Heft 6 - SPD-Landesverband Sachsen-Anhalt
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wie die Magdeburger Volksstimme 24 . Viele Zeitungen hatten einen sogenannten<br />
Sitzredakteur in ihrer Redaktion, der die verfügten Strafen abzusitzen hatte. Ein<br />
weiteres Problem stellte das Koalitions- bzw. Streikrecht dar, das nicht<br />
grundrechtlich, und sei es auch nur deklaratorisch, geschützt war und immer<br />
dann eingeschränkt wurde, wenn es mit anderen Rechtsnormen kollidierte. So<br />
geriet z.B. das sog. Streikpostenstehen immer in Gefahr, als Nötigung verboten<br />
zu werden. Die Arbeitskämpfe, die in dieser Zeit an Zahl und Intensität<br />
erheblich zunahmen, waren permanent von polizeilichen Gegenmaßnahmen<br />
bedroht. Die Stadt Magdeburg war wegen der Kampfmaßnahmen der Polizei<br />
gegen gewerkschaftliche Streiks berüchtigt. Deren Übergriffe wurden nur in<br />
ganz seltenen Fällen durch die Gerichte aufgehoben. Es gab auch so gut wie<br />
keine öffentliche Kritik an diesen Polizeimaßnahmen, die vom<br />
Regierungspräsidium Magdeburg häufig gesteuert wurden.<br />
Wiederaufbau der Parteiorganisation<br />
Im Organisationsverhalten der Sozialdemokratie spiegelte sich auch nach 1890<br />
die Furcht vor jederzeit möglichen Verbotsmaßnahmen. Dies dürfte auch der<br />
Grund dafür sein, dass die Partei 1890 zunächst in Gestalt von 5<br />
Arbeitervereinen in den verschiedenen Stadtteilen ins Leben trat. Dadurch<br />
schien die Chance, dem polizeilichen Zugriff zu entkommen, etwas größer zu<br />
sein. Dennoch wurden diese Arbeitervereine im Mai 1891 erneut verboten.<br />
Anlass war die Beteiligung an den sozialdemokratischen Maifeiern. Für 1890<br />
war erstmals der 1.Mai als internationaler Kampftag ausgerufen worden, der den<br />
8-Stunden-Tag als Ziel proklamierte und durch eine eintägige<br />
Arbeitsniederlegung begangen werden sollte. Unter dem Einfluss der radikalen<br />
„Jungen“, einer innerparteilichen Opposition, beteiligten sich die Magdeburger<br />
Sozialdemokraten deutlich entschlossener, als es der Berliner Partei- und<br />
Fraktionsspitze recht war, an diesen Aktionen. Der Parteiführung schien es zu<br />
gefährlich, die neu gewonnene Legalität wieder aufs Spiel zu setzen. 1891<br />
wurde ein Allgemeiner Arbeiterverein für Magdeburg und Umgebung<br />
gegründet, der 1895 wegen angeblichen Verstoßes gegen das Vereinsrecht aber<br />
schon wieder polizeilich aufgelöst wurde.<br />
Von einer kontinuierlich tätigen Organisation kann man erst nach Gründung der<br />
Sozialdemokratischen Partei im Jahre 1900 sprechen. Zu dieser Zeit hatten sich<br />
die Gewerkschaften, die 1895 ein Aktionskomitee der Gewerkschaften<br />
Magdeburgs gebildet hatten, längst formiert. Dies erklärt auch den gewissen<br />
Rückstand der Partei gegenüber den Gewerkschaften. Karl Liebknecht fühlte<br />
sich bei seinem öffentlichen Auftritt 1900 in Magdeburg verpflichtet, dem<br />
Parteianhang die Leviten zu lesen: Nur 500 Mitglieder der Sozialdemokratie<br />
gegenüber einer Zahl von 10000 gewerkschaftlich Organisierten seien einfach<br />
24 Ebd., S. 66<br />
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