50 Juni 2013 | wir fragen, jena antwortet | Mit welchen Eigenschaften treibst Du Deine Freunde/Familie in den Wahnsinn? Interviews und Schnappschüsse: Anna-Maria Schmidt Franziska Grimm, 24 Studentin Ich bin sehr chaotisch. Ich vergesse, verliere oder verlege ständig wichtige Dinge und mache mein Umfeld damit verrückt, weil sie dann entweder mitsuchen oder warten müssen, bis ich meine Siebensachen zusammen habe. Betrunken bin ich unberechenbar — vom dramatischen Heulanfall über irre Lachflashs bis hin zu unangebrachten Pöbeleien ist bei mir in diesem Zustand alles dabei. Meine Multitasking-Fähigkeit ist auch grottig: Wenn ich abgelenkt werde, kann es passieren, dass ich abdrifte und so Gespräche mit mir eher holprig sind. Alles in allem aber scheinen meine Freunde meine Schusseligkeiten zu mögen — zumindest rufen sie immer wieder an. Jakob Lauterbach, 20 Sozialbetreuer in spe. Was meine Freunde an mir wahrscheinlich am meisten aufregt ist, dass ich sehr viel Zeit am Computer verbringe und zocke. Wenn ich übermüdet bin und mich auf »Battlefield 3« oder »League of Legends« konzentriere, erzähle ich nebenher konfuse Sachen, die absolut keinen Sinn ergeben, stichele im Delirium gegen meine Mitspieler oder äffe sie nach, so dass sie oft (wenn auch lachend) sagen müssen: »Jakob, halt’s Maul.« Und weil ich Schlachten nicht aufgeben kann, werden Spielrunden manchmal immens lang und ich komme zu spät zu Verabredungen. Da meine Freunde aber auch meist Gamer sind, haben sie zum Teil dieselben ›Probleme‹ und zeigen viel Verständnis. Ulrike Thekla Weber, 27 Lehramt-Referendarin Ich neige dazu, sehr hyperaktiv zu sein. Ich rede viel und kann nicht still sitzen. Meine Freunde sagen, dass ich damit Grenzen des Zumutbaren überschreite, indem ich zu ausgelassenem, übertriebenen Verhalten neige. So stimme ich zu jedem Kommentar ein Lied an (hauptsächlich die 90er) oder tanze in der Öffentlichkeit. Nach anfänglichem Befremden reiße ich aber doch andere Menschen mit — bis auf diejenigen, die nicht gelernt haben, sich gehen zu lassen oder ihre Emotionalität auszuleben. Die verlassen dann gerne mal den Raum. Ich bin bereits um einiges ruhiger geworden, trotzdem werde ich nie das Mädchen sein, welches still in der Ecke sitzt. Hagen Schmidt, 31 Student Ich bin erstaunt, dass ich meine Freunde und Familie so selten auf die Palme bringe, obwohl ich unendlich selbstverliebt, absolut besserwisserisch, extrem unsensibel und sehr von Vorurteilen geprägt bin, mich ständig respektlos gebäre, allen meine Meinung aufzwinge (und dabei vollkommen uneinsichtig bin), ständig zur falschen Zeit die falschen Witze über die falschen Personen mache, auch am Fettnäpfchen-Syndrom leide und aufgrund meiner chaotischen Lebensführung immer unpünktlich und unzuverlässig bin. Trotz dieser kleinen charakterlichen Unzulänglichkeiten akzeptieren und lieben mich meine Leute und dafür danke ich ihnen. Ein Hoch auf die Resilienz! Anni Malysz, 23 Studienabbrecherin Um meiner ›schlechten Eigenschaft‹ die negative Konnotation zu nehmen, würde ich sie eher als Schrulligkeit bezeichnen: Mein Kommunikationsverhalten treibt regelmäßig die Menschen in meinem Umfeld zur Weißglut! Verabredungen werden verschlafen, auf SMS vergessen, zu antworten und das Mutti wieder eine Woche sehnlichst wartet, meine Stimme zu hören, ist in dem Moment unwichtiger als das Staffelfinale von »The Walking Dead«. Es gibt aber auch Hoffnung am Zuverlässigkeitshorizont: Freunde haben mir schon oft den Kopf gewaschen, sodass ich mich immer mehr zusammenreiße. Trotzdem ist das vermutlich eine Eigenschaft, die immer zu mir gehört wie die Armbrust zu Daryl Dixon. Annie Srowig, 22 Studentin Meine Unpünktlichkeit ist in meiner Familie, die sehr auf Pünktlichkeit achtet problematisch, da ich immer zu spät komme. Ich halte halt gerne das akademische Viertel ein. Außerdem antworte ich auf »Oder«-Fragen grundsätzlich immer mit »ja« oder »nein«, was als Beifahrer und Navigationshilfe meine Freunde echt irre macht. Meine Entscheidungsunfreudigkeit generell und speziell bei Richtungswechseln macht Situationen für andere immer ein wenig abenteuerlicher — aber die eigentlichen Ziele werden irgendwie trotzdem stets erreicht. Solange man selbst und andere über solche ›Schwächen‹ noch lachen können, ist meine Welt aber in Ordnung.
November