20.07.2014 Aufrufe

Heft 6 - SPD-Landesverband Sachsen-Anhalt

Heft 6 - SPD-Landesverband Sachsen-Anhalt

Heft 6 - SPD-Landesverband Sachsen-Anhalt

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

metallverarbeitenden Industrie. Andererseits ist in dieser Zeit eine Tendenz zur<br />

Lohnnivellierung zwischen den Branchen zu erkennen. Das krasse regionale<br />

Lohngefälle blieb davon unberührt. Die Industriegebiete der Provinz <strong>Sachsen</strong><br />

lagen durchweg deutlich über dem Reichsdurchschnitt. 27<br />

In aller Regel waren Lohnerhöhungen, Arbeitszeitverkürzungen,<br />

Erleichterungen des Akkordlohns und andere Verbesserungen der<br />

Arbeitsgestaltung das Ergebnis harter Arbeitskämpfe, die zum Teil bis an den<br />

Rand der Existenz der Beschäftigten ebenso wie der Betriebe geführt wurden.<br />

Voraussetzung für die Streikfähigkeit der Arbeiter war ihre gewerkschaftliche<br />

Organisation, die in Magdeburg seit etwa 1895 in großem Umfang erfolgt war<br />

und zu der Bildung eines Aktionskomitees der Gewerkschaften geführt hatte.<br />

1901 verdichteten sich die gewerkschaftlichen Organisationen zum<br />

Gewerkschaftskartell, das hier wie in fast allen Industrieregionen gebildet<br />

wurde. Ab 1905 gehörten alle in Magdeburg existierenden Gewerkschaften dem<br />

Kartell an. Es unterhielt ein Gewerkschaftsbüro, das von Hermann Beims<br />

geleitet wurde, und bald darauf zusätzlich Friedrich Holzapfel als zweiten<br />

Sekretär anstellte. Über die Tarifauseinandersetzungen hinaus koordinierte das<br />

später in Arbeitersekretariat umbenannte Büro sozialpolitische Interessen der<br />

Arbeiter und erteilte Auskünfte in allen Rechtsfragen und<br />

Sozialversicherungsangelegenheiten. Es war ferner an paritätischen<br />

Arbeitsnachweisen bei der städtischen Arbeitsvermittlung beteiligt.<br />

Zurück zu den Arbeitskämpfen, die von den einzelnen Gewerkschaften geführt<br />

wurden. Ingrun Drechsler hat die zwischen 1898 und 1912 geführten Streiks der<br />

Bauarbeiter, Kutscher, Klempner, Holzarbeiter und Bäcker im Einzelnen<br />

beschrieben. 28 Es gab weder Tarifrecht noch die Anerkennung der<br />

Gewerkschaft als Tarifpartner, die ständig mit polizeilichen Maßnahmen<br />

rechnen mussten. Nicht selten griffen die Arbeitgeber zum Mittel der<br />

Aussperrung in der Absicht, die streikführenden Gewerkschaften finanziell zu<br />

ruinieren, selbst auf das Risiko hin, dass die Tätigkeit der eigenen Betriebe zum<br />

Stillstand kam. Die Arbeitgeberkartelle drohten damit, jede<br />

Anstellungsmöglichkeit der streikenden Arbeiter zu verhindern. Die<br />

Gewerkschaften haben in solchen Fällen die ledigen Mitglieder aufgefordert,<br />

sich außerhalb Magdeburgs eine neue Arbeitsstätte zu suchen, damit die<br />

finanzielle Unterstützung einigermaßen für die aufgrund ihres Familienstatus an<br />

Magdeburg gebundenen Mitglieder reichte. Die Arbeitskämpfe konnten sich<br />

über mehrere Monate hinziehen. Sie endeten überwiegend mit Teilerfolgen,<br />

wenn es vereinzelt auch zu bitteren Niederlagen und dem Abbruch der<br />

Arbeitskämpfe gekommen ist. Ritter/Tenfelde haben eine relative Schwächung<br />

der Marktmacht der Arbeiter konstatiert, festgemacht am Zurückbleiben der<br />

27 G.A. Ritter, K. Tenfelde, Arbeiter im Deutschen Kaiserreich 1871 bis 1914, Bonn 1992, S. 477<br />

28 Drechsler, S. 52 ff., u. S. 79 ff.<br />

28

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!