Heft 6 - SPD-Landesverband Sachsen-Anhalt
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ediente sich dabei einer längst hörigen Justiz und gestaltete den Dessauer<br />
Schauprozess, bei dem das Verfahren der Generalstaatsanwaltschaft <strong>Sachsen</strong>-<br />
<strong>Anhalt</strong>s entzogen wurde und der Prozess vorm Obersten Gericht der DDR<br />
verhandelt wurde, als propagandistisches Lehrstück - auch zur Disziplinierung<br />
der eigenen Kader. 45 Als Vorsitzende des Prozesses amtierte die wegen ihrer<br />
ruppigen Gangart berüchtigte Stalinistin Hilde Benjamin (1902-1989), die es<br />
später zur DDR-Justizministerin bringen sollte.<br />
Mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen meinte die Regie des Prozesses,<br />
als sie ausdrücklich westdeutsche Reporter zuließ und das markige Motto "Die<br />
Deutsche Demokratische Republik schlägt zu!" ausgab. Sehr rasch ging dieser<br />
Schuss allerdings nach hinten los: Die Medien, die über den Prozess berichteten,<br />
kritisierten dessen Charakter und äußerten sich süffisant über Pannen und<br />
offensichtliches Blendwerk bei der Inszenierung. Der Spiegel etwa wusste zu<br />
berichten, dass Brundert eigentlich eine Art Bauernopfer für Werner Bruschke<br />
sei (dieser war bis 1948 sachsen-anhaltischer Finanzminister gewesen) und<br />
unterlegte diese These mit dem Verweis, einigen der Angeklagten drohte die<br />
Todesstrafe. 46<br />
Unter dem Strich half den Angeklagten aber auch publizistische Rückendeckung<br />
aus der Bundesrepublik nicht: In seinem Schlussplädoyer denunzierte der<br />
Generalstaatsanwalt den Angeklagten Brundert nochmals, "ein arroganter<br />
Karrierist, ein typischer Agent" zu sein. Er wurde zu 15 Jahren Zuchthaus<br />
verurteilt. 5 Jahre davon verbrachte er in Einzelhaft und Isolation 47 . Am 19.<br />
März 1957 freigelassen (als letzter der in Dessau Angeklagten, ein halbes Jahr<br />
nach Herwegen), verließ Brundert im April 1957 die DDR und siedelte nach<br />
Hessen über. Nachdem er - von den Entbehrungen der Haft auf Dauer<br />
gezeichnet - ein halbes Jahr in Krankenhäusern und auf Kuren verbracht hatte,<br />
trat er - nun wieder <strong>SPD</strong>-Mitglied - im Januar 1958 die Leitung der hessischen<br />
Landesfinanzschule in Rotenburg an, aus welcher er im November 1962 als<br />
künftiger Chef der Staatskanzlei in Wiesbaden in die Landesregierung<br />
wechselte.<br />
Am 1. Juli 1964 schließlich wurde er zum Oberbürgermeister Frankfurts<br />
gewählt. Er trat damit in die Nachfolge des spröden, in der <strong>SPD</strong> nie sonderlich<br />
beliebten Werner Bockelmann (1907-1968) ein, der zum Geschäftsführer des<br />
Deutschen Städtetages gewählt worden war. 48 Die Kandidatenfindung selbst<br />
hatte sich als äußerst schwierig erwiesen, weil die <strong>SPD</strong> intern auf alte Kämpen<br />
45 Vgl. zur Einordnung des Dessauer Schauprozesses in die Prozesswellen im Einflussbereich der Sowjetunion,<br />
Franz-Josef Kos, Politische Justiz in der DDR. Der Dessauer Schauprozess vom April 1950, in: Vierteljahrshefte<br />
für Zeitgeschichte, Jahrgang 44 (1996), <strong>Heft</strong> 3, S. 395-429.<br />
46 Siehe dazu den Artikel, in welchem Brundert fälschlich der Vorname Fritz zugeordnet wird, ohne Autor,<br />
Harriman soll sterben, in: Der Spiegel 18/1950, S. 5f.<br />
47 Vgl. Brundert, Weimar, S. 76.<br />
48 Zu den Umständen von Bockelmanns Abschied aus Frankfurt siehe ohne Autor, Noch nie so einig, in: Der<br />
Spiegel 18/1964, S. 52.<br />
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