Heft 6 - SPD-Landesverband Sachsen-Anhalt
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nahm ein Attentat auf den Kaiser zum Anlass eines Gesetzentwurfes, der die<br />
Sozialdemokratie politisch vernichten sollte. Der Entwurf wurde abgelehnt. Erst<br />
als ein weiterer Anschlag auf den Kaiser verübt worden war, der ebenso wie der<br />
erste von Bismarck den Sozialdemokraten zu Unrecht angelastet wurde, gelang<br />
es ihm, nach Auflösung des Reichstages und Neuwahlen, aus denen die<br />
politische Rechte gestärkt hervorging, die parlamentarische Mehrheit für dieses<br />
Gesetz zu erhalten. Das „Sozialistengesetz“ war nach moderner<br />
Rechtsauffassung „seinem Inhalt nach die Deklaration einer bestimmten<br />
politischen Richtung zum Verfassungsfeind“. Es enthielt Verbote gegen<br />
Vereine, Versammlungen, Druckschriften und Beitragssammlungen, die durch<br />
Förderung sozialdemokratischer, sozialistischer und kommunistischer<br />
Bestrebungen den Umsturz der bestehende Staats- und Gesellschaftsordnung<br />
bezweckten. Außerdem konnte über bestimmte Ortschaften und Bezirke, in<br />
denen man die öffentliche Sicherheit „durch sozialistische Umtriebe“ gefährdet<br />
glaubte, für ein Jahr der sogenannte „kleine Belagerungszustand“ verhängt<br />
werden. In diesen Regionen durften Versammlungen nur mit polizeilicher<br />
Genehmigung stattfinden und die öffentliche Verbreitung von Druckschriften<br />
war verboten. Personen, von denen „umstürzlerische Agitationen“ befürchtet<br />
wurden, war dort der Aufenthalt zu versagen. Damit war im Grunde alles<br />
untersagt, was zur Arbeit einer Partei erforderlich ist und zugleich der<br />
Behörden- bzw. Polizeiwillkür Tor und Tür geöffnet. Die Berichte der Genossen<br />
aus dieser Zeit, wie sie die einzelnen Verbote zu umgehen versuchten, was sie<br />
erdulden und ständig zu befürchten hatte, füllen ganze Bände und zeigen, dass<br />
sie mit großem persönlichen Einsatz und hohem Risiko dennoch die Arbeit für<br />
die Partei nicht aufgaben. Sie nahmen Gefängnis, Emigration, Verlust des<br />
Eigentums und Berufs in Kauf, um für ihre Überzeugungen weiter zu kämpfen.<br />
Das Buch „Durch Kampf zum Sieg“, 1914 als Jubiläumsschrift der<br />
Sozialdemokratischen Partei in Halle und dem Saalkreis erschienen, enthält<br />
eindrucksvolle Beispiele dafür. Daraus einige Auszüge:<br />
„Die ersten Schläge des Gesetzes hagelten so dicht und ungewohnt auf die<br />
Genossen nieder, dass es immerhin erst einiger Zeit bedurfte, ehe sie sich damit<br />
abgefunden hatten. Als ersten Übergang schuf man sich einen ‚Raucherklub’,<br />
‚Kegelklub’ und ‚Lotterieklub’, neue Möglichkeiten, unauffällig wieder<br />
zusammenkommen zu können. Dazu kam dann der Gesangverein ‚Stradella’.<br />
Auch mit der Herausgabe einer Zeitung versuchte man es wiederholt, musste<br />
dabei aber furchtbare Schläge erdulden und endlich weitere Versuche<br />
aufgeben.“<br />
„War schon zur Zeit kurz vor dem Sozialistengesetz die Zahl der wirklichen<br />
Genossen sehr gering, so war nachher an eine Zunahme erst recht nicht zu<br />
denken. In der ersten Periode des Gesetzes waren es 11 Mann, und erst in den<br />
80er Jahren war eine größere Mitgliedschaft vorhanden, die schließlich einmal<br />
bis auf 126 stieg und dann mehrfach auf- und abschwankte.“<br />
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