im stärkeren Maße unabhängiger von politischen Entscheidungen sei,<br />

besonders dann, wenn die Laufzeiten über Wahlzyklen hinweg gingen. Denn nach den Wahlen<br />

sei man seitens der Politik immer noch an die Verträge gebunden. „<strong>Sie</strong> sind eben auch<br />

unabhängiger von der Politik. Und auch deshalb halte ich Treuhandverträge eigentlich für<br />

richtig.“ 84<br />

<strong>Die</strong> Wohlfahrtsverbände problematisieren jedoch stärker den Einflussverlust der Politik. Der<br />

Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin spricht von „großem Misstrauen der Politik gegenüber<br />

den Verträgen“ 85 in der Anfangszeit, denn durch die Verträge hätten die Abgeordneten<br />

auf einmal keine direkten Informationen über die Projekte mehr erhalten. Der interviewte<br />

Vertreter des Landesverbandes der Arbeiterwohlfahrt Berlin schätzt die Beurteilung der Verträge<br />

durch die Politik ebenfalls ambivalent ein, weil „Politik früher unmittelbar in einzelnen<br />

Bereichen auch Festlegungen treffen konnte. (…) Zu sagen 'Wir wollen jetzt, dass dieses und<br />

jenes gefördert wird', das ist nicht mehr möglich. Das ist <strong>als</strong>o durch die treuhänderischen<br />

Zuwendungsverträge auf freie Wohlfahrtsverbände und entsprechende Senatsverwaltungen<br />

<strong>aus</strong>schließlich begrenzt. Politiker <strong>können</strong> Anregungen geben. Das befriedigt sie nicht unbedingt.“<br />

86<br />

Ende des Lobbyismus<br />

<strong>Die</strong> Einführung der Treuhandverträge bedeutete das Ende des parlamentarischen Lobbyismus<br />

– so die Einschätzung von Senatsverwaltung, Wohlfahrtsverbänden und politischen<br />

Vertretern. Der Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin beschreibt die Situation vor Einführung<br />

der Treuhandverträge folgendermaßen: 1994 gab es einen Staatssekretär, „einen sehr<br />

tatkräftigen, unkonventionellen Menschen. (…) Und die Projekte standen immer im Herbst,<br />

wenn H<strong>aus</strong>haltsverhandlungen im Parlament waren, da am Schöneberger Rath<strong>aus</strong> oder am<br />

Roten Rath<strong>aus</strong> später. Und jeder hatte seinen Abgeordneten. Und jeder Abgeordnete kämpfte<br />

denn für irgendeine viertel Stelle für das Projekt. (…) Und dieser Staatssekretär war es<br />

grundsätzlich leid, dass das hohe H<strong>aus</strong>, das Parlament, sich beschäftigt mit einer halben Stelle.<br />

Und er wollte im Grunde diese öffentliche Diskussionen weg haben.“ 87 Ein Staatssekretär<br />

a.D. äußert sich diesbezüglich wie folgt: „Sauer geworden bin ich, <strong>als</strong> ich gemerkt habe, wie<br />

eine ganze Reihe von Zuwendungsempfängern meinen dam<strong>als</strong> mir übergeordneten völlig<br />

unerfahrenen Senator, der hatte nun wirklich von tuten und blasen keine Ahnung gehabt,<br />

und der mir auch ganz klar vorgeordnet worden war mit der Bemerkung vom damaligen Regierenden<br />

Bürgermeister von Berlin 'Er hat keine Ahnung. <strong>Sie</strong> müssen die Arbeit machen'.<br />

84 Interview Nr. 10 mit einem Vertreter des Bezirkes Marzahn-Hellersdorf, Zeilen 458-460.<br />

85 Interview Nr. 1 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 451-452.<br />

86 Interview Nr. 13 mit einem Vertreter des Landesverbandes der Arbeiterwohlfahrt Berlin, Zeilen 321-328.<br />

87 Interview Nr. 14 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 48-59.<br />

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(…) Ich weiß nicht, ob <strong>Sie</strong> sich das vorstellen <strong>können</strong>, was so ein H<strong>aus</strong>halt aufzustellen [Wort<br />

bricht ab]. (…) Das ist richtig harte Arbeit. Der Senator machte nun natürlich auch an den<br />

H<strong>aus</strong>haltsrunden mit. (…) Und das war in Ordnung. Wenn er nicht – und das kriegte ich dann<br />

plötzlich mit steigender Wut mit – wieder nach den Plenen des Landtages wieder von irgendeiner<br />

Selbsthilfegruppe überfallen worden wäre, die wirklich ihn schamlos <strong>aus</strong>nutzten. Also<br />

da kam die Gruppe A. <strong>Die</strong> rief <strong>aus</strong> 'Wir müssen sofort eine neue Ausstattung Herr Senator'.<br />

Dann hat mich der Senator angesprochen 'Aber da müssen wir doch was machen. Wir müssen<br />

doch eine neue Ausstattung'. Das waren aber drei bloß pro Plenarsitzung. In der Woche<br />

kamen noch vier zu ihm. (…) Ich werde nie vergessen, er hat sich voll einwickeln lassen von<br />

der Gruppe „Hydra“. Das sind die ehemaligen Prostituierten, die <strong>aus</strong> der Szene r<strong>aus</strong>geholt<br />

werden sollten. Ja, der ist ja wie ein Hahn rumgelaufen und hat mir immer nur erzählt 'Den<br />

müssen wir aber mehr Geld geben'. So. '<strong>Die</strong> sind ja so nett. Da fahren wir doch mal beide<br />

hin.' Ich habe gesagt 'Ich fahre nirgendwohin. Ich kenne die Gruppen. Brauche ich nicht.'<br />

Dann ist er alleine hingefahren. So ein Foto in der Morgenpost: 'Senator besucht und verspricht<br />

mehr Zuwendung'. (…) Es war unerträglich. Ich hab ihm gesagt 'Ich erhöhe Ihnen jede<br />

Gruppe, die <strong>Sie</strong> wollen, wenn <strong>Sie</strong> mir immer sagen, bei welcher Gruppe ich das einsparen<br />

soll'. So, das war ein unerträgliches Spiel. Er tat mir leid, ich tat mir sowieso schon leid, meine<br />

H<strong>aus</strong>hälter taten mir leid. (…) Er war auch in erster Lesung. Vor der zweiten Lesung ging<br />

er die gleichen Titel durch. Jetzt hat er wieder Ansprachen gehalten, meinte schon wieder<br />

etwas verändern zu müssen. So, nun erklären <strong>Sie</strong> mal einem Haupt<strong>aus</strong>schuss von Berlin 'Also<br />

alles, was wir in der ersten Lesung vorgetragen haben, war Mist, weil wir haben jetzt eine<br />

viel interessantere Gruppe gefunden'. Das <strong>können</strong> <strong>Sie</strong> nicht.“ 88<br />

<strong>Die</strong> Arbeit mit <strong>dem</strong> Haupt<strong>aus</strong>schuss sei <strong>dem</strong>zufolge sehr schwierig gewesen, insbesondere<br />

auch daher, „weil natürlich auch wieder, und das ist alles menschlich, jeder Abgeordnete im<br />

Haupt<strong>aus</strong>schuss auch wieder Ansprachen von irgendwelchen Gruppen erfahren hatte. (…)<br />

Wenn ich dann gefragt wurde 'Was macht die Gruppe X' (…) Und dann hab ich gesagt (…)<br />

'Das ist Pflicht des Treuhänders, das ist nicht mehr unsere Sache'. Dann kam der nächste<br />

Abgeordnete. 'Ja, ich kenn aber die Gruppe. <strong>Die</strong> sind so nett. <strong>Die</strong> soll [Wort bricht ab].' Es<br />

menschelt dann ungeheuer. Und ich behaupte mal, der erste Treuhandvertrag war der<br />

schwierigste, weil sie das Menscheln überwinden mussten.“ 89 Auch andere Vertreter der<br />

Senatsverwaltung bestätigen diesen Sachverhalt. <strong>Die</strong> Projekte wurden nach deren Auffassung<br />

früher vor allem politisch bewertet: „Wenn da ein Abgeordneter gesagt hat 'Aber mein<br />

Projekt, das muss ja mehr Geld kriegen. Und ich bin dafür stark', dann konnte der das machen.<br />

Das kann er im Prinzip auch noch. Aber er kann, weil es eine Vertragssumme gibt, und<br />

weil es eine Planung dabei gibt, das nicht so her<strong>aus</strong>lösen – und muss sich eben eher auch in<br />

den Fachbereichen bewegen, wenn er da was sagen will.“ 90 Heute würden <strong>dem</strong>zufolge vor<br />

allem die fachlichen Konzepte die <strong>aus</strong>schlaggebende Rolle spielen, und der Einfluss der Projekte<br />

auf einzelne Abgeordnete sei <strong>dem</strong>entsprechend zurückgegangen.<br />

88 Interview Nr. 9 mit einem Vertreter der SenGSV, Zeilen 237-281.<br />

89 Interview Nr. 9 mit einem Vertreter der SenGSV, Zeilen 330-341.<br />

90 Interview Nr. 8 mit Vertretern der SenGSV, Zeilen 494-500.<br />

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Auch <strong>aus</strong> parlamentarischer Sicht wird die Situation ähnlich beurteilt: „Also ich sehe schon<br />

einen politischen Nutzen. (…) Erster Punkt ist, dass das Parlament vom Senat (…) nicht Projektlisten<br />

und Projektvorschläge zur Beschlussfassung vorgelegt bekommt. Wo dann der<br />

Lobbyismus einzelner Parlamentarier, oder ganzer Gruppen von Parlamentariern den Ausschlag<br />

darüber gibt, wer eine Förderung im Land Berlin für bestimmte soziale oder<br />

gesundheitliche Aufgaben erhält. Das war in ganz ganz früheren Zeiten schon so.“ 91 <strong>Die</strong> unmittelbare<br />

H<strong>aus</strong>haltsverantwortung des Abgeordnetenh<strong>aus</strong>es für die Förderung einzelner<br />

Projekte sei – so ein Vertreter der Bezirke – mit den Treuhandverträgen sukzessive an die<br />

Wohlfahrtsverbände übertragen worden.<br />

Zusammenfassend lässt sich <strong>hier</strong> festhalten, dass sich die wechselseitige politische Einflussnahme<br />

zwischen Projekten und Politik nach Einschätzung der interviewten Experten durch<br />

die Treuhandverträge stark reduziert hat. Als Gründe werden die mehrjährigen Laufzeiten<br />

der Verträge, die in der Folge ein jährliches Eingreifen im Rahmen der H<strong>aus</strong>haltsplanung verhindern<br />

sowie die Übertragung von (Mit-) Entscheidungsrechten an Wohlfahrtsverbände<br />

und der Bedeutungsverlust des klassischen Projekt-Lobbyismus gegenüber Abgeordneten<br />

angegeben.<br />

IV. d. „Das ist für mich auch 'n bisschen Empowerment “ – Autonomie<br />

der Träger<br />

<strong>Die</strong> Treuhandverträge haben Einfluss auf den Grad an organisatorischer und fachlicher Autonomie<br />

der leistungsnehmenden <strong>Die</strong>nste und Einrichtungen.<br />

Verantwortungsübertragung<br />

Es reiche allerdings nicht, den Einfluss der Politik auf die Projekte reduziert zu haben – so ein<br />

Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin – sondern es komme jetzt auch darauf<br />

an, den Leistungsträgern mehr Verantwortung zu übertragen: „Das ist für mich auch ein<br />

bisschen Empowerment. Also das ist, mehr Verantwortung auf die Seite der Träger geben.<br />

Das ist in meinen Augen eine Professionalisierung der Strukturen der Arbeit.“ 92 <strong>Die</strong> direkte<br />

Steuerung solle nach den Worten eines weiteren Verbandsvertreters von den Projekten <strong>aus</strong>gehen:<br />

„Also ich denke, dass es viel besser ist, wenn man die Steuerung auch so in die<br />

Projekte hineinlegt, wenn man einen Rahmen macht und sagt 'Das ist deins'.“ 93 Der Rahmen<br />

sei nach Auffassung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin und des Landesverbandes<br />

der Arbeiterwohlfahrt Berlin durch Zielvorgaben zu setzen, die gemeinsam mit allen Beteiligten<br />

diskutiert und erarbeitet werden müssen, so dass diese deren inhaltliche Ausrichtung<br />

mitbestimmen und beeinflussen <strong>können</strong>. <strong>Die</strong> Leistungsträger hätten dadurch einen stärkeren<br />

Einfluss erhalten, und man könne dadurch die politischen Vorgaben mit der Realität der<br />

Träger vor Ort abgleichen.<br />

91 Interview Nr. 12 mit einem Vertreter des Parlaments, Zeilen 176-183.<br />

92 Interview Nr. 1 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 306-309.<br />

93 Interview Nr. 14 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 682-684.<br />

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Stabilität<br />

<strong>Die</strong> Projekte haben durch die Planungssicherheit der Treuhandverträge an fachlicher Autonomie<br />

gewonnen. Ein Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin sieht durch<br />

die mehrjährigen Verträge die Projekte, aber auch die Verbände selbst, unabhängiger von<br />

politischen Forderungen und Geldern. <strong>Die</strong> Leistungsträger könnten so ihre Energie für die<br />

fachliche Arbeit anstatt für lobbyistische Zwecke einsetzen. Auch ein Vertreter des Parlaments<br />

betont, dass die Vertragslaufzeiten von fünf Jahren Stabilität in die<br />

Versorgungsstrukturen sowohl für die Mitarbeiter in den Einrichtungen und <strong>Die</strong>nsten <strong>als</strong><br />

auch für deren Nutzer bringen würden.<br />

Verbandsmitgliedschaft<br />

Nach Einschätzung eines Vertreters des Parlaments bestünde jedoch durch die Treuhandverträge<br />

eine stärkere Abhängigkeit der Leistungsträger von den Verbänden, denn diese<br />

müssten Mitglied im jeweiligen Dachverband sein, um an den Zuwendungen partizipieren zu<br />

<strong>können</strong>: „Ich glaube, das Problem für viele kleine Träger ist es, wenn sie nicht Mitglied in<br />

einem dieser Dachverbände sind, von diesen finanziellen Mitteln zu partizipieren. Das ist ein<br />

Manko – ein eindeutiges. Aber es lässt sich in der jetzigen Vertragskonstruktion, glaub ich,<br />

nur dadurch auflösen, dass die Wohlfahrtsverbände selbst erklären, dass sie auch kleinen<br />

Trägern eine Chance bieten, auch mit alternativen Konzepten und Ideen sich zu beteiligen.<br />

Ob das in der Tat gemacht wird, ist von uns <strong>aus</strong> schwer beurteilbar.“ 94<br />

Ein Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin versichert diesbezüglich: „Es<br />

werden weiterhin, wie früher, Anträge gestellt, von Trägern, die auch in das Versorgungsfeld<br />

wollen, an den staatlichen Mitteln parti [Wort bricht ab]. Jetzt im Gesundheitsvertrag haben<br />

wir einige neue Anträge. Und das muss ganz gen<strong>aus</strong>o verfahrensrechtlich, weil das ja ein<br />

Antrag ist, weil wir beliehen sind. Das ist ja ein Antrag wie er gen<strong>aus</strong>o an die staatliche Behörde<br />

gestellt wird. Der wird bewertet, Kriterien entwickelt, und dann wird entschieden.“ 95<br />

Bürokratismus<br />

Seitens der Wohlfahrtsverbände wird der negative Einfluss des Rechnungshofes auf die eigenen<br />

Gestaltungsspielräume und die der Projekte kritisiert. <strong>Die</strong> an den Treuhandverträgen<br />

beteiligten Akteure stünden unter permanenter Kontrolle des Rechnungshofes. Ein Vertreter<br />

des Landesverbandes der Arbeiterwohlfahrt Berlin habe den Eindruck, dass der Rechnungshof<br />

grundsätzlich gegen Treuhandverträge sei, weshalb er versuche, die Senatsverwaltung<br />

mittels Auflagen zu stringenteren Förderbestimmungen zu bewegen, um damit die Kontrolle<br />

erheblich zu erhöhen.<br />

<strong>Die</strong> Verwaltung überhäufe – so der Vertreter der Arbeiterwohlfahrt weiter – von daher die<br />

Verbände, und in der Folge damit auch die Projekte, mit beträchtlichen administrativen Anforderungen,<br />

die besonders für kleine Träger, die über keine eigene Verwaltung verfügten,<br />

94 Interview Nr. 12 mit einem Vertreter des Parlaments, Zeilen 219-227.<br />

95 Interview Nr. 6 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 929-935.<br />

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problematisch seien: „Das heißt ein Träger läuft immer in Gefahr, dass er gegen Zuwendungsbestimmungen<br />

verstößt und dies letztendlich dann bei Prüfungen des<br />

Verwendungsnachweises zu erheblichen Mittelrückforderungen führen kann. Und solche<br />

Mittelforderungen, die <strong>können</strong> ja kleine Träger nicht nur überfordern, sondern <strong>können</strong> auch<br />

das finanzielle Aus bedeuten.“ 96 Auch der Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin spricht über<br />

dieses Problem. So wird es beispielsweise <strong>als</strong> „absoluter Quatsch“ 97 empfunden, den Projekten<br />

Vorgaben über die Höhe der Personal- und Sachkosten machen zu müssen. „Was da für<br />

Unsinn beachtet werden muss. Das ist furchtbar. Das ist die Bürokratie. Schlimmer geht es<br />

gar nicht.“ 98 Stattdessen sollen die Leistungsträger selbst mehr Entscheidungsspielraum bekommen:<br />

„Ich hätte das gerne so, dass der Träger selber die Mittel so bewirtschaften kann,<br />

wie er das sinnvoll findet. Und ich glaube, es kommt was Besseres dabei r<strong>aus</strong>.“ 99<br />

Der ursprüngliche Ansatz der Treuhandverträge sei – so ein Verbandsvertreter – eine leistungsorientierte<br />

Steuerung anhand von Output und Outcome gewesen. <strong>Die</strong> gängige<br />

retrospektive Finanzkontrolle habe man daher etwas zurückstellen wollen, um den Projekten<br />

eigenwirtschaftliche Spielräume zu eröffnen. <strong>Die</strong> Idee von Leistungsverträgen sei in diesem<br />

Zusammenhang aufgekommen, bei denen die Projekte nur hätten nachweisen sollen, ob sie<br />

die gesetzten Anforderungen erfüllt haben: „Das war mal die Philosophie, die man mal hatte<br />

und die eigentlich heute weg ist. Also der Senat sagt heute 'Ja, beides'. Also Hosenträger und<br />

Gürtel. Also Leistungssteuerung und Abrechnung und Finanzkontrolle. Und dann sag ich immer<br />

'Das ist unverhältnismäßig'. Damit werden dann doppelt Ressourcen gebunden. Auf der<br />

einen Seite muss er seine Leistungen optimieren, auf der anderen Seite darf er keine Spenden<br />

einwerben, muss alles nachweisen. (…) Der aktuelle Vertrag ist absolut schlecht, weil der<br />

im Grunde beides haben will.“ 100 Von Seiten der Politik habe man diese Problematik erkannt.<br />

<strong>Die</strong> aktuelle Koalitionsvereinbarung sieht von daher eine Entbürokratisierung der Treuhandverträge<br />

sowie die Stärkung eigenwirtschaftlicher Möglichkeiten der Projekte vor: „Aber ob<br />

das jetzt große Auswirkungen hat, was die Regierung jetzt sagt, kann man nur hoffen. Aber<br />

eigentlich ist das die Perspektive. Also was in der Koalitionsvereinbarung 2007 steht, ist eigentlich<br />

die Perspektive. Aber das steht nicht in <strong>dem</strong> Vertrag. Aber vielleicht steht es<br />

deswegen in der Koalitionsvereinbarung.“ 101<br />

IV. e. „Inzwischen ist die Luft r<strong>aus</strong>“ – Finanzielle Ressourcen<br />

<strong>Die</strong> Treuhandverträge haben einen Einfluss auf die fachliche Effektivität und wirtschaftliche<br />

Effizienz beim Einsatz von Zuwendungsmitteln.<br />

96 Interview Nr. 13 mit einem Vertreter des Landesverbandes der Arbeiterwohlfahrt Berlin, Zeilen 376-381.<br />

97 Interview Nr. 1 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeile 310.<br />

98 Interview Nr. 2 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 430-432.<br />

99 Interview Nr. 1 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 313-315.<br />

100 Interview Nr. 14 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 550-558.<br />

101 Interview Nr. 14 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 673-677.<br />

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Stabilisierung der Finanzierungsmittel<br />

<strong>Die</strong> Berliner Treuhandverträge entstanden zu einer Zeit, in der sich der Landesh<strong>aus</strong>halt in<br />

einer tiefen Finanzkrise befand, die von massiven Kürzungsquoten bei den Zuwendungsmitteln<br />

begleitet wurde. Nach Aussagen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin sah man<br />

von daher in den Treuhandverträgen einen Weg, <strong>dem</strong> Konsolidierungszwang des Berliner<br />

H<strong>aus</strong>halts entgegentreten zu <strong>können</strong>, insbesondere deshalb, weil die Zuwendungsmittel<br />

nicht mehr jährlich zur Disposition stünden. Auch <strong>aus</strong> Sicht der Senatsverwaltung habe man<br />

mit den Verträgen langjährige Mittelfestlegungen des Landes zum Ziel gehabt. Ein Staatssekretär<br />

a.D. erklärt, dass trotz notwendiger Mittelkürzungen ein bestimmter Topf an<br />

Zuwendungsmitteln für die sozialen Projekte gesichert werden sollte. Unzumutbare Kürzungen<br />

durch H<strong>aus</strong>haltspolitiker, für die der Nutzen der Projekte nicht besonders greifbar sei,<br />

sollten zugunsten sinnvoller Einsparungen verhindert werden. Durch die Verträge haben die<br />

Projekte – so die Senatsverwaltung – Planungssicherheit durch einen festen finanziellen<br />

Rahmen für einen Zeitraum von fünf Jahren erhalten. Das sieht ein Vertreter eines Fachverbandes<br />

ebenso: Verbände und Projekte seien mit den Treuhandverträgen nicht mehr der<br />

„chaotischen Situation der Willkür der Verwaltung unterworfen“ 102 . <strong>Die</strong> Kürzungsquoten<br />

innerhalb der Verträge könnten mit <strong>dem</strong> Wissen, dass die verbleibenden Mittel sicher sind,<br />

besser umgesetzt werden. <strong>Die</strong> interviewten Vertreter der Wohlfahrtsverbände vertreten<br />

einhellig die Meinung, dass die Treuhandverträge zu einer Stabilisierung der Mittel geführt<br />

haben. Ohne die Verträge hätte das Land in seiner momentanen H<strong>aus</strong>haltslage wesentlich<br />

mehr Mittelkürzungen vollzogen – so die weitverbreitete Einschätzung auf Seiten der Wohlfahrtsverbände.<br />

Für die Projekte habe sich dadurch – nach Auffassung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes<br />

Berlin – die Situation ergeben, 100 Prozent ihrer Ressourcen für ihre eigentlichen<br />

Aufgaben <strong>aus</strong>geben zu <strong>können</strong>, anstatt einen Teil zur Sicherung ihrer Finanzmittel aufwenden<br />

zu müssen. <strong>Die</strong>s brachte den Verträgen bei den Projekten viel Sympathie ein: „<strong>Die</strong><br />

Stimmen der Kritik wurden immer leiser, und bald waren sie nicht mehr zu hören.“ 103<br />

Mittelkürzungen<br />

<strong>Die</strong> über die Treuhandverträge vereinbarte kontinuierliche Absenkung der Zuwendungsmittel<br />

sollte nach den Worten eines ehemaligen Staatssekretärs zur Stabilisierung der<br />

H<strong>aus</strong>haltslage des Landes beitragen. Nach den Angaben der Wohlfahrtsverbände haben die<br />

Verträge auch tatsächlich zu erheblichen Einsparungen in sozialen und gesundheitlichen Projekten<br />

geführt. Bis zum Ende des LIGA-Vertrages „Soziales“ bzw. des Integrierten<br />

Gesundheitsvertrages im Jahr 2010 habe man dann bezogen auf den Beginn der Treuhandverträge<br />

30 bis 40 Prozent an Einsparungen erzielt und damit einen enormen Beitrag zur<br />

Entlastung des Landesh<strong>aus</strong>haltes geleistet. Für die Zukunft wird die Situation aber <strong>als</strong> nicht<br />

unproblematisch eingeschätzt: „Der neue Vertrag sieht ja größere Dimensionen beim Kürzen<br />

102 Interview Nr. 11 mit einem Vertreter eines Fachverbandes, Zeilen 667-668.<br />

103 Interview Nr. 14 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 328-329.<br />

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vor. Da müssen wir noch zeigen, ob wir das auch so vernünftig mit unseren Mitgliedern<br />

steuern, beherrschen <strong>können</strong>, dass dann am Ende dieser Laufzeit weiterhin auch bei unseren<br />

Mitgliedsorganisationen die Wahrnehmung bleibt, dass wir das gut und richtig machen.“ 104<br />

Verbändevertreter weisen darauf hin, dass die Kürzungen in den ersten Jahren der treuhänderischen<br />

Zuwendungsvergabe geringer <strong>aus</strong>fielen, was den Verbänden selbst mehr<br />

Gestaltungsspielräume lies, weshalb sie verstärkt in der Lage waren, ihre eigenen Zuwendungen<br />

für die sogenannten zentralen Aufgaben der Verbände zugunsten von Projektmitteln<br />

kürzen zu <strong>können</strong>. Besonders der Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin habe auf entsprechende<br />

Zuwendungen verzichten <strong>können</strong>, wobei aber zu bedenken sei, dass er sich in<br />

erheblichem Maße durch seine Mitgliedsbeiträge finanziere. Verbände, die sich dagegen<br />

überwiegend <strong>aus</strong> Zuwendungen für zentrale Aufgaben finanzierten, leisteten indessen einigen<br />

Widerstand: „<strong>Die</strong> kleineren Verbände, deren Verbandsinfrastruktur über diese Mittel<br />

stark finanziert wird (…) und wenig Projektförderungen in diesen Vertrag hatten, die hatten<br />

andere Interessen. <strong>Die</strong> wollten eher ihre direkten Verbandsmittel schützen und weniger die<br />

Projektförderungen. Und da hat es hinter den Kulissen immer Vertragskämpfe gegeben.“ 105<br />

<strong>Die</strong> Treuhandverträge haben auch Veränderungen im Personalh<strong>aus</strong>halt bewirkt. Vertreter<br />

der Senatsverwaltung erklären, dass man durch die Übertragung der Zuwendungsvergabe an<br />

die Verbände innerhalb der Verwaltung Personalkosten einsparen, und stattdessen den Verbänden<br />

eine Verwaltungskostenp<strong>aus</strong>chale zahlen wolle. Dadurch hätten einige<br />

Verwaltungsmitarbeiter für andere Aufgaben zur Verfügung gestanden bzw. konnten deren<br />

Stellen teilweise sogar abgebaut werden. Ob sich dadurch tatsächlich Einsparungen realisieren<br />

ließen, könne man nur dann sagen, wenn man die Kosten der Verbände für die<br />

Vertragsverwaltung mit den Einsparungen der Senatsverwaltung gegenrechnen würde. Auch<br />

ein Bezirk habe infolge eines Treuhandvertrages personelle und finanzielle Entlastung erfahren,<br />

in<strong>dem</strong> der Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin bestimmte Aufgaben der<br />

Mittelüberweisung und Abrechnung übernommen habe: „Jetzt die spannende Frage. Baue<br />

ich die Stelle ab? Was wir getan haben. (…) Jetzt haben wir ja das Problem, muss ich eigentlich<br />

diese Leistung wieder vorhalten, wenn ich keinen Treuhandvertrag mache, den ich jetzt<br />

nicht mache, weil ich eigentlich mit der Landesh<strong>aus</strong>haltsordnung kollidiere und <strong>dem</strong> neuen<br />

System der Budgetierung. Ich muss <strong>als</strong>o die Leistung selber wieder vorhalten. Und das Personal<br />

dafür auch haben, die Mitarbeiterin, die die Abrechnung auch macht.“ 106 Vertreter der<br />

Senatsverwaltung bestätigen das gleiche Problem. Durch den Abbau der für Zuwendungen<br />

zuständigen Sachbearbeiterstellen in der Verwaltung sähe sich diese nicht mehr in der Lage,<br />

die Zuwendungen wieder selbst abzuwickeln: „Das heißt, es wäre für uns schon eine riesige<br />

Her<strong>aus</strong>forderung. Wir hatten das ja jetzt gerade bei <strong>dem</strong> neuen LIGA-Vertrag. Wenn der<br />

nicht zum Abschluss gekommen wäre, und wir das ganze Geschäft, was wir <strong>dem</strong> Beliehenen<br />

übertragen hatten, <strong>hier</strong> LIGA, auf den Tisch bekommen hätten. [Wechsel der Interviewpart-<br />

104 Interview Nr. 6 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 324-329.<br />

105 Interview Nr. 6 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 397-402.<br />

106 Interview Nr. 10 mit einem Vertreter des Bezirkes Marzahn-Hellersdorf, Zeilen 532-540.<br />

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ner] Na, im Nachhinein wär es jetzt unmöglich gewesen, weil sozusagen unsere Stellen gar<br />

nicht mehr da sind. <strong>Die</strong> sind in der Zwischenzeit dann abgebaut worden.“ 107<br />

Problematisch sei zu<strong>dem</strong>, dass die Festlegung der Zuwendungsmittel in den Verträgen zulasten<br />

notwendiger Einsparungen ginge. Aus Sicht des Landesverbandes der Arbeiterwohlfahrt<br />

Berlin gäbe es diesbezüglich vor allem von Finanzpolitikern Kritik: „Und das ist, sagen wir<br />

mal, das auch, was Kritiker ins Feld führen. Also vor allen Dingen Finanzpolitiker. Dass sie<br />

sagen, über die Treuhandverträge beraubt sich Berlin der Möglichkeit, von H<strong>aus</strong>haltsjahr zu<br />

H<strong>aus</strong>haltsjahr auch gewisse Einsparungen durch direkte Kürzungen vorzunehmen.“ 108 Ein<br />

ehemaliger Staatssekretär erklärt dazu, dass es in diesem Zusammenhang auch Ärger gab<br />

mit anderen Senatsverwaltungen, bei denen überall intensiv gespart werden musste: „Also<br />

etliche Staatsekretärskollegen haben immer gesagt 'Na, da hast Du ja ein Ei gelegt, an das<br />

wir nicht mehr herankommen'. Aber das war natürlich auch positiv.“ 109 Schwierig sei der<br />

Umgang mit den Kürzungen auch auf bezirklicher Ebene. Denn der Bezirk hätte – so ein Vertreter<br />

– für seine Aufgaben ein bestimmtes Budget; wenn es <strong>hier</strong> zu Kürzungen kommt, sei<br />

der Bezirk aber an die Treuhandverträge gebunden, weshalb Kürzungen <strong>aus</strong>schließlich zulasten<br />

anderer Bereiche vollzogen werden müssten, was „dazu geführt hat, dass wir zwei<br />

Stellen abbauen mussten im Sozialamt. Und da <strong>können</strong> <strong>Sie</strong> sich vorstellen, dass es da Konflikte<br />

gibt. Weil im Sozialamt vom Grundsatz her wir Pflichtaufgaben erfüllen (…) und die<br />

Mitarbeiterinnen natürlich <strong>hier</strong> auch dann nicht ganz unberechtigt sagen 'Wieso müssen wir<br />

zulasten von freiwilligen sozialen Aufgaben auf Geld verzichten? (…) Wenn wir denn alle insgesamt<br />

ein geringeres Budget kriegen, (…) dann kann es doch nicht so sein, dass die einen<br />

das gleiche kriegen wie voriges Jahr, und die anderen müssen dafür mehr sparen.' (…) Politisch<br />

ist es natürlich gewollt. Dazu gibt es auch einen Beschluss der<br />

Bezirksverordnetenversammlung, den Bereich möglichst ungekürzt weiter zu fördern.“ 110<br />

Allerdings seien Mitteleinsparungen auch im Bereich der Treuhandverträge notwendig, eine<br />

Kürzung des Gesamtangebotes nähme man damit jedoch in Kauf. Auch die Senatsverwaltung<br />

weist darauf hin, dass bestimmte Projektaufgaben wegfallen müssten, um die erneuten Einsparungen<br />

zu erreichen: „Der Maßstab muss jetzt, damit diese Einsparungen dann<br />

ermöglicht werden, verschärft werden an verschiedenen Stellen. Und was vorher notwendig<br />

war, fällt dann an bestimmten Stellen eben weg. (…) Wir haben <strong>als</strong>o eigentlich keine Kapazität<br />

mehr. (…) Das ist jetzt sozusagen die besondere Her<strong>aus</strong>forderung bei <strong>dem</strong> laufenden<br />

Vertrag, damit mit diesen Einsparungen von 852.000 Euro pro Jahr, das so hinzubekommen,<br />

dass trotz<strong>dem</strong> noch die wichtigsten Sachen, die wir gesichert haben wollen, darin auch aufrechterhalten<br />

werden <strong>können</strong>.“ 111<br />

Ein <strong>Die</strong>nstleister betont, dass Kürzungen bis zu einem bestimmten Punkt möglich wären,<br />

in<strong>dem</strong> man die Arbeit verdichtet und die Arbeitsprozesse effektiver gestalte; dieses sei aber<br />

107 Interview Nr. 8 mit Vertretern der SenGSV, Zeilen 477-485.<br />

108 Interview Nr. 13 mit einem Vertreter des Landesverbandes der Arbeiterwohlfahrt Berlin, Zeilen 211-215.<br />

109 Interview Nr. 7 mit einem Vertreter der SenGSV, Zeilen 230-232.<br />

110 Interview Nr. 10 mit einem Vertreter des Bezirkes Marzahn-Hellersdorf, Zeilen 276-296.<br />

111 Interview Nr. 8 mit Vertretern der SenGSV, Zeilen 633-642.<br />

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mittlerweile erreicht: „Inzwischen ist die Luft, was die Treuhandverträge anbetrifft, die ist<br />

r<strong>aus</strong>. <strong>Die</strong> ist so gut wie weg. Also da noch mal zu kürzen, würde bei den meisten an die Substanz<br />

gehen.“ 112<br />

Besorgt äußert sich ebenfalls ein Staatssekretär a.D. über die Entwicklung in diesem zuwendungsgeförderten<br />

Bereich: „<strong>Die</strong>ses ganze Feld der komplementären Versorgung ist so<br />

drastisch gekürzt worden, dass sie es eigentlich auch gleich einstecken <strong>können</strong> in Berlin. Als<br />

Staat, wenn man es ernst meint, den Begriff Entstaatlichung, dann muss ich an ihre Belange<br />

denke, und dann muss ich denen auch eine Grundfinanzierung geben, damit sie überhaupt<br />

die Aufgabe erfüllen <strong>können</strong>. Wir sind heute in einer Denke, dass Entstaatlichung 100 Prozent<br />

Einsparung bedeutet. (…) Wenn ich es ernst meine, muss ich ernst zu nehmende<br />

Verbände staatlich stützen. (…) Ich muss ihre Arbeitskraft finanzieren. (…) Wir haben versucht,<br />

sinnvoll zurechtzuschneiden. Aber ich habe ein bisschen Sorge, dass das heut zu wenig<br />

ist, weil es sind staatliche Aufgaben gewesen – Daseinsvorsorge oft genannt. (…) <strong>Sie</strong> <strong>können</strong><br />

über eins mit mir nicht streiten, ob ich einen, ich sage jetzt mal psychisch labilen Menschen,<br />

der möglicherweise auch noch behindert ist, wenn ich <strong>dem</strong> keine Stützung, wenn ich <strong>dem</strong><br />

das nicht gebe, dann habe ich möglicherweise hinterher nicht nur ein Menschenleben völlig<br />

kaputtgemacht, sondern ich hab das auch noch viel zu teuer kaputtgemacht. (…) Ich bedaure,<br />

dass wir nicht mehr so sozial arbeiten wie wir das eigentlich mal getan haben.<br />

Insbesondere (…) von einer Regierung, die sich <strong>als</strong> sozial bezeichnet.“ 113<br />

Aufgrund der finanziellen Maßnahmen bestünde die Gefahr, die besonders betroffene Klientel<br />

völlig an den Rand der Gesellschaft zu drängen: „Ich muss <strong>als</strong> Staat irgendwann<br />

entscheiden, will ich mich um diese Randgruppen noch kümmern, oder ich will es nicht mehr<br />

tun. (…) Will aber keiner. Sondern man will doch noch ein Stück Solidarität in der Bevölkerung.<br />

(…) Aber dazu bräuchte ich eine Grund<strong>aus</strong>stattung. Und zu der muss ich mich endlich<br />

einmal bekennen. Wirklich endlich einmal bekennen. Also es ist dann ein Etatteil, den ich<br />

auch nicht verändern kann. (…) Lass ich in der Psychiatrie einen Bereich einbrechen. Was<br />

passiert? Ein Teil wird stationär. Ein Teil geht über die Krankenkasse. Ein Teil geht über die<br />

Sozialhilfe. Also über die Finanzierung des Staates. Und nur weil es ein anderer Topf ist, ist es<br />

dann billiger?“ 114 Im Sinne einer Bestandsaufnahme müsste – nach Ansicht des Staatssekretärs<br />

– ein Atlas über gesundheitliche sowie soziale Problembereiche in Berlin erstellt<br />

werden: „Was aber wirklich sinnvoll wäre, wäre ein Atlas zur Feststellung der Problematiken<br />

im gesundheitlichen-sozialen Bereich, <strong>als</strong>o mit anderen Worten, ein Atlas, der zeigt wo ist<br />

welches Problem gravierend, in welcher Form?“ 115 Intervenierende Maßnahmen in Bezug<br />

auf die dabei festgestellten Problematiken müsste das Land Berlin <strong>als</strong> feste Grund<strong>aus</strong>stattung<br />

sicherstellen.<br />

112 Interview Nr. 5 mit einem <strong>Die</strong>nstleister des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 303-305.<br />

113 Interview Nr. 9 mit einem Vertreter der SenGSV, Zeilen 361-401.<br />

114 Interview Nr. 9 mit einem Vertreter der SenGSV, Zeilen 652-670.<br />

115 Interview Nr. 9 mit einem Vertreter der SenGSV, Zeilen 698-701.<br />

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Ob eine solche Grund<strong>aus</strong>stattung angesichts der Sparmaßnahmen gewährleistet werden soll<br />

und kann, lässt sich nur schwer abschätzen. Jedoch steigt mit zunehmenden Mittelkürzungen<br />

auch der Widerstand der Verbände, weiterhin die Treuhänderrolle für die<br />

Senatsverwaltung zu übernehmen. Für Vertreter der Senatsverwaltung sieht es folgendermaßen<br />

<strong>aus</strong>: „Ich sehe ein bisschen mit Sorge, (…) dass aber sozusagen mit zunehmen<strong>dem</strong><br />

Spardruck, <strong>als</strong>o wo nehmen wir eigentlich die Einsparungen her in diesem Vertrag, ja, sozusagen<br />

auch die Gefahr wieder, dass man sagt 'Ne, macht Ihr die Vorgaben von außen'. (…)<br />

Das kann ich aber auf der anderen Seite auch ein bisschen verstehen. Also je dichter der<br />

Druck wird, desto klarer ist ja auch, dass ich das nicht selber verantworten will.“ 116 Der Landesverband<br />

der Arbeiterwohlfahrt Berlin kann sich weitere Einsparungen in den gleichen<br />

Größenordnungen bei der nächsten Vertragsrunde nach 2010 nicht mehr vorstellen: „Ich<br />

glaube, das wird dann eher in Ablehnung umschlagen, weil das würde bedeuten, dass es<br />

nicht mehr um einzelne Projekte geht, sondern dann quasi bloß noch um die Stilllegung ganzer<br />

Angebotsbereiche. Und das würde sicherlich nicht mitgetragen.“ 117<br />

Noch deutlicher drückt sich diesbezüglich ein Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes<br />

Berlin <strong>aus</strong>. Durch die beachtlichen Einsparungen seit Einführung der Treuhandverträge<br />

„haben wir einen enormen Beitrag zur Entlastung des Landes geleistet. (…) Und von daher<br />

bin ich nicht mehr bereit, nach jetziger Einschätzung, (…) würde ich keine Verträge mehr<br />

abschließen, die noch mal weitere Kürzungen vorsehen, oder noch einmal gewaltige Kürzungen.<br />

Um kleine Summen kann man sich vielleicht <strong>aus</strong> pragma [Wort bricht ab], oder weil ja<br />

die Not nicht nachlässt, da muss man beweglich sein. (…) Aber solche Kürzungen, wie wir<br />

jetzt verkraften müssen, umsetzen müssen, solche Kürzungen würde ich nicht mehr akzeptieren.<br />

Dann würd ich weitere Verträge ablehnen. Dann soll der Staat das schlachten. Das<br />

würde ja am Ende dann das Schlachten eines niedrigschwelligen Versorgungsfeldes bedeuten.<br />

Dann soll das der Senat in Eigenverantwortung machen. Dann machen wir wieder<br />

Lobbyist in klassischer Manier und ziehen dann zu Felde. (…) Wenn das Land Berlin in allen<br />

Ausgabenfeldern ähnlich vorgegangen wäre, dann hätte diese Stadt wieder eine Zukunft.<br />

Wir haben unseren Beitrag geleistet. Ich bin da nicht mehr bereit, nur weil es <strong>hier</strong> rechtlich<br />

eher machbar ist. Und dann bei den Personal<strong>aus</strong>gaben, da verharrt ja das Land auf sieben<br />

Milliarden. (…) Da muss da gekürzt werden. Weil, da sind ja unsere paar Millionen auch lächerlich.<br />

(…) Dann kann man uns diese Projekte alle zumachen, und trotz<strong>dem</strong> wird es nichts<br />

nützen. (…) Wenn man die auch ganz streichen würde, hat man trotz<strong>dem</strong> nicht das Land saniert.“<br />

118<br />

Effizienz und Effektivität<br />

<strong>Die</strong> angespannte H<strong>aus</strong>haltslage des Landes – darauf macht ein Vertreter der Senatsverwaltung<br />

aufmerksam – könne es nicht zulassen, sich <strong>aus</strong>schließlich am Bedarf der Zielgruppen<br />

zu orientieren, wie das die Leistungsträger gerne hätten: „Es geht ja jetzt darum, wie kann<br />

116 Interview Nr. 8 mit Vertretern der SenGSV, Zeilen 1219-1234.<br />

117 Interview Nr. 13 mit einem Vertreter des Landesverbandes der Arbeiterwohlfahrt Berlin, Zeilen 269-273.<br />

118 Interview Nr. 6 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 962-1000.<br />

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man denn dieses Geld einigermaßen bedarfsgerecht verteilen. Also nicht das, was die Träger<br />

unter Bedarf verstehen, sondern um eine bedarfsgerechtere Verteilung ging es.“ 119 <strong>Die</strong>sbezüglich<br />

– so ein Staatssekretär a.D. – hätten die Verbände gute Vorschläge erbracht: „Also<br />

das war schon hilfreicher vielleicht auch, <strong>als</strong> das, was Verwaltung ja teilweise gemacht hat.<br />

(…) Dadurch dass wir jetzt diese Zusammenstellung hatten und jeder wusste, dass das in<br />

einem Vertrag ist, war dieses 'Wir kürzen mal <strong>hier</strong> linear', (…) was Verwaltung immer so gerne<br />

macht, 'Ach herrje, wir wollen ja keinem wehtun'. Oder wenn Verwaltung, <strong>als</strong>o immer ein<br />

Mitarbeiter, der zuständig war eben nur für ein paar Projekte, wenn der sagte 'Ach Mensch,<br />

das eine Projekt ist so toll', weil der das eben gut kannte, 'da dürfen wir nur weniger kürzen',<br />

das entfiel ja jetzt alles. (…) Es gab nicht mehr dieses p<strong>aus</strong>chale Kürzen.“ 120 Der Paritätische<br />

Wohlfahrtsverband Berlin schlägt eine Konzentration auf „Kerndinge“, die für die Menschen<br />

wichtig sind, vor, um die vorhandenen Ressourcen effektiv einzusetzen: „Wir müssen sozusagen<br />

alle so ein bisschen sehen, wo sind denn die Kerndinge, die wichtig sind, dass<br />

Menschen sich wohl fühlen, (…) wo man das Gefühl hat, dass man gefragt ist <strong>als</strong> Bürger.<br />

Wenn da alle mitziehen, mit den Ressourcen, die wir haben, könnte da wesentlich mehr erreicht<br />

werden, <strong>als</strong> diese Sonderaktionen. Hier ein Problem, Geld dafür. (…) Also immer so<br />

diese Reaktion auf bestimmte besondere Vorkommnisse und weniger diese kontinuierliche<br />

präventive Arbeit im Sinne wir gestalten unsere Region.“ 121<br />

Starke Synergieeffekte könne man – nach Auffassung eines Verbandsvertreters – bezogen<br />

auf die Stadtteilarbeit durch die Schaffung von Verbundsystemen in den Regionen erzielen.<br />

<strong>Die</strong> vorhandenen Ressourcen müssten dazu durch koordinierte regionale Konzepte sinnvoll<br />

aufeinander abstimmt werden. Hier seien die Effekte noch nicht <strong>aus</strong>gereizt und ließen sich<br />

durch eine verstärkte Professionalisierung und Einbeziehung von Ehrenamtlichen in den Einrichtungen<br />

noch erhöhen. Seitens der Senatsverwaltung wird darauf verwiesen, auch bei<br />

den Suchthilfediensten Synergieeffekte durch eine stärkere Ressourcenbündelung erzielt zu<br />

haben. Gleiches träfe auch auf den Zuwendungsbereich des LIGA-Vertrages zu, der es ermögliche,<br />

Entwicklungen über Ressortgrenzen hin<strong>aus</strong> zu verfolgen und Kooperationen<br />

zwischen den Projekten zulasse, die auch Synergieeffekte hervorbringen würden. Im Paritätischen<br />

Wohlfahrtsverband Berlin gibt es dazu aber auch kritische Meinungen. Danach seien<br />

korporative Vorteile von Großsystemen tatsächlich nur schwer realisierbar, in <strong>dem</strong> Sinne,<br />

Ressourcen verschiedener Projekte zu konzentrieren, um eine Großkampagne, beispielsweise<br />

zur Gewinnung von Ehrenamtlichen, zu starten, bei der dann mehr Geld zur Verfügung<br />

stünde: „Das sind alles Dinge, die kann man sich so <strong>aus</strong>denken, aber die funktionieren nicht<br />

so richtig. Das widerspricht so ein bisschen der Logik auch der Projekte. (…) Also man engagiert<br />

sich für die eigene Arbeit. Und diese übergreifenden Aspekte, die sind nicht so optimal<br />

oder vielleicht auch f<strong>als</strong>ch. Ich weiß es nicht. Es sind Überlegungen, die man dam<strong>als</strong> mal hatte,<br />

die sich <strong>als</strong> wenig realisierbar her<strong>aus</strong>gestellt hatten.“ 122<br />

119 Interview Nr. 3 mit einem Vertreter der SenGSV, Zeilen 279-282.<br />

120 Interview Nr. 7 mit einem Vertreter der SenGSV, Zeilen 348-361.<br />

121 Interview Nr. 2 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 641-651.<br />

122 Interview Nr. 14 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 412-419.<br />

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Der Verwaltung hätten die Treuhandverträge allerdings finanzielle Vorteile gebracht, da sie<br />

bestimmte Bereiche bei sich habe abbauen <strong>können</strong> und zu wesentlich günstigeren Konditionen<br />

an die Verbände abgegeben habe. Ein Vertreter der Fachverbände beschreibt es<br />

folgendermaßen: „Finanzielle Vorteile hat der Senat, in<strong>dem</strong> er seine Stellen abbaut. Und<br />

in<strong>dem</strong> er sozusagen (…) eine neue Verwaltung zu einem sehr billigen Tarif beschäftigt. (…)<br />

Natürlich <strong>können</strong> wir mit sehr viel weniger Geld die Zuwendungsgeschäfte mit den Einrichtungen<br />

betreiben <strong>als</strong> der Senat das macht, weil unsere Verhältnisse quasi auf einem<br />

Vertrauen beruhen. (…) Wir dürfen Fehler machen sogar. <strong>Die</strong> korrigieren wir mit den Einrichtungen<br />

gemeinsam. (…) Insofern gibt es eine Chance der Verwaltungsvereinfachung. Und<br />

damit kann man auch Kosten sparen. (…) Ich glaube, dass das, was an Geld jetzt gegeben<br />

wird für die Verwaltung, dass das viel viel weniger ist <strong>als</strong> das, was die Verwaltung verbraucht<br />

hätte für die gleichen Arbeiten. Es gibt aber auch eine Tendenz, (…) den Zwischenhändlern<br />

immer mehr aufzubürden, was eigentlich sozusagen den Stil der öffentlichen Verwaltung<br />

eher entspricht. Also das heißt, die ganzen Verfahren unheimlich zu verkomplizieren. (…) Das<br />

heißt, wir werden in die Rolle eines Bürokraten gedrängt.“ 123 <strong>Die</strong>s würde – nach den Worten<br />

eines Parlamentariers – ein hohes Maß an Arbeitszeit und damit auch an Arbeitskosten binden,<br />

Verwaltungsabläufe müssten von daher überdacht und Vereinfachungen dieser<br />

Prozesse erreicht werden.<br />

<strong>Die</strong> Meinung von Verbandsvertretern, dass sie das Zuwendungsverfahren günstiger betreiben<br />

<strong>können</strong>, <strong>als</strong> es der Verwaltung möglich wäre, bezweifelt jedoch ein Vertreter der<br />

Bezirke: „Ich glaube, dass es so eine Fehlannahme ist, da neigt der DPW manchmal in seinen<br />

Einschätzungen dazu, zu sagen 'Also wir entlasten Euch von Aufgaben, dafür möchten wir<br />

natürlich auch finanzielle Mittel haben. Und wir erbringen das weniger aufwendig <strong>als</strong> Ihr'. Ich<br />

glaube, dass der Nachweis nicht wirklich erbracht ist. Das könnte man am Ende vielleicht nur<br />

machen, wenn man dann über alles wirklich die Kosten-Leistungs-Rechnung legt. Das ist <strong>aus</strong><br />

meiner Sicht eher so eine Hilfsargumentation, zu sagen, <strong>als</strong>o LIGA oder eben freigemeinnützige<br />

Träger sind alle Mal besser <strong>als</strong> kommunale.“ 124<br />

Unstrittig sind jedoch die hohen Einsparungen, die die Verbände in den letzten Jahren innerhalb<br />

der Verträge umsetzen konnten. Ein Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes<br />

Berlin stellt hervor: „Ich denke, wir haben eingespart, ohne dass wir wirklich auf Leistungen<br />

verzichten mussten.“ 125 Grund dafür seien die aktiven Steuerungsmöglichkeiten, die der<br />

Verband durch die Treuhandverträge erhalten habe. Von daher seien auch die Sparmaßnahmen<br />

im neuen Integrierten Gesundheitsvertrag zu bewerkstelligen: „Ich halte das für<br />

machbar. Ich halte das insofern für machbar, dass wir Strukturen verändern müssen. Und<br />

nicht sagen mit der Gießkanne oder mit <strong>dem</strong> Rasenmäher. Jeder kriegt gleich viel weggenommen.<br />

Ist ja Quatsch. Es reicht auch nicht einmal punktuell ein Projekt zu schließen. Find<br />

123 Interview Nr. 11 mit einem Vertreter eines Fachverbandes, Zeilen 607-635.<br />

124 Interview Nr. 10 mit einem Vertreter des Bezirkes Marzahn-Hellersdorf, Zeilen 560-568.<br />

125 Interview Nr. 1 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 293-294.<br />

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ich auch Blödsinn. Sondern wir müssen komplett Strukturen überprüfen und Neustrukturierungen<br />

vornehmen.“ 126<br />

Dennoch gibt es Überlegungen, sinkende Zuwendungsmittel durch die Akquise von Eigenmitteln<br />

zu kompensieren. <strong>Die</strong> Senatsverwaltung erklärt dazu, dass sie bisher<br />

Zuwendungsmittel in Höhe eventueller Eigenmittel der Projekte zurückfordern muss; da gäbe<br />

es keinen Ermessensspielraum: „Das ist so ein Punkt, mit <strong>dem</strong> wir uns <strong>als</strong><br />

Vertragspartner, beide Seiten sozusagen, beschäftigen wollen, und um unter anderem auch<br />

an der Stelle etwas zu machen, was nicht zur Verschuldung des Landes Berlins weiter beitragen<br />

soll, sondern eher dazu, die Spielräume gerade angesichts dieser Einsparung, die wir<br />

sowieso erbringen, noch zu ermöglichen, um die Leistungsangebote auf einem bestimmten<br />

Niveau halten zu <strong>können</strong>.“ 127 Im aktuellen LIGA-Vertrag „Soziales“ habe man bereits Regelungen<br />

treffen <strong>können</strong>, um bei den Projekten Anreize zu schaffen, mehr Eigenmittel zu<br />

erwirtschaften, die man nicht mit den Zuwendungsmitteln zu verrechnen habe. Hier sei ein<br />

Experimentierfeld geschaffen worden. Darüber hin<strong>aus</strong> versuche man im LIGA-Vertrag „Soziales“,<br />

Möglichkeiten einer zusätzlichen Finanzierung über EU-Strukturfonds zu erschließen:<br />

„Wobei es nicht ganz unproblematisch ist, weil jetzt versuchen wir ja eher, die Mittel des<br />

Landes <strong>als</strong> Kofinanzierung für EU-Mittel heranzuziehen. Und das ist nicht ganz unumstritten,<br />

weil natürlich jemand auf die Idee kommen könnte, was wir an anderen Mitteln bekommen,<br />

ziehen wir Euch an Landesmitteln wieder ab.“ 128<br />

Ein Vertreter des Parlaments verdeutlicht, dass die Übernahme nicht verbrauchter Finanzierungsmittel<br />

in das jeweils nächste H<strong>aus</strong>haltsjahr eine Strategie sei, um den Einsatz der<br />

Zuwendungsmittel flexibler zu gestalten. Auch seien einzelne Mittelansätze im Finanzierungsplan<br />

mittlerweile gegeneinander deckungsfähig und könnten bei Bedarf umgewidmet<br />

werden: „Weil das war <strong>als</strong>o eine irrsinnige Konstruktion der alten Verträge, die es einfach<br />

auch erforderlich gemacht hat, alle H<strong>aus</strong>haltsmittel <strong>aus</strong>zugeben, ohne sozusagen nach sinnhaften<br />

Umsetzungsstrukturen zu suchen, die wirklich auch Spielräume eröffnen. (…) Also da<br />

ist auch eine horizontale und eine vertikale Flexibilität des Einsatzes der Finanzmittel gegeben.“<br />

129<br />

Nicht alle Beteiligten sind hingegen mit der Situation im neuen Treuhandvertrag zufrieden.<br />

Ein Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin kritisiert die Vielzahl der vertraglich<br />

fixierten Regelungen, die den Handlungsspielraum im Umgang mit den<br />

Zuwendungskürzungen erheblich einschränkten: „Das eine kritische sind die Kürzungen, und<br />

das andere kritische sind diese Regelungen. Wenn <strong>Sie</strong> sparen müssen, dann müssten <strong>Sie</strong> alle<br />

Regelungen über Bord werfen. Dann müssten <strong>Sie</strong> sagen 'Ich brauch die Hände frei'. Aber <strong>Sie</strong><br />

<strong>können</strong> sich nicht die Hände fesseln durch Regelungen und dann noch sagen 'Ich muss jetzt<br />

sparen'. Im Grunde ist das völlig, völlig f<strong>als</strong>ch. Ja man müsste eigentlich sagen 'Wir müssen<br />

126 Interview Nr. 1 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 502-507.<br />

127 Interview Nr. 8 mit Vertretern der SenGSV, Zeilen 826-832.<br />

128 Interview Nr. 8 mit Vertretern der SenGSV, Zeilen 1310-1315.<br />

129 Interview Nr. 12 mit einem Vertreter des Parlaments, Zeilen 269-282.<br />

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uns jetzt anstrengen, 30 Prozent zusätzliche Ressourcen hereinzuholen, damit wir den Rahmen<br />

haben'. Ja aber bei <strong>dem</strong> Vertrag macht das doch keinen Sinn, weil das alles wieder<br />

abgezogen und verzinst wird. Also der Vertrag ist im Grunde [Wort bricht ab]. Ich verstehe<br />

den gar nicht.“ 130<br />

IV. f. „Wir haben das Herrschaftswissen aufgebrochen“ – Transparenz<br />

in der Aufgabenwahrnehmung<br />

Das Kontraktmanagement hat einen gewissen Einfluss auf die Transparenz in der Leistungserbringung<br />

zur Folge.<br />

<strong>Die</strong> Vielzahl vertraglicher Regelungsinhalte lässt sich unstrittig teilweise <strong>aus</strong> einem latenten<br />

Misstrauen der Verwaltung gegenüber den Verbänden und ihren Mitgliedseinrichtungen<br />

erklären, <strong>dem</strong>zufolge Verbände vorwiegend im eigenen Interesse handeln würden und die<br />

Interessen des Staates nicht genügend zur Geltung kämen. Verbändevertreter hoffen allerdings,<br />

mit mehr Transparenz in der Leistungserbringung diesem Misstrauen entgegenwirken<br />

zu <strong>können</strong>. <strong>Die</strong> Bemühungen um mehr Transparenz hatten aber auch andere, fachliche<br />

Gründe.<br />

Vergleichbarkeit herstellen<br />

Nach den Worten eines ehemaligen Staatsekretärs wollte man mit den Treuhandverträgen<br />

zunächst eine Übersicht über alle geförderten Projekte erhalten. Auf dieser Grundlage habe<br />

man dann Entscheidungen, beispielsweise über eine sinnvolle räumliche Verteilung der Projekte,<br />

treffen <strong>können</strong>. Vertraglich sei von daher festgelegt worden, sämtliche Projekte mit<br />

einer Kurzbeschreibung in einem bestimmten Schema darzustellen, was gleichzeitig wohl<br />

eine erste Bestandsaufnahme der Projektelandschaft gewesen sein soll, die Senat und Abgeordnetenh<strong>aus</strong><br />

in Berlin je gesehen haben. Vor den Verträgen seien die Projekte<br />

unüberschaubar gewesen: „Da gab es dann den berühmten Spruch des damaligen Senators<br />

Ulf Fink, der für Gesundheit und Soziales zuständig war (…) 'Lasst viele Blumen blühen'. Und<br />

so sah die Projektelandschaft in Berlin dann auch <strong>aus</strong>. (…) Über alle Projekte gab es überhaupt<br />

keine Übersicht.“ 131<br />

Vertreter der Senatsverwaltung betonen, dass mit den Treuhandverträgen erstm<strong>als</strong> eine<br />

Vergleichbarkeit aller Projekte erreicht worden sei. Sowohl bei den Leistungsbeschreibungen<br />

<strong>als</strong> auch bei der Dokumentation der erbrachten Leistungen habe man beachtliche Erfolge<br />

gehabt.<br />

Auch seitens der Verbände werden Erfolge bei der Erarbeitung von Leistungsbeschreibungen<br />

und Dokumentationssystemen angesprochen. So seien beispielsweise in den letzten fünf<br />

Jahren Leistungsbeschreibungen für die ambulante Drogenhilfe entwickelt worden. Als primäre<br />

Aufgaben im Integrierten Gesundheitsvertrag sieht ein Vertreter des Paritätischen<br />

Wohlfahrtsverbandes Berlin ferner die Erarbeitung und Weiterentwicklung von Leistungsbe-<br />

130 Interview Nr. 14 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 657-666.<br />

131 Interview Nr. 7 mit einem Vertreter der SenGSV, Zeilen 64-70.<br />

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schreibungen, Dokumentationen und strukturierten Sachberichten sowie die Bestimmung<br />

klarer Ziele. Darüber dann eine Vergleichbarkeit aller Projekte zu erreichen, wäre Vor<strong>aus</strong>setzung<br />

für die Erstellung eines Gesamtkonzeptes für ein Gesundheitsnetzwerk.<br />

Im Gegensatz zum bisher Genannten beklagt ein Mitglied des Parlaments fehlende Einblicke<br />

in die Entscheidungsgrundlagen der LIGA: „Problematisch finde ich, dass es für uns Außenstehende<br />

nicht transparent genug ist, nach welchen Kriterien die Entscheidungen getroffen<br />

werden innerhalb der LIGA. Aber ich weiß auch nicht, ob ich da soviel Einblick haben möchte.<br />

Mir würde es schon reichen, nachvollziehbare Indikatoren zu kennen, nach denen<br />

innerhalb der Vertragsstrukturen eine Förderung vorgenommen wird. (…) Aber ich glaube,<br />

die arbeiten daran. Bin mir da nicht ganz so sicher.“ 132<br />

Kritisch anzumerken sei zu<strong>dem</strong> – so die Meinung eines Vertreters des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes<br />

Berlin – dass Berichtswesen, Dokumentationen und Klientendateien bei den<br />

einzelnen Projekten sehr unterschiedlich <strong>aus</strong>geprägt wären, was einen Vergleich unmöglich<br />

machen würde. Sofern man <strong>hier</strong> jedoch höhere Anforderungen stellt, habe man immer auch<br />

die Verhältnismäßigkeit zwischen Aufwand und Nutzen zu beachten.<br />

Erfolgskontrolle<br />

<strong>Die</strong> schwierigste Aufgabe im Zusammenhang mit den Verträgen sei – so ein Staatsekretär<br />

a.D. – die Qualitätssicherung der Leistungserbringung gewesen. Man wollte ein System mit<br />

objektiven Bewertungsmaßstäben einführen, mit <strong>dem</strong> es möglich sein sollte, beurteilen zu<br />

<strong>können</strong>, was die Projekte tatsächlich leisten: „<strong>Die</strong>ses Anliegen, zu sagen 'Wir wollen eben<br />

auch wissen, was leistet ein Projekt wirklich', damit man eben unterscheiden kann zwischen<br />

denen, die unbedingt notwendig sind an einem Standort – da kann eben da nicht gekürzt<br />

werden, oder eben nur minimal – und anderen Projekten, die vielleicht nicht so wichtig<br />

sind.“ 133 <strong>Die</strong> Einführung eines solchen Systems habe bei den Geschäftsführern der Verbände<br />

und bei den Projekten teilweise zu Angst und Ablehnung geführt, da eine große Unsicherheit<br />

darüber bestanden habe, den Ansprüchen genügen zu <strong>können</strong>, was sich andernfalls auf die<br />

Mittelvergabe hätte <strong>aus</strong>wirken <strong>können</strong>: „Das hat sich unheimlich verzögert. (…) <strong>Die</strong> Geschäftsführer<br />

hatten zu Recht erkannt, dass es letztlich natürlich auch da für die Zukunft für<br />

die Mittelvergabe wichtig sein konnte. Wenn es zu Kürzungen kommt, schließt man ein Projekt,<br />

was vielleicht nicht gut arbeitet, egal zu welchem Verband es gehört. Und von daher<br />

war das der schwierigste Bereich eigentlich.“ 134 Allerdings habe <strong>hier</strong> der Paritätische Wohlfahrtsverband<br />

Berlin einen großen Beitrag geleistet, in<strong>dem</strong> er von Anfang an den Aufbau<br />

eines solchen Systems von Qualitätskriterien und Evaluierungsverfahren unterstützt habe.<br />

Auch Vertreter der Senatsverwaltung bemängeln den eher zögerlich verlaufenden Umsteuerungsprozess<br />

hin zu einer effektiven Erfolgskontrolle. In den Vertragsverhandlungen sei man<br />

in diesem Punkt nicht weiter gekommen, da es allen Seiten um eine etwas langsamere,<br />

132 Interview Nr. 12 mit einem Vertreter des Parlaments, Zeilen 191-198.<br />

133 Interview Nr. 7 mit einem Vertreter der SenGSV, Zeilen 122-126.<br />

134 Interview Nr. 7 mit einem Vertreter der SenGSV, Zeilen 420-430.<br />

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schrittweise Ausrichtung auf eine Leistungs- und Wirkungsorientierung ginge. Jedoch sei die<br />

Erarbeitung von gut messbaren Kriterien für eine Erfolgskontrolle notwendig, um auf dieser<br />

Grundlage gegebenenfalls umsteuern zu <strong>können</strong>: „Jetzt geht es für mich dann im nächsten<br />

Schritt darum, dass wir ein besseres Fachcontrolling aufbauen. (…) Zu gucken, was sind<br />

Kennziffern für Erfolgskontrolle, wie kann man das messbar machen, Erfolg, wie kann man<br />

da auf dieser Basis dann wieder neu umsteuern.“ 135<br />

Der Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin habe sich nach eigenen Angaben ebenfalls zum<br />

Ziel gesetzt, in Zukunft stärker wirkungsorientiert zu agieren und dazu Erfolgskriterien zu<br />

entwickeln, anhand derer überprüft werden könne, ob die Leistungen auch die gewünschten<br />

Wirkungen erbracht haben. Ein <strong>Die</strong>nstleister sei diesbezüglich beauftragt worden, strukturierte<br />

Sachberichte sowie Kriterien für eine Erfolgskontrolle zu erstellen. Ein Vertreter des<br />

Verbandes sieht die Gründe für eine stärkere Wirkungsorientierung vor allem in den vertraglich<br />

fest zugesicherten Zuwendungsmitteln. Nun könne danach gefragt werden: „Was<br />

machen die Projekte eigentlich? Was sind die Ergebnisse? Was sind die Leistungen? Wie ist<br />

das Verhältnis von Leistungen und Mitteleinsatz? Also eine Überlegung, die eigentlich in der<br />

ganzen Welt außer in der Sozialwirtschaft immer schon üblich ist. Und das war vorher nicht<br />

möglich, weil alles immer Politik war. '<strong>Sie</strong> wollen die 10-Stunden-Kraft streichen? Wir müssen<br />

zum Stadtrat laufen, zum Abgeordneten laufen.' Aber es wurde nie geredet, was das<br />

eigentlich ist.“ 136 <strong>Die</strong> Ergebnisse der durchgeführten Evaluierungen <strong>können</strong> dagegen nun <strong>als</strong><br />

Grundlage für Steuerungsprozesse verwendet werden, um Entscheidungen zu legitimieren.<br />

Ein anderer Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin hebt das Fachcontrolling<br />

<strong>als</strong> wichtige Aufgabe und ständiger Bestandteil der Arbeit hervor. Gemeinsam mit der Senatsverwaltung<br />

sei ein strenges Verfahren entwickelt worden, wonach nach einem<br />

Losverfahren jährlich ein Drittel aller Projekte vollständig, die anderen auf Antrag geprüft<br />

würden. Nach Auffassung eines <strong>Die</strong>nstleisters seien die Aufgaben des Controllings durch die<br />

Treuhandverträge bei den Verbänden wesentlich trägernäher zu realisieren <strong>als</strong> es über die<br />

Senatsverwaltung möglich wäre. Auch seitens der Fachverbände wird bestätigt, dass Prüfungen<br />

bei den Verbänden besser durchgeführt würden: „Wir machen das sehr zeitnah. Aber<br />

wir machen es, würde ich mal sagen, auch viel zweckvoller. (…) Wir konzentrieren uns auf<br />

das Wesentliche. (…) 90 Prozent der Kosten sind Personalkosten, und deswegen prüfen wir<br />

die Personalkosten präzise.“ 137<br />

Manchmal würde den Projekten auch Betrug unterstellt: „Und das muss dann alles untersucht<br />

werden. Dafür sind wir auch personell nicht <strong>aus</strong>gestattet. Um solche umfangreichen<br />

Prüfungen zu machen, die die Senatsverwaltung selber mit ihren eigenen Personal nicht<br />

hinkriegt. Ihre Prüfinstanz hat einen Rückstand von sechs bis sieben Jahren.“ 138<br />

135 Interview Nr. 3 mit einem Vertreter der SenGSV, Zeilen 721-725.<br />

136 Interview Nr. 14 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 392-398.<br />

137 Interview Nr. 11 mit einem Vertreter eines Fachverbandes, Zeilen 810-815.<br />

138 Interview Nr. 11 mit einem Vertreter eines Fachverbandes, Zeilen 805-809.<br />

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Zu<strong>dem</strong> wird vom Fachverband kritisiert, dass sich bei den Prüfungen vorwiegend mit der<br />

Verwendung der Mittel und anderen formalen Dingen beschäftigt werden müsse, anstatt,<br />

wie es der Wille des Abgeordnetenh<strong>aus</strong>es sei, sich auf Inhalte zu konzentrieren, d.h. vernünftige<br />

Methoden der Evaluation zu entwickeln und umzusetzen.<br />

Darüber hin<strong>aus</strong> würden die Auswertungen zur Erfolgskontrolle kaum die Realität widerspiegeln:<br />

„Also es wird immer mehr Papier produziert. Das hängt aber damit zusammen, dass<br />

diejenigen, die schließlich und endlich legitimieren müssen, dass dafür Geld <strong>aus</strong>gegeben<br />

wurde, keine eigene Meinung mehr dazu haben, sondern nur noch Papier. Das heißt, die<br />

brauchen irgendwann ganz viele Pseudo<strong>aus</strong>wertungen des wirklichen Lebens, die man irgendwo<br />

in Computer eingeben kann. Wo dann irgendetwas <strong>aus</strong>gerechnet wird. Und die<br />

Zahl, die dann da steht, die heißt 'Ich erreiche mit einem Euro 1,75 Bewohner der Stadt<br />

soundso regelmäßig, und ihre soziale Lage verbessert sich um 0,3 Prozentpunkte'. So was in<br />

der Richtung. Das wollen die haben. Das heißt, es geht nicht mehr darum, was wirklich ist,<br />

sondern wie es sich in Statistiken und sonst wo darstellen lässt.“ 139<br />

Dazu kommt, dass – so die Auffassung eines Vertreters des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes<br />

Berlin – die Projekte <strong>aus</strong> Angst, ihre Leistungszahlen würden im Folgejahr bei der<br />

H<strong>aus</strong>haltsplanung Auswirkung haben auf ihre Zuwendungsmittel, mehr angeben <strong>als</strong> tatsächlich<br />

geleistet wurde. Es käme zu Mengenexpansionen; <strong>aus</strong> einfachen Kontakten würden<br />

beispielsweise Beratungen, um die Leistungszahlen zu erfüllen. Es fehle zu<strong>dem</strong> an für Evaluationen<br />

kompetenten Mitarbeitern in den Projekten: „Das sind alles <strong>aus</strong>gewiesene Fachleute<br />

für diesen Bereich. Und dann kriegen <strong>Sie</strong> ein Papier, da steht drin 'Also die Wohnungslosen<br />

sind die Ärmsten der Armen'.“ 140<br />

Berichterstattung<br />

Der Verband müsse aufgrund vertraglich festgelegter Pflichten über die geleistete Arbeit,<br />

deren Qualität sowie über die Abrechnung der Zuwendungen Berichte an die Senatsverwaltung<br />

liefern. Nach Ansicht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin würden diese<br />

Berichte in der Regel auch von der Verwaltung so akzeptiert. Im Gegensatz dazu sei der<br />

Rechnungshof den Berichten gegenüber sehr misstrauisch eingestellt, was viele Nachfragen<br />

zur Folge habe. Beanstandet wird vor allem, dass es <strong>dem</strong> Rechnungshof bei seinen Kontrollen<br />

um die Einhaltung formaler Regeln anstatt um Wirtschaftlichkeit ginge: „Es wird nicht<br />

alternativ gerechnet, ob die Einhaltung von sinnlosen Regeln, was das kostet im Verhältnis,<br />

wenn ich das vereinfache und mehr Vertrauen auch in den Verwender der Mittel habe. Da<br />

steckt auch ein in unseren Bürokratien starkes obrigkeitsstaatliches Denken drin, dass der<br />

Staat immer kontrollieren muss und jede Institution prinzipiell nur darauf <strong>aus</strong> ist, den Staat<br />

zu betrügen. Ich will nicht verhehlen, dass wir in der Vergangenheit zu diesem Bild auch einiges<br />

dazu beigetragen haben. Gerade die Verbände durch ihre Intransparenz. Aber wir<br />

ändern uns stark. Und ich glaube, man kann gar nicht genug Transparenz herstellen bei den<br />

139 Interview Nr. 11 mit einem Vertreter eines Fachverbandes, Zeilen 638-648.<br />

140 Interview Nr. 14 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 506-510.<br />

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freien Trägern, wenn wir langfristig diese Rolle in einer Bürgergesellschaft spielen wollen, die<br />

wir spielen <strong>können</strong>, und die auch für die Gesellschaft gut ist. Von daher denke ich, finden da<br />

zu wenig Lernprozesse statt.“ 141<br />

Auch andere Vertreter der Wohlfahrtsverbände weisen darauf hin, mehr Transparenz gegenüber<br />

der Politik leisten zu müssen. <strong>Die</strong>ses sei nach Angaben des Landesverbandes der Arbeiterwohlfahrt<br />

Berlin in der Vergangenheit nicht immer konsequent erfolgt, solle jedoch jetzt<br />

mit einer jährlichen Leistungsbilanz 142 , die sowohl der Senatsverwaltung <strong>als</strong> auch <strong>dem</strong> Abgeordnetenh<strong>aus</strong><br />

zugeht und Entwicklungen im Treuhandvertrag aufzeigen soll, umgesetzt<br />

werden. <strong>Die</strong> Vorstellung der Leistungsbilanz 2005 über die Sozial- und Gesundheitsprojekte<br />

sei im Abgeordnetenh<strong>aus</strong> – so ein Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin –<br />

zwar nur von wenigen Abgeordneten wahrgenommen worden, allerdings hätten sich diese<br />

anschließend sehr positiv darüber geäußert.<br />

Aus Sicht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin führten sowohl Transparenz <strong>als</strong> auch<br />

vertrauensbildende Maßnahmen zum Erfolg der ersten Treuhandverträge und zum Abschluss<br />

von Folgeverträgen. Für den Drogenbereich beschreibt ein Verbandsvertreter die<br />

Bemühungen des Verbandes folgendermaßen: „Wir haben die Finanzierungspläne auf den<br />

Tisch gelegt, Stellenpläne auf den Tisch gelegt. Also es ist mit einem höchsten Maß an Transparenz<br />

gegenüber den Trägern, gegenüber der Senatsverwaltung. Also wir haben das<br />

Herrschaftswissen aufgebrochen. Und wir haben alle Daten, alle Unterlagen transparent<br />

gemacht. Denn die Schwierigkeit im Drogenbereich war auch die, dass immer so getan wurde,<br />

<strong>als</strong> ob es ganz ganz viele geheimnisvolle Dinge gäbe, die unter Verschluss liegen, die nur<br />

streng vertraulich sind.“ 143<br />

IV. g. Besser, weil's die Wohlfahrt macht? – Qualität der Leistungserbringung<br />

Das Kontraktmanagement hat Einfluss auf die Qualität der Leistungen.<br />

Dass seit Einführung der Treuhandverträge qualitative Verbesserungen in der Leistungserbringung<br />

zu verzeichnen sind, bestätigen sowohl die Vertreter der Verbände und<br />

<strong>Die</strong>nstleister <strong>als</strong> auch der Senatsverwaltung und der Politik.<br />

Dimensionen der Qualitätsentwicklung<br />

So haben die Verträge – nach Auffassung der Verwaltung – dazu geführt, dass über Modellvorhaben,<br />

Instrumente und Best Practice mehr diskutiert würde sowie Qualitätsstandards<br />

sukzessiv definiert und angehoben würden. Es sei <strong>dem</strong>entsprechend zu einer intensiveren<br />

Qualitätsentwicklung gekommen. Auch würde man sich nun bei den Angeboten mehr am<br />

tatsächlichen Bedarf orientieren, Öffnungszeiten habe man zu<strong>dem</strong> stärker an den Bedürfnis-<br />

141 Interview Nr. 6 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 688-701.<br />

142 Ein Vertreter des Landesverbandes der Arbeiterwohlfahrt Berlin spricht auch vom sogenannten „Transparenzbericht“.<br />

143 Interview Nr. 1 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 118-126.<br />

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sen der Klienten <strong>aus</strong>gerichtet. Für einen ehemaligen Staatssekretär der Senatsverwaltung<br />

steht im Hinblick auf die Treuhandverträge fest: „Wenn man Interesse daran hat, für ganz<br />

Berlin eine sinnvoll strukturierte, qualitätsbewusste Projektelandschaft zu haben, dann ist<br />

das <strong>aus</strong> meiner Sicht die beste Möglichkeit.“ 144<br />

Der Paritätische Wohlfahrtsverband Berlin hebt hervor, dass es mit den Verträgen gelungen<br />

sei, eine fachliche Diskussion anzuregen. Der Anspruch bestünde nun darin, kontinuierlich<br />

auf <strong>dem</strong> „höchsten Niveau der derzeitigen Fachlichkeit“ 145 zu handeln. <strong>Die</strong>s sei wegen der<br />

häufigen Mitarbeiterwechsel in den Projekten nicht selbstverständlich, da mit je<strong>dem</strong> Mitarbeiter<br />

auch fachliche Kompetenzen verloren gingen.<br />

Vor<strong>aus</strong>setzungen<br />

Qualitätsverbesserungen seien – nach Aussage eines Verbandsvertreters – nicht allein durch<br />

die Übertragung der Aufgaben an die Wohlfahrtsverbände zu erwarten: „Ich gehöre nicht zu<br />

denen, die sagen, <strong>als</strong>o bloß weil es der Paritätische macht, oder die Wohlfahrt macht, dass<br />

es in je<strong>dem</strong> Fall besser sein muss, <strong>als</strong> wenn es der Staat macht. Sondern in diesem Gesamtensemble,<br />

alle diejenigen einzubeziehen, die fachlich etwas zu sagen haben, finanziell die<br />

Ressourcen so zu bündeln, dass sie dort ankommen, wo man sie braucht.“ 146 Man müsse<br />

sich mit allen Partnern, ob Staat oder andere, vernetzen, um bei Problemen partnerschaftliche<br />

Lösungen zu erarbeiten: „Da sehe ich dieses Bündel, wo man zusammenarbeitet. Das ist<br />

der Vorteil von Treuhandverträgen. Man hat ein Gremium, wo alle Beteiligten an einem<br />

Tisch sitzen, diskutieren, Lösungen machen, die dann der DPW natürlich umsetzen und verantworten<br />

muss. Sozusagen das ist das, was der öffentliche <strong>Die</strong>nst nicht leisten kann.“ 147 <strong>Die</strong><br />

Verbände seien durch die Verträge in der Lage, ihre besonderen Kompetenzen, die vor allem<br />

in Eigeninitiative und Kreativität lägen, einzubringen, wogegen staatliche Kompetenzen eher<br />

im Verwalten zu finden wären.<br />

Ein Vertreter des Abgeordnetenh<strong>aus</strong>es bekräftigt diese Auffassung: „Also ich bin der Überzeugung,<br />

dass das fachliche Know-how der LIGA, und in Berlin vor allem des DPW, was die<br />

Umsetzung von solchen Verträgen in konkrete Projekte und die fachliche Begleitung, die<br />

Qualitätsentwicklung und die Fortbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in solchen<br />

Projekten arbeiten, dass das bei denen ganz gut aufgehoben ist. Das ist mir immer<br />

wieder aufgefallen, wenn ich Kontakte zu Leuten hatte, die unter <strong>dem</strong> Dach des DPW ihren<br />

Job machen, dass das ein hohes Niveau hatte. Und dass das, glaube ich, auch einen hohen<br />

Ausschlag darüber gegeben hat, dass viele Projekte unter diesem Dach einfach auch gut laufen.<br />

Ob das in Verantwortung von Senatsstrukturen in gleicher Weise laufen würde, würd ich<br />

einmal schwer in Zweifel stellen, weil, denke ich, <strong>als</strong>o das, was man unter diesem Dach <strong>als</strong>o<br />

auch an innovativen Entwicklungen vorangebracht hat, einfach gut ist. (…) Das hat mich auch<br />

wieder dazu bewogen, diese Form von Vertragsstrukturen auch zu unterstützen, weil ich<br />

144 Interview Nr. 7 mit einem Vertreter der SenGSV, Zeilen 474-477.<br />

145 Interview Nr. 2 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 304-305.<br />

146 Interview Nr. 2 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 214-219.<br />

147 Interview Nr. 2 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 222-226.<br />

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denke, dass das eine öffentliche Verwaltung in dieser Form gar nicht mehr leisten kann und<br />

auch gar nicht leisten muss.“ 148<br />

<strong>Die</strong> Qualitätsverbesserungen in den Projekten würden – so die Aussage eines Vertreters des<br />

Landesverbandes der Arbeiterwohlfahrt Berlin – durch regelmäßige Evaluationen erreicht.<br />

Zusammen mit den Leistungsträgern würde man die Ergebnisse solcher Evaluationen <strong>aus</strong>werten.<br />

Überhaupt bekämen die Beteiligten durch die Treuhandverträge mehr<br />

Möglichkeiten, bei der inhaltlichen Ausrichtung mitzubestimmen. <strong>Die</strong>se Einbindung habe<br />

dann auch oft Paradigmenwechsel ihres Handelns zur Folge, was bei ihnen zu internen Weiterentwicklungen<br />

und stärker bedarfsorientierten Angeboten führe.<br />

Ein Vertreter der Bezirke gibt aber auch, bezogen auf die Stadtteilzentren, zu bedenken, dass<br />

sich die Planungssicherheit langfristiger Verträge, wie sie durch die Treuhandverträge bewirkt<br />

wird, durch<strong>aus</strong> nicht ganz unproblematisch auf die Qualität der Arbeit <strong>aus</strong>wirken kann;<br />

auch sei nicht zu erwarten, dass sich qualitativ bessere Arbeit durch höhere Zuwendungen<br />

erreichen ließe: „Also weil ich nicht glaube, dass a priori die Arbeit besser wird, wenn man<br />

wahnsinnig mehr Kohle hätte für jedes einzelne Stadtteilzentrum. Weil auch eine gewisse<br />

Variabilität in den Angeboten gegeben ist, auch Veränderungen, sich auch nichts etabliert.<br />

(…) So schön wie längerfristige Verträge sind, weil sie Planungssicherheit und auch Kontinuität<br />

schaffen, es entwickelt sich auch eine gewisse Selbstzufriedenheit. (…) Und deshalb<br />

glaube ich eben, dass es da auch immer wieder eine inhaltliche Diskussion geben muss. Was<br />

hat sich bewährt? Was muss verändert werden. (…) Wir haben solche Sachen durch<strong>aus</strong> gemacht.<br />

Auch im Rahmen unseres Vertrages.“ 149<br />

Aus Sicht eines beteiligten <strong>Die</strong>nstleisters könne man generell nicht sagen, ob sich die Qualität<br />

bei den Projekten durch die Treuhandverträge verbessert habe. Das könne sehr<br />

unterschiedlich sein. „Es ist eher so, dass es erstaunlich ist, wie es Projekte schaffen, trotz<br />

immer größeren Kürzungsraten, doch die Qualität, wenn nicht zu halten, sondern beispielsweise<br />

auch zu verbessern.“ 150 Problematisch sei diesbezüglich vor allem, dass die Projekte<br />

die Drittmittel, die sie akquirieren, aufgrund der Treuhandverträge mit den Zuwendungsmitteln<br />

verrechnen müssen. Je mehr Mittel die Projekte <strong>als</strong>o von Dritten einwerben, desto<br />

weniger Zuwendungen erhalten sie am Ende. Dadurch fehle ihnen aber schließlich die Motivation,<br />

zusätzliche Mittel einzuwerben, mit denen ihre Klientel besser versorgt werden<br />

könnte. Von daher stecke in den Verträgen auch ein gewisser „Leistungshemmer“.<br />

IV. h. „Wir müssen die Interessen dieser beiden Welten zusamme n-<br />

führen!“ – Intermediäre Verhandlungsposition der Verbände<br />

<strong>Die</strong> Wohlfahrtsverbände nehmen gegenüber ihren Mitgliedsorganisationen und <strong>dem</strong> Staat<br />

im Rahmen der Treuhandverträge eine stärkere intermediäre Verhandlungsposition ein.<br />

148 Interview Nr. 12 mit einem Vertreter des Parlaments, Zeilen 428-445.<br />

149 Interview Nr. 10 mit einem Vertreter des Bezirkes Marzahn-Hellersdorf, Zeilen 228-245.<br />

150 Interview Nr. 5 mit einem <strong>Die</strong>nstleister des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 298-301.<br />

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Mittlerfunktion<br />

Der Kampf um die knappen staatlichen Zuwendungsmittel wird – nach Einschätzung des Paritätischen<br />

Wohlfahrtsverbandes Berlin – durch die enorme Staatsverschuldung noch<br />

Jahrzehnte andauern. Vor diesem Hintergrund bestünde die Aufgabe der Verbände vor allem<br />

darin, einen Interessen<strong>aus</strong>gleich zwischen <strong>dem</strong> Staat auf der einen und den Leistungsträgern<br />

auf der anderen Seite zu schaffen: „Ich sehe ja den Verband so <strong>als</strong> Mittler zwischen den<br />

Interessen der einzelnen Einrichtungen und <strong>dem</strong> Staat. (…) Wir sind ja dann so eine intermediäre<br />

Instanz. Wir müssen die Interessen dieser beiden Welten mit zusammenführen. Sonst<br />

haben wir auch keine Bedeutung.“ 151 Verbände, die dagegen in einer Ideologie verwurzelt<br />

sind, nach der man jegliche Veränderungen im sozialen System <strong>aus</strong>schließlich negativ betrachten<br />

könne, würden sich – so der Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes<br />

Berlin – irgendwann überflüssig machen. Ähnliches betreffe auch die Leistungsträger selbst:<br />

„Ich glaube schon, dass Veränderungen notwendig sind, Versorgungsstrukturen auch, weil<br />

die Bedürfnisse der Menschen sich ändern, angepasst werden müssen, flexibilisiert werden<br />

müssen. Und da gibt es bei den Betroffenen immer erst einmal Widerstände. (…) Und unsere<br />

Aufgabe ist es, sie zu öffnen, ihnen klar zu machen, dass sie dadurch ihre Anschlussfähigkeit<br />

und langfristig ihre Gesamtexistenz verlieren. Und das meine ich mit dieser Rolle einer<br />

intermediären Organisation zwischen staatlichen Interessen, Verwaltungsinteressen und<br />

unseren Mitgliedsorganisationen, die Interessen zu vermitteln.“ 152<br />

Wichtige Entscheidungen würden – nach Aussagen von Verbandsvertretern – zusammen mit<br />

den Projekten und der Senatsverwaltung getroffen. <strong>Die</strong> Beteiligten sähe man <strong>als</strong> Partner, mit<br />

denen Konzepte gemeinsam erarbeitet würden und die dadurch auch Verantwortung mit<br />

übernehmen müssten. <strong>Die</strong> Vertragsverhandlungen zum Vertrag „Stadtteilzentren“ seien von<br />

starken Verteilungskämpfen und viel Ärger begleitet worden, was nur durch gute Konzepte<br />

und eine enge Zusammenarbeit mit den Bezirken und allen anderen Beteiligten erfolgreich<br />

abgeschlossen werden konnte. Im Integrierten Gesundheitsvertrag koordiniert der Paritätische<br />

Wohlfahrtsverband Berlin verschiedene Projektgruppen mit Vertretern der Projekte<br />

und der Verwaltung: „Und ich hab in je<strong>dem</strong> Feld eine sogenannte Projektgruppe mit den<br />

freien Trägern und <strong>dem</strong> Land Berlin zusammen. Das heißt Sitzungstermine ohne Ende.“ 153<br />

Ein bedeutendes Problem sei momentan, nicht zu wissen, wer alles in die Planungsprozesse<br />

mit einzubeziehen ist: „Je größer das ganze Gebilde geworden ist, je mehr Beteiligte es gibt,<br />

desto unklarer ist für mich, wie laufen <strong>hier</strong> im Verband eigentlich jetzt die Umsetzungen.<br />

Und das fand ich sehr bequem, dass ich doch in <strong>dem</strong> alten Vertrag relativ vieles in Abstimmung<br />

mit ganz wenigen entscheiden konnte. Und wie gesagt, ich kam <strong>aus</strong> einem kleinen<br />

gallischen Dorf, und jetzt steh ich wie auf so einer verkehrsumtosten Kreuzung, und es hupt<br />

und macht von allen Seiten. (…) Also ich sage einmal, Entscheidungen zu treffen, geht im<br />

Moment kaum, weil man immer wieder einen findet, der einem vorwirft, da hätte man ei-<br />

151 Interview Nr. 6 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 786-790.<br />

152 Interview Nr. 6 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 800-812.<br />

153 Interview Nr. 1 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 672-674.<br />

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nen Fehler gemacht, weil man wieder noch jemanden vergessen hat, mit <strong>dem</strong> man sich nicht<br />

abgestimmt hätte. (…) Es scheint sich momentan eher in die Richtung zu entwickeln, dass wir<br />

immense Abstimmungs- und Abspracheprobleme kriegen. Und keiner weiß so richtig, wer<br />

steuert <strong>hier</strong> eigentlich genau was. Und im Zweifelsfall entscheide ich eben gerne alleine und<br />

weiß <strong>als</strong>o dann auch, was ich zu verantworten habe.“ 154 <strong>Die</strong> Zusammenlegung der verschiedenen<br />

Projekte <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Gesundheitsbereich und <strong>dem</strong> Sozialbereich sei aber dennoch richtig<br />

gewesen, nicht nur wegen der notwendigen Sparmaßnahmen, sondern auch, weil dadurch<br />

innerhalb des Verbandes alles in einem Bereich liegt, was Abstimmprozesse wenigstens verbandsintern<br />

reduzieren würde.<br />

<strong>Die</strong> Senatsverwaltung beurteilt vor allem ihren gesunkenen Einfluss bei den Projekten <strong>als</strong><br />

problematisch. So habe sie früher einen direkten Kontakt zu den Projekten gehabt, der seit<br />

der Einschaltung des Treuhänders lediglich noch mittelbar bestünde. Einen direkten Kontakt<br />

zu den Projekten herzustellen sei nun Aufgabe des Treuhänders, dieser habe alle Leistungsträger<br />

zu bündeln und <strong>als</strong> deren Sprachrohr zu agieren. Bei der Verwaltung selbst habe es<br />

dazu geführt, dass fachlich kompetentes Personal abgebaut wurde: „Aber das hat natürlich<br />

auch die Folge, dass jetzt <strong>hier</strong> Leute <strong>aus</strong>sterben, die auch die Szene beurteilen <strong>können</strong>. Das<br />

muss man sich wieder beschaffen.“ 155 Nach Auffassung eines Vertreters der Fachverbände<br />

müsse die Verwaltung <strong>aus</strong> diesem Grunde den Treuhänder in seiner Mittlerrolle ernst nehmen,<br />

um seine Rolle nicht gegen ihn <strong>aus</strong>zuspielen. <strong>Die</strong>ses habe in der Vergangenheit aber<br />

nicht so funktioniert, was sich besonders bei den Vertragsverhandlungen zeigte: „Wir haben<br />

die Vorschläge auch mit unseren Mitgliedseinrichtungen abgestimmt. Und dann kamen wir<br />

mit <strong>dem</strong> Gesamtpaket beim Senat an. Und dann haben die das einfach durchgestrichen und<br />

gesagt 'Wir wollen Euch was anderes aufzwingen'. Das war genau der Punkt, wo diese Rolle<br />

dann nicht mehr klappte. In <strong>dem</strong> Moment, wo diese Mittlerrolle in ihrer Ambivalenz nicht<br />

wahrgenommen wird <strong>als</strong> Sicherungschance für den Senat, wenn er mit den Einrichtungen<br />

nicht mehr unmittelbar kommuniziert, dann muss er zumindest noch über diese Zwischeninstanz<br />

die Impulse von unten aufnehmen.“ 156<br />

Interessen<strong>aus</strong>gleich<br />

<strong>Die</strong>se Mittlerrolle der Verbände wird vom Vertreter eines Fachverbandes <strong>als</strong> dialogischer<br />

Prozess zwischen den Geldgebern auf der einen Seite beschrieben, die sagen, was sie gern<br />

hätten und auf der anderen Seite denjenigen, die die Leistung erbringen und erklären, was<br />

sie leisten <strong>können</strong> und wollen. Zwischen den Bedürfnissen des Auftraggebers und denen der<br />

Leistungserbringer bestünden häufig Differenzen, die dann mithilfe des Treuhänders verhandelt<br />

werden müssen. Besonders geschickt stelle es ein Mitarbeiter des Paritätischen<br />

Wohlfahrtsverbandes Berlin an, die verschiedenen Interessen der Beteiligten „<strong>aus</strong>zujonglieren“,<br />

sodass schlussendlich alle seinem Vorschlag zustimmen würden: „Und wenn ihn<br />

154 Interview Nr. 1 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 521-552.<br />

155 Interview Nr. 8 mit Vertretern der SenGSV, Zeilen 755-758.<br />

156 Interview Nr. 11 mit einem Vertreter eines Fachverbandes, Zeilen 409-420.<br />

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estimmte Dinge ärgern, dann schafft er es, die Leute irgendwie so gegeneinander '<strong>aus</strong>zuspielen',<br />

dass sie auch neutralisiert werden.“ 157<br />

<strong>Die</strong> Verbände seien – nach den Worten eines <strong>Die</strong>nstleisters – <strong>als</strong> Fachverbände näher an den<br />

Leistungserbringern dran <strong>als</strong> die Senatsverwaltung und daher <strong>als</strong> Vermittler besser geeignet:<br />

„Also sie sind am Puls der Zeit, sie <strong>können</strong> Entwicklungen vor Ort besser wahrnehmen, sie<br />

<strong>können</strong> Konflikte besser auffangen, weil sie eine fachliche Linie haben. <strong>Sie</strong> <strong>können</strong> von daher<br />

auch Konflikte besser moderieren.“ 158 Der Widerstand der Leistungsträger gegen bestimmte<br />

Entscheidungen würde – nach Ansicht der Senatsverwaltung – hinter den Kulissen der Verbände<br />

<strong>aus</strong>gehandelt, weshalb es keine direkte Konfrontation zwischen den Trägern und der<br />

Verwaltung mehr gäbe: „Auch weil die Wohlfahrtsverbände in Bezug auf einzelne Projekte<br />

einen Befriedigungsauftrag hatten, oder eine Entscheidungsaufgabe, zu sagen 'So läuft das<br />

und nicht anders'. Und dann konnte die Sache auch im Innenverhältnis schon geklärt werden.<br />

Es ist nicht mehr die Konfrontation Verwaltung und einzelner Projekte.“ 159 Jedoch<br />

bedürfe es – so ein Vertreter des Landesverbandes der Arbeiterwohlfahrt Berlin – eines erheblichen<br />

Kommunikationsaufwandes der Verbände, um ihrer Schlichterfunktion gerecht zu<br />

werden: „Wir hätten es einfacher, <strong>als</strong> Wohlfahrtsverbände zu sagen 'Naja, wir haben alles<br />

getan im Rahmen unserer Lobbyarbeit, um stärkere Kürzungen zu verhindern' – nehmen wir<br />

einmal an, der Senat selber wäre jetzt noch Entscheidungsstelle – 'sind aber letztendlich mit<br />

unserer Lobbyarbeit an bestimmten Punkten gescheitert, und jetzt ist es halt so'. Das <strong>können</strong><br />

wir natürlich in <strong>dem</strong> Moment, wo wir <strong>hier</strong> mit eingebunden sind bei den Kürzungen so unseren<br />

Trägern nicht vermitteln. Sondern da ist eine sehr viel stärkere inhaltliche Diskussion<br />

auch mit den Trägern notwendig, um denen zu verdeutlichen, warum dieses oder jenes Projekt<br />

künftig nicht mehr gefördert werden kann.“ 160<br />

Ein Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin macht auf ein weiteres Problem<br />

der Verbände aufmerksam. Man habe große Schwierigkeiten damit, geplante Umstrukturierungen<br />

positiv gegenüber den Trägern zu kommunizieren: „Und dann stößt man auf ein<br />

anderes Problem, und das heißt Beharrungsvermögen. <strong>Sie</strong> finden nämlich gar nicht so viele<br />

Menschen, die auch so begeistert davon sind, Dinge zu verändern. Und die finden eigentlich<br />

alles nur immer schrecklich. Und deshalb ist ein Problem auch, sagen wir einmal, so eine<br />

positive Verkaufsstrategie dessen, was wir da an Veränderung vorhaben. Und es gibt – wie<br />

soll ich das sagen – es gibt immer so ein Problem in die Richtung, dass ich nicht weiß, ob es<br />

gut ist, überhaupt davon zu sprechen, dass ich eine Strategie habe. Denn da werden alle<br />

ganz aufmerksam. Ich glaube, es ist besser, zu behaupten, man hätte keine Strategie und<br />

setzt dann die Dinge einfach um. Ich bin mir aber nicht sicher.“ 161<br />

157 Interview Nr. 11 mit einem Vertreter eines Fachverbandes, Zeilen 398-400.<br />

158 Interview Nr. 5 mit einem <strong>Die</strong>nstleister des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 48-51.<br />

159 Interview Nr. 8 mit Vertretern der SenGSV, Zeilen 446-452.<br />

160 Interview Nr. 13 mit einem Vertreter des Landesverbandes der Arbeiterwohlfahrt Berlin, Zeilen 235-245.<br />

161 Interview Nr. 1 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 507-518.<br />

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Einbindung der Politik<br />

Aus Sicht des <strong>Die</strong>nstleisters wird der Druck auf die Treuhandverträge zunehmen. Es bedürfe<br />

von daher einer „Komplizenschaft“ 162 zwischen den Verbänden und der Sozialpolitik, damit<br />

sichergestellt werden könne, dass auch in Zukunft die Zielgruppen der Verträge <strong>aus</strong>reichend<br />

versorgt werden. Seitens der Sozialpolitik wird ebenfalls ein engeres Bündnis mit den Vertragsparteien<br />

gefordert, denn das Verhältnis zwischen Parlament, Senatsverwaltung und der<br />

LIGA funktioniere nicht optimal: „Das liegt aber, denke ich, an allen drei Akteuren. <strong>Die</strong> LIGA<br />

hat natürlich <strong>als</strong> direkten Partner, <strong>als</strong> Vertragspartner, den Senat, pflegt regelmäßig Kontakte<br />

und intensive Kontakte mit Parlamentariern. Aber es gibt auch da nicht diesen Aust<strong>aus</strong>ch,<br />

der notwendig wäre. Es gibt keine regelmäßigen Veranstaltungen, wo man sich wechselseitig<br />

darüber informiert wie ist denn der Stand der Umsetzung in <strong>dem</strong> einen oder anderen Bereich<br />

der Verträge. Hängt sicherlich auch mit den üblichen Faktoren zusammen, <strong>als</strong>o dass<br />

man sich halt nicht auf die Notwendigkeit einer solchen Sache verständigt hat, dass man Zeit<br />

vorschiebt, dass man das immer erst dann macht, wenn die nächste Finanzierung zu sichern<br />

ist, und es nicht <strong>als</strong> kontinuierlichen Bestandteil der Arbeit betrachtet.“ 163<br />

Auch die Wohlfahrtsverbände haben diese Problematik erkannt. <strong>Die</strong> Verbindung zur Politik<br />

müsse wieder stärker gesucht werden – so ein Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes<br />

Berlin – da sie durch die Treuhandverträge etwas abhanden gekommen sei. Fraglich<br />

sei jedoch, wie bestimmte Themen wieder stärker in die Politik gebracht werden könnten.<br />

Man habe sich diesbezüglich vorgenommen, parlamentarische Abende mit <strong>aus</strong>gesuchten<br />

Abgeordneten und Experten zu gestalten, die alle drei Monate über ein <strong>aus</strong>gewähltes Fachthema<br />

mit den Verbänden diskutieren. So könne man zugleich feststellen, wie die Politik<br />

diese Themen bewertet bzw. auch nach Möglichkeiten suchen, Politik in ihren weiteren Entscheidungen<br />

zu beraten.<br />

162 Interview Nr. 5 mit einem <strong>Die</strong>nstleister des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeile 207.<br />

163 Interview Nr. 12 mit einem Vertreter des Parlaments, Zeilen 364-376.<br />

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V. ZUSAMMENFASSUNG UND FAZIT<br />

<strong>Die</strong> vorliegende <strong>Untersuchung</strong> soll – so die Auftragstellung – her<strong>aus</strong>arbeiten, wie die Treuhandverträge<br />

von zentralen Akteuren interpretiert werden. Insofern geben die präsentierten<br />

Befunde die „subjektiven“ Deutungen und Einschätzungen der im Gegenstandsbereich relevanten<br />

Expertinnen und Experten wieder. <strong>Die</strong> <strong>Untersuchung</strong> bildet aber nicht nur den<br />

Verlauf der fachöffentlichen Diskussion über die Einführung von Treuhandverträgen in Berlin<br />

realitätsnah ab, sondern präsentiert und analysiert das erfahrungsgesättigte und reflektierte<br />

Expertenwissen in diesem Feld. Im Folgenden werden die zentralen Aspekte der treuhänderischen<br />

Zuwendungsvergabe, wie sie von den Interviewten geschildert wurden, zuerst<br />

zusammenfassend dargestellt und anschließend bilanziert.<br />

<strong>Die</strong> Treuhandverträge, so ein Vertreter eines Fachverbandes, seien „die beste aller schlechten<br />

Lösungen“ 164 . <strong>Die</strong> vorliegende Studie zeigt, dass mit Hilfe der Verträge positive<br />

Entwicklungen eingeleitet, aber auch Unzulänglichkeiten zu Tage getreten sind.<br />

Eindeutig positiv wird von den interviewten Experten die Stabilisierung der Zuwendungen<br />

durch langjährige Verträge bewertet, was Projekten Planungssicherheit und Verbänden Gestaltungsspielräume<br />

eröffnet. Quasi <strong>als</strong> Nebeneffekt haben – so die einhellige Meinung der<br />

interviewten Experten <strong>aus</strong> Politik, Verwaltung und Verbänden – die Treuhandverträge durch<br />

die Entscheidungsdelegation an die Freie Wohlfahrtspflege <strong>dem</strong> klassischen politischen Lobbyismus<br />

von Verbänden, Einrichtungen, <strong>Die</strong>nsten und Projekten gegenüber Parlamenten und<br />

Verwaltungen die Grundlage entzogen.<br />

<strong>Die</strong> Verbände, Einrichtungen, <strong>Die</strong>nste und Projekte <strong>können</strong> – angesichts der schwindenden<br />

Bedeutung des klassischen Lobbyismus – ihre in diesem Bereich freiwerdenden Ressourcen<br />

für originäre Aufgaben der Freien Wohlfahrtspflege einsetzen. <strong>Die</strong> Schaffung neuer Leistungsstrukturen<br />

und Leistungsangebote und damit einhergehende Rationalisierungsmaßnahmen<br />

haben – nach Einschätzung der interviewten Experten – fachliche und finanzielle<br />

Synergieeffekte induziert. Trotz der im Zuge der Einführung von Kontrakten nicht<br />

unerheblichen Mittelkürzungen konnte – so die Experten – das Leistungsspektrum im <strong>Untersuchung</strong>szeitraum<br />

aufrecht erhalten und die Qualität der erbrachten Leistungen teilweise<br />

sogar noch verbessert werden.<br />

<strong>Die</strong>se Entwicklung wurde insbesondere durch die Einführung von Zielvereinbarungen, die<br />

Entwicklung von Kriterien und Verfahren der Erfolgskontrolle sowie eine „kontinuierliche<br />

Evaluierung“ der erbrachten Leistungen ermöglicht, wobei in einigen Experteninterviews die<br />

Validität der Ergebnisprüfung in Frage gestellt wird. So wird darauf hingewiesen, dass es zum<br />

einen den Trägern häufig an entsprechend qualifiziertem Personal für Evaluierungen fehlen<br />

würde, zum anderen seien aber sowohl <strong>Die</strong>nste und Einrichtungen und ihre Verbände <strong>als</strong><br />

auch die Senatsverwaltung selbst in der Einführungsphase in einer Situation, die – so die<br />

164 Interview Nr. 11 mit einem Vertreter der Fachverbände, Zeile 274.<br />

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Einschätzung von Experten – nicht differenzierte Evaluationsbefunde, sondern ein schlichtes<br />

politisches Legitimationswissen erfordern würde.<br />

Als besonders problematisch wird auf Seiten der Freien Wohlfahrtspflege der staatliche<br />

Kompetenzverlust eingeschätzt. Im Zuge der Aufgabenübertragung auf Wohlfahrtsverbände<br />

sei es zum Stellenabbau in den betroffenen Bereichen der öffentlichen Verwaltung gekommen,<br />

wodurch es dort mittlerweile an fachkundigem Personal fehlen würde, das in der Lage<br />

sei, die Förderentscheidungen und Projekte zu überschauen und fachpolitisch einzuschätzen.<br />

<strong>Die</strong> interviewten Vertreter der Senatsverwaltung teilen diese Auffassung nicht in Gänze,<br />

sondern billigen allenfalls zu, dass sie, aufgrund der Person<strong>als</strong>ituation in der jeweiligen Fachverwaltung<br />

nicht mehr in der Lage wären, das „Zuwendungsgeschäft“ nach Ablauf eines<br />

Kontraktes wieder eigenständig durchzuführen.<br />

<strong>Die</strong> Verbände der Freien Wohlfahrtspflege wiederum haben im Rahmen der Treuhandverträge<br />

einen erhöhten Einfluss auf die Sozial- und Gesundheitspolitik erhalten. <strong>Sie</strong> sind in die<br />

Lage versetzt worden, sich aktiv an politischen Steuerungsprozessen zu beteiligen und im<br />

Rahmen dieser hinzugewonnenen politischen Steuerungsmöglichkeiten fach- und ansatzweise<br />

auch gesellschaftspolitische Prioritäten zu setzen, anstatt passiv den Entscheidungen von<br />

Politik und Verwaltung <strong>aus</strong>gesetzt zu sein.<br />

Gleichwohl – so die interviewten Experten <strong>aus</strong> Politik und Freier Wohlfahrtspflege – sei nur<br />

der Staat legitimiert, die den Kontrakten zugrunde liegenden gesellschaftspolitischen Grundsatzentscheidungen<br />

zu treffen. Insofern sei er auch dazu verpflichtet, Verbänden und<br />

Leistungsträgern grundlegende politische Zielvorgaben zu machen, die für beide Seiten – in<br />

Anerkennung der fachlichen und verbandlichen Gestaltungsspielräume der Freien Wohlfahrtspflege<br />

– verpflichtend seien. Das aber – so die einhellige Auffassung von Vertretern <strong>aus</strong><br />

Politik und Verbänden – sei bei den Treuhandverträgen nicht geleistet worden. Sowohl der<br />

Gesetzgeber <strong>als</strong> auch die Verbände fordern insofern einen „gewährleistenden Staat“ 165 , der<br />

mittels politischer Zielvorgaben und entsprechender Budgets gesellschaftspolitisch steuert<br />

und ordnungspolitische Rahmenbedingungen setzt. In der Einführungsphase der Kontrakte<br />

habe sich die Senatsverwaltung stattdessen – entgegen den ursprünglich angestrebten Vertragsintentionen<br />

– zunehmend auf immer kleinteiligere Festlegungen und intensivere<br />

Kontrollen formaler Regelungen in diesen zuwendungsgeförderten Bereichen „versteift“. Im<br />

Zuge dieser „Formalisierung“ seien die Verbände in die Rolle von „Bürokraten“ – so Interviewpartner<br />

– gedrängt worden, die erhebliche Ressourcen hätten aufwenden müssen, um<br />

den formellen Anforderungen der Senatsverwaltung gerecht zu werden. <strong>Die</strong> Senatsverwaltung<br />

habe bei all<strong>dem</strong> ihre eigentlichen gesellschafts- und sozialpolitischen Ziele und deren<br />

Steuerung <strong>aus</strong> <strong>dem</strong> Blick verloren. <strong>Die</strong> politische Zurückhaltung des Staates eröffnet zugleich<br />

aber den Verbänden neue Handlungsspielräume – unter der Vor<strong>aus</strong>setzung, dass eine staatliche<br />

Feinregulierung und Kontrolle derartige Bestrebungen nicht von vorherein unterbindet.<br />

165 Ban<strong>dem</strong>er und Hilbert sprechen in diesem Zusammenhang auch von einem „aktivierenden Staat“ (vgl. Ban<strong>dem</strong>er/Hilbert<br />

2005: 30).<br />

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Mit der Einführung von Kontrakten wurden aber nicht nur <strong>aus</strong>gewählte öffentliche Aufgaben<br />

(Beauftragung), sondern gerade auch hoheitliche Entscheidungs- und Machtbefugnisse auf<br />

die Freie Wohlfahrtspflege übertragen (Beleihung). <strong>Die</strong> Beleihung der Verbände hat sie in<br />

einen potenziellen Rollenkonflikt gebracht, da sie auf der einen Seite Interessenvertreter<br />

ihrer Mitgliedsorganisationen sind und auf der anderen Seite – unter Maßgabe staatlicher<br />

Vorgaben – Zuwendungen an ihre Einrichtungen und <strong>Die</strong>nste verteilen (vgl. Streeck 1987).<br />

<strong>Die</strong>se ambivalente Doppelfunktion wird insbesondere von Experten <strong>aus</strong> Fachverbänden kritisch<br />

gesehen, die die Meinung vertreten, dass die Doppelrolle nicht erfolgreich<br />

wahrgenommen wurde und zu befürchten sei, dass es zu einer „Verstaatlichung der Verbände<br />

durch die Einführung von Treuhandverträgen“ kommen würde. Demgegenüber meinen<br />

Vertreter der Spitzenverbände, dass es ihnen gelungen sei, ihre Mitgliedsorganisationen von<br />

den Vorteilen dieser Konstellation und den Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Zuwendungsentscheidungen<br />

zu überzeugen. Zu<strong>dem</strong> eröffnen sich gerade auch für Dachverbände<br />

wie <strong>dem</strong> Berliner Landesverband des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in ihrer Funktion<br />

<strong>als</strong> Fördermittelgeber konstruktive Möglichkeiten der „Einwirkung“ auf Mitgliedsorganisationen,<br />

die über das klassische Repertoire von Lobbying, Beratungsarbeit und<br />

<strong>Die</strong>nstleistungsangeboten hin<strong>aus</strong>gehen.<br />

<strong>Die</strong> Veränderungen und Verschiebungen in der Rollenverteilung zwischen Staat und Verbänden<br />

waren in der Einführungsphase aufwendig und gaben bisweilen Anlass zu Irritationen.<br />

So war für die Beteiligten nicht immer deutlich, wer an welchen Entscheidungen zu beteiligen<br />

sei und über welche Entscheidungskompetenzen man selbst verfügen würde.<br />

Als zunehmend schwierig werden die fortwährenden Mittelkürzungen im Rahmen der Treuhandverträge<br />

eingestuft, die mittlerweile dazu führen würden, dass man sich – angesichts<br />

<strong>aus</strong>geschöpfter Rationalisierungsreserven – von ganzen Aufgabenbereichen trennen müsse.<br />

Einige wenige der interviewten Experten sehen allerdings noch weitergehende Möglichkeiten<br />

für Rationalisierungen durch „radikale Neustrukturierungen“, durch die ein übermäßiger<br />

Abbau des Leistungsangebotes verhindert werden könne. Gelänge dies nicht, könnte es erhebliche<br />

Folgekosten nach sich ziehen. So hätten die Schließung von Beratungsstellen und<br />

der Verzicht auf präventive Maßnahmen sehr viel höhere Ausgaben zur Folge, die die anfangs<br />

erzielten Einspareffekte übersteigen würden (vgl. Teske 2005: 59). Vor diesem<br />

Hintergrund überrascht es nicht, dass die interviewten Verbandsvertreter im Kontext der<br />

Treuhandverträge zukünftig keine weiteren Mittelkürzungen wie im bisherigen Umfang unterstützen<br />

wollen. Ein „Ausschlachten“ der Projekte – so ein Interviewpartner – solle der<br />

Staat allein verantworten.<br />

Eine positive Antwort auf die Frage, ob die bestehenden Treuhandverträge fortgeführt werden<br />

und neue hinzukommen, wird folglich maßgeblich davon abhängen, ob der Staat seiner<br />

politischen Gewährleistungspflicht im Sozial- und Gesundheitsbereich nachkommen wird<br />

und ob die erforderlichen Mittel in <strong>aus</strong>reichen<strong>dem</strong> Maße bereitgestellt werden. In den Verhandlungen<br />

über die Treuhandverträge wäre es <strong>als</strong>o staatlicherseits erforderlich, die<br />

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zugrunde liegenden sozial- und gesundheitspolitischen Zielsetzungen darzulegen und eine<br />

entsprechende finanzielle Grund<strong>aus</strong>stattung bereitzustellen.<br />

Das „Experiment Treuhandverträge“ des Landes Berlin wird am Ende der Einführungsphase<br />

von den beteiligten Akteuren in Abwägung der Vor- und Nachteile <strong>als</strong> grundsätzlich sinnvoll<br />

und zweckmäßig eingestuft. 166 Anfängliche Befürchtungen der Verbände und ihrer Mitgliedseinrichtungen,<br />

die Verbändeautonomie zugunsten einer stärkeren Einbindung und<br />

Unterordnung in sozi<strong>als</strong>taatlichen Entscheidungsprozessen zu gefährden, haben sich nach<br />

den bisher vorliegenden Befunden nicht bewahrheitet. Stattdessen ist es den Wohlfahrtsverbänden<br />

gelungen, ihren Einfluss in der Sozial- und Gesundheitspolitik des Landes Berlin<br />

<strong>aus</strong>zuweiten, während staatliche Entscheider Gefahr laufen könnten, wichtige fachpolitische<br />

Entscheidungs- und administrative Vollzugskompetenzen zunehmend an die Verbände zu<br />

verlieren.<br />

<strong>Die</strong> vorliegende Studie präsentiert – wie gesagt – Deutungen und Einschätzungen der im<br />

Gegenstandsbereich relevanten Expertinnen und Experten zur Einführung von Treuhandverträgen<br />

im Sozial- und Gesundheitsbereich des Landes Berlin. <strong>Die</strong>se überblicksartige<br />

Bestandsaufnahme des Expertenwissens wirft zugleich weitergehende Fragen auf. So ist offen<br />

geblieben, was – unter Kontraktbedingungen – eine erfolgreiche politische Steuerung<br />

<strong>aus</strong>macht und welche beobachtbaren und gegebenenfalls messbaren Effekte sie erzielt. Auf<br />

Seiten der Freien Wohlfahrtspflege stellt sich angesichts der mit dieser Studie vorgelegten<br />

Befunde die Grundsatzfrage, wie sich das verbandliche Selbstverständnis im Spannungsfeld<br />

zwischen Beauftragung und Beleihung mittelfristig entwickeln wird, beziehungsweise welchen<br />

spezifischen Sinn und Zweck die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege mit der<br />

neu gewonnenen Autonomie und ihrer wachsenden Bedeutung im sozialrechtlichen<br />

Dreiecksverhältnis verbinden. Und nicht zuletzt wäre zukünftig zu untersuchen, welche Verbesserungen<br />

und ggf. Verschlechterungen die Einführung von Treuhandverträgen auf Seiten<br />

der Klienten – um die es eigentlich geht – zur Folge haben.<br />

166 Zusammenfassende Übersichten zu hemmenden und begünstigenden Faktoren sowie zu Potenzialen und<br />

Grenzen der Treuhandverträge liegen <strong>als</strong> Anlagen 3 und 4 <strong>dem</strong> Bericht bei.<br />

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B E R L I N E R T R E U H A N D V E R T R Ä G E S E I T E | 80


ANLAGENVERZEICHNIS<br />

Anlage 1<br />

Leitfaden zu den Experteninterviews<br />

Anlage 2<br />

Hypothesen zu den Treuhandverträgen<br />

Anlage 3<br />

Hemmende und begünstigende Faktoren<br />

Anlage 4<br />

Potenziale und Grenzen<br />

B E R L I N E R T R E U H A N D V E R T R Ä G E S E I T E | 81


ANLAGE 1<br />

Leitfaden zu den Experteninterviews<br />

Vorbemerkung<br />

Im Rahmen eines Forschungsprojektes an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg<br />

beschäftigen wir uns mit den Treuhandverträgen zwischen Senatsverwaltung und Freier<br />

Wohlfahrtspflege in Berlin.<br />

Zurzeit führen wir – wie heute mit Ihnen – Expertengespräche durch. Wir würden das Gespräch<br />

zur Arbeitserleichterung gerne aufzeichnen, wobei selbstverständlich alle Angaben<br />

anonymisiert werden.<br />

Dankeschön nochm<strong>als</strong> vorab für Ihr Interesse und Ihre Zeit.<br />

Eingangsfrage (offene Eingangsfrage, die <strong>dem</strong> Experten<br />

Gelegenheit zum Erzählen gibt)<br />

Vielleicht könnten <strong>Sie</strong> uns eingangs kurz Ihren beruflichen Werdegang skizzieren und Ihre<br />

derzeitige berufliche Position beschreiben. In diesem Zusammenhang ist es für uns von besonderem<br />

Interesse, von Ihnen zu erfahren, inwiefern <strong>Sie</strong> mit den Treuhandverträgen<br />

befasst waren und sind.<br />

Nachfragen<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Wie würden <strong>Sie</strong> die Entwicklung der Treuhandverträge – von der Idee bis heute – beschreiben?<br />

Was sind die Hauptfelder sozialer Arbeit, die mit Treuhandverträgen geregelt werden?<br />

Wer sind die Hauptbeteiligten bei Treuhandverträgen? Wer ist eher dafür, wer ist eher<br />

dagegen?<br />

Worin sehen <strong>Sie</strong> den besonderen Nutzen von Treuhandverträgen (fachlich, organisatorisch,<br />

finanziell, politisch)?<br />

Welche Erfahrungen haben <strong>Sie</strong> mit den Handlungsspielräumen von Treuhandverträgen?<br />

Inwiefern eröffnen Treuhandverträge Ihres Erachtens Mitentscheidungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten?<br />

Sind Treuhandverträge ein sinnvolles und zweckmäßiges<br />

Steuerungsinstrument?<br />

Welche Probleme <strong>können</strong> sich Ihrer Erfahrung nach bei Treuhandverträgen ergeben<br />

(Kontrolle, administrativer Aufwand, Zuständigkeits-/ Rollenkonflikte)?<br />

Können <strong>Sie</strong> uns vielleicht erfolgreiche und weniger erfolgreiche Beispiele <strong>aus</strong> der Umsetzung<br />

von Treuhandverträgen erzählen?


Abschlussfragen<br />

<br />

<br />

<br />

Wenn <strong>Sie</strong> zurückblicken auf die Entstehung und Entwicklung von Treuhandverträgen.<br />

Was würden <strong>Sie</strong> sagen, was ist gut, was ist weniger gut verlaufen?<br />

Wenn <strong>Sie</strong> in die nahe Zukunft sehen, was würden <strong>Sie</strong> gerne im Bereich der Treuhandverträge<br />

anpacken, verändern?<br />

Gibt es noch etwas, was wir zum Thema bisher noch nicht erörtert haben, was <strong>Sie</strong> uns<br />

aber gerne mit auf den Weg geben würden?


ANLAGE 2<br />

Hypothesen zu den Treuhandverträgen<br />

NR. HYPOTHE SEN<br />

1 Hat die Einführung des Kontraktmanagements bzw. von Treuhandverträgen sowohl beim Staat <strong>als</strong><br />

auch bei den (Wohlfahrts-) Verbänden zu einer veränderten Rollenwahrnehmung geführt?<br />

2 Haben sich durch die Treuhandverträge der sozial- und fachpolitische Einfluss der Wohlfahrtsverbände<br />

und die Möglichkeit, in einzelnen Förderbereichen zu steuern, verändert? Führte die in diesem<br />

Zusammenhang erfolgte Übertragung bestimmter Aufgaben auf die Verbände, bei der Senatsverwaltung<br />

zu einem veränderten Steuerungsverständnis und entsprechenden Leistungsänderungen?<br />

3 Ändern sich durch die vertraglich vereinbarten Leistungen die Möglichkeiten kurzfristiger politischer<br />

Einflussnahmen gegenüber Senatsverwaltung und Leistungsträgern?<br />

4 Haben die Treuhandverträge Einfluss auf den Grad an organisatorischer und fachlicher Autonomie der<br />

leistungsnehmenden <strong>Die</strong>nste und Einrichtungen?<br />

5 Haben die Treuhandverträge einen Einfluss auf die fachliche Effektivität und wirtschaftlich Effizienz<br />

beim Einsatz von Zuwendungsmitteln?<br />

6 Hat das Kontraktmanagement Einfluss auf die Transparenz in der Leistungserbringung?<br />

7 Hat das Kontraktmanagement Auswirkungen auf die Qualität der Leistungen?<br />

8 Nehmen die Wohlfahrtsverbände gegenüber ihren Mitgliedsorganisationen und <strong>dem</strong> Staat im Rahmen<br />

der Treuhandverträge eine intermediäre Verhandlungsposition ein?


ANLAGE 3<br />

Hemmende und begünstigende Faktoren<br />

TREUHA NDVE RTRÄ GE<br />

R O L LENVERSTÄNDNIS<br />

<br />

HEMME NDE FAKTOREN<br />

Interessenkonflikte aufgrund der Doppelrolle von<br />

Verbänden <strong>als</strong> Interessenvertreter und Zuwendungsgeber<br />

ihrer Mitgliedseinrichtungen<br />

S T E U E R U N G<br />

Fehlende sozial- und gesellschaftspolitische<br />

Rahmenvorgaben des Staates<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Restriktive Auslegung von Ermessensspielräumen<br />

aufseiten der Senatsverwaltung<br />

Input-Orientierung bei der Vertragsgestaltung<br />

und -umsetzung<br />

Unnötiger Ressourcenverbrauch durch rigide<br />

bürokratische Kontrollen<br />

Schwache Position der Sozial- gegenüber der<br />

H<strong>aus</strong>haltspolitik<br />

Unklarheiten bei Zuständigkeitsregelungen und<br />

Kompetenzverteilungen<br />

Unzureichend <strong>aus</strong>geprägtes Rollenverständnis<br />

der beteiligten Akteure<br />

<br />

„Organisch“ gewachsene, in Routinen und Gewohnheiten<br />

gründende Projektstrukturen<br />

M I T T E LEIN S A T Z<br />

<br />

<br />

<br />

Fortwährende Mittelkürzungen behindern die<br />

Förderung innovativer Projekte<br />

Fortwährende Mittelkürzungen verringern die<br />

Akzeptanz bei Verbänden, ihre Treuhänderfunktion<br />

weiterhin wahrzunehmen<br />

Anrechnung von Eigenmitteln auf Zuwendungsmittel<br />

verhindert mögliche Kompensationseffekte<br />

im Zusammenhang mit Mittelkürzungen<br />

(Einnahme<strong>aus</strong>fällen bei den Zuwendungen durch<br />

Drittmittel <strong>aus</strong>zugleichen, um so das Leistungsspektrum<br />

aufrechterhalten zu <strong>können</strong>, wird<br />

durch das bestehende H<strong>aus</strong>haltsrecht unterbunden)<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

BEGÜ NSTIGE NDE Faktoren<br />

Legitimation von Entscheidungen aufgrund fachlicher<br />

Kompetenzen anstatt politischer<br />

Interessen<br />

Vorgabe klarer politischer Ziele an die Verbände<br />

Größere Gestaltungsspielräume bei Vertragsumsetzung<br />

Output-Orientierung bei der Vertragsgestaltung<br />

und -umsetzung<br />

Vertrauen; sinnvolle Evaluierungsmaßnahmen<br />

Starke Position und fachliche Kompetenz von<br />

Sozialpolitik<br />

Klare Zuständigkeiten und Kompetenzverteilungen<br />

<br />

Ausgeprägtes Rollenverständnis<br />

Umsteuerung von „organisch“ gewachsenen<br />

Projektstrukturen aufgrund eindeutiger sozialpolitischer<br />

Entscheidungen<br />

<br />

<br />

<br />

Dauerhafte Ausstattung (festes Budget) für ein<br />

bestimmtes Leistungsspektrum<br />

Dauerhafte Ausstattung (festes Budget) für ein<br />

bestimmtes Leistungsspektrum<br />

Größere Gestaltungsfreiräume beim Mitteleinsatz<br />

durch Verträge und eine Flexibilisierung des<br />

H<strong>aus</strong>haltsrechts


ANLAGE 4<br />

Potenziale und Grenzen<br />

TREUHA NDVE RTRÄ GE<br />

POTENZIA LE<br />

GRENZEN<br />

S T E U E R U N G<br />

<br />

<br />

<br />

Einfluss der Verbände auf die Sozial- und Gesundheitspolitik<br />

Konzentration der Senatsverwaltung auf Steuerungsfunktionen<br />

durch Aufgabenübertragung an<br />

Verbände<br />

Abbau administrativer Aufgaben durch Aufgabenübertragung<br />

an <strong>Die</strong>nstleister<br />

M I T T E LEIN S A T Z<br />

<br />

<br />

<br />

Stabilisierung der Zuwendungsmittel für den<br />

jeweiligen Vertragszeitraum<br />

Effizienter Mitteleinsatz durch berlinweite, fachlich<br />

<strong>aus</strong>gerichtete Steuerung<br />

Einsparungen durch verringerten Personaleinsatz<br />

in der Senatsverwaltung<br />

P O LITIS CHER EI N F L U S S<br />

<br />

Verdrängung politischer Einflussnahmen zugunsten<br />

fachlicher Entscheidungen<br />

L E I S T U N G S E R B R I N G U N G<br />

<br />

<br />

<br />

Sicherstellungsfunktion für Erbringung bestimmter<br />

sozialer und gesundheitlicher Leistungen<br />

Konzentration der <strong>Die</strong>nste und Einrichtungen auf<br />

fachliche Aufgaben aufgrund von Planungssicherheit<br />

durch mehrjährige (Finanzierungs-)<br />

Verträge<br />

Fachliche Kooperation statt politischer Lobbyismus<br />

von <strong>Die</strong>nsten und Einrichtungen<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Sozial- und gesundheitspolitische Grundsatzentscheidungen<br />

obliegen <strong>dem</strong> Staat<br />

„Außensteuerung“ durch H<strong>aus</strong>haltspolitik und<br />

Handeln des Landesrechnungshofes unter Bedingungen<br />

einer schwachen Sozialpolitik<br />

Letztverantwortung und damit die Pflicht zur<br />

Kontrolle liegt beim Treuhänder bzw. bei der Senatsverwaltung<br />

Kontinuierliche Mittelkürzungen innerhalb der<br />

Verträge<br />

Rationalisierungspotenzial bei <strong>Die</strong>nsten und<br />

Einrichtungen weitgehend <strong>aus</strong>geschöpft<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Personalvorratshaltung in der Senatsverwaltung<br />

aufgrund der Gewährleistungsverpflichtung für<br />

den Fall, dass kein Folgevertrag zustande kommt.<br />

Budgetrecht des Parlaments verpflichtet zur<br />

Vorgabe politischer Rahmensetzungen<br />

Zwingender Leistungsabbau aufgrund kontinuierlicher<br />

Mittelkürzungen<br />

Kontinuierliche Mittelkürzungen innerhalb der<br />

Verträge<br />

Konflikte und Vermittlungsaufgaben werden von<br />

Senatsverwaltung auf die Verbände verlagert<br />

Synergieeffekte durch Kooperationen Evaluierungsdefizite der Leistungsergebnisse<br />

<br />

Stärkere Ausrichtung am sozial- und gesundheitspolitisch<br />

definierten Bedarf durch leichteres<br />

Umsteuern im Leistungsangebot<br />

<br />

Evaluierungsdefizite bei Bedarfsermittlung und<br />

Leistungsbeurteilung<br />

<br />

Motivation bei Leistungsträgern zu mehr Transparenz<br />

bezüglich ihrer Leistungserbringung<br />

aufgrund vertrauensbasierter Vertragsbeziehungen<br />

anstatt auf Misstrauen beruhender<br />

Kontrollen durch den Zuwendungsgeber<br />

<br />

Legitimation der Zuwendungen mittels Effektivitätsbehauptungen<br />

über erbrachte Leistungen<br />

begünstigt eine interessengeleitete Realitätsdeutung<br />

und damit auch Realitätsverzerrungen

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