Frechener Seniorenkurier Juni 2013 - Stadt Frechen
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Menschen, Tiere oder Geistwesen als Helfer. Er kann das<br />
Böse überwinden oder die ihm gestellte Aufgabe lösen.<br />
Schließlich erreicht er sein Ziel, heiratet die Königstochter,<br />
wird zum König gekrönt oder erringt einen Schatz.<br />
Märchen haben ein glückliches Ende. In ihrer Bildsprache<br />
schildern sie dornige Lebenswege, wie sie viele<br />
Menschen erleben. Sie ermuntern, in der Not nicht aufzugeben<br />
und dem Leben zu vertrauen. Sie mahnen, im<br />
eigenen Unglück nicht das Leid anderer, sei es Mensch<br />
oder Tier, aus den Augen zu verlieren. Sie beschreiben<br />
die Treue als bedeutsame Hilfe. Im Märchen vom „Brüderchen<br />
und Schwesterchen“ ist es die geschwisterliche<br />
Treue, in der Geschichte vom Trommler die des liebenden<br />
Partners, der nicht aufgibt, als er verlassen wird. Wer<br />
die Prüfungen in seinem Leben besteht, erreicht die Königskrone<br />
oder den Schatz. Das Gold steht hier für ein<br />
gereiftes und erfülltes Leben.<br />
Erstaunlich ist, dass im Märchen<br />
nicht der kluge oder reiche Mensch<br />
dieses Ziel erreicht. Es ist oft der<br />
Dumme, der Träumer, dem es gelingt,<br />
alle Aufgaben zu lösen. Vielleicht,<br />
weil er weiß, dass er nichts<br />
weiß. Er vertraut nicht seinen Fähigkeiten, wie es die Klugen<br />
tun. Dafür spürt er die Existenz einer geheimnisvoll<br />
verborgenen Macht, die lenkend in sein Leben eingreifen<br />
kann. Wie töricht und dumm ist doch in den Augen der<br />
Realisten „Hans im Glück“. Ständig tätigt er einen Tausch<br />
zu seinen Ungunsten. Dennoch ist er am Ende glücklich.<br />
Er hat die Kraft des positiven Denkens und weiß, dass Besitz<br />
und Glück nicht identisch sind. Der Werbeslogan einer<br />
Sparkasse „Mein Haus, mein Auto, mein Schiff“ scheint<br />
vom Gegenteil auszugehen. Die klugen angesehenen Menschen<br />
scheitern im Märchen häufig, weil sie hochmütig<br />
sind, sich überschätzen und vor allem, weil ihnen das Mitleid<br />
mit den Ärmsten abhandengekommen ist.<br />
Wer das Märchen mit Blick auf die Bibel betrachtet,<br />
wird Parallelen finden. Barmherzig sein, auf Hilfe von außen<br />
vertrauen, hilfsbereit sein, sich nicht auf die eigene<br />
Kraft verlassen, treu sein, all das finden wir auch in der<br />
Bibel. Dennoch sind Märchen keine religiösen Erzählungen.<br />
Gott kommt in ihnen nur selten vor. Aber hinter den<br />
Bildern des Märchens leuchtet eine verdeckte Religiosität<br />
hervor. Es ist der Glaube, dass im Angesicht des Bösen<br />
und in aller Not eine geheimnisvolle überirdische Kraft unser<br />
Leben lenkt und schließlich zu einem guten Ende führen<br />
wird. Kinder spüren das noch mehr als Erwachsene.<br />
Für sie ist das Wunder im Leben verankert. Sie rechnen<br />
damit. Darum sollten wir wieder wie die Kinder werden.<br />
Das Märchen kann uns dabei unterstützen.<br />
Günther Kraushaar<br />
5<br />
Caféhaus-Momente<br />
Oh weh, ist die Nacht etwa schon wieder vorüber?<br />
Mein Wecker – ein dröhnender und zischender Kaffeeautomat<br />
– bestätigt es mir.<br />
Gleichzeitig nehme ich den ersten Kaffeeduft wahr. Für<br />
mich sind das die täglichen Rituale und Zeichen, mit denen<br />
mein Arbeitstag beginnt.<br />
Die Inhaberin des Cafés ist stets das erste menschliche<br />
Wesen, das ich zu Gesicht bekomme.<br />
Sie heißt Marion, ist eine recht Nette und hat immer gute<br />
Laune. Ab und zu streichelt sie mich sogar, meistens dann,<br />
wenn sie auf mir einen Krümel entdeckt.<br />
Brrrh, heute Morgen ist es irgendwie besonders ungemütlich.<br />
Draußen scheint es kalt zu sein, ich fröstele. Doch<br />
ich kann nicht klagen, mein Stammplatz direkt am Fenster<br />
ist soweit o.k. Hier sehe ich auch etwas von der übrigen<br />
Welt. Manche meiner Kollegen sind da viel schlechter<br />
dran. Sie müssen mit spärlich beleuchteten Ecken vorlieb<br />
nehmen. Besonders bedauere ich einen Mitstreiter, dem<br />
stets der Garderobenständer im Nacken sitzt. Die dort aufgehängten<br />
Mäntel und Jacken müffeln mitunter stark. Da<br />
trifft dann schon mal Knoblauchgeruch auf Frittenfett und<br />
vermischt sich mit schwerem, süßem Parfumduft aus einer<br />
Damenjacke. Außerdem wird er oft genug von Gästen<br />
angerempelt, die es eilig haben auf dem Weg zur Toilette,<br />
deren Türen ebenfalls in seinem direkten Umfeld sind. Er<br />
hat den schlechtesten Arbeitsplatz von uns allen.<br />
Besuch bekommt er so gut wie nie. Allenfalls, wenn alle<br />
Tische im Café besetzt sind, wird ihm als Notstopfen die<br />
Ehre eines Gastes zuteil.<br />
Oh, die Eingangstüre öffnet sich! Ein älterer Herr tritt ein,<br />
schaut sich suchend um und wählt mich zum Objekt seines<br />
Begehrens aus. Mit einem Seufzer lässt er sich nieder.<br />
Marion kommt an den Tisch, fragt nach seinen Wünschen.<br />
Mein Besetzer erzählt, dass er noch nüchtern sei,<br />
gerade vom „Vampir“ – dem Arzt gegenüber – käme und<br />
sich nun auf ein Frühstück freue. Diabetes habe er, müsse<br />
häufig zur Blutkontrolle. Ähnliche Geschichten habe ich<br />
schon oft gehört. Meistens<br />
beginnt mit diesen<br />
auch mein Arbeitstag.<br />
Der heutige Gast ist<br />
Gott sei Dank eher ein<br />
Leichtgewicht, da piekst<br />
es nicht so, wenn sich<br />
die Brötchenkrümel auf<br />
mir breit machen. Am<br />
frühen Morgen bin ich<br />
da besonders empfindlich.