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Mit der Einführung von Kontrakten wurden aber nicht nur <strong>aus</strong>gewählte öffentliche Aufgaben<br />
(Beauftragung), sondern gerade auch hoheitliche Entscheidungs- und Machtbefugnisse auf<br />
die Freie Wohlfahrtspflege übertragen (Beleihung). <strong>Die</strong> Beleihung der Verbände hat sie in<br />
einen potenziellen Rollenkonflikt gebracht, da sie auf der einen Seite Interessenvertreter<br />
ihrer Mitgliedsorganisationen sind und auf der anderen Seite – unter Maßgabe staatlicher<br />
Vorgaben – Zuwendungen an ihre Einrichtungen und <strong>Die</strong>nste verteilen (vgl. Streeck 1987).<br />
<strong>Die</strong>se ambivalente Doppelfunktion wird insbesondere von Experten <strong>aus</strong> Fachverbänden kritisch<br />
gesehen, die die Meinung vertreten, dass die Doppelrolle nicht erfolgreich<br />
wahrgenommen wurde und zu befürchten sei, dass es zu einer „Verstaatlichung der Verbände<br />
durch die Einführung von Treuhandverträgen“ kommen würde. Demgegenüber meinen<br />
Vertreter der Spitzenverbände, dass es ihnen gelungen sei, ihre Mitgliedsorganisationen von<br />
den Vorteilen dieser Konstellation und den Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Zuwendungsentscheidungen<br />
zu überzeugen. Zu<strong>dem</strong> eröffnen sich gerade auch für Dachverbände<br />
wie <strong>dem</strong> Berliner Landesverband des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in ihrer Funktion<br />
<strong>als</strong> Fördermittelgeber konstruktive Möglichkeiten der „Einwirkung“ auf Mitgliedsorganisationen,<br />
die über das klassische Repertoire von Lobbying, Beratungsarbeit und<br />
<strong>Die</strong>nstleistungsangeboten hin<strong>aus</strong>gehen.<br />
<strong>Die</strong> Veränderungen und Verschiebungen in der Rollenverteilung zwischen Staat und Verbänden<br />
waren in der Einführungsphase aufwendig und gaben bisweilen Anlass zu Irritationen.<br />
So war für die Beteiligten nicht immer deutlich, wer an welchen Entscheidungen zu beteiligen<br />
sei und über welche Entscheidungskompetenzen man selbst verfügen würde.<br />
Als zunehmend schwierig werden die fortwährenden Mittelkürzungen im Rahmen der Treuhandverträge<br />
eingestuft, die mittlerweile dazu führen würden, dass man sich – angesichts<br />
<strong>aus</strong>geschöpfter Rationalisierungsreserven – von ganzen Aufgabenbereichen trennen müsse.<br />
Einige wenige der interviewten Experten sehen allerdings noch weitergehende Möglichkeiten<br />
für Rationalisierungen durch „radikale Neustrukturierungen“, durch die ein übermäßiger<br />
Abbau des Leistungsangebotes verhindert werden könne. Gelänge dies nicht, könnte es erhebliche<br />
Folgekosten nach sich ziehen. So hätten die Schließung von Beratungsstellen und<br />
der Verzicht auf präventive Maßnahmen sehr viel höhere Ausgaben zur Folge, die die anfangs<br />
erzielten Einspareffekte übersteigen würden (vgl. Teske 2005: 59). Vor diesem<br />
Hintergrund überrascht es nicht, dass die interviewten Verbandsvertreter im Kontext der<br />
Treuhandverträge zukünftig keine weiteren Mittelkürzungen wie im bisherigen Umfang unterstützen<br />
wollen. Ein „Ausschlachten“ der Projekte – so ein Interviewpartner – solle der<br />
Staat allein verantworten.<br />
Eine positive Antwort auf die Frage, ob die bestehenden Treuhandverträge fortgeführt werden<br />
und neue hinzukommen, wird folglich maßgeblich davon abhängen, ob der Staat seiner<br />
politischen Gewährleistungspflicht im Sozial- und Gesundheitsbereich nachkommen wird<br />
und ob die erforderlichen Mittel in <strong>aus</strong>reichen<strong>dem</strong> Maße bereitgestellt werden. In den Verhandlungen<br />
über die Treuhandverträge wäre es <strong>als</strong>o staatlicherseits erforderlich, die<br />
B E R L I N E R T R E U H A N D V E R T R Ä G E S E I T E | 72