Der Ministerprasident des Landes Nordrhein-Westfalen

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Sauerländer Heimatbund SAUERLAND 33 britischen Militarregierung und der deutschen Dienststellen - in seiner Dimension immeriiin vorstellbar durcii ein Zitat aus einem Aktenstuck des Mesciieder Kreisarciiivs vom 18. Februar 1946: ..Annaiiemd 80 000 Ausgewiesene aus Neu-Polen soiien waiirend der kommenden 6 Monate im Reg. Bezirk Arnsberg aufgenommen und verteilt werden. Bis Mitte April wird es sich wochentlicli um die AufnaJime von 2000 Menschen iiandeln und danach um 4000 in der Woche. Die Ausgewiesenen werden inauptsaclilicli Frauen und Kinder und alte und arbeitsunfaiiige Personen sein." Biider von den Ausgewiesenen, die in Gtiterwagen eingepferciit mehrere Wochen unterwegs gewesen waren und sich nun in der Siegener Weilersberg-Kaserne den „angeordneten Verfahren" unterziehen muBten, d.h. der Entiausung, Registrierung und Verteilung, wurden fiir die heutige SciiiJier-Generation das AusmaB dieser individuellen Tragodien aiierdings noch wesentlich anschauiicher machen. Aber die Biider fehien. Auch die damaiigen Notunterkiinfte fur die masseniiaft Unterzubringenden sind niciit optisch festgehalten. Nach der Erinnerung alter Mescheder wurden leere Baracken, die im Krieg oft den Fremdarbeitern gedient hatten, durch aufgehangte Wolidecken abgeteilt, die einzeinen Familien wenigstens eine gewisse Eigensphare bewahren konnten. Verstandlich, daB es davon keine biidlichen Zeugnisse gibt. Jedoch sind auch das auBere Aussehen der Baracken, ja ihre genaue Lage im Stadtgebiet heute nur schwer rekonstruierbar, da keine Photos existieren, die Baracken langst abgerissen wurden und das Geiande durch neue Bebauung voiiig verandert ist Seibst die Akten iiber die Zahl und die Herkunft der in den Notwohnungen Lebenden, die Gesundheitsfursorge oder das AusmaB der Nahrungsmitteizuteilung in den Hungerjahren - es gab zunachst nur Gemeinschaftsverpflegung - sind nicht mehr erhalten bzw. sehr schwer auffindbar. Vergegenwartigt man sich heute aiiein die demographische Bedeutung dieses Fluchtlingsstroms ins Sauerland anhand von Statistiken, so ist es erstaunlich, daB dieser modernen Voikerwanderung und ihren Auswirkungen auf die ortiichen Verhaitnisse und Strukturen seitens der Lokaigeschichte nicht mehr Untersuchungen gewidmet worden sind. Lange Zeit wollte wohl niemand ernstiich an die Endgilitigkeit der Ausweisung glauben und betrachtete den Bevolkerungszuwachs als nur vorubergehend. Dann hatte sich erubrigt, genauer zu anaiysieren, Ob die Anwesenheit so vieler Vertriebener Veranderungen im heimischen Raum ausgelost hatte. Auch als immer klarer wurde, daB die heimatlos Gewordenen sich im Sauerland eine neue Heimat einrichteten, war die Sorge um das „Offenhalten" der Grenzfrage oft wohl ein Hindernis, der Frage nachzugehen, inwiefern die Integration der Schlesier, Pommern und OstpreuBen dem Bild des Sauerlandes neue Zijge eingepragt hat. So kamen die Schuler sich uberall wie Pioniere vor. Sie suchten z.B. Unterlagen darijber, wie von den kirchlichen Instanzen das konfessionelle Problem des plotzlichen Einstromens von Tausenden von Protestanten in ein fast geschlossenes katholisches Milieu organisatorisch und mental angegangen worden war. Doch fanden sie keine entsprechende Literatur. Dabei hatten die Interviewpartner haufig von Spannungen berichtet, denn die Katholiken reagierten bei der Konfrontation mit so vielen „Ketzern", wie der Volksmund die Protestanten vielerorts noch nannte, recht intolerant. Das gait insbesondere fiir die Dorfer mit ihren stark religios gepragten Traditionen und festgefugten Strukturen im Vereinswesen. Verblufft konstatierten die Schuler, denen oekumenisches Denken langst selbstverstandlich geworden ist, was ihnen da an religiosen Vorurteilen aus den frijhen Nachkriegsjahren zugetragen wurde. Sie wollten aber auch fur den Wirtschaftssektor belegen, wie sich das Potential an neueinstromenden Arbeitskraften im Jahrzehnt nach 1946 auswirkte. Hier muBte sich nach ihrer Einschatzung ein spezielles Problem aus der Tatsache ergeben, daB ein GroBteil der Vertriebenen im Osten im Bereich der Landwirtschaft tatig gewesen war. Wie konnten sie in den hiesigen ArbeitsprozeS eingegliedert werden? Statistische Unterlagen des Landesamtes Diisseldorf aus dem Jahr 1950 registrierten einen weit ijberdurchschnittlichen Anteil der Vertriebenen in der Rubrik „abhangig Be- schaftigte". Dazu meldete auch eine in der ortiichen Presse eifrig kommentierte Rundfunksendung der Reihe „Von Rhein und Ruhr" aus dem Januar 1950 ein so hohes AusmaB an Arbeitslosen und Unterstiitzungsempfangern im ostlichen Sauerland, daB die Situation als durchaus „kritisch" bezeichnet wurde. Ursache war die ganz ungleichmaBige Verteilung der Vertriebenen im Land Nordrhein-Westfalen. Sie waren von den britischen Militarbehorden 1946 in die landlichen Gebiete eingeschleust worden, da ihre Unterbringung dort eher moglich schien als im zerstorten Ruhrgebiet Nach der Wahrungsreform wirkte sich aber der Mangel an Arbeitsplatzen katastrophal aus. Anhand von Meldungen der Lokalpresse aus dem Jahr 1950 veranschaulichten die Schuler, wie sich der Ruf nach der Ansiedlung von neuen Industrien gerade mit dem Hinweis auf die Menge der Vertriebenen standig wiederholt Welchen Anteil diese tatsachlich an der zunehmenden Industrialisierung hatten, in welchem Tempo sich ihr IntegrationsprozeB in den Arbeitsmarkt abspielte, welche beruflichen Umschichtungen sich dabei nachweisen lassen, auch daruber fehlt konkretes Material. Interessant waren auch mehr exakte Angaben uber die Stadien einer allmahlichen Vermischung mit der „Urbev61kerung". LaBt sich z.B. ein VerschmelzungsprozeB in einer zunehmenden Zahl von EheschlieBungen zwischen Einheimischen und denen .,von drijben" chronologisch nachweisen? Beschleunigte dieser Vorgang den Abbau von Vorurteilen oder waren andere Faktoren entscheidender? Schuler waren mit umfangreichen Recherchen bei den ortiichen Standesamtern sicher Ciberfordert. Aber schon die Feststellung der Fulle offener Fragen war fur diejungen Forscher eine wichtige Einsicht. Auch die Unterscheidung von Ereignis- und Strukturgeschichte mit je andersgeartetem Instrumentarium fiir die historische Analyse und Darstellung bedeutete eine Erweiterung ihres geistigen Horizonts. Ihre ganz personliche Stellungnahme wurde durch die emotionale Seite des Themas gefordert. Das Vertriebenenproblem konfrontierte sie immer wieder mit dem Begriff „Heimat" und dem „Recht auf Heimat". Hitzige Debatten entspannen sich im Unterricht, was es © Copyright Sauerlander Heimatbund SHB Meschede Sauerlaender Heimatbund
Sauerländer Heimatbund 34 SAUERLAND mit dem „Recht auf Heimat" auf sich habe und Ob nicht der Heimatbegriff durch seine Strapazierung in Sctinuizen und Heimatfiimen derart verkitscht sei, da6 er einen Jugendlicinen iieute nur noch absciirecken konne. Vieie gaben aucii uberrasciit zu, daB sie iiber iiire Einstellung zum Sauerland als iiirem Heimatraum nocii niemals nachgedacht iiatten und eine Antwort dazu erst finden muBten. So gab das Vertriebenentliema DenkanstoBe injeder Hinsiciit Es drangte sich niciit nur der Vergieicli der Vorurteiie gegenijber den Vertriebenen mit der lieutigen Auslanderfeindliclnkeit auf. Aucii die ortiicfien Anstrengungen aus den 50er Jainren zur angemessenen Unterbringung der Vertriebenen und Flucfitlinge wurden kritiscii diskutiert. Damals iiatte iiier eine Genossenscliaft versucht, durcii den Bau einer Nebenerwerbssiedlung fiir vertriebene Bauern iiinen wenigstens ersatzmaBig eine neue Bindung an die Sciioile zu ermoglicinen. Die Mescheder ..Bauernsiediung", damals eines der groBten Projekte dieser Art in NRW, war bei iiirer Einweiiiung im Jaiir 1956 vielfacin gerufimt worden. Die fiirjede Spielart von Diskriminierung heute besonders sensiblen Sciiuler nahmen das Projekt x^:^/-^yj¥-z -^ y^^J-^ ^^^^ •r4t^, 1941-1942-1943-1944 Vier Jahre voll Grauen! Wer mochte schauen zurijck in dies Jammertail Kein Sangermund macht uns die Scinrecken kund. sie aile verstummen vor Qual!
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