Der Ministerprasident des Landes Nordrhein-Westfalen
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Sauerländer Heimatbund<br />
SAUERLAND<br />
42<br />
her. Aus dem Kampfgebiet Allendorf-<br />
Amecke kamen taglich viele Verwundete<br />
in das Lazarett im Balver Krankenhaus.<br />
Am Donnerstag, dem 12. April 1945,<br />
wurde morgens unser Nacinbar beerdigt,<br />
der nacii einer sciiweren Kriegsverwundung<br />
im Balver Lazarett gestorben war.<br />
Waiirend der Beerdigung auf dem Friedhof<br />
waren rundiierum Tiefflieger in der<br />
Luft, und man horte auch Einsctilage. Wir<br />
liefen schnell nach Hause und verbrachten<br />
den Tag im Keller. Ich erinnere micii,<br />
da6 wir alle zusammen laut den Rosenkranz<br />
gebetet haben. Abends kamen die<br />
ersten amerikanisclien Panzer Qber die<br />
Langeniiolthauser Ciiaussee nacii Balve.<br />
in unserer Stadt wurde niclit meiir gekampft;<br />
einige Hauser wurden von deutschem<br />
BesciiuB der zurijckweiclienden<br />
Truppen beschadigt. Als wir am 13. April<br />
vorsichtig aus dem Keller kamen, war es<br />
sommerlich warm. Es war ein straiilender<br />
Fruiilingstag, und die Kastanien an der<br />
StraBe waren uber Naciit grun geworden.<br />
Das erste Gefiihl war eine groBe<br />
Erleiciiterung daruber, daB keine Sirenen<br />
mehr heulten und daS niclit mehr geschossen<br />
wurde. Wir waren dankbar, daB<br />
wir alle lebten und daB unser Haus unzerstort<br />
war. Abends erschien Iwan und<br />
erklarte. er wolle bei uns im Haus bleiben.<br />
Iwan war ein Russe aus dem Gefangenenlager<br />
in der Helle, der in den letzten<br />
Kriegsmonaten bei uns gearbeitet hatte.<br />
Sein Besuch war uns nicht ganz geheuer,<br />
denn er hatte ein Gewehr bei sich. Hinterher<br />
wurde uns War, daB Iwan uns beschutzen<br />
wollte, denn nun begannen die<br />
Plijnderungen der befreiten Fremdarbeiter.<br />
An den eigentlichen Tag der deutschen<br />
Kapitulation habe ich keine Erinnerung.<br />
Fur die Erwachsenen kam nach dem Ende<br />
<strong>des</strong> Krieges der muhsame Kampf um die<br />
Normalisierung <strong>des</strong> alltaglichen Lebens.<br />
Ober ihre Sorgen, wie es nun weitergehen<br />
solle, und ihreTrauer um unser besiegtes<br />
Vaterland machten wir Kinder uns keine<br />
Gedanken. Wir genossen im Sommer<br />
1945 die groBe Freiheit, denn wir waren<br />
mehr Oder weniger uns selbst uberlassen.<br />
Die Schule begann erst im Januar<br />
1946 wieder. Wir suchten Beeren und Pilze<br />
und im Herbst Bucheckern und Eicheln<br />
fur die Schweine. Wir unternahmen auch<br />
manches, was Eltern in normalen Zeiten<br />
ihren Kindern verboten hatten.<br />
In der Reithalle in Wocklum lagerten<br />
groBe Zuckervorrate einer Iserlohner LebensmittelgroBhandlung.<br />
Als diese<br />
Schatze zur Verteilung freigegeben wurden.<br />
war ganz Balve mit Karren und<br />
Handwagen unterwegs, um den Zucker<br />
zentnerweise nach Hause zu schaffen. In<br />
alien Hausern kochten die Kinder mit<br />
Schmalz und Zucker Karamellen. Diese<br />
„Bomskes" ruinierten die Bratpfannen,<br />
zogen die Plomben aus den Zahnen und<br />
machten Bauchweh.<br />
Es liegt in der menschlichen Natur, daB<br />
die Erinnerung Helles und Heiteres, das<br />
es auch in schlimmen Zeiten gibt. besser<br />
bewahrt als das Angstvolle und Bedrukkende,<br />
obwohl wir, die wir als Kinder den<br />
Krieg bewuBt eriebt haben, durch ihn<br />
doch fijr unser ganzes Leben gepragt<br />
wurden. Elisabeth Thiell<br />
Im Lager an der Elbe<br />
UnterZehntausenden von Soldaten gehorte<br />
ich, 24 Jahre alt. zu dem kleinen<br />
Rest von etwa 25 Mannern <strong>des</strong> 2. Fallschirmjagerbataillons<br />
im Regiment 27<br />
unter Oberst Wilke. Wir waren der 9. Fallschirmjagerdivision<br />
unterstellt gewesen,<br />
die zur 9. Armee unter Generaloberst<br />
Busse gehort hatte.<br />
Unsere Aufgabe, die Rote Armee an<br />
der Oderfront aufzuhalten, war gescheitert.<br />
..Berlin bleibt deutsch, Wien wird<br />
wieder deutsch", hatte die bekannte kreischende<br />
Stimme <strong>des</strong> Reichspropagandaministers<br />
Dr. Goebbels noch Anfang April<br />
verkundet Durch den Einsatz neuer<br />
Wunderwaffen sollte unseren Feinden<br />
„Horen und Sehen vergehen", hieB es.<br />
Um diese Zeit war unser Bataillon<br />
unter Hauptmann Max Graul aus Altena<br />
sudostlich von Stettin zum erstenmal<br />
nahezu aufgerieben worden. Mit Paul<br />
Wurm aus Finnentrop und Peter Hofacker<br />
aus Koln war ich damals nachts nur<br />
knapp den Russen iiber die fast 3 km lange<br />
Autobahnbriicke im Oderdelta<br />
entkommen. Noch einmal, am 20. April,<br />
„Fuhrer's Geburtstag", sollte es uns gelingen,<br />
nach kurzem SchuBwechsel mit<br />
etwa 20 Russen doch noch um eine Hausecke<br />
zu entweichen.<br />
Bis zum 2. Mai hatten wir fast taglich<br />
FeindberiJhrung mit den Russen. Beim<br />
letztenmal fiel ihnen mein Rucksack mit<br />
meinem Kriegstagebuch doch noch in die<br />
Hande. Wir hatten den Ruckzug <strong>des</strong> Oberkommandos<br />
der Wehrmacht nach SchloB<br />
Rheinsberg decken mussen und waren so<br />
auBerhalb <strong>des</strong> russischen Ringes, der sich<br />
um Berlin schloB.<br />
Am Abend <strong>des</strong> 2. Mai ergaben wir uns<br />
den Amerikanern. Sie stellten uns vor die<br />
Wahl, in alliierte oder russische Gefangenschaft<br />
zu kommen. Wir fuhren nach<br />
Westen, zur Elbbrucke bei Lauenburg.<br />
Hier nahmen uns Englander in Empfang,<br />
weniger freundlich, und befahlen uns auf<br />
eine feucht-nasse Wiese; heute f uhrt dort<br />
die Grenze zur DDR in Richtung Boizenburg<br />
vorbei.<br />
Mit alliierten Fahrzeugen wurden wir<br />
ijber die Elbbrucke gebracht, wurde versichert.<br />
Doch das sollte noch zehn Tage<br />
dauern - und zehn lange Nachte ohne<br />
Schutz vor Regen und Kalte. Drei Kekse<br />
gab es taglich seit dem 5. Mai; bis dahin<br />
nichts. Drei Mann durften sich dazu eine<br />
kleine Dose Corned beef teilen. Wir suchten<br />
frische Brennessein, Wegerich und<br />
andere Fruhlingskrauter als Rohgemiise<br />
hinzu. Das war unsere Kost. bis wir am<br />
13. Mai endlich uber die Briicke ins Munsterlager<br />
(Liineburger Heide) transportiert<br />
wurden. Landwirte wurden zuerst<br />
entlassen, hieB es. Nach einigem Hin und<br />
Her glaubte man mir, daB ich einer war.<br />
Am 7. Juli 1945 war ich zu Hause.<br />
Fritz Droste<br />
Ein Osterspaziergang<br />
In einem kurz nach dem Kriege (vermutlich<br />
noch 1945) von Rektor Karl Willeke<br />
aus Schmallenberg verfaBten Bericht<br />
heiSt es: ..Am Ostermorgen (1. 4. 1945)<br />
erlebten die Schmallenberger wieder eine<br />
Uberraschung: Die Truppe, die sich am<br />
Vorabend fiir mehrere Tage einzurichten<br />
schien, war vollstandig ausgeruckt, man<br />
sagte auf Winterberg zu.... Wenn auch<br />
die Truppe abgezogen war, so lieB doch<br />
das Erscheinen von feindlichen Bombern<br />
am Ostermorgen gegen 11 Uhr vermuten,<br />
daB der Gegner Ahnung davon bekommen<br />
hatte. <strong>Der</strong> Angriff, der die Stadt<br />
selbst unbehelligt lieB, wirkte sich besonders<br />
iJber dem Wormbacher Berg und<br />
Beerenberg aus. Man vermutete, daB im<br />
Steinbruch am Werper Wege auf dort<br />
parkende deutsche Panzer Treffer erzielt<br />
wurden."<br />
SHB Meschede Sauerlaender Heimatbund<br />
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