LEUCHTTURM
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13 <strong>LEUCHTTURM</strong><br />
Fahrkosten für Schülerinnen und Schüler<br />
der Sekundarstufe II<br />
Im September 2009 habe ich in<br />
einem Antrag an den Rat der<br />
Gemeinde gefordert, den Schülerinnen<br />
und Schülern aus der<br />
Gemeinde Friedeburg, die die<br />
Sekundarstufe II einer allgemein<br />
bildenden Schule besuchen, die<br />
Fahrkosten zu erstatten. Hintergrund<br />
für diesen Antrag war die<br />
Tatsache, dass aus der Gemeinde<br />
Friedeburg viele Schülerinnen<br />
und Schüler wegen des begrenzten<br />
Angebots im Landkreis<br />
Wittmund zum Teil große<br />
Fahrstrecken zu den Schulen in<br />
den umliegenden Zentren (Wilhelmshaven,<br />
Wittmund, Wiesmoor,<br />
Jever, Zetel/Varel, Jaderberg<br />
u.a.) zurücklegen müssen.<br />
Die Kosten für diese Fahrten<br />
müssen die Schülerinnen und<br />
Schüler respektive ihre Erziehungsberechtigten<br />
selbst zahlen,<br />
da sie keinen Anspruch auf<br />
einen kostenlosen Schülertransport<br />
mehr haben.<br />
Nach meiner Meinung darf<br />
aber der Besuch einer weiterführenden<br />
Schule – auch im<br />
Sekundarbereich II – nicht von<br />
den finanziellen Möglichkeiten<br />
der Erziehungsberechtigten abhängen.<br />
Die Gremien des Rates<br />
folgten meinem Antrag, schlossen<br />
aber Schülerinnen und<br />
Schüler der KGS Wiesmoor (weil<br />
der Landkreis Wittmund ja selbst<br />
Träger einer Kooperativen Gesamtschule<br />
ist) und der berufsbildenden<br />
Schulen (Fachgymnasien<br />
an BBS´n sind keine allgemein<br />
bildenden Schulen) aus; Einschränkungen,<br />
die von den<br />
Betroffenen nur schwer nachzuvollziehen<br />
waren. Die Erstattung<br />
wurde zunächst für ein Jahr<br />
beschlossen, danach sollte diese<br />
freiwillige Leistung auf den<br />
Prüfstand gestellt werden.<br />
Nach dem Ablauf des Erstattungszeitraumes<br />
beschlossen<br />
Fachausschuss und Verwaltungsrat<br />
der Gemeinde im Rahmen<br />
der Haushaltsberatungen, die<br />
Zahlungen wegen der Höhe der<br />
dafür benötigten Mittel und<br />
aufgrund der knappen Mittel<br />
nicht fortzuführen. Meine Argumentation,<br />
dass die Möglichkeit,<br />
einen gymnasialen Schulabschluss<br />
zu erreichen, für die<br />
jungen Menschen in unserer<br />
Region ein wichtiges Angebot<br />
sei, wurde zwar geteilt, führte<br />
aber nicht zum einem positiven<br />
Beschluss. Auch der Hinweis,<br />
dass derzeit pro Jahrgang in<br />
unserer Region wesentlich weniger<br />
Schülerinnen und Schüler<br />
das Abitur oder die Fachhochschulreife<br />
erreichen als in<br />
anderen Regionen Niedersachsens<br />
(die Spitzenreiter liegen bis<br />
fast doppelt so hoch wie im<br />
Küstenraum). Die Gründe hierfür<br />
liegen zum einen in der<br />
schlechteren Erreichbarkeit der<br />
Standorte, an denen diese<br />
höheren Qualifikationsmöglichkeiten<br />
angeboten werden (eine<br />
Untersuchung in früheren Jahren<br />
hat ein starkes Absinken der<br />
Besuchsquote mit Entfernungen<br />
über 20 km zum Schulstandort<br />
ergeben) und zum anderen auch<br />
in der Einkommensituation, in<br />
der sich die Erziehungsberechtigten<br />
befinden. Hierzu liefert<br />
eine Untersuchung der Regio<br />
GmbH (http://www.regiogmbh.de/fileadmin/documents/<br />
Regio-Report-Maerz-2012.pdf)<br />
interessante Daten. Allerdings<br />
konnte dieser Hinweis die<br />
Ratsmitglieder seinerzeit nicht<br />
umstimmen.<br />
Die Ablehnung für die<br />
Erstattung der Fahrkosten wurde<br />
auch damit begründet, dass<br />
hierfür nicht die Gemeinde<br />
sondern das Land zuständig sei.<br />
Dass das Land nicht zahlt,<br />
könnte man auch als Nichterfüllung<br />
seiner Verpflichtung in der<br />
Niedersächsischen Verfassung interpretieren,<br />
nach der es für alle<br />
jungen Menschen im Land<br />
gleiche Bildungschancen zu<br />
sichern hat.<br />
Die Fahrkostenerstattung<br />
schien nach einem kurzen<br />
Intermezzo erledigt zu sein. Die<br />
Schülerinnen und Schüler müssen<br />
bereits im laufenden<br />
Schuljahr die Fahrkosten zu<br />
ihren Schulen wieder selbst<br />
bezahlen. Der Rat konnte sich<br />
nur zu einer Resolution durchringen,<br />
in der das Land<br />
aufgefordert wird, seinen Verpflichtungen<br />
nachzukommen.<br />
Sie wurde an die Landregierung,<br />
an Verbände und die Abgeordneten<br />
der Parteien in Bundestag<br />
und Landtag verschickt und fand<br />
starke Resonanz bei den Empfängern.<br />
Allerdings nur insoweit,<br />
dass viel Verständnis für das<br />
Anliegen des Rates gezeigt<br />
wurde. Möglichkeiten für eine<br />
Änderung der rechtlichen Bestimmungen<br />
und damit eine<br />
Lösung des Problems wurden<br />
nicht in Aussicht gestellt.<br />
Erstaunt war ich dann in<br />
diesem Frühjahr bei der Verabschiedung<br />
des Haushaltes, als der<br />
Rat mit überwältigender Mehrheit<br />
den Beschluss fasste, die<br />
Angelegenheit noch einmal an<br />
den zuständigen Fachausschuss<br />
zurückzuverweisen und die Verwaltung<br />
beauftragt wurde, die<br />
Möglichkeiten für eine Fortführung<br />
der Erstattung zu prüfen.<br />
Anmerkung der Redaktion: Leider hat<br />
dieser Prozess länger als ursprünglich<br />
geplant gedauert und eine Entscheidung<br />
ist erst nach Redaktionsschluss<br />
gefallen: Der Schulausschuss hat der<br />
Erstattung zugestimmt, Einzelheiten<br />
müssen aber noch ausgearbeitet<br />
werden und die höheren Gremien<br />
dann alles absegnen. Übrigens: Bei<br />
der GEW-Podiumsdiskussion mit den<br />
Landtagskandidaten waren auch alle<br />
für die Fahrtkostenerstattung – aber<br />
keiner wollte dafür auch eine<br />
Finanzierungszusage geben!<br />
Theo Hinrichs,<br />
Horsten