Frechener Seniorenkurier Juni 2013 - Stadt Frechen
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Eine tamilische Hochzeit –<br />
Erfahrung von Zeit<br />
Ein heißer Sommersamstag, ich sitze mit einer Bekannten<br />
in der angenehm kühlen Kirche in Grefrath. Es<br />
ist 11.45 Uhr, und wir warten. Mit uns warten noch einige<br />
wenige festlich gekleidete Männer, Frauen und Kinder. Es<br />
sind mutmaßlich Tamilen. Wir sind nämlich zu einer Tamilenhochzeit<br />
eingeladen.<br />
Die Einladung zur Hochzeit ihres Sohnes erhielten wir<br />
von einer Tamilin, die von uns ehrenamtlich in deutsch<br />
unterrichtet wird. Sie hatte uns erzählt, dass 300 Gäste<br />
erwartet würden, aus ganz Deutschland und dem europäischen<br />
Ausland. Von Blumenschmuck über 500 € war die<br />
Rede und davon, dass die Trauung in St. Maria Königin in<br />
<strong>Frechen</strong> stattfinden sollte. Von diesen Angaben trifft nun<br />
offenbar keine zu, keine 300 Gäste, der normale Altarblumenschmuck<br />
sieht auch nicht nach 500 € aus, und wir<br />
befinden uns auch in einer anderen Kirche.<br />
Aber nach der mündlichen war uns eine schriftliche<br />
Einladung zugegangen, tamilisch und englisch. Daraus<br />
entnahmen wir, dass die Trauung um 11.45 Uhr in Grefrath<br />
stattfand. Wir hatten die Angaben nach dem Motto<br />
„denn was man schwarz auf weiß besitzt“ für die gültige<br />
Fassung gehalten. Inzwischen ist fast eine halbe Stunde<br />
vergangen. Wir warten und warten… Es tat sich nichts! Die<br />
Tamilen verlassen die Kirche, nachdem sie vorher versucht<br />
haben, sich mit uns zu verständigen. Aber wir können sie<br />
nur auf die schriftliche Einladung verweisen. Während wir<br />
weiterhin warten, kommt der Küster und informiert uns,<br />
dass in dieser Kirche heute keine Trauung stattfindet.<br />
Aber es gäbe um 11:45 Uhr eine Trauung in St. Maria Königin.<br />
Um dorthin rechtzeitig zu kommen, ist es nun zu spät.<br />
„Schauen wir doch mal im Pfarrsaal nach“, meint der<br />
Küster. Dort deuten alle Anzeichen auf eine große Feier<br />
hin. Es stehen Tische und Stühle für sicherlich mehrere<br />
hundert Gäste. Die Tische sind mit Papiertischdecken<br />
versehen, von der Sorte, die meist schon beim bloßen Zuschauen<br />
zerreißt. Gut aufgewärmte Getränke, Cola, Limonade,<br />
Mineralwasser nebst Plastikbechern stehen bereit.<br />
Auch ein Blumenschmuck – Plastikblumen in Plastikbechern<br />
– „erfreut“ das Auge. Vom Eingang des Saales bis<br />
auf die Bühne ist ein roter Läufer ausgelegt, gesäumt von<br />
halbhohen „Marmorsäulen“, die mit breiten roten Bändern<br />
verbunden sind. Jede Säule trägt eine prächtige Vase mit<br />
üppigen Plastikblumensträußen. Hier stecken offensichtlich<br />
die 500 € für Blumenschmuck! Am Ende des Läufers<br />
steht eine Art Thron, ein vergoldetes Sofa. Die gesamte<br />
Dekoration lässt uns schließen, dass wir hier doch richtig<br />
sind! Wir suchen uns einen Platz im vorläufig noch leeren<br />
Saal und warten weiter.<br />
17<br />
Allmählich treffen Grüppchen und einige weitere Gäste<br />
ein. Zwei Gruppen von Männern mühen sich lautstark mit<br />
vielen „one, two, three“ um die Installation einer Musikanlage<br />
und die Aufstellung von Kameras und Beleuchtungsgeräten<br />
auf der Bühne. Schließlich dröhnt eine sehr laute<br />
und für unsere Ohren sehr fremde Musik unsere Ohren<br />
zu. Da immer wieder Kurzschlüsse infolge der Überlastung<br />
der Anlage auftreten, haben wir zum Glück auch<br />
geräuschfreie Pausen.<br />
Wir warten und warten weiter. Inzwischen bewundern<br />
wir die prächtig gekleideten tamilischen Gäste. Die Frauen<br />
und jungen Mädchen tragen wunderschöne farbenfrohe<br />
Saris, dazu viel Goldschmuck und Blumen und Bänder<br />
im Haar. Die Kinder sind in Tüllwolken gehüllt, die kleinen<br />
Jungen und die Männer in festliche dunkle Anzüge. Die<br />
halbwüchsigen Jungen haben sich offenbar von der Tradition<br />
abgewandt und sind ganz westlich mit Jeans und<br />
T-Shirts bekleidet.<br />
Inzwischen ist es 14.00 Uhr! Allmählich sollten das<br />
Braupaar und die Hochzeitsgäste eintreffen. Aber es<br />
kommen immer nur einzelne kleinere Gästegruppen.<br />
Dann verteilen Männer kleine Plastiknäpfchen, in denen<br />
zwei Gebäckstücke kullern. Sie schmecken zwar sehr gut,<br />
aber sollte das das festliche Hochzeitsessen sein? Es ist<br />
erstaunlich, wie entspannt sich die tamilischen Gäste verhalten.<br />
Während wir, die einzigen deutschen Gäste, immer<br />
wieder erwartungsvoll auf die Tür starren, bleiben die Tamilen<br />
völlig gelassen. Es gibt auch keine lautstarken Begrüßungen<br />
von Menschen, die sich bei dieser Gelegenheit<br />
treffen. Alles ist total entspannt, keinerlei Unruhe, weil<br />
sich hier so gar nichts tut.<br />
Schließlich – es ist inzwischen fast 16 Uhr – kommt<br />
das Brautpaar: sie in weißgoldene Tüllwolken gehüllt, er im<br />
schwarzen Anzug, dahinter ein Geleitzug von prächtig gewandeten<br />
Angehörigen. Das Brautpaar nimmt auf dem goldenen<br />
Sofa Platz – und danach bekommen wir nichts mehr<br />
mit. Wir sehen nur die Rücken zahlreicher Fotografen.<br />
Zu diesem Zeitpunkt wird ein Buffet eröffnet. Es gibt typisch<br />
tamilische Speisen, köstlich! Das Essen wird in Plastikschüsseln<br />
serviert. Die Tamilen essen mit den Fingern.