Plenarprotokoll 5/46
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3764 Landtag Brandenburg - 5. Wahlperiode - <strong>Plenarprotokoll</strong> 5/<strong>46</strong> - 14. Dezember 2011<br />
Die Verwaltungsgerichtsbarkeit - dazu komme ich als erstes -<br />
ist im Kontext der Gewaltenteilung immens wichtig. Verwaltungsentscheidungen,<br />
also staatliche Entscheidungen, werden<br />
durch die Justiz überprüft. Das subjektive Recht des Bürgers<br />
steht zur Diskussion. Effektiver Rechtsschutz heißt, dass unabhängige<br />
Gerichte darüber entscheiden - das ist in Brandenburg<br />
gewährleistet -, und zwar in angemessener Zeit. Ich sage Ihnen,<br />
wie es bei meinem Amtsantritt gewesen ist. Die Verfahrenslaufzeiten<br />
betrugen in der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Durchschnitt<br />
32 Monate. Das Landesverfassungsgericht hat gesagt,<br />
dass das letztlich verfassungswidrig ist.<br />
Wir haben ein Programm aufgelegt und 15 Proberichter eingestellt,<br />
die später in die ordentliche Gerichtsbarkeit wechseln<br />
sollen, aber derzeit versuchen, die Altbestände abzubauen. Das<br />
Problem stellt sich etwas anders dar. In der Verwaltungsgerichtsbarkeit<br />
verzeichnen wir sinkende Eingangszahlen, was<br />
bedeutet, dass das Personal mittel- oder langfristig möglicherweise<br />
nicht ausgelastet ist, aber wir schieben große Altbestände<br />
vor uns her. Man muss einen Weg finden, die Altbestände abzubauen,<br />
ohne Personal auf Dauer einzustellen, was man aufgrund<br />
der Trennung der verschiedenen Gerichtsbarkeiten - salopp<br />
gesagt - nicht mehr los wird oder nicht umsetzen kann.<br />
Daher haben wir das Modell mit den 15 Proberichtern, die die<br />
Verwaltungsgerichtsbarkeit zwei, drei Jahre unterstützen, eingeführt.<br />
Das Resultat ist erstens, dass die Verfahrenslaufzeiten<br />
derzeit 24,2 Monate betragen. Das ist kein riesiger Schritt, aber<br />
es ist schon einmal ein Schritt. Viel wichtiger ist - zweitens -<br />
das, was Oberverwaltungsgerichtspräsident Kipp im Rechtsausschuss<br />
gesagt hat. Er sagte, wir hatten Anfang des Jahres,<br />
als das System installiert wurde, 1 500 Altverfahren - das sind<br />
Verfahren, die drei Jahre und länger bei den Gerichten liegen -,<br />
und haben nunmehr nur noch 1 000 Altverfahren. Wortwörtlich<br />
sagte er, es sei eine grandiose Kraftanstrengung des Justizministeriums<br />
gewesen.<br />
(Beifall DIE LINKE und SPD)<br />
Meine Staatssekretärin, die von der Opposition entsprechend<br />
bemüht worden ist, hat gerade eine Reise zu allen drei Verwaltungsgerichten<br />
des Landes unternommen. Die Präsidenten haben<br />
gesagt, dass sie davon ausgehen, dass das Problem in ein<br />
oder zwei Jahren gelöst sein wird. Dann werden wir in der Verwaltungsgerichtsbarkeit<br />
vernünftige Verfahrenslaufzeiten haben<br />
und dem Grundsatz der Gewaltenteilung und Artikel 19<br />
Abs. 4 des Grundgesetzes gerecht werden.<br />
Nächster Punkt: Sozialgerichtsbarkeit. Lassen Sie mal bitte<br />
die Kirche im Dorf. Wir haben die Sozialgerichtsbarkeit mit<br />
27 Richterstellen und im Mittelbau gestärkt. Trotzdem haben<br />
sich die Verfahrenslaufzeiten nicht verändert, sie sind aber<br />
nicht angestiegen, was Sie erzählt haben; wir liegen jetzt bei<br />
15,1, vor einem Jahr waren es 15,3 Monate gewesen, das pendelt<br />
etwas, es ist aber etwa der gleiche Stand.<br />
(Zuruf des Abgeordneten Görke [DIE LINKE])<br />
Der gleiche Stand ist deswegen zu verzeichnen, weil die Eingangszahlen<br />
sich immens gesteigert haben, was nicht vorhersehbar<br />
war, was daran hängt, dass einerseits - Herr Kuhnert hat<br />
es gesagt - die Bundesgesetzgebung einfach zu schlampig ist,<br />
(Beifall DIE LINKE)<br />
dass die Bundesregierung es versäumt hat, nach der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung<br />
zu Hartz IV das Gesetz wirklich<br />
zu korrigieren und auch die handwerklichen Fehler auszumerzen.<br />
Dann haben wir Probleme beim Personal in den Agenturen,<br />
und dann haben wir Rechtsanwälte, die das zu einem Arbeitsbeschaffungs-<br />
und Profitmaximierungsprogramm umfunktioniert<br />
haben - die Widersprüche gegen Entscheidungen<br />
der Jobcenter und der Arbeitsagenturen.<br />
(Görke [DIE LINKE]: Genau!)<br />
Darin liegt die Ursache. Und wir werden uns dem innerhalb<br />
des Haushaltes, den wir hier kurz skizziert haben, stellen: Wir<br />
werden im Januar drei neue Richter an die Sozialgerichtsbarkeit<br />
abordnen, um dieser Tendenz gegenzusteuern.<br />
(Aha! bei der CDU)<br />
Sie haben natürlich auch berechtigt darauf hingewiesen - das<br />
ist auch ein Problem, da sollte man überhaupt nicht drumherum<br />
reden -, dass wir mit den Entscheidungen des Europäischen<br />
Gerichtshofes für Menschenrechte und dem darauf fußenden<br />
Gesetz zur Schadenersatzleistung bei überlangen Verfahrenslaufzeiten<br />
sicherlich in eine problematische Situation<br />
geraten können. Wir wissen noch nicht, wann die Verfahrenslaufzeiten<br />
von den Gerichten als schadenersatzpflichtig eingeschätzt<br />
werden, aber - im nächsten Jahr werden dazu Schätzungen<br />
möglich sein - wenn es ein größerer Betrag ist, muss man<br />
natürlich schauen, wo man strukturelle Veränderungen herbeiführt.<br />
Wir können nicht Schadenersatzleistungen bringen und<br />
sozusagen dem Anspruch des Bürgers auf ein faires und zügiges<br />
Verfahren nicht gerecht werden oder diesen konterkarieren.<br />
Wir müssten dann bei der Personalausstattung natürlich nachsteuern.<br />
Aber da sind sinnvolle und intelligente Lösungen gefragt<br />
und nicht solche Holzhammerargumente, wie Sie, Herr<br />
Eichelbaum, sie hier vorgetragen haben.<br />
(Frau Wehlan [DIE LINKE]: Genau!)<br />
Um dem Prinzip der Gewaltenteilung und dem Zugang des<br />
Bürgers zum Recht gerecht zu werden, muss man - dazu hat<br />
sich die Koalition entschieden - in der Fläche entsprechend<br />
aufgestellt sein. Das heißt, wir halten alle Standorte an den<br />
Amtsgerichten, ob als Nebenstellen oder als vollumfängliche<br />
Amtsgerichte.<br />
(Beifall DIE LINKE)<br />
Das wird hoffentlich morgen dieses Haus passieren.<br />
Herr Wichmann, ich bin von Ihnen im Rechtsausschuss immer<br />
sehr angetan, mit Ihnen kann man wirklich sachlich diskutieren,<br />
wie letztens zum Justizvollzugskonzept, aber dass Sie<br />
sich in Schwedt hinstellen und sagen: Die Neuordnung der<br />
Gerichtsbezirke entspringt nur der Eitelkeit des Justizministers<br />
-<br />
(Lachen der Abgeordneten Lehmann [SPD])<br />
dazu wollte ich Ihnen nur sagen - ich fühle mich gar nicht großartig<br />
beleidigt -: Wenn es 2005 nach Ihrer Ministerin, Frau Blechinger,<br />
gegangen wäre, hätten Sie überhaupt keine Gelegenheit<br />
gehabt, das Amtsgericht in Schwedt zu besuchen, dann wäre es<br />
nämlich schon dem Amtsgericht Prenzlau zugeschlagen worden.<br />
(Starker Beifall DIE LINKE und SPD - Zuruf des Abgeordneten<br />
Görke [DIE LINKE])