Der Ministerprasident des Landes Nordrhein-Westfalen
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Sauerländer Heimatbund<br />
SAUERLAND<br />
31<br />
SAUERLAND Nr. 2/Juni 1985<br />
Zeitschrift <strong>des</strong><br />
Sauerlander Heimatbun<strong>des</strong><br />
40 Jahre danach<br />
Bun<strong>des</strong>prasident Richard von Weizsacker hat das Ende und den Beginn der nationalsozialistischen<br />
Gewaltherrschaft aneinandergeknupft. In seiner beachtenswerten Rede zum<br />
40. Jahrestag der deutschen Kapitulation am 8. Mai sagte er wortlich: „Wir diirfen den<br />
8. Mai 1945 nicht vom 30. Januar 1933 trennen." Fur mich, der ich beide Daten unserer<br />
deutschen Geschichte miterlebt habe, gibt es gar keinen Zweifel daran, daB es den Krieg,<br />
die Zerstorung unserer Stadte, den Zusammenbruch und die Vertreibung von Millionen<br />
Deutscher aus ihrer angestammten Heimat ohne die „Machtubernahme" Hitlers von 1933<br />
nicht gegeben hatte.<br />
Mein Vater war damals ein ..kleiner Eisenbahnbeamter" in Altenhundem. Am Tag. nachdem<br />
Hitler Reichskanzler geworden war, kam er, wie immer, nachmittags vom Dienst helm<br />
und lieB sich von mir die Zeitung bringen. Weder wir noch unsere Nachbarn hatten ein<br />
Radiogerat, so daS die Tageszeitung unsere einzige Nachrichtenquelle war. Mein Vater uberflog<br />
die Titelseite und sprang erregt und entsetzt auf: „Mein Gott. jetzt gibt es Krieg!" Als<br />
ich wissen wollte, warum er so etwas sage, herrschte er mich an: „Hast Du denn nicht gelesen.<br />
daB Hitler Reichskanzler geworden ist?"<br />
Ich, damals zehn Jahre alt, hatte es gelesen. Aber wie hatte ich aus der sproden Nachricht<br />
in der Zentrumszeitung eine solche SchluBfolgerung ziehen sollen? Freilich, das Entsetzen<br />
meines Vaters ist in mir bis auf den heutigen Tag haftengeblieben. Als wenige Wochen spater<br />
die ersten SA-Kolonnen durch Altenhundem zogen - wir Kinder durften nicht auf die<br />
StraBe und konnten sie nur durch die Gardinen vorbeimarschieren sehen -, da sah ich in<br />
ihnen die StoStrupps fur den Krieg. von dem mein Vater geredet hatte. Und dann ging esja<br />
Schlag auf Schlag. Vor den Metzgerladen von Abraham Winter und Aaron Neuhaus zogen<br />
braune Posten auf: ..Deutsche kauft nur bei Deutschen!" Die ersten Jahrgange wurden zur<br />
Wehrmacht einberufen. Es folgten: Osterreich. Sudetenland. Tschechoslowakei. Als ich sechzehn<br />
war, muBte ich mit zwei Nachrichten fertigwerden. die, wie wir heute wissen, unsere<br />
Welt verSndert haben. Da war. erstens, der Nichtangriffspakt zwischen Hitler und Stalin.<br />
Und da war, zum anderen, der Uberfall auf Polen - der Beginn <strong>des</strong> Zweiten Weltkrieges.<br />
Ich bin heute noch stolz darauf. in einer Region - dem Sauerland - geboren zu sein, in der<br />
Hitler und seine NSDAP keinen Stich machen konnten. solange es noch freie Wahlen in<br />
Deutschland gab. Ich bin oft gefragt worden - und ich habe mich selber oft gefragt, warum<br />
wir christlich gepragten und gebundenen Sauerlander zu einem Zeitpunkt, wo man das<br />
Unheil vorausahnen und -sehen konnte. nicht offenen Widerstand geleistet haben. Die Frage<br />
mag manchem unangenehm sein. Aber sie ist berechtigt. Als ich 1942 als neunzehnjahriger<br />
Abiturient einberufen wurde. habe ich ein ..schlechtes Gewissen" gehabt, und ich bin es die<br />
drei Jahre danach nicht losgeworden. Man hatte uns in die Maschinerie eines Angriffskrieges<br />
gezwungen, den wir eigentlich hatten verhindern mussen. Wir Christen!<br />
Richard von Weizsacker hat in seiner Rede zum 8. Mai folgende zwei Satze gesagt: „Wir<br />
haben wahrlich keinen Grund, uns am heutigen Tag an Siegesfesten zu beteiligen. Aber wir<br />
haben alien Grund. den 8. Mai als das Ende eines Irrweges deutscher Geschichte zu erkennen,<br />
das den Keim der Hoffnung auf eine bessere Zukunft barg."<br />
Als uns - ich lag damals schwerverwundet in einem Lazarett in Augsburg - das Ende <strong>des</strong><br />
Krieges gemeldet wurde, war ich zweiundzwanzig Jahre alt. Sicherlich noch zu jung, um die<br />
ganze Tragodie, die uber unser Land hereingebrochen war, voll ermessen zu konnen. Aber<br />
auch alt genug. um eines zu begreifen: daB es in dieser „Stunde Null" vor allem auf jenen<br />
Tell <strong>des</strong> Volkes ankommen werde, der sich den ethischen Grundsatzen <strong>des</strong> Christentums -<br />
auch uber die gottlose Nazizeit hinweg - verpflichtet gefuhlt hatte. Es gehort zu meinen<br />
nachhaltigsten Erinnerungen, daB wir - Mitglieder der Katholischen und der Evangelischen<br />
Jugend - ab 1945 auf unsere Weise an der Begriindung eines neuen Rechtsstaates mitwirken<br />
konnten, dem dann eine Epoche der moralischen Erneuerung und <strong>des</strong> materiellen Wiederaufstiegs<br />
folgen sollte, in der unser Volk in Frieden und - was die Bun<strong>des</strong>republik<br />
Deutschland betrifft - auch in Freiheit leben konnte. Die Lehre, die wir alle, Alte und Junge,<br />
aus dem traurigsten Kapitel unserer Geschichte ziehen sollten: auch den kleinsten Anfangen<br />
radikaler Umsturzversuche wehren - ob sie nun von rechts Oder von links kommen! Und:<br />
Gottes Gebote nicht mit FQBen treten lassen!<br />
W-S.*idl>«^ . (li^l^ »<br />
Willi Weiskirch<br />
Wehrbeauftragter <strong>des</strong> Deutschen Bun<strong>des</strong>tages<br />
Aus dem Inhalt Seite<br />
40 Jahre danach 31<br />
Schuler auf den Spuren der<br />
Geschichte<br />
Von Schlesien ins Sauerland 32<br />
Fluchtlingsprobieme in Olpe 35<br />
Heimat Deutschland? 37<br />
So eriebten wir das Kriegsende 38<br />
Bodendenkmalpflege 1984 44<br />
Seltene Volkskunst -<br />
Keramik In Ruthen 46<br />
Kurzgeschlchtenprelse<br />
der Stadt Arnsberg 47<br />
Nach der Landtagswahl 48<br />
Helmatkunde in der Schule 49<br />
Altes Kloster Drolshagen 50<br />
Unser Dorf soil schoner werden 51<br />
Nordenau Luftkurort 51<br />
Bucher • Schrifttum 52<br />
Hilfen fur psychiatrisch Kranke<br />
in Marsberg und Warstein 56<br />
Bilddokumentation<br />
Eine halbverfallene Feldscheune ... 58<br />
Leserbriefe 59<br />
Personallen 61<br />
Unser Titelbild:<br />
Friedhelm Ackermann fotografierte dieses<br />
einsame Waldkreuz bei Kuhhude im<br />
Rothaargebirge. Es zeigt in tragischer<br />
Weise die Gnadenlosigkeit <strong>des</strong> Zweiten<br />
Weltkrieges, die auch vor Kindern nicht<br />
Halt machte.<br />
Mitarbeiter dieses Heftes:<br />
Willi Weiskirch, Bonn; Dr. Erika Richter.<br />
Meschede; Gerhard RQsche. Drolshagen;<br />
Bernd Neufurth, Neu-Listernohl; Dr. Adalbert<br />
Mullmann, Brilon; Theo Hundt, Olpe;<br />
Bernhard Neuwohner, Ruthen; Klemens<br />
Propper, Arnsberg; Karl-Heinz Strothmann,<br />
Arnsberg; Franz-Josef Tigges,<br />
Sundern; Hans Wevering. Arnsberg; Elisabeth<br />
Thiell, Balve; Josef Wiegel,<br />
Schmallenberg; Friedhelm Ackermann,<br />
Arnsberg; Bernd Wisser, Arnsberg;<br />
Alfred Enders, Olpe; Fritz Droste, Elpe;<br />
Friedrich-Wilhelm Cordt, Olpe; Norbert<br />
Voss, Dusseldorf; Stefan Hundt. Drolshagen;<br />
Ursula Heyn, Hagen; Jochen<br />
Krause, Kirchhundem.<br />
SHB Meschede Sauerlaender Heimatbund<br />
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