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Der Ministerprasident des Landes Nordrhein-Westfalen

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Sauerländer Heimatbund<br />

SAUERLAND<br />

38<br />

So eriebten wir das I^riegsendel<br />

Die letzten Tage<br />

an der Nordsee<br />

Als Angehoriger <strong>des</strong> Geburtsjahrgangs<br />

1922 befand ich mich bei Kriegsbeginn<br />

in der letzten Klasse meines Heimatgymnasiums.<br />

Es war fur uns alls<br />

selbstverstandlich, uns als Kriegsfreiwillige<br />

zu melden. Ich kam zur Kriegsmarine<br />

und war selt Ende 1944 Chef einer Marineflakbatterie<br />

im Nordseeraum.<br />

Als slch Ende April 1945 die ersten<br />

amerikanischen und kanadischen Truppen<br />

unserem Verteidigungsabschnitt naherten.<br />

wurde die Batterie, die an sich fur<br />

die Luftabwehr vorgesehen war, noch in<br />

Erdkampfe verwickelt, auf die sie weder<br />

personell noch materialmaBig vorbereitet<br />

war. Dabei ist zu bedenken, da6 zu<br />

den mir unterstellten 150 Soldaten auch<br />

Besatzungsmitglieder von U-Booten und<br />

Minensuchbooten gehorten, die kurz vorher<br />

ihre Schiffe verloren hatten. Ferner<br />

gehorten zu der Einheit altere Soldaten,<br />

die vorher Burodienst gemacht hatten.<br />

Ich selbst war mit knapp 23 Jahren einer<br />

der jungsten Batterieangehorigen.<br />

Die Disziplin innerhalb unserer Einheit<br />

blieb bis in die ersten Maitage von der<br />

sich zunehmend verschlechternden politischen<br />

und militarischen Gesamtlage<br />

unberijhrt. Einzelfalle von Fahnenflucht<br />

in Nachbareinheiten wurden durch ein<br />

Standgericht der Kriegsmarine abgeurteilt,<br />

ohne daB es allerdings noch zur<br />

Urteilsvollstreckung gekommen ware.<br />

Am 2. Mai, zwei Tage nach dem Tod<br />

Hitlers - der von den Soldaten bezeichnenderweise<br />

ohne erkennbare Bewegung<br />

zur Kenntnis genommen wurde -,<br />

wurde bekannt, daB der Oberbefehlshaber<br />

im Nordseeraum, Generalfeldmarschall<br />

Busch, Waffenstillstandsverhandlungen<br />

mit Feldmarschall Montgomery<br />

aufgenommen hatte. der die 21. Armeegruppe<br />

der alliierten Streitkrafte befehligte.<br />

Das gab Veranlassung, auch ohne<br />

Befehl .,von oben" die Feuereinstellung<br />

fijr die Batterie anzuordnen.<br />

Kurz darauf erschien eine Gruppe britischer<br />

Offiziere im Befehlsstand unseres<br />

Abschnittskommandeurs, um ,die Einzelheiten<br />

<strong>des</strong> Waffenstillstan<strong>des</strong> festzulegen.<br />

Wahrend die Feuereinstellung bei<br />

meinen Soldaten ein Gefuhl der Erleichterung<br />

und der Befreiung ausloste, brachten<br />

die im scharfen Ton erteilten Anord-<br />

nungen der britischen Offiziere. die sich<br />

auf die Ablieferung samtlicher Waffen sowie<br />

auf die Cernierung innerhalb der Batteriestellung<br />

bezogen, eine allgemeine<br />

Erniichterung. Vielen deutschen Soldaten<br />

wurde offenbar erst jetzt bewuBt,<br />

was eine totale militarische Niederlage<br />

bedeutet Einzig die Anderung der GruBform<br />

- der „Deutsche GruB" wurde durch<br />

die Qberkommene militarische GruBform<br />

abgelost - wurde allgemein mit Zustimmung<br />

aufgenommen.<br />

Wenn ich mich an die Gesprache innerhalb<br />

unserer Einheit in den Tagen der Kapitulation<br />

zu erinnern suche, dann fallt<br />

mir auf, daB die Diskussionen hauptsachlich<br />

dem Schicksal der Angehorigen galten,<br />

daB aber der politische Bereich nur<br />

unter Teilaspekten beruhrt wurde. Die<br />

„Partei" war einfach nicht mehr existent;<br />

selbst die Person und die verhangnisvolle<br />

Rolle <strong>des</strong> „Fuhrers" blieb merkwurdig<br />

blaB, zumal das AusmaB seiner verbrecherischen<br />

Politik noch nicht bekannt<br />

war. Erst als sich Einzelheiten der KZ-<br />

Greuel herumsprachen, schienen die Soldaten<br />

aus dieser politischen Teilnahmslosigkeit<br />

zu erwachen. Gleichzeitig wurde<br />

vielen aber auch bewuBt, daB diese Vorgange<br />

in der Zukunft zu einer historisch<br />

bisher nicht gekannten Belastung fur das<br />

deutsche Volk und ebenso fur jeden einzelnen<br />

werden wurden.<br />

Dr. Adalbert IVIQIImann<br />

Mai 1945<br />

Fur mich fand die Kapitulation am<br />

4. Mai statt. Im Herbst 44, bei der Auflosung<br />

unseres intakt aus Frankreich<br />

zurijckgefuhrten Fliegerhorstes, wurde<br />

ich, obwohl Jahrgang 06 und kv, zufallig<br />

nicht wie alle anderen der Waffen-<br />

SS zugewiesen. Ab zum Ersatztruppenteill<br />

Von dort welter nach Gardelegen, wo<br />

Gorings neue Fallschirmjagerdivisionen<br />

rekrutiert wurden. Aus dem Unteroffizier<br />

wurde ein Oberjager, der als lA-Schreiber<br />

zur Stabskompanie der 8. Fallschirmjagerdivision<br />

kam. Weselbriickenkopf.<br />

Rees, dann iJber Wilhelmshaven nach<br />

Hamburg, wo die 8. und zwei andere Fallschirmjagerdivisionen<br />

zum BefreiungsstoB<br />

auf Berlin ansetzen sollten. Statt<strong>des</strong>sen<br />

zogen wir, um nicht in die Kapitulation<br />

der Stadt Hamburg am 1.5. einbezogen<br />

zu werden. nach Norden. Schon<br />

sijdlich von Neumunster gab es kein Weiterkommen,<br />

so stauten sich die Truppen.<br />

In benachbarten Dorfern bezogen die drei<br />

Divisionen Quartier und schickten Parlamentare<br />

zu den nachfolgenden Englandern.<br />

Das war am 4.; wir erfuhren noch.<br />

daB am 6. Mai Admiral Donitz die Kapitulation<br />

angeboten habe; von ihrem AbschluB<br />

am 8., erinnere ich mich nicht.<br />

damals gehort zu haben. Einige Wochen<br />

spater ging es in den groBen Eutiner<br />

Kriegsgefangenenbereich. Theo Hundt<br />

Fahrradtour am<br />

Tag der Kapitulation<br />

Nach einer im Winter 1941/42 vor Sewastopol<br />

zugezogenen Verwundung, in<br />

deren Folge das rechte Ellenbogengelenk<br />

versteifte, wurde ich in den letzten Monaten<br />

<strong>des</strong> Krieges als Gefangenenlagerfiihrer<br />

in Schleswig-Holstein eingesetzt. Das<br />

Ende <strong>des</strong> Krieges erlebte ich als Lagerfijhrer<br />

von 26 Jugoslawen und 8 Franzosen,<br />

die mit ihren Bauern aus OstpreuBen<br />

vor der Roten Armee nach Schleswig-Holstein<br />

geflohen waren. Tagsuber arbeiteten<br />

alle bei Bauern der Umgebung und<br />

kamen gegen 18 Uhr zuruck ins Lager,<br />

das ich um 22 Uhr abschlieBen muBte. An<br />

jedem Abend verbrachte ich ein bis zwei<br />

Stunden mit den Gefangenen im Lager.<br />

Im Laufe dieser Begegnungen entwickelte<br />

sich zwischen ihnen und mir ein fast<br />

freundschaftliches Verhaltnis. So bet mir<br />

der Vertrauensmann und Dolmetscher<br />

der Jugoslawen noch am 5. Mai 1945 eine<br />

jugoslawische Uniform an, die ich anziehen<br />

sollte, wenn die Englander kamen.<br />

Dieses Angebot nahm ichjedoch nicht an,<br />

sondern handelte mit ihren Bauern und<br />

Sprechern aus, daB die Arbeitsverpflichtung<br />

beendet sei, daB sie von den Bauern<br />

welter verpflegt wurden und daB sie nicht<br />

mehr eingeschlossen werden sollten. Es<br />

gelang mir auch, die Gefangenen davon<br />

zu uberzeugen, daB es das beste fur sie<br />

sei, wenn sie friedlich und geduldig auf<br />

ihren Transport in die Freiheit und Heimat<br />

warteten.<br />

Als diese Dinge zur Zufriedenheit aller<br />

geregelt waren, besorgte ich mir im Austausch<br />

gegen meine Uniform einen einigermaBen<br />

passenden Zivilanzug, einen<br />

mit Dienstsiegel versehenen ..Entlassungsschein",<br />

warf meine Pistole und<br />

meine Munition in einen sumpfigen Teich,<br />

verabschiedete mich von meinen Gefangenen<br />

und fuhr am friihen Morgen <strong>des</strong> 8.<br />

Mai 1945 von Neuendorf bei Pinneberg<br />

mit meinem Fahrrad in Richtung Lipp-<br />

SHB Meschede Sauerlaender Heimatbund<br />

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