Heft 6 - SPD-Landesverband Sachsen-Anhalt
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Ungerechtigkeiten, Unterdrückung und Ausgrenzung. Unterschiede zwischen<br />
den Eisenachern und dem ADAV gab es jedoch in der Frage der Herstellung der<br />
nationalen Einheit, welche in den 60er Jahren die öffentliche Debatte in den<br />
deutschen Staaten beherrschte. Während die Lassalleaner auf die kleindeutsche<br />
Lösung unter Führung Preußens setzten, standen die Eisenacher in der Tradition<br />
der radikalen Demokraten einer großdeutschen Lösung nahe.<br />
Für die preußische Provinz <strong>Sachsen</strong> und für <strong>Anhalt</strong> kann festgestellt werden,<br />
dass im Raum Halle und in Teilen <strong>Anhalt</strong>s die Lassalleaner mit ihrem Zentrum<br />
im nahen Leipzig erheblichen Einfluss behielten, während im Raum Magdeburg<br />
die Eisenacher dominierten. Im Gründungsjahr der Eisenacher fand in Halle ein<br />
vorbereitendes Treffen zur Generalversammlung des ADAV statt. Von dieser<br />
Versammlung ging jedoch kein spürbarer Aufschwung der örtlichen<br />
lassalleanischen Organisation aus.<br />
Ein besonderes Problem für beide Arbeiterparteien bildete der Krieg gegen<br />
Frankreich 1870 und die Haltung gegenüber der Pariser Kommune. Im<br />
Norddeutschen Reichstag stimmten von den sozialdemokratischen<br />
Abgeordneten Johann Baptist von Schweitzer vom ADAV und Friedrich<br />
Wilhelm Fritzsche gegen die Kriegskredite, während sich August Bebel und<br />
Wilhelm Liebknecht der Stimme enthielten. Eisenacher und auch Lassalleaner<br />
sprachen sich gegen die Fortsetzung des Krieges nach der Abdankung des<br />
französischen Kaisers Napoleons III. und gegen die Annexion von Elsass-<br />
Lothringen aus. In diesem Sinne äußerte sich auch der führende Magdeburger<br />
Sozialdemokrat Julius Bremer am 28. November 1870. 15 Die frühe deutsche<br />
Sozialdemokratie solidarisierte sich mit dem Aufstand der Pariser Kommune<br />
(März bis Mai 1871). Bekannt ist die Reichstagsrede von August Bebel zu<br />
diesem Thema, von der Bismarck bei der Begründung des Sozialistengesetzes<br />
behauptete, sie habe ihm die Gefährlichkeit der Sozialisten aufgezeigt. 16<br />
Die Auseinandersetzungen zwischen Eisenachern und Lassalleanern ebbten<br />
nach der Reichsgründung des Jahres 1871 ab. Eine wichtige trennende Frage<br />
war mit dem Vollzug der Reichsgründung erledigt. Auch der Rücktritt des<br />
umstrittenen Vorsitzenden des ADAV, Johann Baptist von Schweitzer, löste<br />
viele Widersprüche auf. Die staatliche Unterdrückungspolitik richtete sich<br />
gleichermaßen gegen beide und förderte damit die Verständigung zwischen den<br />
Arbeiterparteien. Bei dieser staatlichen Unterdrückungspolitik gegen die<br />
Sozialdemokraten tat sich der Berliner Staatsanwalt Hermann Tessendorf („Ära<br />
Tessendorf“) besonders hervor.<br />
Tessendorf hatte seine Kariere als Staatsanwalt in Magdeburg begonnen, wo er<br />
in der Festungsstadt die Arbeiterbewegung mit besonderer Rücksichtslosigkeit<br />
verfolgte und sich dadurch für „höhere Aufgaben“ empfahl.<br />
15 Vgl. LHASA-M, Rep. C 29, Tit. III, Nr. 11, Bd. 1 Bl. 192 f.<br />
16 Vgl. Miller/Potthoff, S. 45.<br />
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