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Darüber hin<strong>aus</strong> wird nach Ansicht eines Fachverbandes die Realitätswahrnehmung der Politik<br />
durch die Treuhandverträge noch stärker gefiltert, <strong>als</strong> wenn sie die Aufgaben selbst<br />
wahrnehmen und in einen unmittelbaren Dialog mit den Leistungsträgern stehen würde. Ein<br />
Treuhänder müsse der Politik politische Legitimation liefern: „Also das heißt, die Erfolgsstorys,<br />
die der Wirklichkeit nicht entsprechen, die werden vom Zwischenhändler abgefordert,<br />
weil die Politik das braucht. (…) Und dann hat der Senat sie benutzt. Und eigentlich war es<br />
nicht die Aufgabe der Steuerinstanz. <strong>Die</strong> muss viel kritischer herangehen an das wirkliche<br />
Leben. <strong>Die</strong> müssten eigentlich frei sein einigermaßen. <strong>Die</strong> müssten sagen 'Das und das muss<br />
geändert werden, weil es ein Missstand ist' und nicht in die Rolle kommen, dass der Missstand<br />
mit Vanillesoße übertüncht wird, damit es keiner merkt.“ 78<br />
Organische Strukturen<br />
<strong>Die</strong> fehlenden Steuerungsleistungen der Senatsverwaltung haben nach Einschätzung des<br />
Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin dazu geführt, dass die Projektelandschaft einfach<br />
gewachsen ist und es nun schwer fällt, Standards zu setzen. Jeder, der in der Vergangenheit<br />
ein Konzept gehabt hatte, wurde gefördert. „Es hat einmal die Vertreterin eines Trägers gesagt,<br />
dam<strong>als</strong> sei die Geldverteilung nach einem Schoßsitzsystem erfolgt. Also, wer lange auf<br />
<strong>dem</strong> Schoß der Landesdrogenbeauftragten saß, der hat das Geld bekommen.“ 79 <strong>Die</strong> Projektstrukturen<br />
seien von daher noch ganz unsystematisch. Der AIDS-Bereich sei beispielsweise<br />
trotz der wenigen Projekte dennoch unglaublich zersplittert und kleinteilig; es fehle <strong>dem</strong>zufolge<br />
noch an einem klaren Überblick, welche Strukturen zu schaffen seien. Und seitens der<br />
Bezirksverwaltung wird die fehlende Abstimmung beim neuen Integrierten Gesundheitsvertrag<br />
mit den Bezirken kritisiert. <strong>Die</strong>ses habe dazu geführt, dass bestehende Angebote und<br />
Projekte einfach in den Vertrag übernommen wurden und Disparitäten innerhalb der Stadt<br />
fortbestünden, die nichts mit den gesundheitspolitischen und sozialräumlichen Schwerpunkten<br />
zu tun hätten.<br />
<strong>Die</strong> Abgabe bestimmter Steuerungsaufgaben an die Verbände habe <strong>aus</strong> Sicht eines Fachverbandsvertreters<br />
bei der Senatsverwaltung den Eindruck entstehen lassen, dass deren<br />
bürokratische Entscheidungen geringe Schwierigkeiten bei der Umsetzung bereiten würden,<br />
da sie sich selbst nicht mehr direkt mit den Auswirkungen ihrer Entscheidungen <strong>aus</strong>einandersetzen<br />
müssen. <strong>Die</strong> Menschen aber, die von diesen Entscheidungen betroffen sind,<br />
erfüllen nach seiner Auffassung die Aufgaben nicht nur deshalb, weil sie dafür bezahlt werden,<br />
sondern vor allem auch, weil sie sich freiwillig dafür entschieden haben: „Der Senat hat<br />
immer nur eine indirekte Möglichkeit, das zu beeinflussen <strong>als</strong> Geldgeber. (…) Freiwillige kann<br />
man zwar beeinflussen, aber nicht unmittelbar steuern. (…) Das ist denjenigen in der Verwaltung,<br />
die die Zuwendung gemacht haben, früher relativ klar gewesen. (…) Das ist über die<br />
Treuhandverträge teilweise anders geworden, weil die Verwaltung gar nicht mehr den<br />
Durchblick hat. <strong>Die</strong> kennen die Einrichtungen gar nicht mehr. Da ist jetzt ein Filter dazwischen.<br />
Und dann denken sie manchmal, sie <strong>können</strong> jetzt wieder durchstellen. <strong>Sie</strong> mussten<br />
78 Interview Nr. 11 mit einem Vertreter eines Fachverbandes, Zeilen 513-525.<br />
79 Interview Nr. 1 mit einem Vertreter des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, Zeilen 100-103.<br />
B E R L I N E R T R E U H A N D V E R T R Ä G E S E I T E | 43